Reisen macht wieder Spaß – das gilt auch für Menschen mit einem implantierten Herzschrittmacher oder Defibrillator. Im Interview erläutert der Rhythmologe Privatdozent Dr. Carsten Israel aus Bielefeld, worauf es für Sie ankommt, damit die Reise ohne gesundheitliche Beeinträchtigung zum Erlebnis wird.
Anreise per Flugzeug, Schiff und Auto
Eine der größten Sorgen von Patienten mit einem Defibrillator oder Herzschrittmacher dreht sich um elektromagnetische Felder, die die Funktion des implantierten Geräts beeinflussen könnten. Die kommen zum Beispiel am Flughafen oder auf den Kreuzfahrtschiffen bei den Sicherheitskontrollen vor, wenn mit Metalldetektoren oder dem Ganzkörperscanner gearbeitet wird. Wie berechtigt ist diese Sorge?
Israel: Die schlechte Nachricht vorweg: Theoretisch kann jedes elektrische Gerät einen Schrittmacher oder Defibrillator beeinträchtigen, sogar so, dass der Schrittmacher es nicht erkennt, wenn der Patient keinen eigenen Puls hat, oder dass der Defibrillator unnötig Schocks abgibt. Gleich die beruhigende Information hinterher: Entsprechende ernsthafte Interaktionen mit irgendwelchen elektrischen Geräten hat es in den letzten Jahren praktisch weltweit kaum noch gegeben. Das liegt unter anderem daran, dass die heutigen Schrittmacher und Defibrillator-Geräte eine ganze Reihe von Sicherheitsmechanismen haben, Filterfunktionen und auch technische Bauteile, die sie weniger anfällig machen. Daher haben auch Metalldetektoren oder Ganzkörperscanner keinen messbaren Einfluss auf die Funktion – das ist mehrfach getestet worden.
Dennoch empfehle ich, das Sicherheitspersonal über das Implantat vorab zu informieren, damit auch nicht mehr als nötig etwa mit einem Handscanner über die Brust gefahren wird. Die allermeisten modernen Schrittmacherausweise haben daher bereits in englischer Sprache einen kleinen Abschnitt, wo sinngemäß drinsteht: Herr/Frau Soundso trägt einen implantierten Herzschrittmacher, bitte Vorsicht bei der Flughafenkontrolle.
Apropos Magnetfelder, darf ein Träger eines Schrittmachers oder Defibrillators eigentlich ein E-Auto nutzen zum Verreisen oder als Urlaubsauto mieten?
Aus umwelttechnischen Gründen würde man sich sogar wünschen, dass er das macht. Und Mediziner aus München haben das tatsächlich auch ganz genau untersucht und kommen in mehreren Untersuchungen zu dem Schluss, dass die Magnetfelder der Batterien im Elektroauto in keinem Fall den Schrittmacher oder Defibrillator in irgendeiner Weise beeinflussen. Die Batterien sitzen zudem meist hinten unter der Rückbank. Ganz Vorsichtige können dann eher vorne Platz nehmen auf der Fahrer- oder Beifahrerseite.
Kleine Warnung: Die größten Magnetfelder treten nicht im Inneren des Fahrzeugs auf bei der Fahrt, sondern an der Ladesäule. Wenn diese, beziehungsweise das Ladekabel oder der Anschluss, nicht gut isoliert ist, dann steht alles ein klein bisschen unter Strom. Das Ganze ist jedoch nur theoretisch, denn meines Wissens gibt es keinen einzigen Bericht weltweit, dass eine solche Interaktion mit einem Defibrillator oder Schrittmacher beim Laden tatsächlich einmal aufgetreten wäre.
Wie steht es um Einflussfaktoren wie Kabinendruck oder kosmische Strahlung während eines Flugs?
