Artikel

Neues aus der Herzmedizin (Achiv)

Hier lesen Sie eine Auswahl an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Studien, von Kongressen und Expertentagungen zum Thema Herzerkrankungen.

Aktualisiert: 27.09.2024

Nachrichten Übersicht (2024)

Januar

Zu hoher Blutzucker kann auf Dauer zu schwerwiegenden Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenschäden oder Sehverlust führen. Neben einer bewussten Ernährung zählt auch regelmäßige Bewegung zu den wichtigen Lebensstil-Faktoren, um dem Entstehen von Typ-2-Diabetes vorzubeugen. Allgemein wird ja empfohlen, an mindestens fünf Tagen der Woche für wenigstens 30 Minuten körperlich aktiv zu werden, etwa durch flottes Spazierengehen oder Walken.  Aber wie schnell sollte man gehen? Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift „British Journal of Sports Medicine“ (1) veröffentlicht wurde, hat eine mögliche Antwort auf diese Frage gefunden.

In der Studie wurden die Daten von mehr als 500.000 Menschen aus drei Ländern analysiert, die über ihre Gehgeschwindigkeit und -distanz berichtet haben. Die Studienautoren fanden dabei heraus, dass offenbar die Gehdistanz oder die Schrittzahl – wie die oft empfohlenen 10.000 Schritte pro Tag – nicht so wichtig sind wie die Geschwindigkeit. Optimal für eine deutliche Reduzierung des Diabetesrisikos scheint demnach eine Gehgeschwindigkeit von mindestens vier Kilometern pro Stunde zu sein, was einem zügigen Gehen entspricht. So hatten diejenigen mit diesem Gehtempo ein um 15 Prozent geringeres Risiko für Typ-2-Diabetes im Vergleich zu Menschen, die in einem langsameren Tempo gingen, ähnlich wie bei einem Spaziergang. Und je schneller Menschen gingen, desto besser.

Die Studienautoren empfehlen eine einfache Möglichkeit, die richtige Gehgeschwindigkeit zu messen: Für Männer sind 87 Schritte pro Minute ein gutes Ziel, für Frauen sind es 100 Schritte pro Minute. Wenn man diese Schwelle erreicht oder überschreitet, ist man den Forschern zufolge man auf dem richtigen Weg, um Typ-2-Diabetes vorzubeugen.

Mögliche Erklärungen für den positiven Effekt des zügiges Gehens sind, dass so Körperfett stärker reduziert und der Gesamtenergieverbrauch erhöht wird, was wiederum das Risiko für Typ-2-Diabetes senkt. Zudem könnte das schnellere Gehen auch dazu beitragen, die Insulinresistenz zu senken – eine aufgebaute Toleranz gegenüber dem körpereigenen Hormon, das unsere Blutzuckerspiegel reguliert. Andererseits spricht auch einiges für eine generell bessere Grundkondition, wenn noch ein flottes Gehtempo möglich ist.

Quelle: Walking speed and the risk of type 2 diabetes: British Journal of Sports Medicine Published Online First: 28 November 2023. doi: 10.1136/bjsports-2023-107336

Das sogenannte Frank-Zeichen ist eine auffällige Falte, die vom Ohrknorpel schräg über das Ohrläppchen verläuft. Es ist nach dem amerikanischen Arzt Sanders Frank benannt, der es 1973 als möglichen Hinweis auf das Vorliegen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beschrieb. Aber wie sicher ist dieser Zusammenhang?

Eine neue Studie aus Spanien, die vor Kurzem in der Fachzeitschrift „Journal of the American College of Cardiology“ veröffentlicht worden ist, hat nun frühere Untersuchungsergebnisse bestätigen können. Mehr als 1000 Menschen wurden dazu untersucht: Lebensstil, Vorerkrankungen und Medikamente wurden erfasst. Es folgten Bluttests und Blutdruckmessungen sowie eine Risikoabschätzung für Herzerkrankungen anhand von Faktoren wie Alter, Geschlecht, Rauchen, Cholesterin und Diabetes.

Darüber hinaus untersuchten die Forscher die Ohren der Teilnehmer. Sie prüften, ob sie eine diagonale Falte am Ohrläppchen hatten, und wenn ja, wie lang, tief und ausgeprägt diese war, ob sie einseitig oder beidseitig war und ob es andere Falten am Ohrläppchen gab. Sie kamen nach Auswertung aller Daten zu dem Ergebnis, dass das Frank-Zeichen wohl als guter Indikator für ein kardiovaskuläres Risiko dienen kann. Denn diejenigen Menschen mit einer diagonalen Falte hatten ein deutlich höheres Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, als Menschen ohne Falte. Dieses Risiko stieg mit Länge, Tiefe und Anzahl der Falten. Menschen mit beidseitigen, tiefen und langen Falten sowie mit zusätzlichen Falten hatten das höchste Risiko. Dies galt unabhängig von anderen Risikofaktoren.

Die genaue Ursache der Falte ist allerdings noch nicht geklärt. Möglicherweise spiegelt sie eine Schädigung jener Blutgefäße wider, die auch Herz und Gehirn versorgen.

Quelle: Frank's Sign and Cardiovascular Risk: An Observational Descriptive Study; JAMA 10_2023; DOI:https://doi.org/10.1016/j.amjmed.2023.09.019

Eine pflanzliche Ernährung erfreut sich in jüngster Zeit nicht nur wegen ihrer geringeren Umweltbelastung im Vergleich zu einer sogenannten omnivoren Ernährung mit Fleisch einer zunehmenden Beliebtheit, sondern auch wegen ihrer gesundheitlichen Vorteile. Die Auswirkungen einer rein veganen Ernährung speziell auf die kardiovaskuläre Gesundheit im Vergleich zu einer omnivoren Ernährung hat nun vor kurzem ein britisches Forschungsteam mit einer Gruppe eineiiger Zwillinge untersucht. 22 Zwillingspaare wurden dazu in zwei Gruppen eingeteilt (je ein Zwilling pro Gruppe): Die eine Gruppe folgte dann für acht Wochen einer gesunden veganen Ernährung ohne Fleisch und Milchprodukte, die andere Gruppe folgte einer – ebenfalls gesunden – omnivoren Ernährung. Diese enthielt Huhn, Fisch, Eier, Käse, Milchprodukte und andere tierische Lebensmittel. Beide Ernährungsweisen waren reich an Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst und Vollkornprodukten und frei von Zucker und raffinierter Stärke. In den ersten vier Wochen wurde den Teilnehmern das Essen vorbereitet, danach kochten sie selbst.

Für die Studie wurden zu Beginn, nach vier und nach acht Wochen das Körpergewicht und verschiedene Werte erfasst, die mit dem kardiovaskulären Risiko zusammenhängen, wie Blutfette und Blutzucker. Die Ergebnisse zeigten, dass die vegane Ernährung zu einer deutlichen Verbesserung dieser Parameter führte. So wiesen die Veganer bereits nach vier Wochen einen stärker reduzierten, durchschnittlichen LDL-Cholesterin-Wert auf: Er sank von 110 auf von 95,5 mg/dl. Bei den „Allesessern“ war der LDL-Wert nur von durchschnittlich 118 mg/dl auf 116 mg/dl gesunken. Die Teilnehmer in der Gruppe mit veganer Kost hatten auch einen stärker reduzierten Nüchterninsulinspiegel. Und sie verloren insgesamt mehr an Gewicht als die Teilnehmer der „Allesesser“-Gruppe.

Die Studienautoren weisen jedoch selbst darauf hin, dass obwohl ihre Ergebnisse darauf deuteten, dass eine vegane Ernährung im Vergleich zu einer gesunden „Allesesser“-Ernährung möglicherweise einen stärkeren kardiometabolischen Vorteil bietet, ein kompletter Verzicht auf Fleisch und/oder Milchprodukte nicht notwendig sei. Denn andere große Untersuchungen haben ja gezeigt, dass Vorteile für die Herzgesundheit schon mit einer Reduzierung tierischer Lebensmittel bei gleichzeitiger Zunahme gesunder pflanzlicher Lebensmittel erzielt werden können, wie dies auch bei einer mediterranen Ernährungsweise empfohlen wird.

Quelle: Cardiometabolic Effects of Omnivorous vs Vegan Diets in Identical Twins; JAMA Netw Open. 2023;6(11):e2344457. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.44457

Februar

Eine gesteigerte Natrium- bzw. Kochsalzzufuhr (Natriumchlorid) erhöht das Risiko für Bluthochdruck und damit auch für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Schlaganfälle oder die koronare Herzkrankheit (KHK). Häufig nehmen wir zu viel Salz über „versteckte“ Natriumquellen in Lebensmitteln auf. Beispiele hierfür sind Wurst, Käse oder Ketchup.

Wissenschaftler der Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) haben nun untersucht, inwiefern Nahrungsergänzungsmittel und freiverkäufliche Arzneimittel in Form von Brausetabletten möglicherweise ebenfalls versteckten Quelle sind. Denn damit sich Brausetabletten im Wasser auflösen, enthalten sie Natrium (als Natriumhydrogencarbonat). Mit einer speziellen Messmethode ermittelten die Forscher daher den Natriumgehalt von 39 Vitamin-, Mineral-, Calcium- und Magnesium-Brausetabletten aus verschiedenen Drogerie- und Supermärkten. Außerdem wurden die Angaben zum Natriumgehalt bei 33 Schmerzmitteln, Husten- und Erkältungsmedikamenten sowie Calciumpräparaten aus Apotheken erfasst.

Das Ergebnis: Der gemessene Natriumgehalt bei den Drogerie- und Supermarktprodukten lag im Durchschnitt bei 284 Milligramm pro Tablette. Das entspricht etwa 14 Prozent der maximal empfohlenen täglichen Natriumzufuhr. Vitaminprodukte wiesen mit 378 Milligramm den höchsten Natriumgehalt auf (20 % des täglichen Bedarfs), Calciumprodukte den vergleichsweise niedrigsten (170 mg). Besonders hoch war der Natriumgehalt in brauseförmigen Schmerz- und Erkältungsmedikamenten mit im Durchschnitt sogar 452 mg Natrium pro Tablette. „Bei einem der untersuchten Schmerzmittel liegt die maximale Tagesdosis laut Hersteller bei acht Tabletten. Das allein entspricht dann fast der doppelten Höchstmenge an Natrium, die die WHO pro Tag empfiehlt“, verdeutlicht Professor Felix Mahfoud, einer der Studienautoren in einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie.

Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine tägliche Natriumzufuhr von weniger als 2 g und warnt schon seit langem vor stark natriumhaltigen Lebensmitteln.

Die Wissenschaftler betonen daher, dass Patienten bei Vitamin- und Mineralstoffprodukten in Brauseform zurückhaltend sein sollten, da hier meist der Natriumgehalt nicht eindeutig deklariert sei. Und auch bei Medikamenten empfehlen sie, möglichst auf Präparate in Tablettenform auszuweichen.

Quelle: Hidden sodium in effervescent-tablet dietary supplements and over-the-counter drugs: a comparative cross-sectional studyBMJ Open 2023;13:e076302. doi: 10.1136/bmjopen-2023-076302

Eine blutgerinnungshemmende Therapie kann nachweislich die Periodenblutungen bei Frauen verstärken. Doch wie häufig ist das und gibt es dabei Unterschiede je nach Arzneistoff? Das haben US-Wissenschaftler einmal genauer bei knapp 2500 Frauen untersucht, die neu auf eine Therapie mit oralen Antikoagulanzien eingestellt wurden.

Bei 645 Patientinnen (Alter zwischen 18 und 55 Jahren), die zuvor keine Probleme mit Blutungen hatten, kam es innerhalb von fünf Jahren zu einer übermäßig starken Gebärmutterblutung. Dabei war das Blutungsrisiko bei jenen Patientinnen, die mit einem direkten oralen Antikoagulanz (DOAK; z.B. Apixaban/Eliquis, Rivaroxaban/Xarelto) behandelt wurden, deutlich niedriger (minus 30 %) als bei den Patientinnen, die eine Therapie mit oralen Antikoagulanzien vom Cumarin-Typ (Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon/Marcumar) erhielten.

Insgesamt musste allerdings etwa zehnte Frau, die eine abnorme Blutung hatte, notfallmäßig in ein Krankenhaus aufgenommen werden. Fast jede dritte Frau (30 %) erhielt eine Bluttransfusion und beinahe jede Fünfte musste sich einer gynäkologischen Prozedur unterziehen. Jüngere Frauen und Frauen mit nichtweißer Hautfarbe waren eher betroffen.

Die Studienautoren folgern daraus: Da bei etwa jeder vierten Frau unter Antikoagulanzien-Therapie Blutungsprobleme auftraten, besteht offenbar ein merkliches, bisher eher unterschätztes Risiko für uterine Blutungen. Dies sollte bei einer Verordnung mehr bedacht werden. Das höchste Risiko besteht demnach bei einer Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten.

Quellen: A healthful plant-based diet is associated with lower type 2 diabetes risk via improved metabolic state and organ function: A prospective cohort study; https://doi.org/10.1016/j.diabet.2023.101499

Die Zuckerkrankheit Diabetes Typ 2 schädigt bekanntlich die Gefäße von Herz, Nieren und Gehirn sowie die Gefäße zahlreicher anderer Organe. Dies verringert auch die Lebenserwartung von Betroffenen. Da es Hinweise gibt, dass eine pflanzenbasierte Ernährung sich hierauf positiv auswirkt, haben britische Forscher untersucht, welche möglichen Mechanismen damit in Verbindung stehen könnten.

Über einen Zeitraum von zwölf Jahren haben sie dazu die Daten von über 100.000 Menschen im Alter von 40 bis 69 Jahren ausgewertet, die zu Untersuchungsbeginn noch keinen Diabetes hatten. Bei der Beurteilung der Ernährungsgewohnheiten wurde zwischen einer gesunden oder eine ungesunde pflanzliche Ernährung unterschieden. Als „gesund“ galt dabei ein Verzicht auf Süßigkeiten, Desserts, Weißmehl, gesüßte Getränke sowie Kartoffeln.

Das Ergebnis: Teilnehmer, die eine “gesunde” pflanzenbasierte Ernährung zu sich nahmen, hatten ein um 24 % reduziertes Risiko, Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln im Vergleich mit Teilnehmern, die eine deutlich “ungesunde” pflanzenbasierte Kost zu sich nahmen. Die Wissenschaftler stellten zudem fest, dass dies offenbar mit einer Erniedrigung des Körperfettes, Normalisierung des Blutzuckerspiegels, reduzierten Entzündungsprozessen und einer verbesserten Nieren- und Leberfunktion zusammenhing.

Konkret spiegelte sich der Zusammenhang zwischen erniedrigtem Diabetes-Risiko Risiko und “gesunder” pflanzenreicher Ernährung bei den Studienteilnehmern wider durch

  • einen niedrigen Body Mass Index (BMI)
  • einen niedrigen Hüftumfang
  • einen niedrigen Langzeitblutzuckerwert (HbA1c)
  • niedrige Triglyzeridwerte
  • niedrige Entzündungswerte (CRP) und
  • gute Leber- und Nierenwerte (ALT, Gamma-GT, Cystatin C, Harnsäure-Salze)

Quelle: Abnormal uterine bleeding in anticoagulated patients by drug class: outcomes and management; DOI:https://doi.org/10.1016/j.ajog.2023.05.006

März

Was wir essen, hat einen merklichen Einfluss auf unsere Herzgesundheit. Gilt das auch vielleicht für das „Wann“? Forscher haben nun interessante Erkenntnisse gefunden, wie sich der Zeitpunkt der täglichen Mahlzeiten auf das kardiovaskuläre Risiko auswirkt.

Die Ernährung ist ein Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nach Schätzungen stehen weltweit jährlich rund acht Millionen Herz-Tode in Zusammenhang mit Ernährungsgewohnheiten. Dennoch ist bisher wenig erforscht, wie stark der Zeitpunkt, zu dem Mahlzeiten eingenommen werden, und der Abstand zwischen den jeweiligen Essenszeiten, das kardiovaskuläre Risiko beeinflussen. In der NutriNet-Santé-Studie haben sich nun Wissenschaftler diese Einflussmöglichkeit einmal genauer angeschaut. Dazu wurde über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren bei über 100.000 Erwachsenen dokumentiert, zu welchen Uhrzeiten sie ihre Hauptmahlzeiten einnahmen und wie häufig kardiovaskuläre Erkrankungen (Herzinfarkt und Schlaganfall) auftraten. Die Wissenschaftler untersuchen dann, ob es zwischen diesen Erhebungen möglicherweise einen Zusammenhang gibt.

Wichtigstes Ergebnis der Studie: Ein spätes Frühstück (nach 09:00 Uhr) war verglichen mit einem frühen Frühstück (vor 08:00 Uhr) mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden. Jede zusätzliche Stunde erhöhte das Risiko  weiter. Ebenso war ein spätes Abendessen (nach 21:00 Uhr) verglichen mit einem früheren Abendessen (vor 20:00 Uhr) ungünstig – vor allem das Risiko für Schlaganfälle war dann erhöht. Bei Frauen waren diese Zusammenhänge besonders deutlich.  

Deutlich wurde auch, dass längere nächtliche Nüchternphasen günstig sind. Jede Stunde mehr zwischen Abendessen und Frühstück ging zum Beispiel mit einem um sieben Prozent verringerten Schlaganfallrisiko einher.   

Die Wissenschaftler sehen anhand ihrer Studie andere Daten bestätigt, wonach die Nahrungsaufnahme unsere innere Uhr synchronisiert. Spätes Essen stört demzufolge den zirkadianen Rhythmus und das begünstigt dann das Entstehen von Stoffwechselstörungen wie Diabetes und beeinträchtigt auch den Blutdruckrhythmus.

