Was ist eine Lungenembolie?
Bei der Lungenarterienembolie verstopft ein meist aus dem tiefen Venensystem der Beine eingeschwemmtes Blutgerinnsel (Thromboembolie) ein Blutgefäß in der Lunge. Dieser Zustand kann ohne rasche Behandlung tödlich enden. Die Lungenarterienembolie stellt somit auch die dritthäufigste kardiovaskulär-bedingte Todesursache dar. Insbesondere bei Frauen im Alter zwischen 15 und 55 Jahren ist die akute Lungenarterienembolie verglichen mit anderen Erkrankungen eine relativ häufige Todesursache und für bis zu 13 von 1000 Todesfällen verantwortlich. Bei älteren Menschen (über 80 Jahren) ist die Gesamtzahl der aufgrund einer Lungenarterienembolie aufgetretenen Todesfälle mit über 80 Fällen pro 100.000 Einwohner deutlich erhöht.
Wie entsteht die Lungenembolie?
In den meisten Fällen löst sich ein Blutgerinnsel (Thrombus) im tiefen Venensystem der Beine und wird mit dem Blutstrom über das Herz in die Lunge verschleppt. Die Lungengefäße werden teilweise oder vollständig verschlossen. Seltener sind Verschlüsse durch Luft, Fruchtwasser, Tumorzellen oder Fremdkörper.
Sind nur kleine Blutgefäße der Lunge betroffen, treten in der Regel nur milde Symptome auf. Gefährlich wird es, wenn größere Gefäße betroffen sind. Durch die verstopften Lungenarterien gelangt nicht mehr ausreichend Blut in die Lunge, sodass weniger Blut mit Sauerstoff angereichert wird.
Zusätzlich steigt der Druck in den Blutgefäßen der Lunge (pulmonale Hypertonie), woraufhin das Herz stark belastet werden kann (Rechtsherzbelastung). Dann kommt es zum Zustand einer lebensbedrohlichen Lungenembolie, da ein Herz-Kreislaufversagen (kardiogener Schock) eintreten kann.
Obwohl die Lungenembolie zumeist primär als Akut-Erkrankung gesehen wird, können sich Folgeerkrankungen ausbilden, welche vom „post-Lungenembolie-Syndrom“ mit reduziertem funktionellen Status, persistierenden Symptomen und eingeschränkter Lebensqualität bis hin zur Entwicklung einer chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) reichen können.
Zu den allgemeinen Risikofaktoren für eine Thrombose zählen:
- höheres Lebensalter
- Herz- und Lungenerkrankungen
- starkes Übergewicht
- Rauchen
- Schwangerschaft
- Einnahme der Anti-Baby-Pille oder Hormonersatztherapien
- längere Flugreisen/Bewegungsmangel/ Bettlägerigkeit
- Thrombosen bei Familienangehörigen
- schweres Trauma
- Operationen wie ein Hüft- oder Kniegelenkersatz
- Krebserkrankung und Chemotherapie
Beinvenenthrombose: möglicher Vorbote einer Lungenarterienembolie
Blutgerinnsel (Thrombosen) entstehen deutlich häufiger in Venen als in Arterien. Wenn (tiefe) Venen verschlossen sind, staut sich das Blut zurück, das führt zu einer Schwellung und zu Schmerzen. Ein Wadenschmerz bei Beugen des Fußes (Homans-Zeichen) oder auf Druck (Meyer-Zeichen) gilt als diagnostischer Hinweis für eine Thrombose. Typisch ist auch eine bläulich-rötlich Verfärbung der Haut am Bein.
Eine tiefe Beinvenenthrombose muss zügig behandelt werden, denn sie birgt das Risiko einer oben beschriebenen Lungenarterienembolie. Daher sollten die Symptome einer Beinvenenthrombose ernst genommen werden.
Luftnot: Symptome für Lungenarterienembolie
Die Symptome, mit denen sich eine akute Lungenarterienembolie bemerkbar macht, sind recht uneindeutig. Eine Lungenarterienembolie sollte vor allem bei folgenden Symptomen in Betracht gezogen werden:
- plötzlich einsetzende akute Atemnot,
- Schmerzen in der Brust,
- Schmerzen beim Einatmen,
- Bluthusten (Hämoptysen),
- eine Herzfrequenz von über 100 Herzschlägen pro Minute (Herzrasen)
- Bewusstlosigkeit (Synkopen) sowie
- klinische Anzeichen einer tiefen Beinvenenthrombose (siehe oben).
Wichtig: Bitte suchen Sie bei derartigen Beschwerden sofort einen Arzt auf oder rufen Sie den Notarzt unter 112. Bei einer instabilen Lungenembolie mit Herz-Kreislaufstillstand muss sofort mit der Wiederbelebung begonnen werden.
