Sind hohe Harnsäurewerte und eine Gichterkrankung als ähnlich kritischer Risikofaktor einzuschätzen wie Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte und Übergewicht? Und gibt es einen Zusammenhang mit einer familiären Veranlagung für Arteriosklerose und Herzerkrankungen? Hier die Antwort unseres Experten.
Die Sprechstundenfrage im Wortlaut
Mein Arzt hat bei mir vor kurzem erhöhte Harnsäurewerte von deutlich über 8 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) festgestellt und mir darauf hin Allopurinol 100 verordnet. Da ich allerdings bereits seit meinem 50.Lebensjahr Verkalkungen der Herzgefäße aufweise und es in meiner Familie auch viele Personen mit Herzproblemen gibt – einige sind schon früh daran gestorben (z.B. Schlaganfall mit 29, Herztod mit 55 Jahren; mein Vater hat 8 Stents) – bin ich nun in Sorge. Mir sind natürlich Risikofaktoren wie ein erhöhter LDL- Wert, Lipoprotein (a), Bluthochdruck oder Übergewicht bekannt. Aber wie sieht es mit den Harnsäurewerten aus? Sind diese auch ein Risiko für mein Herz? Und kann ich bedenkenlos Allopurinol einnehmen? Für eine kurze Stellungnahme wäre ich sehr dankbar. (Peter K, 56 Jahre, Hannover)
Antwort des Experten
Als Obergrenze der Harnsäure im Blut werden für Männer heute etwa 7-8 und für Frauen 6 Milligramm pro Deziliter angegeben. Auch bei Ihnen ist somit offensichtlich zu viel Harnsäure im Blut. Starker Alkoholkonsum, Fastenkuren und der Verzehr stark purinhaltige Lebensmittel wie vor allem Fleisch, Wurst und Innereien können für erhöhte Harnsäurewerte sorgen. Erhöhte Werte können ebenso auf eine Gicht- oder auf Nierenerkrankungen wie eine Nierenschwäche hindeuten.
Seit langer Zeit ist zudem bekannt, dass erhöhte Harnsäurewerte im Blut das Entstehen und den Verlauf einer Arteriosklerose in den Gefäßen fördern. Sie werden daher als kardiovaskulärer Risikofaktor eingestuft. Allerdings weiß man auch, dass zum Beispiel ein erhöhtes LDL-Cholesterin ein wesentlich größerer Risikofaktor für Gefäßablagerungen ist als die erhöhte Harnsäure.
Was ist Harnsäure?
Harnsäure ist ein Produkt des Purinstoffwechsels. Purine sind Bausteine von Nukleinsäuren, die Bestandteil unseres Erbguts (DNA) sind. Die Harnsäure entsteht beim Abbau von DNA und wird zu 75 Prozent über die Nieren ausgeschieden, der Rest über den Schweiß, Speichel und Darm. Ernährung, Alter und Geschlecht beeinflussen die Harnsäure-Menge im Körper. Bei bestimmten Erkrankungen produziert der Körper zu viel.
Eine erhöhte Harnsäure hat dennoch andere ungünstige Wirkungen: Auf längere Sicht kommt es zu einer Schädigung der Niere und besonders auch der Gelenke. Denn bei zu viel Harnsäure im Blut, wird die Löslichkeit überschritten und es bilden sich daraus Kristalle, die sich etwa in den Gelenken ablagern. Deshalb ist eine erhöhte Harnsäure auch dann, wenn sie noch gar keine Symptome hervorruft (Gicht) behandlungsbedürftig. Und aus diesem Grund hat Ihnen ihr Arzt auch das Medikament Allopurinol verordnet.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Patienten die Behandlung ablehnen, da die erhöhte Harnsäure zunächst einmal keinerlei Beschwerden verursacht. Manchmal ist es schwer zu vermitteln, dass die erhöhte Harnsäure auf die Dauer viele Organe schädigt, ein Risikofaktor für Diabetes sowie Nierenversagen und Arterienverkalkung ist und Studien zufolge auch zum vorzeitigen Tod etwa durch Schlaganfall führen kann. Daher rate ich Ihnen, das Medikament einzunehmen. Sie müssen dabei für Ihrer Herzgesundheit nichts befürchten, sondern haben voraussichtlich mehr Nutzen. Zudem sollten sie auf eine purinarme Ernährung achten und wenig bis gar keinen Alkohol konsumieren.
Nebenbei eine kleine geschichtliche Anekdote: Viele Mitglieder der Medici-Familie in Florenz sind an den Folgen einer erhöhten Harnsäure gestorben.
Experte
- 60323 Frankfurt am Main
- info@herzstiftung.de
- www.kardiologie-meinertz-jaeckle.de/
Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.
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