Patienten, die ein anfallartiges Vorhofflimmern erleben, sind zutiefst erschüttert. Das Herz schlägt wie wild. Schwächegefühl, Kopfschmerzen und Übelkeit sind Begleiterscheinungen. Aber es gibt Hoffnung! Ein von der Deutschen Herzstiftung e.V. gefördertes Projektteam erforscht die Wirkung eines Medikaments, das Patienten mit Vorhofflimmern helfen könnte. Das Medikament – so der aktuelle Forschungsstand – stellt den normalen Herzrhythmus schnell wieder her und ist gut verträglich. Wenn sich das Medikament im Forschungstest weiter bewährt, kann es künftig die Behandlung von Patienten mit akutem Vorhofflimmern entscheidend verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen steigern.
Akutes Vorhofflimmern: Wie wirksam ist ein neues Medikament?
Die Möglichkeiten, Vorhofflimmern medikamentös zu behandeln, sind heute leider noch sehr begrenzt. Doch dies könnte sich in absehbarer Zeit ändern! Denn ein Projektteam des Universitätsklinikums Heidelberg hat vor einigen Jahren eine konkrete Ursache für die Entstehung von Vorhofflimmern identifiziert. So stellte das Team um Prof. Dr. med. Constanze Schmidt anhand von Gewebeproben fest, dass sich im menschlichen Herzvorhof sogenannte TASK-1-Ionenkanäle befinden. War die Entdeckung dieses Eiweißmoleküls an sich schon eine kleine Sensation, ergaben weitere Untersuchungen, dass dieser neu entdeckte Kanal die elektrische Erregung der Herzmuskelzellen in den Herzvorhöfen, dem Entstehungsort des Vorhofflimmerns, maßgeblich steuert.
Gefördert von der Deutschen Herzstiftung, konnte die Forschergruppe weiterhin feststellen, dass diese Ionenkanäle bei Patienten mit Vorhofflimmern deutlich häufiger auftreten als bei herzgesunden Patienten. Das häufigere Vorkommen dieser Kanäle ist demnach eine ganz wesentliche Ursache für das Entstehen von Vorhofflimmern. Es führt zu einer elektrischen Überversorgung der Herzmuskelzellen, die das gefährliche Vorhofflimmern mit auslöst. Nachdem die Heidelberger Forschergruppe im nächsten Schritt ein Medikament identifiziert hatte, das die TASK-1-Ionenkanäle blockiert und den normalen Herzrhythmus wiederherstellt, startete 2019 die erste Testphase mit einem bereits zugelassenen Medikament. Dieses wird bisher nicht bei Herzerkrankungen, sondern bei einer anderen Erkrankung angewendet. Es gilt als gut verträglich.
Das geförderte Projekt
Das Besondere des Forschungsprojektes ist, dass die TASK-1-Ionenkanäle nur in den Herzvorhöfen auftreten und dass auch das Medikament, das aktuell getestet wird, nur an dieser Stelle wirkt. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber herkömmlichen Antiarrhythmika, die auch auf die Hauptkammern des Herzens wirken und dort sowie an anderen Organen langfristig unerwünschte Nebenwirkungen haben können. Ein weiterer Vorteil ist die – nach den bisherigen Testerfahrungen – sehr schnelle Wirkzeit.
Ziel der Studie ist es, fundierte Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Dosierung für welchen Patienten optimal ist, und zu erfahren, ob Nebenwirkungen auftreten. Teilnehmer der Studie sind Herzpatienten mit akutem Vorhofflimmern, die aufgrund dessen das Krankenhaus aufsuchen. Sie erhalten das Testmedikament intravenös, werden sechs Stunden lang mit einem Langzeit-EKG überwacht und anschließend untersucht.
Zwischenbericht von Prof. Constanze Schmidt
Aktuell (Sommer 2022) haben wir eine modifizierte und vorerst letzte Studienkohorte gestartet, an der alle Patienten mit der aktuellen Indikation zur pharmakologischen Kardioversion teilnehmen können. Hierbei wird das Medikament über einen bestimmten Zeitraum per Infusion stationär verabreicht. Wir hoffen wir können diese Studienkohorte bis Ende des Jahres abschließen.
Vorhofflimmern ist die häufigste Art der Herzrhythmusstörung. Das Herz gerät auf einmal völlig aus dem Takt. Die Herzvorhöfe schlagen mit bis zu 600 Schlägen pro Minute, die nur unregelmäßig auf die Herzhauptkammern übergeleitet werden. Vorhofflimmern gehört dabei zu den gutartigen Herzrhythmusstörungen. Unbehandelt führt es früher oder später jedoch zu gravierenden Folgeschäden – vor allem zum Schlaganfall. Auch bei bereits bestehenden Herzerkrankungen – wie etwa der Herzschwäche und der koronaren Herzkrankheit – ist Vorhofflimmern gefährlich, da es die Pumpkraft des Herzens einschränkt. In Deutschland sind rund zwei Millionen Menschen von Vorhofflimmern betroffen. Schätzungen zufolge wird sich die Zahl bis zum Jahr 2050 verdoppeln.
3 Fragen an die Forscherin Prof. Dr. med. Schmidt
Die bisherigen Erfahrungen sind gut. Die Studie wurde im Februar 2019 gestartet. In der ersten Studienphase haben die Patienten die geringste mögliche Dosierung des Medikaments erhalten. Der normale Herzrhythmus konnte in ein paar Fällen wiederhergestellt werden. Es sind bisher keine relevanten Nebenwirkungen aufgetreten. Dies ist aber nur ein erster Zwischenstand. Aktuell gehen wir in die zweite Studienphase mit leicht erhöhter Dosis über. Die gesetzlich zugelassene Höchstdosis wird nicht überschritten.
Ja, gerade Patienten, die häufig und bereits seit Jahren unter Vorhofflimmern leiden, könnten künftig von dem Therapieansatz profitieren. Denn bei ihnen ist davon auszugehen, dass in den Herzvorhöfen besonders viele TASK-1-Ionen-kanäle vorkommen. Auch Patienten, bei denen bereits eine kathetergestützte Verödung (Ablation) krankhafter Erregungsherde im Herzen vorgenommen wurde, kommen in Frage. Ein anderer Fall sind jedoch Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz und nur seltenem Vorhofflimmern. Bei dieser Patientengruppe sind aller Voraussicht nach nur wenige TASK-1-Ionenkanäle vorhanden.
Bei positivem Ergebnis wäre als nächster Schritt anzustreben, dass das Medikament in den medizinischen Leitfaden für die Behandlung von akutem Vorhofflimmern aufgenommen wird. Das nächste Ziel wäre es, weiter zu erforschen, ob das Medikament, das die Ionenkanäle für ca. zwei Tage blockiert, auch zur dauerhaften Behandlung von Vorhofflimmern geeignet ist.
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