Stellungnahme

Eier und Cholesterin: Nur ein Ei pro Woche?

Lipid-Experte Prof. Ulrich Laufs gibt eine Einschätzung zur neuen DGE Empfehlung.

Nachdem die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ihre neuen lebensmittelbezogenen Empfehlungen veröffentlicht hat, sind die Diskussionswellen um den gesunden Eierkonsum just zur Osterzeit wieder hochgeschlagen. Denn danach sollte nur noch ein Ei pro Woche auf dem Speiseplan stehen. Wir haben nachgefragt bei Prof. Ulrich Laufs, was er als Lipid-Experte davon hält.

Nach den überarbeiteten Empfehlungen DGE ist für eine gesundheitsfördernde Ernährung ein Ei pro Woche ausreichend (1), etwa in Form eines Frühstücks-Eis. Begrüßen Sie als Lipidexperte diesen Rat mit Blick auf eine cholesterinarme Ernährung? Noch vor wenigen Jahren hatten zum Beispiel amerikanische Kardiologen noch ein Ei pro Tag für gesund erklärt (2).

Nein, es ist sogar so, dass eine solche Empfehlung schädlich sein kann, weil es den Menschen vorgaukelt, dass jeder durch die Ernährung etwas am Cholesterin im Blut ändern kann und dass insbesondere Personen mit hohen Cholesterinwerten selbst schuld sind. Dabei ist der Cholesterinstoffwechsel im Wesentlichen genetisch determiniert, also ererbt aus der Familie. Und wie viel Cholesterin im Blut ist, wird über die Leber reguliert. Es gibt dort einen LDL-Rezeptor, der insbesondere die bösen LDL-Partikel bindet. Und um die geht es ja, wenn wir über Gefäßverkalkung  und Infarktrisiko reden. Wenn nun diese Rezeptoren nicht gut funktionieren, dann bleibt mehr von den LDL-Partikeln im Blut, die Gefäßablagerungen begünstigen. Das Essen ist natürlich nicht völlig egal. Es kommt aber sehr auf den Ausgangszustand an, das muss man verstehen.

Wie relevant ist denn nun speziell der Ei-Konsum für den Fettstoffwechsel? 

Das hängt wie gesagt vom Ausgangszustand ab. Also: Wenn wir einen “metabolischen Totalschaden“ vor uns haben, also einen Patienten, der nur aus der Fritteuse lebt und vor einem Bildschirm sitzt, dann kann eine Änderung des Lebensstils mit mehr Bewegung, Gewichtsreduktion und Reduktion einer zuvor sehr fettbetonten Ernährung schon dazu führen, dass das LDL-Cholesterin – das ist unsere Zielgröße – um 20 bis 30 % sinkt. Wenn wir aber eine schlanke Person vor uns haben, die die Farbe Grün auf dem Teller kennt, dann wird eine Ernährungsumstellung, egal welcher Art, selbst eine vegane Ernährung, fast nichts am LDL-Cholesterin-Wert ändern. 

Vor allem bei Personen mit familiärer Hypercholesterinämie und dementsprechend hohen Cholesterinwerten hat die Ernährung oft überhaupt keinen Einfluss. Da muss man manchmal die Betroffenen von der falschen Vorstellung befreien, sie seien schuld an ihrem hohen Cholesterin. Insbesondere für den Blutfett-Parameter Lipoprotein(a) gilt, dass der Lebensstil leider ebenfalls keinen Einfluss auf dessen Serumkonzentration hat. Anders ist das bei hohen Triglyceriden, da sind Lebensstil-Faktoren sehr wichtig.

Das heißt somit: Bloß weil ein Ei von der Zahl her viel Cholesterin enthält, sorgt der Verzehr nicht zwangsläufig dafür, dass unser Cholesterin im Blut hoch wird, bzw. dass durch das Weglassen der Cholesterinspiegel sinkt. Wir können Ostern also mit Eiern genießen? 

Ja, das Oster-Ei ist schon lange rehabilitiert. Es gibt sogar den Extremfall eines Patienten, der über Jahrzehnte jeden Tag eine zweistellige Zahl von Eiern gegessen hat und dennoch ein völlig normales Cholesterin hatte.

Vor diesem Hintergrund sind dann wahrscheinlich auch die Daten einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2022 mit Vorsicht zu interpretieren. Danach stieg nämlich mit jedem zusätzlich pro Tag verzehrten Ei auch das Risiko für einen vorzeitigen Herztod (3). Aber das lag dann wohl nicht kausal am Ei?  