Die kosmische Strahlung ist ein interessantes Thema. Im Prinzip ist es so, dass durch die kosmische Strahlung immer wieder geladene Teilchen, ähnlich wie Röntgenstrahlen, alle Flugzeugteile und Körper und somit auch den Schrittmacher durchfliegen können und diesen dann ganz unglücklich an einer verwundbaren Stelle treffen könnten. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass so etwas passiert, ist so gering, dass es wahrscheinlicher ist, dass die Sonne morgen explodiert und die Erde verbrennt – selbst bei einer sehr langen Flugreise wie nach Australien. Daher können Träger eines Schrittmachers oder Defibrillators ja auch problemlos eine Röntgen- oder CT-Untersuchung bekommen, bei der eine ganze Masse mehr elektrische Teilchen durch den Körper des Patienten fliegen als bei einem Flug.
Problematischer kann hingegen der Kabinendruck sein, wodurch bei großer Flughöhe und langer Reisezeit weniger Sauerstoff in der Atemluft ist. Das betrifft aber nicht das implantierte Gerät an sich. Sondern bei Herzpatienten ganz allgemein, vor allem bei jenen mit einer ausgeprägten Herzinsuffizienz oder zusätzlichen Lungenerkrankung, erhöht sich mit verringerter Sauerstoffversorgung das Risiko für kardiale Komplikationen. Deswegen die Empfehlung: Bevor man eine Flugreise antritt, sollte man als Patient mit Herzschwäche unbedingt einen Herzcheck machen lassen.
Gibt es weitere Ratschläge für Träger von Defibrillator oder Herzschrittmacher zur Vorbereitung auf eine Auslandsreise?
Ganz generell würde ich Patienten mit einem implantierten elektronischen Gerät empfehlen, sich vor Antritt der Reise zu erkundigen, an wen man sich vor Ort bei Problemen wenden kann. Dazu gibt es etwa im Internet entsprechende Informationen oder die Hersteller bieten Listen von zuverlässigen Institutionen, Krankenhäusern oder Praxen im Ausland, wo die Gerätefunktion ausgelesen werden kann. Erfreulicherweise funktioniert inzwischen auch in einigen Ländern eine telemedizinische Betreuung aus Deutschland weiter.
Reisen und Schonung nach Op
Wann kann überhaupt die Reise nach einer Neuimplantation angetreten werden?
Eine genaue Anzahl von Tagen gibt es da nicht. Aber typischerweise würde ich etwa zwei Wochen ansetzen und warten, bis man zum Beispiel beschwerdefrei zwei Etagen Treppen steigen kann. Wer zudem als Patient mit Herzrhythmus-Störungen eine neue medikamentöse Einstellung etwa auf ein Antiarrhythmikum bekommen hat, sollte warten, bis sich die Wirkung eingespielt hat. Das kann durchaus ein bisschen dauern. Denn es wäre ein Albtraum, im Flugzeug zu sitzen und einen Defi-Schock nach dem anderen zu bekommen.
Vonseiten des Gerätes ist der Op-Abstand egal. Ein Schrittmacher oder ein Defibrillator macht eine Woche nach Implantation das Gleiche wie sechs Wochen nach Implantation. Doch der Patient sollte rhythmologisch und von seiner Pumpfunktion her stabil sein.
Wie weit gelten noch Empfehlungen, dass man den Arm auf der Op-Seite für sechs Wochen schonen und auch nicht über 90 Grad anheben sollte, beziehungsweise auf Baden und Schwimmen verzichten sollte, bis die Wundheilung vollständig abgeschlossen ist?
Vielen Dank für diese Frage, die ist ganz wichtig. Also: Bei einem modernen und gut implantierten Schrittmacher oder Defibrillator sollte der Patient – Achtung! – drei Tage lang seinen Arm auf der Seite, wo operiert wurde, nicht ruckartig extrem hochheben oder nach hinten verdrehen. Grund ist, dass es dann sehr weh tut und dass eventuell die Hautnaht aufplatzen könnte. Ansonsten sind Schrittmachersonden heutzutage sicher im Herzen festgeschraubt. Das wird schon während der Operation geprüft. Die alte Empfehlung von vier oder gar sechs Wochen Ruhe ist vielmehr ein Riesenproblem, weil bereits nach fünf bis sieben Tagen die Schulter anfängt, steif zu werden durch eine Verkürzung bestimmter Armsehnen.