Quelle: Dietary circadian rhythms and cardiovascular disease risk in the prospective NutriNet-Santé cohort, Nat Commun 14, 7899 (2023). https://doi.org/10.1038/s41467-023-43444-3

Bei Vorhofflimmern bieten Gerinnungshemmer (orale Antikoagulanzien) einen wichtigen Schutz vor Schlaganfällen. Patienten, die damit behandelt werden sollten, werden anhand einer Risikobestimmung mit dem sogenannten CHA2DS2-VASc-Score ausgewählt. Doch wie sieht es aus, wenn nach einer Katheterablation das Vorhofflimmern behoben ist?  

Bisher wird in den Leitlinien zur Therapie bei Vorhofflimmern empfohlen, dass nach erfolgreicher Katheterablation die Antikoagulation in jedem Fall für mindestens zwei Monate weitergeführt wird. Je nach individueller Risikokonstellation sollte diese dann auch danach dauerhaft fortgesetzt werden. Hintergrund ist, dass bisher der Beleg fehlt, dass eine Katheterablation das Schlaganfallrisiko deutlich senkt. In einer Studie aus Japan wurde nun geprüft, wie sich bei einer weiteren Therapie mit oralen Antikoagulanzien das Nutzen-Risiko-Verhältnis – also das Verhindern von Schlaganfällen gegen die Gefahr schwerer Blutungskomplikationen – verhält.

Bei rund 230.000 Patienten, bei denen zwischen 2014 und 2021 erstmals eine Katheterablation erfolgt war, wurde das Schlaganfallrisiko bestimmt. Dazu wurde nicht der CHA2DS2-VASc-Score, sondern der in Japan übliche CHADS2-Score genutzt. Rund 70 Prozent der Patienten hatten danach ein niedriges Schlaganfall-Risiko (Score ≤ 1), knapp 22 Prozent ein mittleres Risiko und knapp neun Prozent ein hohes (Score ≥ 3). Alle Patienten wurden mit oralen Antikoagulanzien behandelt. Nach sechs Monaten war das noch bei gut 70 Prozent der Fall, nach einem Jahr bei über 50 Prozent – vor allem bei jenen mit hohem Risiko. Die japanischen Forscher werteten zudem Blutungskomplikationen und Schlaganfälle aus, die in dieser Zeit aufgetreten waren.  

Sie stellten dabei fest, dass nur bei den Patienten mit einem hohen Schlaganfall-Risiko ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis bei fortgesetzter Antikoagulation bestand: Das Thromboembolie-Risiko war deutlich verringert und das Blutungsrisiko nicht größer als bei jenen Patienten, die die Antikoagulation gestoppt hatten. Patienten mit niedrigem Risiko profitierten hingegen im Vergleich zu Patienten ohne Blutgerinnungshemmer nicht merklich hinsichtlich eines antithrombotischen Schutzes. Dafür war bei ihnen das Risiko für schwere Blutungen deutlich höher. Und auch in der Subgruppe mit einem CHADS2-Score = 2 bot die fortgesetzte Antikoagulation keinen Vorteil.

Die Wissenschaftler ziehen daraus den Schluss, dass die orale Antikoagulation nach erfolgreicher Katheterablation bei Patienten mit einem niedrigen Thromboembolie-Risiko nach zwei Monaten tatsächlich abgesetzt werden kann.

Quelle: Oral anticoagulation after atrial fibrillation catheter ablation: benefits and risks; European Heart Journal 14 February 2024; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad798

Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen durch den (Drogen-)Konsum von Cannabis sind schon lange bekannt. Doch sind diese auch von Bedeutung, wenn medizinischer Cannabis zur Behandlung chronischer Schmerzen eingesetzt wird?

Dänische Wissenschaftler haben zur Klärung dieser Frage Daten von 1,88 Millionen Patienten mit chronischen Schmerzen aus einem nationalen Register in Dänemark ausgewertet. Bei 46 Prozent der Patienten hatten die Schmerzen eine muskuloskelettale Ursache, bei 11 Prozent lag eine Krebserkrankung vor, bei 13 Prozent gab es eine neurologische Ursache und bei 30 Prozent war die Ursache nicht spezifiziert. 5.391 dieser Patienten erhielten eine Verordnung von Cannabis als Schmerztherapeutikum. Um die Sicherheit der Therapie für das Herz zu beurteilen, wurden kardiale Nebenwirkungen innerhalb einer Beobachtungszeit von 180 Tagen nach Therapiebeginn mit denen verglichen, die in einer ähnlichen Gruppe von knapp 25.000 Patienten auftraten, die mit anderen Schmerzmitteln behandelt wurden.

Ein auffälliges Ergebnis: In der mit Cannabis behandelten Gruppe lag das Risiko für neu auftretende Rhythmusstörungen bei 0,8 Prozent, in der Kontrollgruppe dagegen bei 0,4 Prozent. Das heißt Arrhythmien traten bei den mit Cannabis behandelten Patienten doppelt so häufig neu auf. Dabei handelte es sich meist um Vorhofflimmern und Vorhofflattern (76%). Anfallsweise Tachykardien traten bei 12 Prozent auf. Für Schmerzpatienten mit Krebs oder Herzerkrankungen war das Risiko für neue Arrhythmien am höchsten. Das Risiko für ein akutes Koronarsyndrom war unter der Cannabistherapie nicht erhöht.

Die Wissenschaftler folgern aus diesem Ergebnis, dass vor allem in den ersten Monaten nach Beginn einer Cannabis-Therapiebei den Schmerzpatienten auf mögliche Herzrhythmusstörungen geachtet werden sollte.

Quelle: Cannabis for chronic pain: cardiovascular safety in a nationwide Danish study; European Heart Journal 7 February 2024; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad834 

April

Körperliches Training erhöht nachweislich die Lebenserwartung und verringert das Risiko, an einer Herzkrankheit zu sterben. Dies trifft für Männer und für Frauen zu. Um diesen Effekt für die Herzgesundheit zu erzielen, benötigen jedoch Frauen offenbar ein weniger zeitintensives Training als Männer.

In einer US-amerikanischen Studie haben Forscher den Nutzen von körperlicher Aktivität bei über 400.000 Menschen, jeweils etwa die Hälfte Frauen und Männer, überprüft. Bei allen Studienteilnehmern wurde das körperliche Training quantitativ erfasst und der Effekt über 20 Jahre beobachtet. Im Laufe dieser Zeit starben etwa 40.000 der Teilnehmer an einer kardiovaskulären Ursache.

Es bestätigte sich, dass diejenigen Menschen, die regelmäßig körperlich aktiv waren, im Vergleich zu Inaktiven eine um 24 % geringere Sterblichkeit hatten. Besonders interessant war allerdings: Den gleichen Überlebensvorteil (minus15 % Sterblichkeit) erreichten Männer nur mit erheblich längerer Trainingsdauer im Vergleich zu Frauen. Männer mussten sich dazu 300 Minuten pro Woche (entsprechend 5 Stunden) aktiv bewegen mit moderater bis mittlerer Intensität. Bei Frauen reichte für den gleichen Effekt bereits eine Trainingsdauer von 140 Minuten pro Woche (2,5 Stunden). Bei gleicher Belastungsintensität – also 300 Minuten Bewegung – erreichten die Frauen sogar einen noch größeren Überlebensvorteil als Männer (minus 24 % Sterblichkeit versus minus 15 % bei Männern). Ähnliche geschlechtsspezifische Unterschiede ergaben sich auch, wenn nur die kardiovaskulär bedingten Todesfälle verglichen wurden sowie beim Vergleich von Ausdaueraktivitäten versus Krafttraining.

Quelle: Sex Differences in Association of Physical Activity With All-Cause and Cardiovascular Mortality; JACC 2_24; https://doi.org/10.1016/j.jacc.2023.12.019

Was kann ich selbst tun, um ohne Medikamente meinen erhöhten Blutdruck zu senken? Dies ist eine der häufigsten Fragen, die Patienten in der Sprechstunde stellen. Offenbar lässt sich hier mit der sanften, meditativen Bewegungskunst Tai Chi einiges erreichen.

In einer in China durchgeführten Studie wurden 342 Teilnehmer mit noch leichtem Bluthochdruck in zwei Gruppen aufgeteilt. Ihre systolischen Blutdruckwerte lagen zu Studienbeginn zwischen 120 - 139 mmHg und die diastolischen Werten zwischen 80 - 89 mmHg. Die eine Gruppe unterzog sich dann ein- bis dreimal wöchentlich einem leichten einstündigen Ausdauertraining (mit submaximaler Belastung), während die andere ein- bis dreimal wöchentlich jeweils für eine Stunde Tai Chi-Übungen durchführte.

Das Ergebnis nach einem Jahr: In der Tai Chi-Gruppe hatte der systolische Blutdruck im Durchschnitt um 7 mmHg und in der Vergleichsgruppe mit Ausdauertraining um 4,6 mmHg abgenommen.

Auch bei der Bestimmung des 24-Stunden-Blutdrucks zeigte sich ein größerer Nutzen in der Gruppe mit den Tai Chi-Übung: Der durchschnittliche systolische Blutdruck war wiederum in der Gruppe mit Bewegungsübungen niedriger als in der Gruppe mit dem Ausdauertraining. 

Quelle: Effect of Tai Chi vs Aerobic Exercise on Blood Pressure in Patients With Prehypertension; AMA Netw Open. 2024;7(2):e2354937. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.54937

Ausgeprägte Verkalkungen der Herzkranzgefäße signalisieren – unabhängig von anderen Risikofaktoren – ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Mittels einer Computertomografischen (CT) Untersuchung ohne Kontrastmittel lässt sich nicht nur das Ausmaß der Verkalkungen in den Herzkranzgefäßen, sondern auch die Lokalisation der Verkalkung bestimmen. Dennoch sind sich Ärzte oft unschlüssig über die nötigen Therapiemaßnahmen, wenn noch keine Beschwerden vorliegen. Wissenschaftler haben sich die Risikokonstellationen nun einmal genauer angeschaut.

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler mehr als 2000 Patienten über einen Zeitraum von gut elf Jahren beobachtet und die kardiovaskulären Todesfälle erfasst. Alle Teilnehmer waren zu Studienbeginn zwar noch beschwerdefrei, wiesen aber bereits eine ausgeprägte Verkalkung (gemessen als genannter Kalkscore über 1000) auf. Verglichen wurden diese Daten mit einer zweiten Hochrisikogruppe, in der die Patienten bereits bis zu zwei schwere kardiovaskuläre Ereignisse erlitten hatten oder ein schweres Ereignis plus bis zu zwei Hochrisikofaktoren vorlagen (etwa  ein Diabetes mellitus).

Ergebnis: Diejenigen Patienten mit massiver Verkalkung im Bereich des Hauptstammes der linken Kranzarterie hatten eine ähnlich ungünstige Prognose wie Patienten mit Diabetes mellitus. Mit Abstand am ungünstigsten aber war die Prognose derjenigen Patienten, die sowohl einen Diabetes mellitus als auch eine massive Verkalkung des linken Hauptstammes hatten.

Schlussfolgerung: Patient:in mit Diabetes mellitus, die eine massive Verkalkung des linken Hauptstammes aufweisen, gehören offenbar zur Gruppe der Hochrisikopatienten – auch wenn sie noch keine Beschwerden und keine kardiovaskulären Ereignisse wie einen Herzinfarkt in der Vorgeschichte haben. Sie kommen nach Ansicht der Forscher daher für intensivere Präventionsmaßnahmen einschließlich einer LDL-Senkung in Frage.

Quelle: Left Main Coronary Artery Calcium and Diabetes. J Am Coll Cardiol Img 2024; https://doi.org/10.1016/j.jcmg.2023.12.006

Plastikmüll ist ein zunehmendes Umweltproblem. Und offenbar ist das daraus entstehende Mikroplastik auch für die Gesundheit ein Problem. Nicht nur in Meerestieren finden Forscher immer wieder Mikroplastikablagerungen, sondern auch in menschlichen Organen. Daten aus In-vitro-Studien deuten zudem darauf hin, dass bestimmte Mikroplastikpartikel oxidativen Stress, Entzündungen und Apoptose (programmierter Zelltod) in Endothelzellen und anderen Gefäßzellen fördern. Italienische Forscher haben nun die Daten von Untersuchungen der Halsschlagader publiziert mit einem beunruhigenden Ergebnis.

An der Beobachtungsstudie hatten über 250 Patientinnen und Patienten teilgenommen, bei denen wegen einer hochgradig verengten Halsschlagader eine sogenannte Carotis-Endarteriektomie – ein chirurgisches Verfahren zur Entfernung von Ablagerungen in Arterien –  vorgenommen worden war. Alle hatten noch keine Symptome aufgrund der Verengung gezeigt.

Die entnommenen Carotisplaque-Proben wurden dann mittels verschiedener Analyseverfahren auf Mikroplastik (≤ 5 nm) und Nanoplastik (≤ 1000 nm) untersucht. Bei 150 Studienteilnehmern wurden Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNP) aus Polyethylen in nennenswerten Mengen gefunden, bei 31 von ihnen wurden zudem Kleinstpartikel aus dem Plastiktyp Polyvinylchlorid nachgewiesen. Außerdem konnten im Elektronenmikroskop kleine Fremdpartikel in den Schaumzellen der Plaques ermittelt werden. Die meisten Partikel hatten eine Größe unter 200 Nanometern, fielen somit unter die Kategorie Nanoplastik.

Die Patienten wurden dann rund drei Jahre beobachtet. In dieser Zeit erlitten sie mehr Herzinfarkte und Schlaganfälle als andere Patienten einer Vergleichsgruppe. Insgesamt kam es zu 30 Herzinfarkten, Schlaganfällen und tödlichen Ereignissen, in der Vergleichsgruppe mit 107 Personen mit Carotisplaques ohne Plastikablagerungen (MNP) nur zu 8 solcher Ereignisse. Die Forscher errechneten daraus – unter Berücksichtigung anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren – ein 4,5-fach erhöhtes Gefäßrisiko, wenn Plastikpartikel in Plaques eingelagert werden. Allerdings, das räumen die Wissenschaftler ein, sind diese Daten kein Beweis einer Kausalität, also dass Mikroplastik Gefäßschäden und Herzinfarkte/Schlaganfälle verursacht.

Quelle: Microplastics and Nanoplastics in Atheromas and Cardiovascular Events. N Engl J Med. 2024 Mar 7;390(10):900-910. doi: 10.1056/NEJMoa2309822

Mai

Zu viel Salz, zu wenig Vollkornprodukte und zu wenig Hülsenfrüchte – diese drei Ernährungsgewohnheiten begünstigen offenbar einen kardiovaskulär bedingten Tod. Insgesamt geht vermutlich jeder dritte kardiovaskuläre Todesfall auf ungesunde Ernährung zurück. Wissenschaftler der Universität Jena kommen zu diesem Ergebnis, nachdem sie in einer großen Analyse den Zusammenhang zwischen 13 Ernährungsfaktoren und 13 kardiovaskulären Erkrankungen in 54 Ländern Europas untersucht hatten. (1)

Zu den Ernährungsrisiken gehörten:

  • hoher Anteil an verarbeitetem Fleisch
  • wenig Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, 
  • wenig Vollkorn,
  • wenig Nüsse und Samen,
  • wenig mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA),
  • viele Transfettsäuren 
  • wenig Meeresfrüchte und Omega-3-Fettsäuren
  • salzreiche Kost und
  • Konsum gesüßter Getränke

Auf Basis der Daten aus fast 30 Jahren schätzen die Forscher, dass rund 1,55 Millionen der Herz-Kreislauf-Todesfälle im Jahr 2019 auf eine suboptimale Ernährung zurückzuführen waren. Diese Todesfälle machten etwa 16 Prozent aller Todesfälle aus. Rund 37 Prozent der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen – und damit gut ein Drittel – waren den Schätzungen zufolge ernährungsbedingte Todesfälle.  Unter den kardiovaskulär bedingten Todesfällen dominierten als zugrundeliegende Herzerkrankung mit 80 Prozent ischämische Erkrankungen. 

Unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht der Betroffenen schätzte das Forscherteam zudem, dass die meisten ernährungsbedingten Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen konkret auf eine Ernährungsweise mit wenig Vollkornprodukten zurückzuführen ist, gefolgt von einer geringen Aufnahme an Hülsenfrüchten und einem hohen Salzkonsum. 

Interessant: In Westeuropa wurden in Deutschland mit 112.601 Todesfällen die meisten ernährungsbedingten Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen beobachtet. Ein Appell also, die Empfehlungen zur herzgesunden Ernährung, wie sie die Deutsche Herzstiftung in Anlehnung an die mediterrane Ernährung unterstützt, mehr zu beherzigen.

Quelle: Cardiovascular mortality attributable to dietary risk factors in 4 countries in the WHO European Region from 1990 to 2019: an updated systematic analysis of the Global Burden of Disease Study; doi/10.1093/eurjpc/zwae136/7646010

Brustschmerzen sind bei etwa jedem vierten Patienten mit Long Covid Syndrom die führenden Beschwerden. Typischerweise  treten sie erstmals in den Wochen nach der durchgemachten Covid-Erkrankung auf. Wodurch diese Beschwerden entstehen und wie sie sich beeinflussen lassen, wurde kürzlich systematisch in einer kleinen Studie aus Spanien (2) untersucht.

Bei 20 Patienten mit Brustschmerzen und Long Covid wurde eine Herzkatheteruntersuchung zum Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit (KHK) gemacht. Zugleich wurde über die Kathetertechnik die Funktion der großen und kleinen Herzkranzgefäße getestet, zum Beispiel Blutfluss sowie koronarer Gefäßwiderstand. Bei 80 Prozent der Patienten fanden die Forscher dabei eine Engstellung oder eine mangelhafte Erweiterungsfähigkeit der großen und/oder kleinen Herzkranzgefäße mit einer hierdurch bedingten verminderten Blutversorgung des Herzmuskels (INOCA ; Ischämische nichtobstruktive Coronarerkrankung).

Die Wissenschaftler folgern daraus, dass Brustschmerzen beim Long Covid Syndrom häufig vorkommen. Und sie sind offenbar meist durch eine Funktionsstörung der großen und/oder kleinen Herzkranzgefäße bedingt. Eine optimale medikamentöse Therapie lässt sich dann auf Grundlage der Funktionstestung der Kranzgefäße während der Herzkatheteruntersuchung wählen. Infrage kommen je nach dominanter Funktionsstörung: Kalziumantagonisten, Nitrate, Betablocker, ACE-Inhibitoren oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker.

