Die Behandlungsmöglichkeiten im Überblick
Das menschliche Herz verfügt über vier unterschiedliche Herzklappen. Leiden Menschen an einer schweren Herzklappen-Erkrankung, ist häufig ein operativer Eingriff unumgänglich – ansonsten besteht die Gefahr, dass sich eine lebensbedrohliche Herzinsuffizienz entwickelt. Viele Menschen fürchten sich jedoch vor einem solchen Eingriff am Herzen. Die Vorstellung einer Brustkorberöffnung lässt sie zögern, ihre Erkrankung behandeln zu lassen. Dabei ist es heutzutage häufig auch möglich, Eingriffe minimalinvasiv (ohne Eröffnung des Brustkorbes) oder kathetertechnisch durchzuführen. Welcher Eingriff in Frage kommt, hängt von der Erkrankung der jeweiligen Herzklappe ab. Hier finden Sie einen Überblick über die häufigsten Erkrankungen an den Herzklappen und über ihre Behandlungsmöglichkeiten.
Operative Behandlungsmöglichkeiten bei der Aortenklappenstenose
Die Aortenklappenstenose ist der häufigste erworbene Klappenfehler. Dabei ist die Ausflussöffnung der Klappe verengt. Das Blut kann nicht mehr so gut hindurchfließen, wodurch vor der verengten Aortenklappe ein Blutstau entsteht, der bis in die Lunge zurückreichen kann. Die Folge sind Leistungsminderung und Luftnot. Ob eine Therapie notwendig ist, hängt davon ab, wie weit sich die Klappe noch öffnen kann. Sind Betroffene in ihrer Leistungsfähigkeit deutlicheingeschränkt, wird eine Behandlung unumgänglich. Bei jüngeren Patientinnen und Patienten wartet man hingegen in der Regel nicht erst ab, bis die Beschwerden zu belastend werden, sondern operiert, um eine normale Lebenserwartung sicherzustellen.
Behandlungsmöglichkeiten Aortenklappenstenose
Das klassische operative Verfahren erzielt sehr gute Langzeitergebnisse. Unter Vollnarkose wird das Brustbein (Sternum) ganz oder teilweise – zirka 5 cm am oberen Rand - durchtrennt. 2019 erfolgte bei 65 % der Patienten mit einem konventionellen chirurgischen Aortenklappenersatz eine komplette Brustbeindurchtrennung (Sternotomie). Die Patientin oder der Patient wird bei beiden Vorgehensweisen an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und das Herz wird stillgelegt. Die defekte Klappe wird dann am offenen Herzen entfernt und in der Regel durch eine Klappenprothese ersetzt. Dies kann eine mechanische Klappe sein oder eine biologische Klappe aus Rinder- oder Schweineherzbeutelgewebe. Die eigene Klappe zu erhalten und zu reparieren, ist selten möglich.
Eine Sonderform dieses Eingriffs ist die sogenannte Ross-Operation. Hierbei ersetzt die Pulmonalklappe die defekte Aortenklappe. An die Stelle der Pulmonalklappe tritt eine biologische Klappenprothese. Die Ross-Operation wird vor allem bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt.
Bei diesem minimal-invasiven Verfahren muss der Brustkorb nicht eröffnet werden. Um dennoch zum Herzen und zur defekten Aortenklappe zu gelangen, führt die Ärztin oder der Arzt einen Katheter – eine Art Schlauch – mitsamt der neuen künstlichen Herzklappe meist über die Leiste, seltener durch ein kleines Loch zwischen den Rippen in das Herz ein. Die kranke Klappe verbleibt im Körper. Sie wird von der neuen Klappe in die Wand der Körperschlagader gedrückt. Ursprünglich wurde die sogenannte TAVI nur bei älteren Menschen mit einem hohen Operationsrisiko angewendet. Mittlerweile hat man mit der TAVI aber so gute Erfahrungen gemacht, dass das Verfahren auch regulär bei Patientinnen und Patienten mit mittlerem Risiko angewandt wird. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland insgesamt über 24.386 isolierte TAVI an der Aortenklappe durchgeführt, fast 16 % mehr als im Vorjahr. Das sind mehr als 60 Prozent aller Eingriffe zum Aortenklappenersatz.
Ist die Patientin oder der Patient in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand oder besteht eine deutlich reduzierte Lebenserwartung, kann ausnahmsweise eine Ballonvalvuloplastie erfolgen. Dabei wird die Aortenklappe zunächst mit einem Ballon aufgedehnt, damit sich der Blutfluss verbessern und der Herzmuskel erholen kann. Danach erst wird entschieden, welche Therapie für den Patienten am besten ist – ob also beispielsweise eine herkömmliche Herzoperation oder eine TAVI erfolgen soll.