Diagnostik und Therapie der Lungenarterienembolie
Die Lungenarterienembolie kann man in vier Schweregrade einteilen: von der leichten Lungenembolie (niedriges Risiko für frühe Komplikationen) – häufig bei Patienten jüngeren Alters ohne größere Beschwerden sowie wenig Begleiterkrankungen und ohne Zeichen einer Rechtsherzbelastung – bis hin zur schweren Lungenembolie (hohes Risiko für frühe Komplikationen) mit Herz-Kreislaufversagen (kardiogenen Schock). Wenn bei der Aufnahme ins Krankenhaus ein Herz-Kreislaufversagen vorliegt, muss mit einer frühen und hohen Todesfallrate bis zu 65 Prozent gerechnet werden. Bei diesen Patienten ist es lebensnotwendig, die Diagnose rasch zu sichern und die Thromben so rasch wie möglich aufzulösen bzw. zu entfernen. Aus diesem Grund betonen die Leitlinien auch den Stellenwert des Herzultraschalls, der bereits am Patientenbett auf eine schwere akute Lungenarterienembolie hinweisen kann.
Die meisten Patienten – rund 90 Prozent – befinden sich bei der Aufnahme ins Krankenhaus jedoch in einem stabilen Zustand. Dann kann die Diagnose schrittweise auf Basis der Symptome und der klinischen Befunde erfolgen, wie sie in den aktuellen Leitlinien als “risikoadaptierte Diagnostik” vorgeschlagen wird. Zu den Untersuchungen gehören u.a.:
- Anamnese und Prüfung der Vitalparameter
- Laboruntersuchungen des Blutes (D-Dimer-Test, Troponin T und BNP)
- EKG
- Echokardiografie
- Röntgen-Thorax-Untersuchung der Lunge
- Computertomographie (CT-Angiographie) oder Szintigrafie
Herausforderung: Diagnostik während der Schwangerschaft
Die Diagnose einer akuten Lungenarterienembolie in der Schwangerschaft stellt eine besondere Herausforderung dar. Die ohnehin nicht sonderlich eindeutigen Symptome stellen sich in der Schwangerschaft noch weniger spezifisch dar. Auch der D-Dimer-Test – ein Bluttest, der Hinweise auf eine akute Lungenarterienembolie geben kann – ist während der Schwangerschaft alleine nur eingeschränkt aussagekräftig. Aufgrund der Strahlenexposition will man weder Mutter noch Kind einer Computertomographie aussetzen – normalerweise der diagnostische Goldstandard, um eine akute Lungenarterienembolie nachzuweisen.
Hier können die sogenannte YEARS-Kriterien helfen. Sie beziehen die klinischen Zeichen einer tiefen Venenthrombose sowie Bluthusten (Hämoptysen) unter der Voraussetzung ein, dass die Diagnose „akute Lungenarterienembolie“ wahrscheinlicher ist als eine andere Diagnose. Zusammen mit dem D-Dimer-Test erlaubt der YEARS-Algorithmus eine zuverlässigere Einschätzung – bevor weitere diagnostische Untersuchungen bei schwangeren Patientinnen eingeleitet werden. Die definitive Bestätigung (oder der zuverlässige Ausschluss) einer akuten Lungenarterienembolie ist außerordentlich wichtig, weil die Lungenarterienembolie zu den häufigsten Todesursachen bei Schwangeren zählt.
Therapie mit gerinnungshemmenden Medikamenten
Bei stabilen Patienten mit nachgewiesener Lungenarterienembolie reicht die Behandlung mit blutgerinnungshemmenden Arzneistoffen (therapeutische Antikoagulation) aus. Diese sorgen dafür, dass sich keine neuen Blutgerinnsel bilden und sich bestehende Gerinnsel auflösen. In den meisten Fällen werden sie als Tablette (Vitamin-K-Antagonisten [bspw. Marcumar] oder neue orale Antikoagulantien [NOAK]) verabreicht. Oder es erfolgt vorübergehend eine Therapie mit Heparinen als „Bauchspritze“ (bspw. Niedermolekulare Heparine oder Fondaparinux).
Die blutgerinnungshemmende Medikation sollten Patienten nach dem erstmaligen Auftreten einer Lungenarterienembolie mindestens drei Monate lang erhalten. Dann wird das Fortführen der Therapie erneut sorgfältig geprüft.
Behandlung bei Patienten kardiogenem Schock
Bei Patienten mit kardiogenen Schock müssen die Thromben so rasch wie möglich aufgelöst werden, um die Durchblutung der Lunge wieder herzustellen und somit den Druck in den Blutgefäßen der Lunge zu senken. Dies geschieht in Form einer starken gerinnselauflösenden Therapie mittels Injektion in die Vene (systemische Thrombolyse).