Quelle: Myocardial Ischemia of Nonobstructive Origin as a Cause of New-Onset Chest Pain in Long-COVID Syndrome; JACC 2024; doi.org/10.1016/j.jcin.2024.01.072

Über Jahrzehnte gehörten Betablocker zu Standardtherapie nach einem Herzinfarkt. Die Akuttherapie des Herzinfarktes hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten jedoch entscheidend verändert. Damit stellte sich auch die Frage, ob Patienten nach kathetertechnischer Wiedereröffnung des Herzkranzgefäße heute noch mit Betablockern nachbehandelt werden müssen. Dies ist nun in einer vor kurzem veröffentlichen Studie aus Schweden (3) mit mehr als 1000 Herzinfarkt-Patienten untersucht worden.

Die Herzinfarkt-Patienten, die mit einer modernen kathetertechnischen Therapie (perkutane Koronarintervention/PCI) behandelt wurden, erhielten nach Zufallszuteilung anschließend einen (Metoprolol oder Bisoprolol) bzw. keinen Betablocker zusätzlich zur übrigen medikamentösen Therapie. Sie wurden dann über durchschnittlich 3,5 Jahre weiter kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass Todesfälle und weitere Herzinfarkte in beiden Behandlungsgruppen (mit und ohne Betablocker) ähnlich häufig auftraten. Auch der Krankheitsverlauf war bei den Patienten in beiden Gruppen ähnlich.

Für die Wissenschaftler ist dieses Ergebnis ein deutlicher Hinweis, dass in der Ära der modernen Herzinfarkt-Akuttherapie wohl keine Notwendigkeit mehr besteht, Patienten, die einen Herzinfarkt überleben, anschließend noch mit Betablockern zu behandeln. Dies gilt (zunächst) allerdings nur mit Einschränkung für solche Patienten, die – wie in dieser Studie – trotz ihres Herzinfarktes eine normale Pumpfunktion des Herzens hatten. Ob sich dies auch auf andere Herzinfarkt-Patienten übertragen lässt, muss daher in weiteren Untersuchungen bestätigt werden.

Quelle:  Beta-Blockers after Myocardial Infarction and Preserved Ejection Fraction; N Engl J Med 2024; DOI:10.1056/NEJMoa2401479

Herzinfarkte und plötzlicher Herztod werden am häufigsten durch ein Aufreißen (Ruptur) sogenannter instabiler Plaques (lipidreiche Gefäßeinlagerungen) in den Herzkranzgefäßen verursacht. Im Bereich der aufgebrochenen Plaques bilden sich Blutgerinnsel, die das Gefäß ganz oder teilweise verschließen. Wie lässt sich das am besten verhindern? In der PREVENT-Studie wurde dazu die Therapie mit Medikamenten mit der einer vorbeugenden (quasi lokal wirksamen) perkutanen Koronarintervention (PCI) verglichen (4).

An der Studie nahmen rund 1600 Patienten mit akutem und chronischen Koronarsyndrom teil. Sie waren während einer Herzkatheterbehandlung mittels Ultraschall der Gefäßwand zugleich auf instabile Plaques hin untersucht worden. Bei Nachweis einer solchen Gefäßveränderung, die aber noch keine merkliche Gefäßverengung bedingte, wurde dann entweder mit Kathetertechnik (PCI) ein Stent gesetzt und eine optimale medikamentöser Therapie gegeben. Oder es wurde nur mit intensiver medikamentöser Therapie behandelt. Wer welche Behandlung erhielt, war zufällig. Alle Patienten wurden dann mehr als zwei Jahre lang nachbeobachtet.

Das entscheidende Ergebnis: Herztodesfälle, Herzinfarkte und Notfallbehandlungen waren in der kathetertechnisch (PCI) behandelten Gruppe deutlich seltener, als in der allein medikamentös behandelten. Bevor allerdings aus diesem spektakulären Studienergebnis Konsequenzen für die Therapie im Klinikalltag abgeleitet werden können, muss durch eine weitere Studie der Vorteil einer perkutanen Koronarintervention nochmals eindeutig bestätigt werden. Zudem drängt sich die praktische Frage auf: Gibt es Möglichkeiten, instabile Plaques auch ohne invasive Herzkatheteruntersuchung zu diagnostizieren?

Kurz erklärt: 
Im Gegensatz zu stabilen Plaques sind instabile (vulnerable) Plaques anfälliger für ein spontanes Aufreißen, weil nur eine dünne Faserkappe über der  lipidhaltigen Einlagerung liegt. Das Aufreißen kann dann eine Thrombusbildung an dieser Stelle auslösen. Typischerweise war zuvor die Verengung (Stenosierung) an dieser Stelle des Gefäßes nicht besonders ausgeprägt. Stabile Plaques sorgen hingegen eher durch ein (langsames) Anwachsen für eine zunehmende Stenosierung bis hin zum Verschluss.

Quelle: Preventive percutaneous coronary intervention versus optimal medical therapy alone for the treatment of vulnerable atherosclerotic coronary plaques (PREVENT); Lancet 2024; doi.org/10.1016/S0140-6736(24)00413-6

Juni

Zahlreiche Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) werden mit “Nitraten” gegen Brustbeschwerden (Angina Pectoris) behandelt. Wer allerdings mit solchen Medikamenten therapiert wird, darf nicht gleichzeitig Phosphodiesterase-5-Inhibitoren (PDE-5-Hemmer wie Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil) einnehmen, die meist als Potenzmittel genutzt werden, seltener auch gegen Lungenhochdruck. So steht es im  Beipackzettel. Es besteht hier eine sogenannte Kontraindikation, da es unter einer Behandlung mit Nitraten plus  Einnahme dieser Medikamente zu schweren Blutdruckabfällen bis hin zu tödlichen Folgen kommen kann. In den ersten Jahren nach Einführung dieser Medikamente wurde dies auch weitgehend beachtet. Inzwischen gibt es zunehmend Hinweise, dass KHK-Patienten diese Potenzmittel einnehmen, auch wenn sie gleichzeitig mit Nitraten behandelt werden. Wie gravierend sind die gesundheitlichen Folgen? Wissenschaftler haben hierzu nun praxisnahe Erkenntnisse von schwedischen Patienten zusammengetragen. 

In einem schwedischen Patientenregister wurden dazu über 50.000 KHK-Patienten erfasst, die mit Nitraten behandelt wurden. Die Analyse der Krankendaten ergab, dass etwa jeder zehnte dieser Patienten, die in der Vorgeschichte bereits einen Herzinfarkt hatten oder bei denen ein Eingriff zu Verbesserung der Herzgefäßdurchblutung (Revaskularisation) erfolgt war, zusätzlich Sildenafil (Viagra) oder andere Medikamente dieser Art einnahm. Die Wissenschaftler prüften dann den Gesundheitsverlauf bei diesen Patienten im Vergleich zu jenen KHK-Patienten, die nur Nitrate einnahmen.

Ergebnis: Patienten, die zusätzlich zu Nitraten auch Potenzmittel einnahmen, starben früher (um 40 % erhöhtes Risiko), hatten häufiger Herzinfarkte und andere schwere kardiale Komplikationen (jeweils um 70 % erhöhtes Risiko). Außerdem entwickelten sie häufiger eine Herzschwäche (um 67 % erhöhtes Risiko).

Dieser ziemlich eindeutige Zusammenhang von gesundheitlichen Folgen bei gleichzeitiger Therapie mit Nitraten und Potenzmitteln (PDE-5-Hemmer) ist jedoch mit Einschränkungen zu betrachten, wie die Studienautoren einräumen. Denn es sei in der Studie nicht bekannt gewesen, wann die jeweilige Einnahme der Medikamente erfolgte, sondern nur, dass es für beide Substanzgruppen entsprechende Verordnungen gab. So gab es zum Beispiel in den 28 Tagen direkt nach einer Sildenafil-Verordnung keine auffällig erhöhte Zahl an Herzereignissen.

In einem Experten-Kommentar zur Studie wird daher darauf verwiesen, dass die Kontraindikation mit einer Einnahme von PDE-5-Hemmern uneingeschränkt für KHK-Patienten mit einer Dauertherapie mit Nitraten gilt. Bei stabiler KHK, nur leichter Angina pectoris und nur gelegentlicher Nitrateinnahme (sublinguales Nitroglycerin und 24-48 stündiger Abstand zum Potenzmittel) sei das Risiko hingegen wohl geringer. Dennoch sollte auch in diesen Fällen zuvor immer eine Beratung und Absprache mit dem Kardiologen erfolgen.

Quelle: Risk of Death in Patients With Coronary Artery Disease Taking Nitrates and Phosphodiesterase-5 Inhibitors; https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0735109723080749?via%3Dihub

Vorhofflimmern tritt mit zunehmendem Lebensalter häufiger auf. Doch auch in jüngerem Alter gibt es etliche Betroffene. Und deren Zahl wächst. Bisher war nicht bekannt, welche gesundheitliche Bedeutung Vorhofflimmern bei diesen Patienten in einem Alter unter 65 Jahren hat. Eine vor kurzem publizierte Studie liefert dazu wichtige Erkenntnisse.

In dieser Studie wurden die Krankenhausdaten von fast 70.000 Patienten mit Vorhofflimmern aus einem Zeitraum von knapp zehn Jahren genutzt. Es zeigte sich, dass unter diesen überraschende viele Patienten jünger als 65 Jahre waren: insgesamt 17.335 Patienten. Etwa ein Drittel davon waren Frauen. Die Auswertung der elektronischen Krankenakten und Klinikdaten ergab dann, dass bei diesen jüngeren Patienten eine erhebliche Zahl an Risikofaktoren und Risikokrankheiten vorlag nämlich Übergewicht, Bluthochdruck (bei 55 % der Patienten), Diabetes mellitus (21 %), Herzschwäche (20 %), koronare Herzkrankheit (19 %) sowie eine obstruktive Schlafapnoe, also nächtliche Atemaussetzer (18 %) und eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung / COPD (11 %). 

Im Laufe einer Beobachtungszeit von mehr als 5 Jahren kam es vor allem wegen Herzschwäche-Problemen zu mehr als einem Krankenhausaufenthalt – das war bei knapp fünf Prozent der unter 50 Jährigen und über sieben Prozent der 50-65-Jährigen der Fall. Zudem starben 2084 der Patienten. Das waren 6,7 % der unter 50-Jährigen mit Vorhofflimmern und 13 % der 50-65-Jährigen.

Die Studienautoren verglichen zudem diese Daten mit denen einer großen Kontrollgruppe. Deren Teilnehmer waren ebenfalls jünger als 65 Jahre und hatten ähnliche Risikofaktoren, aber kein Vorhofflimmern. Dabei zeigt sich, dass Patienten mit Vorhofflimmern im Alter unter 65 Jahren eine insgesamt deutlich schlechtere Überlebenswahrscheinlichkeit haben als Gleichaltrige ohne Vorhofflimmern. So war das Sterberisiko bei den unter 50-jährigen Männern um 50 Prozent erhöht, bei den gleichaltrigen Frauen sogar um mehr als das Doppelte. Bei Männern mit Vorhofflimmern im Alter von 50-65 Jahren waren das Sterberisiko um 30 Prozent und bei den Frauen dieser Altersgruppe um 70 Prozent erhöht im Vergleich zu Menschen ohne Vorhofflimmern.

Schlussfolgerung: Patienten im „besten Lebensalter“, die Vorhofflimmern haben, weisen häufig weitere gesundheitliche Belastungen (Komorbiditäten) auf und sie haben ein erhöhtes Risiko, dass Krankenhauseinweisung nötig werden und sie frühzeitig sterben. Daher sollte bei ihnen intensiv auf Lebensstiländerungen und die Behandlung der Komorbiditäten hingewirkt und auch das Vorhofflimmern selbst konsequent angegangen werden.

Quelle: Mortality, Hospitalization, and Cardiac Interventions in Patients With Atrial Fibrillation Aged <65 Years; https://doi.org/10.1161/CIRCEP.123.012143

Emotionen wie Ärger, Angst und Niedergeschlagenheit gehen mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen einher wie Herzinfarkt, Schlaganfall und vorzeitigem Herztod einher. Neue Forschungsergebnisse verdeutlichen, welche  negativen Emotionen unsere Gefäße offenbar besonders belasten.

In einer Studie wurden dazu bei gesunden Erwachsenen experimentell jeweils Ärger, Angst, Niedergeschlagenheit oder eine neutrale Reaktion (Kontrolle) provoziert. Man ließ diese für acht Minuten auf die betreffenden Teilnehmer einwirken. Vor, während und nach dem Versuch wurden verschiedene Werte gemessen, die Aufschluss über die Gefäßfunktion geben, etwa die Fähigkeit zur Gefäßerweiterung (reaktive Durchblutungssteigerung). Zusätzlich wurden eventuelle Verletzungen der Gefäßinnenhaut (Endothel) anhand verschiedener molekularbiologischer Messungen erfasst. Auch Blutdruck und Herzfrequenz wurden kontrolliert.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Im Vergleich zur Kontrolle (keine emotionale Provokation) beeinträchtigte Ärger die Gefäßerweiterung deutlich.
  • Akut provozierte Angst hatte einen leichten Effekt auf die endothelabhängige Gefäßerweiterung, Niedergeschlagenheit hingegen keinen im Vergleich zur Kontrollgruppe.
  • Die molekularbiologischen Messungen ergaben keinen Hinweis, dass eine der Emotionen bleibende Schäden auslöste oder die Regeneration des Endothels bzw. der Gefäßerweiterung beeinträchtigte.
  • Ärger und Angst wirkten deutlich Blutdruck-steigernd, nicht aber Niedergeschlagenheit

Schlussfolgerung: Insbesondere Ärger, aber auch Angst, beeinflusst offenbar die Endothelfunktion und damit die Fähigkeit der Gefäßerweiterung. Treten solche Emotionen häufig und länger anhaltend auf, könnte dies für das Entstehen von Angina pectoris, Durchblutungsstörungen des Herzmuskels, Herzinfarkt und plötzlichem Herztod von Bedeutung sein. Die genauen Mechanismen im Endothel müssen allerdings noch erforscht werden.

Quelle: Translational Research of the Acute Effects of Negative Emotions on Vascular Endothelial Health; https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/JAHA.123.032698

Dem Intervallfasten werden positive Effekte nicht nur bezüglich Gewichtsreduktion nachgesagt. Auch Insulinstoffwechsel und Fettstoffwechsel werden günstig beeinflusst. Ob sich dies ebenfalls günstig auf die Herzfunktion von Infarkt-Patienten auswirkt, haben Wissenschaftler aus Halle untersucht.

In der von der Deutschen Herzstiftung geförderte Studie INTERFAST-MI haben 48 Patienten nach einen akuten Herzinfarkt teilgenommen. Sie haben innerhalb von 48 Stunden – nachdem bei ihnen die Herzdurchblutung wiederhergestellt worden war – entweder mit einem Fastenplan mit 16 Stunden Essenspause oder einem normalen Essensplan begonnen. Alle erhielten zudem eine optimale medikamentöse Therapie zum Schutz vor einem erneuten Infarkt (Sekundärprävention). Von 42 Patienten liegen nun Daten vor, wie sich dieses Vorgehen auf ihre Herzfunktion ausgewirkt hat.

Danach hat sich bereits nach vier Wochen bei den Patienten der Fastengruppe die Herzfunktion – gemessen anhand der linksventrikulären Auswurfleistung (LVEF) –deutlich stärker verbessert als in der Vergleichsgruppe. Diese Differenz fiel nach drei und sechs Monaten nochmals größer aus. Außerdem wirkte sich das Intervallfasten positiv auf Blutdruck, Körpergewicht und das LDL-Cholesterin aus. Negative Effekte wurden nicht festgestellt.

Schlussfolgerung: Intervallfasten nach einem Herzinfarkt kann sich offenbar günstig auf die Herzleistung auswirken und zur Erholung des Herzens beitragen. Es ist zudem sicher. Dieser Effekt muss allerdings nun an einer größeren Zahl von Patienten bestätigt werden. Ebenso ist zu klären, ob dies dann langfristig die Prognose der Herzinfarktpatienten verbessert.

Quelle: INTERFAST-MI Studie: Intermittent Fasting After ST-Segment– Elevation Myocardial Infarction Improves Left Ventricular Function; https://doi.org/10.1161/CIRCHEARTFAILURE.123.010936

Juli

  1. Nach einer aktuellen Studie ist eine intensive Blutdrucksenkung empfehlenswert. Beeinflussen die Ergebnisse die europäischen Blutdruck-Leitlinien?
  2. Xylit, bekannt als zahnfreundliche Zuckeralternative, erhöht laut einer Studie das Risiko für Herzerkrankungen und Schlaganfälle erheblich.
  3. Alkohol erhöht dosisabhängig den Blutdruck. Eine dänische Studie mit 104.000 Teilnehmern zeigt: Mehr Alkohol führt zu höheren Blutdruckwerten.

August

Auch bei Schlaganfällen ist der Troponin-Wert erhöht – offenbar auch, weil oft ein Herzinfarkt vorliegt.
  1. Eine neue Studie gibt wichtige Hinweise, ob alte Menschen nach überstandenem Herzinfarkt von intensiver Lipidsenkung profitieren. Lesen Sie mehr
  2. Wie Kaffee auf den Blutdruck wirkt und worauf Bluthochdruck-Betroffene achten müssen.
  3. Etwa jede fünfte Frau erlebt in der Schwangerschaft oder unmittelbar nachher eine Depression (peripartale Depression) – offenbar mit Folgen fürs Herz.

Nachrichten Übersicht (2023)

Dezember

Übergewicht gehört zu den wesentlichen Risikofaktoren für Bluthochdruck und weitere kardiovaskuläre Folgeerkrankungen. In einer Studie konnte nun gezeigt werden, dass die Gewichtsreduktion mithilfe eines neues Medikamentes wohl auch zu weniger Herzinfarkten beiträgt.

