Bei einer Erregungsleitungsstörung am Herzen wie dem AV-Block schlägt das Herz nicht koordiniert und meist zu langsam. Betablocker sind Medikamente, die unter anderem eingesetzt werden, wenn das Herz zu wild schlägt, um es zu beruhigen. In der Regel sollen sie daher bei einem ausgeprägten AV-Block nicht eingenommen werden. Gibt es Ausnahmen? Hier die Antwort unseres Experten.
Die Sprechstundenfrage im Wortlaut
In einem Artikel habe ich gelesen, dass die Einnahme von Betablockern bei einem AV-Block nicht angezeigt ist. Nun nehme ich allerdings seit vielen Jahren Bisoprolol. Anfangs war es eine halbe Tablette mit 2,5 Milligramm, weil mein Herz manchmal zu schnell schlug. Dann wurde allerdings eine Erregungsleitungsstörung am Herzen bei mir diagnostiziert, zunächst als AV-Block 1. Grades, später 2. Grades. Ende vergangenen Jahres wurden meine Beschwerden mit Schwindelattacken dann so schlimm, dass ich eine Herzkatheteruntersuchung erhielt, bei der die Diagnose AV-Block 3. Grades gestellt wurde. Am darauf folgenden Tag erhielt ich einen Herzschrittmacher. Das Bisoprolol wurde mir allerdings weiter verordnet – nun 2 mal täglich 2,5 mg. Zusätzlich bekomme ich ASS 100. Ich bin jetzt beunruhigt: Sollte ich das Bisoprolol besser absetzen? Welchen Rat können Sie mir geben? (Heiko S, 65 Jahre, Rostock)
Antwort des Experten
Bei einem AV-Block (atrio-ventrikulärer Block) besteht eine Störung der elektrischen Leitung vom Vorhof (Atrium = A) zur Herzkammer (Ventrikel =V), die in verschiedene Grade eingeteilt wird . Bei einem AV-Block 1. Grades besteht lediglich eine Verzögerung der elektrischen Erregungsleitung vom Vorhof auf die Kammern. Bei einem AV-Block II. Grades werden nicht alle Vorhoferregungen auf die Kammer übergeleitet und bei einem AV-Block III. Grades besteht eine komplette Unterbrechung der elektrischen Erregungsleitung vom Vorhof zu den Kammern.
Da nun Betablocker die Erregungsleitung vom Vorhof auf die Kammer zusätzlich bremsen, sollte tatsächlich in aller Regel bei einem höhergradigen AV-Block (AV-Block II. und III. Grades) ein Betarezeptorenblocker nicht verordnet werden. Wurde zur Behandlung des AV-Blocks allerdings ein Herzschrittmacher implantiert – so wie in Ihrem Fall –, dann spielt diese Wirkung der Betablocker auf die Erregungsleitung keine Rolle mehr. Denn durch den Herzschrittmacher wird die Verbindung zwischen Vorhof und Kammer wieder hergestellt.
Und damit besteht unter "Herzschrittmacherschutz" auch keine Gegenanzeige gegen die Verordnung eines Betarezeptorenblockers – sofern das Medikament zur Behandlung anderer Beschwerden und Erkrankungen erforderlich ist. Die könnte beispielsweise der Fall sein bei Auftreten von Extrasystolen, bei einem (zu) schnellen Herzrhythmus oder auch bei erhöhten Blutdruckwerten.
Experte
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.