Alternativ wird der thrombotische Verschluss mit einem Katheter aufgelöst bzw. abgesaugt (kathetergestützte Thrombolyse oder Thrombektomie) oder auf operativem Wege (chirurgische Embolektomie). Auch nach dieser Behandlung muss ambulant die Einnahme eines blutgerinnungshemmenden Arzneistoffes (therapeutische Antikoagulation) mindestens 3 weitere Monate erfolgen.
Prognose
Wie lange ein Patient mit einer Lungenarterienembolie im Krankenhaus bleiben muss, hängt von verschiedenen Faktoren wie seinem Alter oder dem Bestehen weiterer Begleiterkrankungen ab. Hinzugezogen werden auch bildgebende und laborchemische Marker, die eine eventuelle Rechtsherzbelastung durch die Embolie anzeigen.
Eine frühzeitige Entlassung (innerhalb von 48 Stunden) und eine anschließende ambulante Behandlung kommen in Betracht, wenn der Patient nur ein niedriges Risiko für frühe Komplikationen hat. Dies ist der Fall, wenn der Patient nicht an schweren Begleiterkrankungen leidet und wenn es keine Anzeichen für eine Rechtsherzbelastung gibt. Es muss zudem sichergestellt sein, dass sich der Patient zu Hause an die ärztlich empfohlene Therapie hält und im Falle einer Komplikation schnell in einem Krankenhaus versorgt werden kann.
Nach der Entlassung kann eine blutgerinnungshemmende Behandlung binnen drei Monaten beendet werden – wenn ein niedriges Risiko für eine wiederkehrende Thrombose besteht. Das ist der Fall, wenn die akute Lungenarterienembolie durch einen der nachfolgenden Thromboserisikofaktoren ausgelöst wurde:
- Operationen mit einer Narkosedauer von mehr als 30 Minuten,
- Bettlägerigkeit länger als drei Tage aufgrund einer akuten Erkrankung oder der akuten Verschlimmerung einer chronischen Erkrankung,
- schweres Trauma mit Knochenfrakturen,
- Gips- oder sonstige blutflusshemmende Verbände
Langzeit-Therapie mit Medikamenten
Aktuell verschiebt sich die Therapieabwägung zunehmend in die Richtung, die blutgerinnungshemmende Behandlung zu verlängern, insofern Faktoren für eine höheres Risiko für eine wiederkehrende Thrombose vorhanden sind. Dadurch soll das Wiederauftreten von Thrombosen verhindert werden. Diese Tendenz ist vor allem durch das verbesserte Sicherheitsprofil der neuen Medikamente (neue orale Antikoagulanzien [NOAK] wie Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban) zur Blutverdünnung begründet.
Bei einigen Patienten ist eine verlängerte Blutverdünnung (über die ersten drei Monate hinaus) auf jeden Fall zu empfehlen – und zwar für Patienten mit bekannten wiederkehrenden Thrombosen, aktiver Krebserkrankung und dem Antiphospholipid-Syndrom.
Nachsorge: Sicherheit durch Kontrollen
Nicht nur die akute Behandlung der Lungenarterienembolie, auch die Nachbeobachtung spielt eine wichtige Rolle. Denn der langfristige Verlauf nach einer Lungenarterienembolie ist – abhängig vom individuellen Risikoprofil und von den vorliegenden Grunderkrankungen – gekennzeichnet durch ein erhöhtes Risiko für Komplikationen. Aus diesem Grund soll eine Nachbeobachtung nach drei bis sechs Monaten erfolgen. Dabei erfragt der Arzt Hinweise auf eine wiederkehrende Lungenarterienembolie und auf Blutungskomplikationen. Bei Symptomen und/oder funktionellen Einschränkungen werden weitere diagnostische Schritte eingeleitet.
Lungenembolie: Wie kann ich vorbeugen?
Neben den klassischen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht wird dem Rauchen auch eine große Bedeutung zugemessen. Raucher haben ein größeres Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln als Nichtraucher. Darüber hinaus kann das Risiko für eine Thrombose durch Rauchen und der gleichzeitigen Einnahme östrogenhaltiger Verhütungsmittel (Pille) bei Frauen nochmals gesteigert sein. Neben dem Risikofaktor Rauchen gehören Übergewicht und Bewegungsmangel ebenfalls zu wichtigen vermeidbaren Risikofaktoren.
Experte
Dr. Dr. Lukas Hobohm ist Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie am Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz.
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Konstantinides, S. et al. (2019): The 2019 ESC Guidelines on the Diagnosis and Management of Acute Pulmonary Embolism. European Heart Journal. doi: 10.1093/eurheart/ehz726
Keller K., Hobohm Lt., et al. (2020): Trends in thrombolytic treatment and outcomes of acute pulmonary embolism in Germany. European Heart Journal. doi: 10.1093/eurheartj/ehz23