Semaglutid ist ein Wirkstoff, der ursprünglich zur Behandlung bei Diabetes entwickelt wurde, aber auch zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden kann. Seit 2022 ist er in der EU unter dem Handelsnamen Wegovy als Mittel gegen Übergewicht und Adipositas zugelassen. Semaglutid wirkt, indem es an einen Rezeptor im Körper bindet, der den Appetit reguliert und den Blutzuckerspiegel senkt.

Nun wurde in einer neue Studie nachgewiesen, dass Semaglutid nicht nur das Gewicht reduziert, sondern auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt. Die Studie heißt SELECT und wurde auf der Jahrestagung 2023 der American Heart Association (AHA) in Philadelphia präsentiert und gleichzeitig im renommierten Fachjournal „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht. (1) An der Studie nahmen mehr als 16.000 Menschen teil, die übergewichtig oder adipös waren und bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung (etwa früherer Herzinfarkt/ Herzschwäche) hatten, aber keinen Diabetes. Sie erhielten entweder Semaglutid (2,4 mg pro Woche subkutan gespritzt) oder ein Scheinmedikament (Placebo) und wurden über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren beobachtet.

Die Ergebnisse waren deutlich: Diejenigen, die Semaglutid erhielten, verloren im Durchschnitt knapp zehn Prozent ihres Körpergewichts, diejenigen, die das Placebo erhielten, hingegen weniger als ein Prozent. Außerdem hatten die Teilnehmer der Semaglutid-Gruppe ein um gut 20 Prozent niedrigeres Gesamtrisiko, einen nichttödlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden beziehungsweise an einer Herz-Kreislauf-Ursache zu sterben, im Vergleich zu den Patienten der Placebo-Gruppe. Konkret betraf eines dieser Ereignisse 569 von 8.803 Patienten (6,5 %) in der Semaglutid-Gruppe und 701 von 8.801 Patienten (8 %) in der Placebo-Gruppe.

Quelle: Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Obesity without Diabetes; NEJM 11_23; DOI: 10.1056/NEJMoa2307563

Die antiviralen Substanzen Nirmatrelvir und Molnupiravir können – frühzeitig in der Akutphase eingenommen – die Schwere einer Covid-19-Infektion nachweislich reduzieren. Doch mindern sie auch das Risiko für Long-Covid?

Die antiviralen Substanzen Nirmatrelvir und Molnupiravir sind die wesentlichen Bestandteile der Medikamente Paxlovid und Lagevrio. Beide werden zur Therapie der Akutphase einer Covid-19-Infektion bei Risikopatienten, z.B. Patienten mit Diabetes mellitus, empfohlen. Denn durch diese Therapie wird die Dramatik des Krankheitsbildes erheblich vermindert. Erste Studienergebnisse erbrachten nun Anhaltspunkte dafür, dass die mit diesen Medikamenten behandelten Patienten wohl auch seltener eine Long-Covid-Erkrankung entwickeln. In der kürzlich publizierten Studie wurden die Daten von mehr als zwei Millionen Patienten mit akuter Covid-Infektion ausgewertet. Knapp jeder Fünfte von ihnen war mit Nirmatrelvir behandelt worden. 2,6 Prozent der Patienten mit Covid-19 hatten den Wirkstoff Molnupiravir erhalten.

Eine Long-Covid-Erkrankung entwickelten in der Folgezeit 14,5 Prozent der nicht behandelten Patienten im Vergleich zu 11,8 Prozent und 13,7 Prozent der Patienten, die mit den beiden Virostatika behandelt wurden.

Den Berechnungen der Wissenschaftler zufolge geht die Behandlung mit den beiden Virostatika demnach mit einer statistisch eindeutigen, allerdings insgesamt geringen Reduktion des Risikos für Long-Covid einher (Nirmatrelvir 4,5 %; Molnupiravir 3 %). Derartig geringe Effekte sind somit als ein günstiger Begleiteffekt einer Akuttherapie anzusehen, sie rechtfertigen jedoch keine eigenständige Indikation zur Prävention einer Long-Covid-Erkrankung.

Quelle: Nirmatrelvir and Molnupiravir and Post–COVID-19 Condition in Older Patients: JAMA Int Med; 10_2023. doi:10.1001/jamainternmed.2023.5099

Wie bei anderen Viruserkrankungen, kommt es auch nach einer Covid-19-Infektion bei einer Reihe von Patienten – man schätzt etwa zehn bis 20 Prozent der Betroffenen – zu einem langanhaltenden postviralen Syndrom, dem Long-Covid-Syndrom.

In der renommierten Zeitschrift Cell hat eine große Gruppe von Autoren nun ein neues Konzept zur Krankheitsentstehung vorgeschlagen, das auch ausführlich experimentell geprüft wurde. Das Konzept beinhaltet folgende Kernaussagen:

  • Long-Covid geht mit einer verminderten Konzentration des zirkulierenden biochemischen Botenstoffs Serotonin einher. Die im Körper nachweisbare Menge dieses sogenannten Neurotransmitters ist bei einer akuten Covid-19-Erkrankung erniedrigt und steigt üblicherweise nach Erholung des Patienten wieder in den Normalbereich an. Im Kontrast dazu bleibt der Serotoninspiegel bei Patienten mit Long-Covid-Syndrom jedoch erniedrigt.
  • Die Ursache für das Absinken des Serotoninspiegels im Blut liegt in der Virusinfektion und in einer spezifischen Entzündungsreaktion. Hierdurch verarmt der Körper auf drei Wegen an Serotonin:
  1. Die Aufnahme der Ausgangssubstanz (Tryptophan), aus der im Körper dann Serotonin gebildet wird, ist vermindert.
  2. Durch Aktivierung und Zerstörung von Blutplättchen ist die Speicherung von Serotonin deutlich eingeschränkt.
  3. Durch Aktivitätssteigerung des Enzyms MAO (Monoaminooxidase) kommt es zu einem erhöhten Serotoninumsatz und damit Serotoninverbrauch.
  • Liegt weniger Serotonin im Körper vor, beeinflusst dies die Aktivität des Vagusnerven (der längste unserer zwölf Hirnerven) und auf diesem Wege die Aktivität von Gehirnregionen, die mehrere Gedächtnisfunktionen steuern. Hierdurch lässt sich ein großer Teil der typischen Defizite im Bereich Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und Konzentration bei postviralen Syndromen erklären.

Quelle: Serotonin reduction in post-acute sequelae of viral infection; Cell, 10_2023; https://doi.org/10.1016/j.cell.2023.09.013

November

Patienten mit einer Covid-19-Infektion haben offensichtlich ein deutlich erhöhtes Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt. Das geht aus mehreren Studien hervor. Es besteht die Vermutung, dass eine extreme Entzündungsreaktion (sogenannte Hyperinflammation), die bei schweren Covid-Verläufen auftreten kann, wesentlich zu dem erhöhten kardiovaskulären Risiko beiträgt. Aktuelle experimentelle Untersuchungen bestätigen nun diese Vermutung. 

Für diese Untersuchungen wurden Gewebeproben von acht Patienten entnommen, die an einer schweren Corona-Infektion verstorben waren. Diese wurden dann histologisch und molekularbiologisch näher analysiert. In allen Gewebeproben fand sich dabei Genmaterial des Covid-Virus SARS-CoV-2. Die virale RNA war vorwiegend in den Entzündungszellen (Makrophagen) lokalisiert, die sich wiederum in atherosklerotischen Plaques mit ausgeprägter Cholesterineinlagerung angesammelt hatten. Durch das SARS-CoV-2 Virus konnte experimentell zudem in kultivierten Makrophagen aus den Patienten entnommenen atherosklerotischen Gefäßen eine starke Entzündungsreaktion ausgelöst werden. Die durch die Viren ausgelöste Infektion ging mit einem starken Anstieg von Zytokinen (Entzündungsstoffen in Blut und Gewebe) einher. Zytokine sind dafür bekannt, dass sie sowohl einen Herzinfarkt als auch einen Schlaganfall im Rahmen einer solchen Entzündungsreaktion auslösen können. 

Die Forscher folgern aus den Ergebnissen ihrer experimentellen Untersuchung, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 offenbar auch die Herzkranzgefäße befallen kann. Über Entzündungsprozesse in den atherosklerotischen Einlagerungen können dann kardiovaskuläre Komplikationen ausgelöst werden.

Quelle: SARS-CoV-2 infection triggers pro-atherogenic inflammatory responses in human coronary vessels; Nature Cardiovascular Research 2023; DOI; 10.1038/s44161-023-00336-5 

Der Anstieg vor allem des systolischen Blutdrucks (oberer Wert der Messung) im hohen Lebensalter wird häufig – auch von Ärzten – als natürlich angesehen und daher nicht behandelt. Aktuelle Studiendaten deuten allerdings darauf hin, dass eine Blutdrucksenkung wohl einen Überlebensvorteil bringt. 

Wissenschaftler haben im Rahmen der großangelegten Women’s Health Studie die Entwicklung des Blutdrucks bei über 16.000 Frauen im Alter ab 65 Jahre rund 18 Jahre lang nachbeobachtet. Die Studienteilnehmerinnen erhielten teilweise eine blutdrucksenkende Medikation, andere nicht. Alle waren ansonsten gesund. Endpunkt der Studie war das Erreichen des 90. Lebensjahres. 

Das entscheidende Studienergebnis: Die größte Wahrscheinlichkeit, das 90. Lebensjahr zu erreichen, hatten jene Frauen, deren systolischer Blutdruck im Mittel bei 120 lag. So hat der Auswertung zufolge eine 65-jährige Frau mit gut eingestelltem Blutdruck, bei der 80 Prozent der systolischen Blutdruckwerte zwischen 110 und 130 mmHg liegen, statistisch eine Wahrscheinlichkeit von 31 Prozent das 90. Lebensjahr zu erreichen. Im Vergleich dazu hat eine gleichaltrige Frau, bei der nur 20 Prozent der systolischen Blutdruckwerte im erwünschten Bereich liegen, lediglich eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 21 Prozent. Es ist zudem hochwahrscheinlich, dass dieser Vorteil einer strengen Blutdruckeinstellung nicht nur auf Frauen, sondern auch auf Männer zutrifft.

Quelle: Systolic Blood Pressure and Survival to Very Old Age. Results from the Women's Health Initiative; medRxiv: 2023; doi: 10.1101/2023.06.22.23291783 

Die ungünstigen Auswirkungen des Rauchens sowohl auf das Entstehen als auch das Fortschreiten einer koronaren Herzkrankheit sind durch zahlreiche Studien belegt. In einer Studie wurde nun auch überprüft, ob sich Zigarettenrauchen ebenso nachteilig auf den Verlauf dieser Erkrankung nach einer Koronargefäßdilatation und Stentimplantation (PCI=perkutane koronare Intervention) auswirkt. 

In einer großen koreanischen Studie wurde zur Klärung dieser Frage über 74.000 Patienten nach PCI in folgende Gruppen eingeteilt: Nichtraucher, (Ex-)Raucher, die nach dem Eingriff aufhörten, und fortgesetzte Raucher. Die Patienten wurden über vier Jahre nach der PCI weiter beobachtet und es wurden alle in dieser Zeit aufgetretenen kardiovaskulären Ereignisse (Tod, Herzinfarkt, Bypassoperation und Schlaganfall) erfasst.  

Das Ergebnis: Wer fortgesetzt rauchte, hatte der Auswertung zufolge eine um fast 20 Prozent größere Häufigkeit an kardiovaskulären Ereignissen im Vergleich zu Nichtrauchern. Ex-Raucher, die vor dem Eingriff weniger als 20 Zigaretten täglich rauchten und dann aufhörten, hatten eine ähnliche Ereignishäufigkeit wie Nichtraucher. Bei Ex-Rauchern mit einem höheren Zigarettenkonsum – nämlich von über 20 Zigaretten täglich – vor der PCI war die Ereignishäufigkeit zumindest reduziert im Vergleich zu Rauchern. Je höher der frühere Zigarettenkonsum vor PCI war, desto geringer fiel die Risikoreduktion aus. 

Diese Daten unterstützen noch einmal mehr die ärztliche Empfehlung, mit dem Rauchen aufzuhören– generell wie auch nach einem Eingriff am Herzen mit Setzen eines Stents.

Quelle:Smoking and cardiovascular outcomes after percutaneous coronary intervention: a Korean study; European Heart Journal 2023; doi.org/10.1093/eurheartj/ehad616 

Oktober

Wie geht es nach einem überstandenen Herzinfarkt gesundheitlich weiter? Diese Frage stellen sich viele Patienten. Und auch schwedische Forscher sind ihr nachgegangen. Denn die Lebenserwartung nach einem Herzinfarkt wird neben der Ausdehnung des Infarkt es durch zahlreiche weitere Faktoren bestimmt. In einer umfangreichen Untersuchung haben die Wissenschaftler eine unerwartete Entdeckung gemacht. Insgesamt wurden für diese Untersuchung über 18.000 Patienten ein Jahr nach einem überlebten Herzinfarkt nach eventuell vorhandenen chronischen Schmerzzuständen nach einem standardisierten Muster befragt. Die Schmerzzustände wurden dann in fehlend, moderat oder extrem klassifiziert. Über einen Zeitraum von gut acht Jahren blieben die Patienten unter Beobachtung und es wurde die Gesamtsterblichkeit erfasst. Das Ergebnis: Moderate Schmerzzustände fanden sich bei 38,2 Prozent und extreme bei 4,5 Prozent der Patienten. Über 1000 Patienten starben während der Beobachtungsperiode. Das Überraschende: Im Vergleich zu Patienten ohne Schmerzzustände hatten solche mit moderaten Schmerzen ein um 35 Prozent erhöhtes Risiko in den nächsten Monaten nach dem Infarkt zu sterben. Das Risiko bei Patienten mit extremen Schmerzen war sogar um 100 % erhöht. Da die Todesumstände und Ursachen nicht erfasst wurden, bleibt die Erklärung für die erhöhte Sterblichkeit spekulativ. Denkbar ist, dass die den Schmerzen zu Grunde liegende Krankheit oder die Schmerztherapie die Lebenserwartung dieser Patienten ungünstig beeinflusst hat.

Quelle: A SWEDEHEART Study, Sept. 2023; https://www.ahajournals.org/doi/epub/10.1161/JAHA.123.029648

Schon länger wird Patienten mit Vorhofflimmern empfohlen, die körperliche Fitness durch mehr Bewegung zu fördern. Wie groß der Effekt von Sport auf die Rhythmusstörung ist, wurde vor kurzem in einer Studie bestätigt.

Dazu wurden die Gesundheitsdaten von 15.000 Personen ohne bisher bekanntes Vorhofflimmern, die eine Fahrradergometeruntersuchung erhalten hatten, anschließend nach rund 137 Monate zurückblickend analysiert. Neu aufgetretenes Vorhofflimmern fand sich in der Auswertung bei 3,3 Prozent aller Studienteilnehmer (Alter im Mittel 54 Jahre). Je fitter sich die Probanden auf dem Fahrradergometer gezeigt haten, desto seltener kam es allerdings zu einem Vorhofflimmern. Für jede Fitness-Stufe, berechnet als metabolisches Äquivalent (MET = drückt die Maximalbelastung auf dem Ergometer aus, ein MET entspricht dabei grob 25 Watt Leistung), reduzierte sich das Risiko deutlich um acht Prozent. Dies ging einher mit einem um zwölf Prozent erniedrigten Risiko für ischämische Schlaganfälle und einem um 14 Prozent erniedrigten Risiko für schwerwiegende Herz-Gefäß-Komplikationen wie einem Herzinfarkt. Der günstige Effekt der körperlichen Fitness war unabhängig von Alter, Geschlecht, Gewicht (Body Mass Index), Vorhandensein von Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Und: Besonders Menschen über 60 Jahren profitierten von einer höheren Fitness.

Schlussfolgerung: Körperliche Fitness senkt nicht nur das Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern, sondern auch das für Schlaganfälle und schwerwiegende Herz-Komplikationen.

Quelle: Exercise performance and the risk of incident atrial fibrillation; ESC Congress 2023; Amsterdam, Poster und Abstract

Bei Patienten über 75 Jahre mit einem Herzinfarkt wird in der Regel nur das verschlossene Herzkranzgefäß mittels einer Katheterbehandlung (Perkutane Koronarintervention; PCI) wiedereröffnet. Doch was ist, wenn weitere Verengungen in anderen Herzkranzgefäßen vorliegen, also Mehrgefäßerkrankungen? Bislang wurde hier bei älteren Patienten eher zurückhaltend agiert, da Komplikationen durch einen weiteren invasiven Eingriff zur Revaskularisierung (Maßnahme, um eine gute Blutversorgung wieder zu ermöglichen) befürchtet wurden. Diese Sorge scheint nach neuen Studiendaten jedoch unbegründet zu sein.

Wissenschaftler kommen zu diesem Schluss, nachdem sie bei einer Gruppe von 1445 Herzinfarkt-Patienten im mittleren Alter von 80 Jahren verglichen haben, welches Vorgehen mit einer besseren Überlebenschance nach einem Jahr verbunden war. Alle Patienten der FIRE-Studie hatten eine Mehrgefäßerkrankung. Dabei wurde bei der einen Hälfte jedoch nur das Gefäß wiedereröffnet, das für den Herzinfarkt ursächlich war. Bei den anderen Patienten wurden zeitgleich oder zeitnah auch die weiteren stark verengten Herzkranzgefäße behandelt. Voraussetzung war, dass diese Gefäßverengungen zuvor per „physiologischer Testung“ als relevant für den Blutdurchfluss des Herzens beurteilt worden waren.

