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Bluthochdruck-Therapie senkt Demenz-Risiko

Lässt sich durch Senken eines erhöhten Blutdrucks die Gefahr verringern, dass sich eine Demenz entwickelt? Lesen Sie, was dazu bekannt ist.

Man fasst sich an den Kopf und ist erschöpft
2020 Robert Kneschke/Shutterstock

Mehr als Schutz vor Schlaganfall

Wissenschaftler sind sich einig: Ein normaler Blutdruck schützt definitiv das Gehirn vor einem Schlaganfall. Dementsprechend wird versucht, erhöhte Werte konsequent unter 140/90 mmHg – am besten auf Werte zwischen 120-130 mmHg  – zu senken. Kontrovers wird hingegen diskutiert, ob eine Bluthochdruck-Therapie auch das Risiko senkt, eine Demenz zu entwickeln. Eine häufig geäußerte Sorge in diesem Zusammenhang ist, dass niedrige Blutdruckwerte möglicherweise die Blutzufuhr und damit die Sauerstoffversorgung des Gehirns beeinträchtigen, was sich dann wiederum negativ auf die geistige Leistungsfähigkeit auswirken kann. Wie ist hier der Stand der Wissenschaft?

Beständig hoher Blutdruck belastet nicht nur die Gefäße des Herz-Kreislauf-Systems. Es kommt vermutlich auch zu strukturellen Veränderungen und zu einer Volumenreduktion im Gehirn. Die betroffenen Regionen sind mitverantwortlich für die kognitive Leistung, wie nachgewiesen werden konnte. Mehrere aktuelle Studien zeigen inzwischen außerdem mehrheitlich Ergebnisse, die für einen positiven Effekt der Blutdrucksenkung auf das Demenzrisiko sprechen. 

So haben australische Forscher in einer Auswertung von fünf Studien (1) mit insgesamt über 28.000 Patienten diese Fragestellung systematisch untersucht. Die Wissenschaftler ermittelten aus den Daten von Patienten mit und ohne Demenz, dass bereits das medikamentöse Absenken des Blutdrucks um 10 mmHg systolisch und 4 mmHg diastolisch das Demenz-Risiko um über zehn Prozent verringern kann. Und: Je ausgeprägter die Blutdrucksenkung war, desto mehr wurde das Risiko einer Demenz vermindert. Dieser lineare günstige Effekt war bis zu einem Blutdruck von 100/70 mmHg nachweisbar. Es gab auch keinen Hinweis auf einen Schaden durch die Blutdrucksenkung.

Weniger geistiger Abbau bei guter Blutdruck-Kontrolle

Im „China Rural Hypertension Control Project“ (2) wurde zudem der positive Effekt einer guten Blutdruck-Kontrolle auf kognitive Fähigkeiten bestätigt. Dabei waren rund 34.000 Chinesen aus über 300 Dörfern in China beobachtet worden. Die Hälfte von ihnen nahm an einem überwachten Blutdruck-Behandlungsprogramm teil. Es zeigte sich nach vier Jahren, dass die im Schnitt 63-Jährigen Teilnehmer dieser Gruppe ein deutlich reduziertes Demenz-Risiko hatten und auch der geistige Abbau geringer war als in der Vergleichsgruppe ohne gezielte Therapie.

Zum Schutz vor Demenz: Blutdruck-Therapie frühzeitig beginnen

In welchem Alter aber profitieren Patienten am meisten von einer guten Blutdruck-Einstellung? Wann zeigt sich, ob das tatsächlich einer Demenz vorbeugt, die sich ja meist schleichend entwickelt und dann erst im höheren Alter deutlich zeigt. Auch zu dieser Fragestellung gibt es interessante Daten. So haben bereits Menschen mittleren Alters mit Bluthochdruck ein erhöhtes Demenz-Risiko. Dazu wurden etwa im Rahmen der Herz-Hirn-Studie (3) die Daten von über 1200 Argentiniern mit Bluthochdruck (Alter zwischen 21 und 95 Jahren) ausgewertet ihr künftiges Demenz-Risiko berechnet. Bemerkenswert: Insgesamt 40 Prozent der Probanden hatten ein erhöhtes Risiko. Doch 28 Prozent – also mehr als die Hälfte – entfielen dabei allein auf die Altersgruppe 47 bis 53 Jahre. Das zeigt deutlich: Eine konsequente Blutdruck-Einstellung im mittleren Alter zahlt sich später aus. 