Operative Behandlungsmöglichkeiten bei der Mitralklappeninsuffizienz
Bei der Mitralklappeninsuffizienz besteht eine verminderte Schlussfähigkeit der Segelklappe zwischen linker Herzkammer und linkem Vorhof. Dieser unzureichende Schluss der Klappe führt zum Rückstrom von Blut in den linken Vorhof und in den Lungenkreislauf während sich das Herz zusammenzieht. Betroffene leiden dann häufig unter Luftnot bei körperlicher Anstrengung. Häufig treten auch Herzrhythmusstörungen als erstes Symptom der Krankheit auf. Liegt eine hochgradige Undichtigkeit vor, ist in der Regel ein herzchirurgischer Eingriff nötig. Die Klappe kann dann entweder repariert oder durch eine Prothese ersetzt werden. Früher war eine Reparatur oder ein Ersatz der Mitralklappe nur durch eine Herz-Operation möglich, bei der der Brustkorb geöffnet werden und das Herz stillgelegt werden musste. Heute sind diese Eingriffe auch minimal-invasiv über einen kleinen Schnitt im rechten Brustkorb möglich. Diese schonendere Variante ist insbesondere für ältere Patientinnen und Patienten geeignet, bei denen das Risiko einer konventionellen Operation zu hoch ist.
Das MitraClip-Verfahren – Behandlung ohne OP
Das am weitesten verbreitete minimal-invasive Verfahren ist der sogenannte Mitra-Clip. Dabei wird ein Katheter durch eine Vene in der Leiste über die Vorhofscheidewand bis in das linke Herz geführt. Unter Röntgendurchleuchtung und Ultraschallkontrolle wird ein Clip zwischen beiden Segeln der Mitralklappe platziert, der die Segel der Klappe wie eine Wäscheklammer an den Rändern zusammenrafft und so die undichte Stelle verkleinert. Das Verfahren wird vor allem bei Patientinnen und Patienten mit einer Mitralklappeninsuffizienz und einer schweren Störung der Pumpfunktion sowie einer Vergrößerung der linken Herzkammer eingesetzt, da bei diesen Betroffenen das Risiko für einen herzchirurgischen Eingriff meist deutlich erhöht ist. Das MitraClip-Verfahren ist mittlerweile bei über 50.000 Patienteneingesetzt worden. In einer Vielzahl von Fällen konnte gezeigt werden, dass das Verfahren sicher ist und zu einer effektiven Besserung der Mitralklappeninsuffizienz mit einer guten Erfolgsrate führt.
Operative Behandlungsmöglichkeiten bei der Trikuspidalklappeninsuffizienz
Vor allem ältere Menschen leiden häufiger unter einer Undichtigkeit der Trikuspidalklappe. Lange Zeit gab es lediglich die Möglichkeit, diese Undichtigkeit mit Medikamenten in Schach zu halten – korrigiert werden konnte sie nicht. Heutzutage kann die Herzklappe durch einen operativen Eingriff repariert werden. Nur selten wird der Einsatz einer biologischen Herzklappenprothese notwendig. Seit einigen Jahren sind auch hier katheterbasierte Behandlungsverfahren möglich.
Herzklappen-OP – Erfahrungsberichte von Patienten
Experte
Prof. Hendrik Treede ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung e.V. und Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz- und Gefäßchirurgie in der Universitätsmedizin Mainz. Prof. Treede ist einer von wenigen Spezialist/innen in Deutschland, die voll-endoskopische Herzklappenoperationen unter Ausnutzung neuester Bildgebungsverfahren anbieten und Bypass-Operationen mit einem Da Vinci-OP-Roboter durchführen. Sein Forschungsschwerpunkt liegt vor allem auf der Entwicklung und Anwendung von Interventionen mittels Katheter zum schonenden Ersatz von Herzklappen.
Download- und Bestellangebot
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Herzklappenersatz: Tavi für alle? (2021)
PDF: 300,58 KB -
Herzklappenersatz: Wann noch chirurgisch? (2021)
PDF: 218,08 KB -
Herzklappenersatz: der Vorteil der Frauen (2020)
PDF: 2,09 MB -
Herzklappenerkrankungen (2019)
PDF: 2,54 MB -
Auf einen Blick: Herzoperationen (2021)
PDF: 765,16 KB