Es zeigte sich, dass diejenigen älteren Patienten, die sich einer vollständigen Revaskularisierung aller verengten Gefäße unterzogen hatten, nach einem Jahr davon profitierten - unter anderem hinsichtlich erneuten Herzinfarkten und dem Risiko zu sterben. Sie wiesen insgesamt ein um 27 Prozent verringertes Risiko für eine Kombination aus Tod, weiterem Herzinfarkt, Schlaganfall oder erneuter Revaskularisierung auf im Vergleich zu diejenigen, die eine PCI nur am ursächlich verstopften Gefäß erhalten hatten. Der Vorteil schien mit der Zeit sogar noch stärker hervorzutreten. In puncto Sicherheit bestand in der Studie kein Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen.

Quelle: Complete or Culprit-Only PCI in Older Patients with Myocardial Infarction, August 2023; https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2300468

September

Unser Lebensstil hat einen wesentlichen Einfluss auf unsere Herzgesundheit. Das ist schon lange bekannt. Doch wie groß dieser Einfluss ist, das haben nun Wissenschaftler in einer Studie nachgewiesen, die im renommierten „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht und aktuell auf der Jahrestagung der European Society of Cardiology präsentiert worden ist. Danach lassen sich durch diese fünf, gut beeinflussbare Risikofaktoren über die die Hälfte aller Herzerkrankungen verhindern und mehr als ein Fünftel der vorzeitigen Todesfälle vermeiden:

Dabei zeigte sich, dass gerade der Raucherstatus, der systolische Blutdruck und auch ein Diabetes mellitus mit dem Alter der Studienteilnehmer als Risikofaktoren an Gewicht zunahmen. Der BMI war durchgehend und altersunabhängig mit einem kardiovaskulären Risiko und der Gefahr eines vorzeitigen Tods verbunden. Um zu diesen wichtigen Ergebnissen zu kommen, hat die Forschergruppe unter Leitung von Professor Stefan Blankenberg, Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung, die Gesundheitsdaten von 1,5 Millionen Menschen aus 34 Ländern analysiert.

Es bestätigt sich damit: Das größte Problem ist, dass sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen oft unbemerkt über Jahrzehnte hinweg entwickeln. Dennoch verändern sich die Gefäßwände, was zu Arteriosklerose führen kann. Dies wiederum erhöht das Risiko für koronare Herzkrankheiten und gefährliche Komplikationen wie Herzinfarkt, akuten Herztod oder Schlaganfall. Daher gilt: Frühzeitig handeln und auf Blutdruck, Gewicht, Blutzucker und Blutfette achten – und die Finger vom Glimmstängel lassen. 

Quelle: Global Effect of Modifiable Risk Factors on Cardiovascular Disease and Mortality; August 2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2206916

Etwa die Hälfte der Patienten mit Herzschwäche hat eine diastolische Herzinsuffizienz, bei der die Auswurfleistung, die sogenannte Ejektionsfraktion, noch weitgehend erhalten ist. Man spricht daher medizinischvon einer HFpEF – heart failure with preserved ejection fraction. Die meisten Patienten mit einer solchen HFpEF sind übergewichtig oder fettleibig, und es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Gewichtsprobleme nicht nur eine Begleiterscheinung sind, sondern eine zentrale Rolle beim Entstehung und dem Fortschreiten dieser Form der Herzschwäche spielen könnten. Hinzu kommt dass die Lebensqualität dieser Patienten durch Symptome wie Kurzatmigkeit, geringe Belastungstoleranz, Schwellungen/Ödeme besonders schlecht ist. Daher wurden beim Jahreskongress der Europäischen Kardiologen in Amsterdam mit Spannung die Ergebnisse der STEP-HFpEF Studie erwartet.

Denn in der Studie wurde der Effekt einer Therapie über 52 Wochen mit dem Wirkstoff Semaglutid – vielen durch die Diskussionen über die “Wunderspritze“ zum Abnehmen inzwischen bekannt – bei über 500 Patienten mit HFpEF untersucht. Bisher gibt es wenige Medikamente, die bei HFpEF eine wirkliche Besserung bringen. Die Patienten waren im Mittel knapp 70 Jahre alt, gut die Hälfte war weiblich und sie wiesen ein mittleres Körpergewicht von 100 Kilogramm auf – waren somit sehr stark übergewichtig. Die eine Hälft der Studienteilnehmer erhielt den GLP-1-Rezeptoragonisten Semaglutid, die andere ein Scheinmedikament (Placebo).

Das Ergebnis: Bei Patienten mit HFpEF und Fettleibigkeit besserte eine Behandlung mit Semaglutid (2,4 mg einmal pro Woche) die Beschwerden und Symptome erheblich. Die körperlichen Einschränkungen und die Leistungsfähigkeit besserten sich – auch messbar an einer Zunahme der Gehstrecke –, die Entzündungswerte besserten sich und es kam zu einer merklichen Gewichtsabnahme im Vergleich zu einer Placebo-Behandlung. Überraschenderweise kam es in der Semaglutid-Gruppe sogar seltener zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen als in der Placebo-Gruppe. Die Studienautoren hoffen, mit diesem Medikament nun eine neue und gute Möglichkeit zu haben, vor allem Herzschwäche-Patienten mit starkem Übergewicht, hohem Leidensdruck helfen zu können, bei denen die Pumpleistung des Herzens selbst noch in Ordnung ist.

Quelle: ESC-Pressemitteilung: https://www.escardio.org/The-ESC/Press-Office/Press-releases/Weight-loss-medication-benefits-patients-with-heart-failure-and-obesity

Übergewicht ist ein bedeutsamer Risikofaktor für Bluthochdruck und andere Herzerkrankungen. Gilt das vielleicht auch für das Auftreten eines plötzlichen Herztodes (PHT) – das wollten nun britische Forscher wissen. Denn starkes Übergewicht führt häufig auch zu einer Vergrößerung des Herzens. Und dies ist wiederum mit einem erhöhten PHT-Risiko verbunden.

Die Forscher haben daher bei der Autopsie das Herz von Menschen, die an einem PHT verstorben waren, näher untersucht: Herzgewicht, Vorhofgröße, Dicke der Kammerwand und epikardiales Fettgewebe wurden bestimmt. Dabei gingen sie davon aus, dass ein krankhaft erhöhtes Herzgewicht, eine sogenannte Adipositas-Kardiomyopathie, bei Männern bei einem Herzgewicht über 550 Gramm und bei Frauen bei einem Herzgewicht über 450 Gramm besteht. Beim Vergleich der Patienten (nur mit starkem Übergewicht, mit Normalgewicht und mit Übergewicht plus Adipositas-Kardiomyopathie) im Verhältnis zu den Herzbefunden stellten die Wissenschaftler einen auffälligen Zusammenhang zwischen plötzlichem Herztod und bestehendem Übergewicht plus Adipositas-Kardiomyopathie fest. Besonders hoch war das Risiko bei jungen Männern und bei vermehrtem Fettgewebe über der rechten Herzkammer.

Eine ausgeprägte Herzverdickung in Zusammenhang mit deutlichem Übergewicht kann somit als Hinweis auf eine erhöhte Gefährdung durch einen plötzlichen Herztod angesehen werden.

Quelle: Cardiomyopathy in Sudden Cardiac Death: A Distinct Entity? A Comparative Study. JACC: Advances 2023; https://doi.org/10.1016/j.jacadv.2023.100414

In den Ländern der westlichen Welt wird niedrig dosierte Acetylsalicylsäure häufig auch ohne ärztliche Verordnung eingenommen – meist als ASS 100. Viele, die das tun, sind an sich gesund, gehen aber davon aus, dass diese prophylaktische Einnahme das Risiko eines ersten Schlaganfalls oder Herzinfarktes verringert, ohne schwerwiegende Nebenwirkungen hervorzurufen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, haben nun Forscher anhand der Daten einer großen Studie (ASPREE) mit nahezu 20.000 älteren Menschen ausgewertet. Diese hatten bislang keinen Schlaganfall erlitten und wiesen auch keine symptomatischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf.

Das überraschende Ergebnis: Unter einer vermeintlich vorbeugenden Therapie mit Acetylsalicylsäure (100 mg ASS täglich) kam es während einer knapp fünfjährigen Beobachtungszeit zu einer um fast 40 Prozent erhöhten Zunahme von Blutungen in den Kopf im Vergleich zu jener zweiten Hälfte an Studienteilnehmern, die kein ASS eingenommen hatten. Die Zahl an durchblutungsbedingten (Ischämischen) Schlaganfällen war in der Gruppe mit ASS-Einnahme ähnlich hoch wie in der Gruppe ohne ASS. Daraus lässt sich schlussfolgern: Wer bisher keinen Schlaganfall hatte, sollte auf eine prophylaktische ASS-Einnahme verzichten. Ein Schutz vor Schlaganfällen scheint fraglich. Es kann unter dieser Therapie sogar vermehrt zu Blutungen in den Kopf kommen.

Anders ist die Situation, wenn bereits ein Herzinfarkt oder Schlaganfall stattgefunden hat: Zum Schutz vor einem erneuten kardiovaskulären Ereignis – also zur Sekundärprävention – hat sich niedrigdosiertes ASS durchaus bewährt.

Quellen: Low-Dose Aspirin and the Risk of Stroke and Intracerebral Bleeding in Healthy Older People: Secondary Analysis of a Randomized Clinical Trial. JAMA Network Open 2023;6(7):e2325803. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2023.25803

Etwa jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat zu hohen Blutdruck. Bekannt ist, dass sich regelmäßige Bewegung positiv auf den Blutdruck auswirkt. Doch mit welchem Sport erreicht man die besten Effekte auf die Blutdruckwerte? Eher mit Ausdauersport wie Walken oder Joggen, wie es in vielen, zum Teil schon älteren, Empfehlungen heißt? Oder doch eher mit anderen Trainingsformen?

Um diese Frage zu beantworten, haben Wissenschaftler sich vor kurzem alle verfügbaren Studien (270 an der Zahl) mit insgesamt über 15.000 Teilnehmern angesehen, in denen mindestens 14 Tage lang der Einfluss von verschiedensten Formen eines regelmäßigen Körpertrainings auf den Blutdruck untersucht worden war.

Das interessante Ergebnis: Es zeigte sich, dass vor allem Übungen, die die Muskeln trainieren, ohne dass man sich dabei viel bewegt, blutdrucksenkend wirkten und zwar sowohl auf den systolischen als auch auf den diastolische Blutdruck. Zu solchen isometrischen Übungen zählen zum Beispiel die Unterarmstütze (Plank) oder ein Wandsitz. Typisch ist, dass man dabei die Muskulatur für eine längere Zeit in einer fixen Position anspannt. Der Effekt lässt aufmerken: Denn damit konnten die Werte im Mittel um 8 beziehungsweise 4mmHg gesenkt werden. In der Einzelbetrachtung war der einfache Wandsitz am effektivsten zu Blutdrucksenkung. Der Tipp des Hauptautors Dr. Jamie O'Driscoll von an der Canterbury Christ Church University laut „Guardian“: „Dreimal pro Woche je 4 x 2 Minuten Wandsitz mit einer zweiminütigen Pause dazwischen ist ein effektiver Weg, um den Blutdruck zu senken“.

Eine hohe Effektivität bescheinigten die Wissenschaftler aber auch einem kombinierten Training aus Ausdauersport mit sogenannten dynamischen Übungen wie Kniebeugen oder Liegestützen. Hiermit ließ sich den Studien zufolge das Blutdruck um im Schnitt 6 mmHg systolisch und 2,5 mmHg diastolisch verringern. Insgesamt wirkten sich aber alle betrachteten Trainingsformen – auch ein alleiniges Ausdauertraining (besonders Laufen und Schwimmen) oder ein intensives Intervalltraining positiv auf den Blutdruck aus. Und: Dieser Effekt war bei Studienteilnehmern, die bereits Bluthochdruck hatten generell größer als bei Probanden mit gesundem Blutdruck. Fazit: Bewegung ist und bleibt ein wichtiger Baustein in der Bluthochdruck-Therapie und um Bluthochdruck zu verhindern.

Quellen: Exercise training and resting blood pressure: a large-scale pairwise and network meta-analysis of randomised controlled trials; BMJ Sports Medicine, 2023; http://dx.doi.org/10.1136/bjsports-2022-106503

August

Wie lassen sich Einengungen und Ablagerungen (Arteriosklerose) der Herzkranzgefäße am besten nachweisen und einordnen? Diese Frage ist auch heute unverändert ein Hauptthema der Herzmedizin. Vor kurzem haben nun Radiologen, Kardiologen und Herzchirurgen gemeinsam einen Konsens erarbeitet. Diese Stellungnahme umfasst die derzeit optimalen bildgebenden Techniken zur Diagnostik und zur Therapieempfehlung für verschiedene Patientengruppen mit Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit (KHK) beziehungsweise mit bereits vorhandener KHK. Die Wissenschaftler kommen zu folgenden Einschätzungen:

  • Die koronare CT-Untersuchung ist das Verfahren der Wahl für die Diagnose einer koronaren Herzkrankheit (KHK) bei Patienten mit stabilen Brustschmerzen und einer geringen bis mittleren klinischen Wahrscheinlichkeit einer obstruktiven koronaren Herzkrankheit.
  • Die koronare CT-Untersuchung ermöglicht es auch, das Ausmaß der Einigungen und der Arteriosklerose genau (quantitativ) zu bestimmen sowie deren Lokalisation und das Risiko für das Entstehen eines Herzinfarktes.
  • In erfahrenen Zentren ermöglicht es die Magnetresonanztomographie (MRT) Ablagerungen (Plaques) gut sichtbar zu machen. Sie bietet sich damit als strahlungsfreie zweite Option zur Koronarangiographie und die direkte Koronarbeurteilung bei Patienten mit stabilen Brustschmerzen (Angina pectoris) an.
  • Die Positronenemissionstomographie ( PET ) hat längerfristig das Potenzial, das Ausmaß der Entzündungsreaktion in den Herzkranzgefäße zu quantifizieren, spielt aber keine Rolle bei der Beurteilung der Schwere einer GEfäßverengung.
  • Die invasive Koronarangiographie bleibt das Referenzverfahren zur Bestimmung, wie stark die Herzkranzgefäße eingeengt sind. Durch intrakoronare Sonographie und optische Kohärenztomographie können Plaques, die aufzureißen drohen, gut erkannt werden.

Fazit: Werden die vorhanden bildgebenden Verfahren differenziert je nach Verdacht und vorhandenen Erkrankungen bei einem Patienten eingesetzt, könnten sowohl die Diagnostik der koronaren Herzkrankheit als auch die weitere Therapieplanung wesentlich verbessert werden.

Quelle: Konsensuspapier: Neue Empfehlungen für bildgebende Diagnostik bei KHK https://www.nature.com/articles/s41569-023-00880-4

Schon seit 2002 gibt es Hinweise, dass eine große Sommerhitze insbesondere für alte und kranke Patienten tödlich sein kann. Wissenschaftler haben vor kurzem die Zahlen analysiert, die sich für den Sommer 2022 in Europa ergaben. Danach starben in den Monaten Juni, Juli und August 2022 offenbar 61.672 Menschen mehr als erwartet. Die Zunahme der Sterblichkeit war in Italien am größten (18.000 Menschen), gefolgt von Spanien (11.300 Menschen) und Deutschland (8.200 Menschen). Frankreich hingegen schnitt vergleichsweise gut ab. Dort hatte man nach dem Hitzesommer 2003 mit errechnet 20.000 zusätzlichen Toten angefangen einen Hitzeschutzplan umzusetzen. Offensichtlich mit Erfolg. Denn hier war die Zahl der Hitzetoten mit 4.800 Menschen nur noch ein Viertel so hoch wie 2003.

Insgesamt waren hitzebedingte Todesfälle bei Frauen häufiger als bei Männern. Besonders gehäuft traten Todesfälle allerdings bei Männern unterhalb des 64. Lebensjahres auf. Ebenfalls besonders betroffen waren Frauen, die älter als 80 Jahre waren. Das relative Risiko eines durch Hitze bedingten Todes nahm mit steigender Temperatur exponenziell, also überproportional zu. Diese Zunahme des Risikos war altersabhängig und für Frauen ausgeprägter als für Männer. Eine Erklärung für die höhere Sterberate bei älteren Frauen: Der Frauenabteil unter hochbetagten Menschen ist höher. Und außerdem sind vor allem die älteren Frauen häufig alleinstehend.

Fazit: es ist wahrscheinlich, dass ich durch geeignete Maßnahmen die Häufigkeit der hitzebedingten Todesfälle vermindern lässt.

Quelle: Heat-related mortality in Europe during the summer of 2022; Nat Med 2023; https://doi.org/10.1038/s41591-023-02419-z

Das messbare Wohlbefinden beruht auf Erfolg im Beruf, guten Sozialkontakten, finanzieller Sicherheit, Akzeptanz in der Gesellschaft und körperliche Gesundheit. Kein Wunder also, dass das Wohlbefinden offenbar auch die Sterblichkeit an Herzkrankheiten beeinflusst, wie US-Wissenschaftler herausgefunden haben.

In einer Studie mit 500.000 Menschen, die an einer Umfrage teilgenommen hatten, wurde dieser mögliche Zusammenhang näher untersucht. Das Ergebnis war insgesamt eindeutig. Ein besseres Wohlbefinden ging rechnerisch mit einer geringeren Sterblichkeit an Herzkrankheiten einher. In gleicher Weise war auch die Sterblichkeit durch Schlaganfall, Herzinfarkt und Herzschwäche bei Menschen mit einem besseren Wohlbefinden geringer. Bei Korrektur der Daten für diverse Einflussfaktoren wie sozioökonomischer Status und Einkommen sowie vorhandene gesundheitliche Risikofaktoren wie Diabetes war die Beziehung zwischen Wohlbefinden und kardiovaskulärer Sterblichkeit zwar abgeschwächt, aber immer noch statistisch eindeutig nachweisbar.

Schlussfolgerung: Nach den Ergebnissen dieser Studie hat das persönliche Wohlbefinden einen günstigen Einfluss auf den Verlauf von Herzkrankheiten, besonders eindeutig war dies für Herzschwäche und KHK. Das Wohlbefinden könnte somit auch im Fokus gezielter Maßnahmen stehen, die die kardiovaskuläre Gesundheit verbessern sollen.