Zum zweiten Punkt: Man geht davon aus, dass es auch bei guter Hautnahttechnik durchaus bis zu zehn Tage dauern kann, bis die Haut absolut wasser- und bakteriendicht ist. Daher unbedingt nach Implantation wenigstens zehn Tage lang auf die Wunde kein Wasser, keine Seife, kein Schmutz. Wenn man duscht, dann möglichst nur bis unterhalb des Brustkorbes und mit Pflasterschutz auf der Naht. Da in Gewässern unter Umständen mehr Bakterien vorhanden sind, würde ich mit dem Baden sogar 14 Tage warten.
Freizeit mit Defi
Welche anderen Aktivitäten sind am Urlaubsort für Träger eines Defibrillators oder Schrittmachers erlaubt? Was ist umgekehrt tabu?
Im Prinzip ist es immer wichtig daran zu denken, dass ein Schrittmacher wie auch ein Defibrillator dem Patienten helfen und ihn bei Alltagsaktivitäten bis hin zu Sport und Hobbys unterstützen soll. Daher gilt generell, dass man mit einem solchen Implantat sportliche Aktivitäten problemlos machen kann, soweit man vonseiten der Herzerkrankung keine Einschränkung hat. Allerdings sollte man Aktivitäten meiden, wo eine Bewusstlosigkeit extrem gefährlich wäre. Beispiel: Wer beim Drachenfliegen in 500 Metern Höhe bewusstlos wird und abstürzt, dem hilft auch sein Defibrillator oder Schrittmacher nicht.
Ähnlich ist es beim Tieftauchen. Hier kommt hinzu, dass gerade die modernen, kleinen Geräte mit ihren enggepackten Bauteilen eventuell besonders empfindlich selbst auf minimale Verformungen aufgrund von Druckveränderungen in der Tiefe reagieren können, wodurch es zu Kurzschlüssen und einem Geräteausfall kommen kann. Daher sollte üblicherweise im Urlaub besser nur geschnorchelt werden.
Wie steht es denn um das Sonnenbaden und die Risiken eines Sonnenbrandes auf der Brust in der Nähe der Naht? Oder umgekehrt auch um Kältebelastungen? Nicht jeder fährt ja im Sommer nur ins Warme.
Bezüglich der Temperaturen kann man Entwarnung geben. Im Prinzip ist das Implantat unter der Haut vor Hitze wie vor Kälte gut geschützt. Wer sich allerdings eine schwere Hautverletzung direkt auf dem Schrittmacher oder Defibrillator zuzieht, etwa durch einen starken Sonnenbrand, und unter Umständen sogar operiert werden muss, riskiert, dass es zu einer Infektion oder einer Entzündung im Bereich der Op-Tasche kommt.
Macht es denn bei all diesen Empfehlungen einen Unterschied, ob ich ein neues Implantatmodell oder ein altes trage, beziehungsweise ob ich ein junger Träger oder eher ein älterer Träger bin?
Generell ist es so, dass Geräte, die vor 2002 produziert wurden, häufig etwas anfälliger sind – gerade mit Blick auf elektromagnetische Einflüsse, weil damals mehr ferromagnetische Bauteile verwendet wurden und einige der speziellen Filter noch nicht vorhanden waren. Doch unterm Strich sind diese Unterschiede so marginal, dass sie für den Alltag oder für die Empfehlungen, was man machen darf oder nicht machen darf, in der Regel keine Rolle spielen. Und das gilt genauso für die Frage, ob ein alter oder ein junger Patient das Implantat trägt.
Entscheidend sind vielmehr die zugrundeliegende Herzerkrankung und die Pumpfunktion des Herzens. Je problematischer die ist, umso eher würde man von einigen, insbesondere anstrengenden Dingen während des Urlaubs unbedingt abraten.
Die Fragen stellte Medizinredakteurin Ruth Ney
Experte
Privatdozent Dr. med. Carsten Israel ist Chefarzt der Abteilung für Kardiologie am Evangelischen Klinikum Bethel und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung.
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