Auch Senioren nutzen gute Blutdruck-Werte

Das heißt allerdings nicht, dass im Alter eine Bluthochdruck-Therapie weniger wichtig ist. Denn auch dann kann sie sich noch positiv auf das Demenzrisiko auswirken. Italienischer Forscher haben zum Beispiel bei rund 215.000 Personen ab 65 Jahren, die erstmals eine Bluthochdruck-Therapie bekamen, das neue Auftreten einer Demenz bzw. von Morbus Alzheimer in den Folgejahren erfasst (4). Sie stellten dabei fest:

  • Therapietreue zahlt sich generell aus durch ein geringeres Auftreten einer Demenz und 
  • Patienten unter 75 Jahren profitieren zwar am stärksten, doch ein eindeutig schützender Effekt ist auch bei über 85-Jährigen noch vorhanden. 

Zu einem ähnlichen Fazit, dass eine Hypertonie-Behandlung auch in höherem Alter zu weniger Demenz führt, waren zuvor bereits australische Wissenschaftler gekommen (5). Sie ermittelten für Patienten ab 60 Jahren mit einer unbehandelten Hypertonie ein um 42 Prozent erhöhtes Risiko für eine Demenz im Vergleich zu Gesunden. 
Eine gute Blutdruck-Einstellung nutzt übrigens auch indirekt durch einen Schutz der Gefäße. So erleidet bei einem Schlaganfall nicht nur das Gehirn stets mehr oder minder stark einen Schaden, der dann oft auch das Gedächtnis beeinträchtigt. Auch ein Herzinfarkt beschleunigt den kognitiven Abbau. In der akuten Herzinfarktsituation zeigte sich zwar meist noch kein Effekt auf die geistige Leistungsfähigkeit. Doch nach mehreren Jahren kann dann auch hier die verstärkte Demenz-Entwicklung zutage treten (6).

FAZIT

Die Behandlung erhöhter Blutdruckwerte nutzt in jedem Alter und schützt dabei nicht nur vor einem akuten Schlaganfall oder anderen Herz-Kreislauf-Ereignissen. Auch längerfristig zahlt es sich aus, da es seltener zu einer Demenz kommt. Daher der Appell: Kontrollieren Sie regelmäßig Ihren Blutdruck und gehen Sie bei erhöhten Werten zum Arzt, um Herz und Hirn zu schützen. 

Bluthochdruck – wachsende Gefahr

Laut Gesundheitsatlas (AOK) hatten im Jahr 2022 rund 30 Prozent der erwachsenen Deutschen (ab 20 Jahren) eine Bluthochdruck-Diagnose. Frauen und Männer sind insgesamt ähnlich häufig betroffen (30,82 % versus 29,14 %). Allerdings sind Männer bis zum Alter von 74 Jahren häufiger erkrankt. In dieser Altersgruppe sind es bereits 65,55 Prozent der Männer und 63,22 Prozent der Frauen. Danach ist der Anteil weiblicher Bluthochdruck-Patienten größer. Bei allen Geschlechtern nimmt die Häufigkeit aber deutlich zu bis auf rund 78 Prozent bei den Männern und über 84 Prozent bei den Frauen.

Im Vergleich dazu waren 3,07 Prozent der Gesamtbevölkerung (ab 40 Jahren) an einer Demenz erkrankt (2,58 % der Männer und 3,51% der Frauen).

  1. Blood pressure lowering and prevention of dementia: an individual patient data meta-analysis; European Heart Journal, ehac584, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac584
  2. A village doctor-led multifaceted intervention for blood pressure control in rural China: an open, cluster randomised trial; Lancet April 2022, DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)00325-7
  3. Predicting cognitive function and dementia risk in patients with hypertension; Hypertens Res (2024). https://doi.org/10.1038/s41440-024-01650-6
  4. Risk of Dementia During Antihypertensive Drug Therapy in the Elderly; doi.org/10.1016/j.jacc.2024.01.030
  5. Use of Antihypertensives, Blood Pressure, and Estimated Risk of Dementia in Late Life; doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.33353
  6. Association Between Acute Myocardial Infarction and Cognition; JAMA Neurol. 2023;80(7):723-731. doi:10.1001/jamaneurol.2023.1331
  7. www.gesundheitsatlas-deutschland.de
  8. Genetic analyses identify brain structures related to cognitive impairment associated with elevated blood pressure; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad101

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Prof. Dr. med. Michael Böhm
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Mann und Frau tanzen mit einem Herz in der Hand
konstantin yuganov

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