Quelle: Spatz ES et al. Association of Population Well-Being With Cardiovascular Outcomes. JAMA Netw Open 2023;6(7):e2321740. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2023.21740

Juli

Mit steigendem Lebensalter lassen allmählich bestimmte geistige Fähigkeiten nach. In einer kürzlich publizierten Untersuchung (1) wurde allerdings nachgewiesen, dass sich nach einem Herzinfarkt dieser Prozess offenbar beschleunigt. In der wissenschaftlichen Arbeit wurden die Daten von mehr als 30.000 Personen aus sechs großen epidemiologischen Studien analysiert. Es zeigte sich, dass bei jenen Patienten, die im Laufe der Studien einen Herzinfarkt entwickelten, die geistigen Fähigkeiten stärker nachließen als bei Patienten ohne Herzinfarkt.  

In der akuten Herzinfarktsituation zeigte sich noch kein Effekt auf die geistige Leistungsfähigkeit. Doch in den Monaten und Jahren nach dem kardialen Ereignis wurde der Unterschied zwischen Patienten mit und ohne Herzinfarkt zunehmend deutlich hatte, lies die geistigen Kräfte in Monaten und Jahren nach dem Herzinfarkt stärker nach. Auffällig war, dass im Auswertungszeitraum von im Mittel 6,4 Jahren stärker bei den Männern als bei den Frauen mit einem Herzinfarkt zu einer gesteigerten Abnahme der globalen geistigen Fähigkeiten, der Fähigkeiten zu praktischen Handlungen und des Gedächtnisses kam.

Aus den Daten lässt sich ableiten: Wir sollten alles daran setzen, einen Herzinfarkt zu vermeiden – nicht nur um unser Leben zu retten, sondern auch um das vorzeitige Nachlassen unserer geistigen Fähigkeiten zu verhindern.

Quelle: Association Between Acute Myocardial Infarction and Cognition; JAMA Neurol. Published online May 30, 2023. doi:10.1001/jamaneurol.2023.1331; https://jamanetwork.com/journals/jamaneurology/article-abstract/2805553 

Die Implantation eines Defibrillators (implantiertbarer Defibrillator; ICD ) vermindert das Risiko eines plötzlichen Herztodes. Doch Patienten berichten immer wieder von unerwünschten Begleitwirkungen wie Ängsten, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen. Wie häufig diese seelischen Auswirkungen einer Defibrillator Implantation auftreten, haben nun Wissenschaftler in einer Studie mit knapp 40.000 Patienten einmal systematisch analysiert (2). Sie fanden dabei eine klinisch bedeutsame Angststörung bei 23 Prozent, eine Depression bei 15 Prozent und eine posttraumatische Belastungsstörung bei 12 Prozent der Patienten nach ICD-Implantation. Dabei machte es keinen Unterschied, aus welchem Grund das Gerät implantiert worden war. Doch Angstsymptome und Depression traten bei den jenen Patienten deutlich häufiger auf, bei denen ICD-Schocks ausgelöst wurden. Ängste waren bei Frauen häufiger als bei Männern. Generell ließen dann Depressionen und Ängste in den Monaten nach der Implantation allmählich nach.

Die Studie verdeutlicht, dass gerade in der Zeit unmittelbar nach der ICD-Implantation offenbar Ängste und Depressionen häufig sind. Und auch wenn im Vergleich zu Herzgesunden auch bei Herzkranken ohne ICD-Implantation häufiger Depressionen und Ängste auftreten, so ist bei dieser Indikation auffällig, dass eine ansonsten eher seltene posttraumatische Belastungsstörung besonders häufig nach einer ICD-Implantation beobachtet wird.

Vor dem Hintergrund der großen Häufigkeit seelischer Symptome und Erkrankungen, ist es fatal, dass nur gut ein Viertel der Patienten nach einer ICD-Implantation eine psychische Betreuung erhält. Dabei könnte durch eine frühzeitige Diagnose und Therapie dieser Störungen diesen Patienten wesentlich geholfen und damit auch die Prognose der Herzerkrankung verbessert werden.

Quellen: Burden of mood symptoms and disorders in implantable cardioverter defibrillator patients; EP Europace, Volume 25, Issue 6, June 2023, euad130, https://doi.org/10.1093/europace/euad130.

Eine Katheterablation ist eine verbreitete Behandlungsoption für Patienten mit Vorhofflimmern – allerdings mit unterschiedlich großem Erfolg. Daher suchen Kardiologen intensiv nach Faktoren, die den Therapieerfolg positiv beeinflussen können. Eine Verringerung des Körpergewichts gehört offenbar dazu. Das geht aus den Ergebnissen einer kleinen aktuellen Untersuchung aus den USA hervor (3). Danach profitieren übergewichtige Patienten sowohl mit anfallsartigem (paroxysmalem) als auch anhaltendem (persistierendem) Vorhofflimmern von einer Gewichtsabnahme vor der Katheterablation.  

An der Studie nahmen 65 zum großen Teil stark übergewichtige Patienten im Alter zwischen 50 und70 Jahren teil, von denen 85 Prozent außerdem Bluthochdruck hatten, 27 Prozent einen Diabetes und 44 Prozent eine Schlafapnoe. Bei allen wurde vor in den drei Monaten vor der Ablationsbehandlung versucht, diese Risikofaktoren zu verbessern. Dabei erhielt ein Teil der Studienteilnehmer zur Unterstützung der Diät zusätzlich das künstlich nachgebaute Darmhormon Liraglutid, das sowohl zur Adipositastherapie als auch zur Behandlung bei Typ-2-Diabetes zugelassen ist. Es zeigte sich deutlich, dass eine Verringerung des Gewichts um drei bis zehn Prozent vom Ausgangswert eindeutig mit einem besseren Ablationserfolg verbunden war im Vergleich zu einer geringfügigeren Gewichtsveränderung. So konnten sechs Monate nach der Ablation 90 Prozent der Patienten mit zuvor anhaltendem Vorhofflimmern – bei dem per se die Ablation weniger erfolgversprechend ist – auf Antiarrhythmika verzichten, wenn sie deutlich abgenommen hatten (Gruppe 1), aber nur 61 Prozent derjenigen mit geringem Gewichtsverlust (Gruppe 2). Nach zwölf Monaten kamen noch über 80 Prozent in der ersten Gruppe ohne Antiarrhythmika aus, verglichen mit 42 Prozent in der anderen Gruppe.

Auch die Deutsche Herzstiftung unterstützt aktuell ein Forschungsprojekt zu Fett und Vorhofflimmern am Deutschen Herzzentrum in München. Darin untersuchen Wissenschaftler, inwiefern die Menge an Herzfettgewebe mit dem Risiko von wiederkehrenden Rhythmusstörungen nach einer Katheterablation verbunden ist.

Quelle: PRE-ABLATION WEIGHT LOSS AS A PREDICTOR OF ATRIAL FIBRILLATION ABLATION OUTCOME IN THE LIRAGLUTIDE EFFECT ON ATRIAL FIBRILLATION (LEAF) STUDY; HeartRhythm, May 16, 2023; DOI:https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2023.04.029  

Lärmbelastungen durch Autoverkehr wie auch Flugzeuge stehen schon lange unter Verdacht, der Herzgesundheit zu schaden. Eine neue Studie legt nun erneut nahe, dass Menschen die jahrelang einem hohen Straßenlärmpegel ausgesetzt sind, wohl ein erhöhtes Risiko haben, eine Herzschwäche zu bekommen (4). Die WHO empfiehlt, dass zum Schutz der Gesundheit die durchschnittliche Straßenlärmbelastung am Tag einen Schalldruckpegel von 53 Dezibel (dBA) nicht überschreiten sollte. Nachts liegt die empfohlene Grenze bei 45 dBA.

Für die Untersuchung waren nun über 400.000 Menschen, die zu Beginn noch keine Herzinsuffizienz hatten, aus einer Datenbank ausgewählt worden. Die Einträge in ihren Krankenakten wurden dann über im Mittel mehr als zwölf Jahre ausgewertet und mit der Umweltbelastung an ihrem Wohnort während dieser Zeit abgeglichen. Es zeigte sich, dass mit jedem Anstieg der Lärmbelastung um 10 Dezibel im 24-Stunden-Schnitt das Risiko an einer Herzschwäche zu erkranken, um acht Prozent zunahm. Lärmpegel über mehr als 65 dBA waren – verglichen mit Werten bis 55 dBA – sogar mit einem um 15 Prozent erhöhten Risiko für Herzschwäche verbunden. Dieser Effekt trat umso mehr hervor, wenn neben der Lärmbelastung zugleich eine hohe Luftbelastung durch Feinstaub und Stickoxide vorlag. 

Quelle: Long-Term Exposure to Road Traffic Noise and Incident Heart Failure; J Am Coll Cardiol HF. May 24, 2023. Epublished DOI: 10.1016/j.jchf.2023.04.003 

Juni

Hoher Blutdruck ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Schlaganfall und Herzinfarkt. Für das Entstehen von zu hohem Blutdruck spielen zusätzlich zu einer genetischen Veranlagung vor allem Faktoren wie Rauchen, Stress und Bewegungsmangel eine wichtige Rolle. Und offenbar sind auch Menschen gefährdet, die täglich viel mit dem Handy telefonieren. Als ein möglicher Auslöser werden dabei die beim Telefonieren emittierten Radiofrequenzwellen diskutiert, die in Untersuchungen zu einem Blutdruckanstieg geführt haben.

Um diesem möglichen Zusammenhang weiter auf den Grund zu gehen, haben Chinesische Forscher bei über 200.000 Menschen im Alter zwischen 37 und 73 Jahren, die noch keine Bluthochdruckerkrankung hatten, analysiert, inwieweit bei Ihnen das Telefonieren mit dem Handy – anrufen oder Anrufe entgegennehmen – zum Auftreten eines erhöhten Blutdrucks führte. Von den über 212.000 untersuchten Menschen entwickelten fast 14.000 innerhalb von zwölf Jahren einen erhöhten Blutdruck. Die Wahrscheinlichkeit, einen erhöhten Blutdruck zu entwickeln, war bei „Handy-Benutzern“ höher als bei „Nichtbenutzern“. Handygespräche für insgesamt 30 Minuten und mehr pro Woche waren der Studienauswertung nach mit einem um 12 Prozent erhöhten Risiko verbunden im Vergleich zu einer kürzeren Nutzung.

Erstaunlich war, dass die Häufigkeit, mit der es zu einer Hypertonie kam, mit steigender Gebrauchszeit des Handys pro Woche deutlich zunahm. Insbesondere Handy-Benutzer mit einer Wochentelefonierdauer von mehr als sechs Stunden und einer genetischen Disposition für Bluthochdruck hatten ein besonders hohes Risiko.

Schlussfolgerung: Menschen mit genetischer Veranlagung zur Hypertonie sollten lange Telefonierzeiten mit dem Handy nach Möglichkeit vermeiden. Denn schon 30 Minuten pro Woche sind offenbar mit einem erhöhten Risiko verbunden, einen hohen Blutdruck zu entwickeln.

Quelle: Mobile phone calls, genetic susceptibility, and new-onset hypertension: results from 212 046 UK Biobank participants | European Heart Journal - Digital Health | Oxford Academic (oup.com)

Deutschland belegt bei der Lebenserwartung im westeuropäischen Vergleich nur einen hinteren Platz: Unter 16 Ländern erreichte Deutschland insgesamt bei den Männern nur Platz 15 und bei den Frauen Platz 14. Dieses Ergebnis einer kürzlich publizierten Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung und des Max-Planck-Instituts für demographische Entwicklung ist nicht überraschend. Schon seit Jahren belegt unser Land im Vergleich zu anderen Ländern einen hinteren Platz.

So war die Lebenserwartung aus dem Jahr 2019 bei den Frauen in Spanien mit 86,2 Jahren am größten, bei den Männern in der Schweiz mit 81,9 Jahren. In Deutschland lag die Lebenserwartung bei den Frauen hingegen bei 83,5 und bei den Männern bei 78,7 Jahren. Doch wo liegen die Ursachen? Welche Konsequenzen sind zu ziehen?

Eine wesentliche Ursache, dass Deutschland bei der Lebenserwartung zurückliegt, sehen die Autoren in der erhöhten Zahl von Todesfällen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei Männern zeigt sich dies bereits ab dem 50. Lebensjahr, bei Frauen ab dem 65. Lebensjahr. Die Ursachen der erhöhten Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurden in diesen Studien zwar nicht direkt untersucht, jedoch von den Autoren ausführlich besprochen.

An erster Stelle der Ursachen stehen die unzureichende Prävention und die Missachtung bzw. Nichtbehandlung von Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Außerdem spricht vieles dafür, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen in unserem Land zu spät diagnostiziert und damit auch zu spät behandelt werden. Nicht zuletzt trägt auch der ungesunde Lebensstil, der durch politische Maßnahmen nicht verhindert wird – Rauchen, unzureichende Nahrungsmittelkennzeichnung –, zu einer verminderten Lebenserwartung bei. Mitschuldig an diesem Desaster ist außerdem die unausgewogene Honorierung ärztlicher Leistungen in unserem an sich gut finanzierten Gesundheitssystem: Zu wenig Mittel für Prävention, Gesundheitsvorsorge, Früherkennung und das ärztliche Gespräch.

Quelle: European Journal of Epidemiology; https://doi.org/10.1007/s10654-023-00995-5

Das Geschlechtshormon Estrogen schützt Frauen bis zur Menopause recht gut vor Gefäßablagerungen. Doch umso größer scheint das Risiko für einen Herzinfarkt zu sein, wenn sie danach eine Arteriosklerose entwickeln. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler aus den Niederlanden, die untersucht haben, in welchem Alter die für die Prognose relevante Koronargefäßveränderung eintritt und wie sich dies bei Männern und Frauen auswirkt.

Sie nutzten dazu die Computertomographie (CCTA), mit der sich die Herzkranzgefäße sehr gut bildlich darstellen lassen und mit der sich auch das Ausmaß der koronaren Arteriosklerose (Koronargefäßverkalkung) quantitativ erfassen und als CCTA-Score berechnen lässt. Mit der so erhaltenen Information kann das Risiko zukünftiger „kardialer Ereignisse“ (MACE; Major Adverse Cardiovascular Events), wie vorzeitiger Herztod und Herzinfarkt, relativ zuverlässig abgeschätzt werden.

In der Studie wurde nun bei mehr als 11.000 Frauen und über 13.000 Männer der CCTA-Score verglichen. Zudem wurden im Mittel über 3,7 Jahre die kardialen Ereignisse registriert. Wie zu erwarten, setzte die Arteriosklerose bei Männern früher ein. Bereits im Alter zwischen 52 und 56 Jahren hatten sie ein erhöhtes kardiales Risiko. Bei Frauen war das dagegen bis zu 12 Jahre später (64. bis 68. Lebensjahr). Und: Je ausgeprägter die Arteriosklerose, desto größer das Risiko für Herztod und Herzinfarkt.

Das Auffällige: Vor der Menopause ging ein ähnlicher CCTA-Score bei Männern wie Frauen auch mit einem ähnlichen Risiko für schwerwiegende kardiale Ereignisse einher.  Das änderte sich nach der Menopause. Hier hatten in der Studie Frauen in der Gruppe mit dem höchsten CCTA-Score dann z.B. ein deutlich höheres Risiko für kardiale Ereignisse als ihre männlichen Altersgenossen mit einem ähnlichen CCTA-Score.

Schlussfolgerung: Zur Abschätzung des koronaren Risikos empfiehlt sich im Normalfall die Durchführung einer CCTA bei Männern ab dem 52. und bei Frauen ab dem 64. Lebensjahr. Frauen nach der Menopause mit einem hohen CCTA-Score sind offenbar besonders risikobelastet. Hier ist dann eine weitere Diagnostik und eventuell auch eine intensivierte Prophylaxe und Therapie nötig.

Quelle: https://academic.oup.com/ehjcimaging/advance-article/doi/10.1093/ehjci/jead094/7151544

Eine ausgewogene, frische Ernährung schützt das Herz – sowohl am Krankwerden als auch bei bereits vorhandener Herzerkrankung vor einer weiteren Schädigung. So weit so bekannt. Doch bei den Ernährungsprogrammen besteht die Qual der Wahl, denn gerade im Internet wird immer wieder von unterschiedlichen erfolgreichen Methoden berichtet. US-amerikanische Wissenschaftler haben daher nochmals kritisch die Studienlage zu sieben verschiedenen Ernährungsprogrammen ausgewertet: fettarme, modifiziert fettarme und sehr fettarme Kost, mediterrane Kost, fett- und zugleich natriumarme Ernährung, Ornish-Diät (vegetarisch/fettarm) sowie die Pritikin-Diät (kohlenhydratreich/fettarm).

Kernfrage bei der Auswertung von insgesamt 40 Studien war: Welche Ernährung schützt letztlich Personen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko am besten vor Herzinfarkt, Schlaganfall und einem vorzeitigen Tod? Rund 35.500 Probanden hatten eine dieser Ernährungsweisen befolgt und ihre Gesundheit war über mindestens neun Monate kontrolliert worden. Der Auswertung zufolge schnitten zwei Ernährungsvarianten besonders gut ab.

Vor allem die mediterrane Ernährung war überzeugend: Hiermit war das Sterberisiko insgesamt um 28 Prozent verringert. Rechnerisch bedeutete das, dass 17 pro 1000 Todesfälle über fünf Jahre weniger auftreten. Das kardiovaskuläre Sterberisiko war bei Menschen mit mediterraner Ernährung sogar um 45 Prozent verringert. Und auch der positive Effekt auf das Risiko für nichttödliche Herzinfarkte/Schlaganfälle war deutlich.

Auch eine einfache fettarme Ernährungsweise wirkte sich positiv aus. Hiermit kann das Risiko, vorzeitig zu sterben, immerhin um 16 Prozent verringert werden (9 Todesfälle weniger pro 1000).