Ja. Man darf nicht eine Assoziation mit der Ursache verwechseln. Man kann hier fragen: Wer isst denn jeden Tag zum Beispiel fünf Eier zum Frühstück in den USA? Das sind etwa Straßenarbeiter, Bauarbeiter, die mit der Zigarette im Mund, im Schnellrestaurant Speck und Eier essen, mit geringem Einkommen und schlechter medizinischer Versorgung. Ob ihr nachweislich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko etwas mit den Eiern selbst zu tun hat, ist fraglich. Der hohe Eier-Konsum selektioniert eine bestimmte Personen-Gruppe mit hohem Risiko. Doch dieses Risiko muss nichts mit den Eiern per se zu tun haben.

Und da ist noch ein weiterer Punkt: Das LDL-Cholesterin ist kein geeigneter Messparameter, um die Wirksamkeit von Lebensstilmaßnahmen wie Ernährung oder Sport zu messen. Ich erkläre meinen Patienten immer: Sie können nicht mit einem Zentimetermaß eine Temperatur messen und mit dem Thermometer eine Strecke. Keine Frage: gesunde Ernährung und Bewegung sind positiv. Aber davon geht der LDL-Wert leider kaum runter. 

Trotzdem hoffen Patienten immer auf klare Empfehlungen von Experten. Was raten Sie denn in der Leipziger Lipidambulanz, wie sich Patienten mit Cholesterinproblemen ernähren sollten oder welchen Lebensstil sie pflegen sollten? 

Wir müssen unterscheiden, welche Fettstoffwechselstörung vorliegt. Wir haben zuvor über das LDL-Cholesterin geredet. Bei Personen mit hohen Triglyceriden ist das nochmals ganz anders. Hier sind Ernährungsempfehlungen das A und O. Bei Personen mit hohen LDL-Werten gilt hingegen, was für die allgemeine Gefäßgesundheit gilt. Die Lebensstilfaktoren mit der besten Wirksamkeit sind hier das Nichtrauchen und Bewegung. Leider ist beides ein bisschen mit Anstrengung verbunden. Während die Wunschvorstellung, dass man etwas zusätzlich isst, etwa Vitamine, und man dann gesünder wird, ganz tief in uns Menschen verhaftet ist. Aber das ist leider, leider nicht korrekt. 

Wichtig ist es darauf zu achten, dass die Energiezufuhr unserem Kalorienverbrauch entspricht. Denn wenn wir mehr Kalorien zuführen, als wir verbrauchen, nehmen wir zu. Und das ist metabolisch ungünstig, und auch sonst schlecht, etwa für unseren muskuloskelettalen Apparat. 

Wie kann man das umsetzen? 

Zwei Dinge: Selbst gekochtes Essen ist  fast immer besser als gekauftes Essen. Und: Die Farbe Grün gehört immer mit auf den Teller. Das sind im Prinzip die wesentlichen Punkte. Und nicht zu unterschätzen sind die positiven Effekte eines gemeinsamen Essens: Gesellschaft und Freude und Entspannung sind kardioprotektiv. Das gilt nicht allein zum Osterfest.

Professor Laufs, vielen Dank für das Gespräch.

(Die Fragen stellte Medizinredakteurin Ruth Ney)

So erläutert die DGE ihre Ei-Empfehlung (Stand 22.3.24):

Die Portionsangabe von einem Ei pro Woche beruht nicht auf einer Begrenzung aus gesundheitlichen Gründen, z. B. dem Cholesterin. Es ist eine Menge, die für die Nährstoffzufuhr und Gesundheit ausreichend ist, zugleich die Umwelt nicht stärker als nötig belastet und die den durchschnittlichen Verzehrgewohnheiten der deutschen Bevölkerung entspricht.

Eier enthalten wichtige Nährstoffe wie biologisch hochwertiges Protein, ungesättigte Fettsäuren, Vitamin A, D und B-Vitamine sowie Mineralstoffe. Ein unbegrenzter Verzehr ist im Rahmen einer pflanzenbetonten Ernährung dennoch nicht zu empfehlen.

  1. https://www.dge.de/presse/meldungen/2024/gut-essen-und-trinken-dge-stellt-neue-lebensmittelbezogene-ernaehrungsempfehlungen-fuer-deutschland-vor/
  2. https://www.heart.org/en/news/2018/08/15/are-eggs-good-for-you-or-not#:~:text=The%20American%20Heart%20Association%20suggests,part%20of%20a%20healthy%20diet
  3. https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.057642) und https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/JAHA.120.017066

Experte

Univ.-Prof. Dr. med. Ulrich Laufs
Prof. Ulrich Laufs

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