Quelle: https://www.bmj.com/content/380/bmj-2022-072003  (dazu passt auch: Low‐carbohydrate diets, low‐fat diets, and mortality in middle‐aged and older people: A prospective cohort study (wiley.com)

Mai

Für viele Menschen gehört der Kaffeekonsum zu den wichtigen täglichen Ritualen. Doch anders als etwa bei den – bekanntlich negativen – Auswirkungen von Nikotin- und Alkoholkonsum auf die Gesundheit, sind die Effekte von Kaffee widersprüchlich. Wissenschaftler haben daher in einer aktuellen Studie nochmals Licht in das schwarze Getränke und seine Auswirkungen auf das Herz- und Kreislaufsystem sowie auf den Schlaf- und Zuckerstoffwechsel bringen wollen. In der Studie wurde bei 100 Normalpersonen (ohne Herzkrankheit) verschiedene Messgrößen kontinuierlich erfasst: Häufigkeit und Art von Herzrhythmusveränderungen, tägliche Schrittzahl, Schlafzeiten und Glucose-Blutspiegel in Abhängigkeit vom täglichen Kaffeekonsum.

Das Ergebnis ist für Kaffeeliebhaber weitgehend erfreulich: Der Konsum koffeinhaltigen Kaffees rief keine atrialen Extrasystolen, bzw. vermehrt Vorhofaktionen hervor. Auch ventrikuläre Extrasystolen kamen bei einem relativ geringen Kaffeekonsum (eine Tasse täglich) nicht häufiger vor. Bei einer Steigerung des täglichen Kaffeekonsums nahm dann allerdings schon die Zahl der Herzkammeraktionen dosisabhängig zu. Tägliche Schrittzahl, Schlafdauer und Glucosemenge im Blut unterschieden sich wiederum nicht zwischen (moderaten) Kaffeekonsumenten und Personen, die bewusst auf den Genuss von Kaffee verzichteten. Auch hier gab es allerdings wieder einen dosisabhängigen Effekt: Erhöhter Kaffeekonsum ging mit einer längeren täglichen Gehstrecke und einer verkürzten Schlafenszeit einher.

Was lässt die Studie an Schlussfolgerung somit zu? Ein maßvoller Genuss von koffeinhaltigem Kaffee ist für Herzgesunde unschädlich. Ob dies auch bei erhöhtem Kaffeekonsum oder für Herzkranke zutrifft, ist wissenschaftlich weiterhin nicht eindeutig gesichert.

Quelle: Acute Effects of Coffee Consumption on Health among Ambulatory Adults; NEJM 3, 23; DOI: 10.1056/NEJMoa2204737

Die Mehrzahl der Patienten mit Vorhofflimmern wird heutzutage mit den direkten oralen Antikoagulanzien (DOAc) oder den klassischen oralen Antikoagulanzien (Marcumar z.B.) behandelt. Hierdurch lässt sich das Risiko eines Schlaganfalls erheblich senken, aber nicht vollständig eliminieren. Großes Aufsehen haben daher die aktuellen Ergebnisse einer chinesischen Studie mit über 50.000 Patienten mit Vorhofflimmern hervorgerufen: Denn hier fand sich eine – weitere – deutliche Senkung der Schlaganfall-Häufigkeit, wenn die Patienten zusätzlich mit Statinen behandelt worden waren.

In der Untersuchung ermittelten Wissenschaftler die Häufigkeit von Schlaganfall, transitorisch ischämischen Attacken (TIA) und systemischen Embolien bei den Patienten   mit einem Altersschnitt von 75 Jahren, bei denen Vorhofflimmern diagnostiziert worden war. Die Teilnehmer wurden dabei in zwei Gruppen eingeteilt: Statin-Nutzer (knapp 12.000 Patienten) und Nicht-Nutzer (rund 39.000 Patienten). 

Es zeigte sich bei der Auswertung über einen mittleren Zeitraum von fünf Jahren, dass in der mit Statinen behandelten Patientengruppe das Risiko für Gefäßkomplikationen offensichtlich deutlich geringer war als in der Gruppe ohne Statine: Das Risiko für Schlaganfall und systemische Embolien war um 17 Prozent verringert, das für TIA um 15 Prozent. Noch eindrucksvoller war der Schutzeffekt bei einer Statin-Langzeittherapie (Einnahme über sechs und mehr Jahre). Für diese Patienten war das relative Risiko für alle Komplikationen um jeweils über 43 Prozent erniedrigt im Vergleich zu einer Statineinnahme über maximal zwei Jahre.

Erstaunlicherweise trat dieser günstige Effekt sowohl bei jenen Patienten auf, die mit Gerinnungshemmern behandelt wurden, als auch bei jenen, die offensichtlich ohne gerinnungshemmende Therapie waren.

Daraus lässt sich schließen, dass Statine zwar kein Ersatz für orale Antikoagulanzien bei Vorhofflimmern sind. Doch die langfristige zusätzliche Gabe könnte vor allem für Risikopatienten mit Vorhofflimmern, die mit Antikoagulanzien behandelt werden, eine gute Option sein – im Sinne einer Primärprävention –, um ihr Risiko für Schlaganfällen und Embolien weiter zu verringern.

Quelle: Statin use is associated with lower risk of stroke in patients with atrial fibrillation; ESC-EHRA 2023; Pressemitteilung

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind mit einem mehr als zweifach erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen verbunden. Zugleich wirken sich Stress, Angst und Depression bekanntlich ungünstig auf das Entstehen und Fortschreiten von Herzerkrankungen aus. Kann dagegen eine Meditationstherapie helfen? Das wurde in einer kontrollierten Studie bei 40 Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) überprüft, die an einem herkömmlichen Reha-Programm für mindestens sechs Monate teilnahmen.

Die zusätzlich angebotene Meditations-Therapie für einen zufällig ausgewählten Teil der Patienten bestand in einer „Karuna-Meditation“, die auf bewusste Atmung und der Kultivierung von Mitgefühl (karuna) fokussiert. Die Meditationsgruppe nahm wöchentlich an einer 90-minütigen Meditation für vier Wochen teil. Während der nachfolgenden drei Monate wurde den Teilnehmern dieser Gruppe eine täglich 20-minütige eigenständige Meditation empfohlen mit der Möglichkeit, mit dem Kursleiter Rücksprache zu halten.

Vier Monate nach Studienbeginn konnten die Wissenschaftler feststellen, dass in der Meditations-Gruppe Depression (Score minus 44 %), Stress (Score minus 31 %) und Angst (Score minus 29 %) sich deutlich verringert hatten. Gleichzeitig nahm die Lebensqualität um 60 Prozent zu. In der Patientengruppe ohne Meditation fanden sich hingegen praktisch keine Veränderungen in den oben erwähnten Scores und in der Lebensqualität.

Quelle: Meditation reduces stress and anxiety in patients with heart disease; ESC Preventive Cardiology 2023; Pressemitteilung

Insbesondere moderne Hochleistungsladestationen für E-Autos können starke Magnetfelder und elektrische Interferenzen erzeugen. Geht von diesen Ladekabeln und Ladegeräten dann für Patienten mit einem Herzschrittmacher oder einem Defibrillator womöglich eine Gefahr aus? Diese weit verbreitete Sorge haben Kardiologen vom Deutschen Herzzentrum in München in einer neuen Studie nun entkräftet.

Dazu hatten 130 Patienten mit einem implantierten elektronischen Herzgerät insgesamt über 500 Mal ein E-Auto an einer Hochleistungsladestation aufgeladen. Ihre Herzaktivität wurde währenddessen kontinuierlich mit einem 6-Kanal-EKG überwacht. Das Ladekabel wurde dabei sogar bewusst nahe am Herzgerät vorbeigeführt, die auch so programmiert waren, dass sie besonders empfindlich auf eine elektrische Interferenz reagieren sollten. Nach dem Aufladen wurden die implantierten Herzschrittmacher und Defibrillatoren nochmals ausgelesen. Es zeigte sich bei der Auswertung, dass es zu keiner Zeit zu merklichen Reaktionen bei den Studienteilnehmern gekommen war: So gab es keine Anzeichen von ungewöhnlichen Tachykardien oder Veränderungen am Herzgerät.

Die Kardiologen folgern daraus, dass die Nutzung von E-Autos mit Hochleistungsladegeräten für Patienten mit Defi und Herzschrittmacher sicher ist. Dennoch raten sie, nicht mehr Zeit als unbedingt nötig in unmittelbarer Nähe der Ladekabel zu verbringen.

Quelle: Are high power electric vehicle chargers safe for patients with cardiac devices?; EP Europace; 2023; doi:10.1093/europace/euad042

April

Übergewicht ist fraglos ein Risikofaktor für das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Immer wieder wird allerdings behauptet, dass sich Übergewicht bei Patienten mit bestehender Herzerkrankung auch günstig auswirken kann. Diese Vorstellung beruht etwa auf der Beobachtung, dass Menschen mit fortgeschrittener Herzschwäche häufig nur noch „Haut und Knochen“ sind und hierdurch ihre Lebenserwartung ungünstig beeinflusst wird.

In einer kürzlich publizierten Untersuchung wurden anhand der Daten von 1832 Frauen und 6567 Männern mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) aus der Studie PARAIGM-HF systematisch analysiert, ob dieses als „Adipositas-Paradoxon“ bekannte Annahme bei Patienten mit einer Herzschwäche tatsächlich stimmt. Die Übergewichtigkeit wurde, wie heute meist üblich, nach dem Body-Mass-Index (BMI), in den Körpergröße und Körpergewicht eingehen, beurteilt. Dieser Index berücksichtigt jedoch nicht den Fettanteil des Körpers und ebenso nicht die Lokalisation des Körperfettes. Um dem besser Rechnung zu tragen, wurde ein Index vorgeschlagen, der das Verhältnis von Hüftumfang (Bauchumfang) und Körpergröße berücksichtigt (sogenannter WHR-Index, weight to height ratio). In diesen Index geht neben der Körpergröße der Fettanteil und die Lokalisation des Körperfettes ein.

Auf den ersten Blick bestätigte sich bei der Auswertung der Patientendaten, dass Übergewicht bei Herzinsuffizienten mit besseren Überlebenschancen einzugehen scheint. So hatten Patienten mit einem BMI über 25 kg/m2 Körperoberfläche eine höhere Überlebenschance. Wurden jedoch alle Einflussfaktoren berücksichtigt, die Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben – einschließlich des Hüftumfanges und der Körpergröße –, zeigte sich, dass ein Mehr an Körperfett mit einem höheren Risiko für Tod und stationären Aufenthalt infolge von Herzinsuffizienz einherging. So hatte das Fünftel der Patienten mit dem höchsten Hüft-Körpergröße-Index (WHR) ein um 39 Prozent höheres Risiko, als das Fünftel der Herzinsuffizienten mit dem niedrigsten Index.

Diese Daten widerlegen somit das Adipositas-Paradoxon und lassen den Schluss zu, dass zumindest bei Herzinsuffizienten der Hüft-Körpergröße-Index anstelle des Body-Mass-Index genutzt werden sollte, um das Risiko von Übergewicht zu bestimmen. Denn herzinsuffiziente Patienten mit Übergewicht und mit einem hohem Index haben eine deutlich ungünstigere Prognose als solche mit einem normalen Index (= <0,5). Ob ein Absenken dieses Index unter 0,5 bei einer Herzschwäche die Lebenserwartung verbessert, lässt sich aufgrund dieser Studienergebnisse allerdings nicht sagen.

Quelle: Anthropometric measures and adverse outcomes in heart failre with reduced ejection fraction: revisiting the obesity paradox; European Heart Journal, ehad083, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad083

Körperliche Aktivität verlängert unser Leben. Es ist jedoch bis heute unklar, wieviel körperliche Aktivität (jenseits einer berufsbedingten körperlichen Aktivität) notwendig ist, um dies zu erreichen. Denn in vielen Studien wird nicht unterschieden, welcher „Bewegungsanteil“ pro Tag durch die Arbeit und welcher durch sportliche Betätigung im Alltag zustande kommt Wissenschaftlich ausgedrückt: Es fehlt eine eindeutige Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen nichtberuflicher körperlicher Aktivität und dem Auftreten chronischer Erkrankungen und Sterblichkeit in der Bevölkerung.  

Um diese lebensnahe Fragestellung zu beantworten, wurden die Ergebnisse mehrerer großer Bewegungsstudien mit insgesamt über 30 Millionen Teilnehmern analysiert (2). Die Gesamtsterblichkeit, die Häufigkeit von Herzkreislauferkrankungen sowie die von Krebserkrankungen waren demnach umso geringer, je größer die körperliche Aktivität war. Es zeigte sich aber vor allem, dass schon im Bereich bis zu 150 Minuten pro Woche mäßiger bis kräftiger aerober körperlicher Aktivität ein stetiger Anstieg des Nutzens – also eine Risikoverminderung – zu verzeichnen ist. Bei weiterer bzw. maximaler körperlicher Aktivität nimmt dieser Nutzen nicht mehr in vergleichbarer Weise zu. Dies ist zum einen eine Bestätigung, dass die aktuell geltenden Empfehlungen für die anzustrebende sportliche Betätigung pro Woche stimmig ist. Zum anderen verdeutlicht die Auswertung, dass jeder Schritt mehr auf die Gesundheit einzahlt.

Quelle:Non-occupational physical activity and risk of cardiovascular disease, cancer and mortality outcomes; Br J Sports Med 2023;0:1–15. doi:10.1136/bjsports-2022-10566

Nach dem klinischen Eindruck und den Ergebnissen kleinerer Untersuchungen sind die Resultate der Katheterablation von Vorhofflimmern bei Frauen weniger gut als die bei Männern. In einer großen koreanischen Studie mit rund 3000 Patienten wurde der Frage nachgegangen, ob die Katheterablation bei Frauen tatsächlich weniger erfolgreich ist und welche Konsequenzen sich hieraus ergeben.

In der Nachbeobachtungszeit von etwa vier Jahren hatten rund 37 Prozent der Patienten Rückfälle nach einer ersten Katheterablation wegen eines paroxysmalen Vorhofflimmerns. Von diesen Patienten hatten etwa zwei Drittel unter einer anschließenden medikamentösen antiarrhythmischen Therapie weitere Rückfälle. Dabei bestätigte sich auch, das insgesamt die Rückfallhäufigkeit nach einer Katheterablation bei den Frauen etwas höher war als bei Männern (um etwa 28%).

Allerdings hatten jene Frauen, die nach einem ersten Rückfall dann mit Antiarrhythmika nachbehandelt wurden, etwa 25% weniger Rückfälle als dies bei Männern der Fall war. Besonders ausgeprägt war dieser Vorteil bei Frauen jenseits des 60. Lebensjahres. Dies deutet darauf hin, dass zwar eine Katheterablation bei Männern etwas erfolgreicher ist als bei Frauen. Dafür reagieren insbesondere ältere Frauen nach fehlgeschlagener Katheterablation wohl besser auf eine antiarrhythmische Therapie als Männer.

Quelle: Sex difference in atrial fibrillation recurrence after catheter ablation and antiarrhythmic drugs; Heart 2023;109:519–526. doi:10.1136/heartjnl-2021-320601

Die ketogene oder "Keto" -Diät, bei der sehr geringe Mengen an Kohlenhydraten und hohe Mengen an Fetten konsumiert werden, gehört zu den populären Diät-Formen. Befürworter einer ketogenen Diät schlagen im Allgemeinen vor, Kohlenhydrate auf zehn Prozent der gesamten täglichen Kalorien, Protein auf 20 – 30 Prozent zu begrenzen und 60 – 80 Prozent der täglichen Kalorien dementsprechend aus Fett zu beziehen. Eine solche Ernährungsform scheint sogar schon bei weniger strenger Kohlenhydratreduktion schlecht fürs Herz zu sein, wie eine Studie nahelgt, die vor kurzem auf dem Weltkongress für Kardiologie der Amerikanischen Kardiologen Gesellschaft (ACC) vorgestellt worden ist.

Über 70.000 Teilnehmer hatten dabei einen einmaligen 24-Stunden-Diätfragebogen ausgefüllt und sich Blut abnehmen lassen, um ihren Cholesterinspiegel zu überprüfen. Die Forscher identifizierten 305 Teilnehmer, die sich offenbar bewusst kohlenhydratarm ernähren. Dies definierten die Wissenschaftler, wenn nicht mehr als 25 Prozent der gesamten täglichen Energie aus Kohlenhydraten und mehr als 45 Prozent der gesamten täglichen Kalorien aus Fett entsprach. Diese Teilnehmer wurden nach Alter und Geschlecht mit 1220 Personen verglichen, die angaben, eine Standarddiät zu essen.  

Der Vergleich ergab, dass die kohlenhydratarme Ernährung mit deutlich höheren Blutwerte sowohl für LDL-Cholesterin als auch für Apolipoprotein B (apoB) verbunden war. Die anschließende Nachbeobachtung der Studienteilnehmer über knapp zwölf Jahre zeigte zudem – nach Anpassung an andere Risikofaktoren für Herzerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Rauchen – für die Gruppe mit kohlenhydrat-restriktiver Ernährung ein mehr als doppelt so hohes Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (9,8 zu 4,3 Prozent Häufigkeit). Zu den Herzereignissen gehörten Blockaden in den Arterien, die mit Stent-Verfahren geöffnet werden mussten, Herzinfarkt, Schlaganfall und periphere arterielle Verschlusskrankheit. Bei Patienten mit erhöhten LDL-Werten war erwartungsgemäß das kardiovaskuläre Risiko am höchsten.

Quelle: https://www.acc.org/About-ACC/Press-Releases/2023/03/05/15/07/Keto-Like-Diet-May-Be-Linked-to-Higher-Risk

März

Mit Hilfe sogenannter Wearables – kleinen am Köper tragbaren Computersystemen – lassen sich nachweislich Häufigkeit und Dauer der Anfälle von Vorhofflimmern feststellen und dokumentieren. Doch sind die auf dem Markt befindlichen Systeme – meist in Form von Smartwatches – alle gleich leistungsfähig? Dieser Frage ist vor kurzem eine Arbeitsgruppe der Universität Basel nachgegangen. 

Verglichen wurden unter Alltagsbedingungen das AliveCor KardiaMobile, die Fitbit Sense, die Apple Watch 6, die Samsung Galaxy Watch 3 und die Scan Watch von Withings. Alle Geräte können ein 1-Kanal-EKG aufzeichnen und haben als Medizinprodukte eine CE-Kennzeichnung und eine Zulassung der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA. Bei 201 Patienten wurden die EKG-Befunde automatisch durch den jeweils im Gerät implementierten Algorithmus und nachfolgend visuell durch einen erfahrenen Kardiologen ausgewertet. Anschließend erfolgte noch eine Messung per 12-Kanal-EKG. 

Bei etwa jedem dritten Teilnehmer bestand Vorhofflimmern. Der Vergleich zwischen den System ergab, dass bezüglich Sensitivität (Empfindlichkeit der Messung) und Spezifität (Zuverlässigkeit/Korrektheit) für den Nachweis von Vorhofflimmern keine wesentlichen Unterschiede bestanden – allerdings nur, wenn die auswertbaren Aufzeichnungen berücksichtigt wurden. Wurden auch nichtauswertbare EKG-Aufzeichnungen in die Analyse mit einbezogen ( immerhin 17-26 Prozent der Messungen, je nach Gerät) war die Aussagekraft erheblich niedriger. Eine weitere Limitation stellen die Grenzen für den Herzfrequenzbereich dar, was Spielraum bei der automatischen EKG-Interpretation zulässt (je nach System zwischen 120 und 150 Schlägen pro Minute). 

Schlussfolgerung der Wissenschaftler: Die Geräte sind durchaus nützlich als „Vortest“. Die Interpretation der Ergebnisse und die Diagnose für das Vorliegen von Vorhofflimmern sollte dennoch stets durch einen Kardiologen erfolgen, da die automatische EKG-Analyse des EKG einige Limitierungen aufweise.

Quelle: Consumer Wearable Smart Devices to Detect Atrial Fibrillation: BASEL Wearable Study. J Am Coll Cardiol EP. 2023. Epublished DOI: 10.1016/j.jacep.2022.09.011

Ein gesunder Lebensstil senkt bekanntlich das kardiovaskuläre Risiko. Dies trifft für die gesunde Bevölkerung ebenso zu wie für Menschen, die bereits kardiovaskuläre Risiken haben. Doch trifft dies auch für Patienten mit einem extrem hohen Risiko zu wie Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie (FH)? Diese wurden in einer in Japan durchgeführten Studie über mehr als 10 Jahre untersucht.

Daran teilgenommen haben fast 1000 Patienten, bei denen nach klinischen Kriterien eine familiäre Hypercholesterinämie festgestellt worden waren. Bei rund 700 von ihnen wurden auch konkrete genetische Veranlagungen (FH-Mutationen) nachgewiesen. Alle hatten zu Studienbeginn einen LDL-Cholesterinwert höher 180 mg. Gleichzeitig wurde ermittelt, ob ein gesunder Lebensstil vorlag. Dieser wurde nach folgenden Kriterien beurteilt: Übergewicht, Ernährungsgewohnheiten, Rauchen und körperliche Aktivität. Dementsprechend gab es drei Kategorien: ungünstig, intermediär (= in der Mitte liegend) und günstig.

In der anschließenden Beobachtungszeit wurden 179 Komplikationen registriert wie Todesfälle durch eine Herzkrankheit, Herzinfarkte, eine instabile Angina pectoris und die Notwendigkeit einer Intervention oder Operation an den Herzkranzgefäßen. Das Auftreten der Komplikationen stand mit bestimmten Gesundheitsfaktoren in Verbindung. Das waren neben dem Lebensalter und männlichem Geschlecht vor allem das Vorliegen von Bluthochdruck, Diabetes mellitus, die Höhe der LDL-Cholesterinwerte, eine vorbekannte koronare Herzkrankheit (KHK) und FH-Mutationen. Mit einer Abnahme des Komplikationsrisikos verbunden waren wiederum: gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität und Nichtrauchen. Dabei war das Nichtrauchen die mit Abstand wirksamste Maßnahme, gefolgt von regelmäßiger körperlicher Aktivität und gesunder Ernährung.

Insgesamt errechneten die Wissenschaftler, dass mit FH-Mutationen plus einem ungünstigen Lebensstil das Risiko für Komplikationen, etwa das Entwickeln einer KHK, am höchsten war. Schon ein intermediär günstiger Lebensstil senkte hingegen das Risiko für Komplikationen. Und: Ein gesunder Lebensstil wirkt sich bei Menschen mit FH-Mutationen ähnlich günstig aus wie bei solchen ohne Mutationen. Besonders bemerkenswert: Alle Studienteilnehmer wurden offensichtlich auch mit Medikamenten behandelt, die die deutlich erhöhten LDL-Cholesterinwerte in etwa halbierten, die vor Studienbeginn noch vorlagen. Demzufolge ist offenbar ein gesunder Lebensstil auch bei einem extrem erhöhten kardiovaskulären Risiko zusätzlich zur effektiven Reduktion des erhöhten LDL-Cholesterins von erheblichem Nutzen.

Quelle: Impact of Healthy Lifestyle in Patients With Familial Hypercholesterolemia;JACC 3 2023; doi.org/10.1016/j.jacasi.2022.10.012

Diabetes mellitus gilt als ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Britische Wissenschaftler haben nun in einer Studie nachgewiesen, dass offenbar vor allem ein hoher Konsum von freiem Zucker kritisch für Herz und Gefäße ist. Sie haben dazu die Daten von über 100.000 Patienten genutzt, bei denen zunächst weder Diabetes noch eine Herzerkrankung vorlagen, jedoch Angaben zu ihren Ernährungsgewohnheiten. Knapp 10 Jahre lang wurde dann die weitere gesundheitliche Entwicklung beobachtet. 4.188 Personen bekamen eine ischämische Herzerkrankung plus Schlaganfall, 3.138 allein eine ischämische Herzerkrankung bzw. 1.124 nur einen Schlaganfall.

Die Auswertung in Zusammenhang mit den Ernährungsgewohnheiten ergab, dass vor allem ein erhöhter Verzehr von sogenanntem „freiem Zucker“, wie er in gesüßten Getränken und Süßigkeiten enthalten ist, mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einherging. Die Forscher errechneten, dass mit jeder um fünf Prozent vermehrten Zuckerzufuhr (an der insgesamt zugeführten Kalorienmenge) sich dieses Risiko um sechs bis zehn Prozent erhöhte. Je mehr freier Zucker konsumiert wurde, desto höher war zudem der Triglyzeridanteil an den Blutfetten der Probanden. Positiv wirkte sich hingegen der Konsum ballaststoffreicher Nahrungsmittel aus (hier sind Zuckermoleküle in komplexen Strukturen gebunden).  

Vor dem Hintergrund dieser Daten bekommt eine Studie, initiiert von der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), besondere Brisanz. Danach ist der durchschnittliche Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland ist in den Jahren 2015 bis 2021 lediglich um etwa 2 Prozent gesunken. Damit ist die Getränkeindustrie weit entfernt von den selbst gesteckten Zielen zur Zuckerreduktion, heißt es in einer Mitteilung von DANK – in der auch die Herzstiftung vertreten ist. Im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist nämlich vereinbart, den Zuckergehalt von Softdrinks von 2015 bis 2025 auf freiwilliger Basis um 15 Prozent zu senken.

Quellen:

Interim Evaluation of Germany’s Sugar Reduction Strategy for Soft Drinks: Commitments versus Actual Trends in Sugar Content and Sugar Sales from Soft Drinks; doi: 10.1159/000529592;

Associations between types and sources of dietary carbohydrates and cardiovascular disease risk; MMC Med 21, 34 (2023); doi.org/10.1186/s12916-022-02712-7

Die chronische ischämische Herzkrankheit oder koronare Herzkrankheit (KHK) ist die häufigste Todesursache in Deutschland. Ursache sind Einlagerungen in den Herzkranzgefäßen (Arteriosklerose), die zu einer Minderdurchblutung des Herzens führen können mit Brustschmerz und Engegefühl (Angina Pectoris). Doch mit welchem Verfahren lassen sich Gefäßeinlagerungen am besten feststellen? Um diese Frage zu klären hat der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) damit beauftragt, die Computertomografie-Koronarangiografie (CCTA) bei KHK-Verdacht zu bewerten. Vorläufiges Ergebnis: Die CCTA ist vorteilhafter für Betroffene und den Einsatz von risikoreicheren und invasiven Diagnoseverfahren wie der Koronarangiografie mittels Linksherzkatheteruntersuchung (ICA). Das Verfahren bietet zudem die Möglichkeit bei unklarem Befund nichtinvasiv weitere Messungen zum Blutfluss in den Gefäßen vorzunehmen. Diese Abschätzung gelingt allerdings bislang mit einer invasiven Messung per Druckdraht zuverlässiger.

Grundsätzlich biete eine Diagnosestrategie mit CCTA bei Verdacht auf KHK zudem Vorteile im Vergleich zu funktionellen Verfahren (z. B. Belastungs-EKG oder Stress-Echokardiografie), da damit die Strukturveränderungen in den Herzgefäßen besser darstellbar seien, heißt es in einer Mitteilung des IQWiG. In der aktuellen Leitlinie des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) – einer britischen Gesundheitseinrichtung – werde bei neu auftretendem Brustschmerz und Verdacht auf KHK die koronare Computertomografie bereits als primäres Diagnoseinstrument empfohlen.

Quelle:https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_88772.html

Nachricht-Archiv Februar

In einer aktuellen Untersuchung (1) wurde bei über 2000 Studienteilnehmern überprüft, ob die tägliche Einnahme von 2.000 IE Vitamin D die Häufigkeit von Muskelschmerzen und das Absetzen von Statinen vermindert. Dazu erhielt ein Teil der Patienten ein Medikament mit dem Vitamin, die andere Hälfte ein Scheinpräparat (Placebo) ohne Vitamin. Der Effekt wurde bei allen Teilnehmern dann über eine Zeit von durchschnittlich fast fünf Jahren beobachtet, während eine Statintherapie begonnen wurde. Dabei zeigt sich, dass Muskelschmerzen in beiden Behandlungsgruppen bei jeweils 31% der Patienten auftraten. Dies führte bei jeweils 13% der Behandelten zum Abbruch einer Statintherapie. Das Resultat war auch unabhängig davon, welcher 5-Hydroxy-Vitamin-D-Spiegel im Blut vor Beginn der Behandlung gemessen worden war.

Das Ergebnis dieser Studie ist damit eindeutig: Vitamin D wirkt nicht gegen Muskelschmerzen, die mit der Einnahme eines Statins in Zusammenhang stehen. Erstaunlich und unerwartet ist allerdings die große Häufigkeit, mit der die Probanden Muskelschmerzen angaben und weshalb sie als Konsequenz das Statin absetzten. Eine Erklärung dafür ist, dass die Patienten vor Beginn der Studie über das Studienziel – Erfassung der Nebenwirkung von Statinen – informiert wurden. Damit fokussierten sie möglicherweise jegliche Muskelbeschwerden sofort auf die Statintherapie. Hierfür spricht das gleichhäufige Auftreten von Muskelschmerzen unter dem Statin und unter Placebo.

Quelle: Statin-Associated Muscle Symptoms Among New Statin Users Randomly Assigned to Vitamin D or Placebo | Cardiology | JAMA Cardiology | JAMA Network; doi:10.1001/jamacardio.2022.4250

Einige Studien deuten darauf hin, dass Extremtemperaturen mit einer insgesamt erhöhten Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen. Sind dabei Menschen mit bestimmten Herzerkrankungen vielleicht besonders gefährdet? Dieser Frage gingen US-amerikanische Forscher nun in einer aktuellen Studie (2) nach. Dazu wurden tägliche Berichte über Todesfälle durch Herzerkrankungen in 567 Städten von 27 Ländern und 5 Kontinenten zwischen 1979 und 2019 analysiert. Zugleich wurden Tage mit den höchsten und tiefsten Temperaturen in den Städten ermittelt.

Das Ergebnis: Von den insgesamt erfassten 32 Millionen kardiovaskulären Todesfällen entfielen etwa 12 Millionen Menschen auf eine koronare Herzkrankheit, 9 Millionen auf einen Schlaganfall, 3 Millionen auf Herzschwäche und 0,7 Millionen auf eine Rhythmusstörung. Die Wissenschaftler verglichen nun die jeweiligen Todesfallzahlen in Bezug auf die Tage mit Extremtemperaturen und jenen Tagen mit optimaler Temperatur (= Tag mit den geringsten Todesfallzahlen). Der Vergleich ergab pro 1000 kardiovaskuläre Todesfälle bei Optimaltemperatur dann:

  • insgesamt 2,2 mehr Herztote an extrem heißen Tagen und 9,1 zusätzliche kardiovaskuläre Todesfälle an extrem kalten Tagen.
  • bei Herzschwäche 2,6 zusätzliche kardiovaskuläre Todesfälle bei hohen und 12,8 zusätzliche Todesfälle bei sehr niedrigen Temperaturen.
  • bei der koronaren Herzkrankheit 1 zusätzlichen Todesfall bei Extremtemperaturen und
  • beim Schlaganfall 1,6 zusätzliche Tote bei starker Hitze und 9 mehr Todesfälle bei sehr frostigen Temperaturen.

Fazit: Hohe wie auch niedrige Extremtemperaturen erhöhen offenbar tatsächlich das Risiko für einen kardiovaskulär bedingten Tod. Besonders ausgeprägt scheint dieses Risiko bei Patienten mit Herzinsuffizienz vor allem bei klirrender Kälte zu sein. Dieses Risiko ist allerdings auch noch von weiteren Einflussgrößen abhängig: Lebensalter, Wohnort und sozioökonomischem Status.

Quelle:Associations Between Extreme Temperatures and Cardiovascular Cause-Specific Mortality: Results From 27 Countries | Circulation (ahajournals.org); doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.122.061832

Den Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand der Herzgefäße und des Gehirns wurde erneut in einer Studie (3) bestätigt. Dazu haben schwedische Wissenschaftler bei 317 Probanden über 60 Jahren zunächst die Herzgesundheit ermittelt. In die Bewertung flossen ein: Bewegungsmenge, Raucherstatus, Ernährungsgewohnheiten und der Body-Mass-Index sowie Cholesterinwerte, Blutdruckwerte und der Nüchternblutzucker-Wert. Außerdem wurde im Blut auf mögliche genetische Risikokonstellationen gesucht.

Danach wurde eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Gehirns gemacht, mit dem sich der physiologische Alterungsprozess bzw. eine Abweichung davon gut darstellen lässt. Eine solche MRT-Aufnahme wurde in den nächsten sechs Jahren noch mindestens einmal wiederholt.

Der Vergleich über die Zeit ergab unter anderem:

  • Ein gutes kardiovaskuläres Risikoprofil sowie ein niedriges genetisches Herzrisiko waren beide mit einem geringeren Abbau der grauen Gehirnmasse verbunden als bei ungünstiger Gesundheitssituation. Die sogenannte graue Substanz im Gehirn steuert alle Hirnfunktionen sowie sämtliche Funktionen des zentralen Nervensystems und nimmt im Alter ab.
  • Ein gutes Risikoprofil war mit weniger MRT-Signal-Hyperintensitäten in der weißen Substanz des Gehirns verbunden, was ebenfalls auf einen eher langsamen Alterungsprozess deutet.

Fazit: Günstige Profile der Herzgesundheit sind bei älteren Erwachsenen mit einer langsameren vaskulären Gehirnalterung verbunden. Ein günstiges Profil lässt sich auch mit dem sogenannten „Life`s simple 7“-Ansatz erreichen. Er beruht auf den Tipps der amerikanischen Herzgesellschaft für einen herzgesunden Lebensstil.

  1. Hör mit Rauchen auf
  2. Iss gesünder
  3. Werde aktiv und bewege dich
  4. Reduziere Gewicht
  5. Pass auf den Blutdruck auf
  6. Kontrolliere dein Cholesterin
  7. Reduziere den Blutzucker – plus neuerdings ergänzt um
  8. Schlafe ausreichend

Quelle: Cardiovascular Health and Brain Aging (jwatch.org); Association Between Behavioral, Biological, and Genetic Markers of Cardiovascular Health and MRI Markers of Brain Aging | Neurology; doi.org/10.1212/WNL.0000000000201346

Von Post-Covid-Beschwerden wird gesprochen, wenn Symptome nach einer SARS-CoV-2-Infektion über mehr als 12 Wochen anhalten. Da es Hinweise gibt, dass in den Blutzellen betroffener Patienten mitunter die Funktion der Mitochondrien (Zellbestandteil, der für die Energiebereitstellung mit verantwortlich ist) eingeschränkt ist, haben dänische Wissenschaftler nun untersucht, ob sich diese Funktion wieder ankurbeln lässt und sich dann die Beschwerden bessern. Eine Substanz, die die mitochondriale Funktion verbessern kann, ist Coenzym Q10 (CoQ10).

119 Patienten mit Post-Covid erhielten daher hochdosierte CoQ10-Kapseln in einer Dosis von 500 mg pro Tag oder Placebo für 6 Wochen. Zunächst erhielt die eine Hälfte CoQ10 und die andere Placebo, dann gab es eine vierwöchige Pause und anschließend erhielt der jeweils andere Teil die Medikation bzw. das Scheinmedikament – jeweils ohne zu wissen, was eingenommen wurde.

Die Auswertung danach war allerdings eindeutig: Weder Anzahl noch Schwere der Post-Covid-Symptome konnten durch CoQ10-Einnahme im Vergleich zum Scheinmedikament merklich reduziert werden. Was allerdings auffiel: In dem insgesamt 20-wöchigen Studienzeitraum nahmen unabhängig von der Therapie die Symptome und ihre Schwere bei den Probanden ab – ein Hinweis, dass manche Post-Covid-Beschwerden generell mit der Zeit wohl wieder abklingen.

Quelle: High-dose coenzyme Q10 therapy versus placebo in patients with post COVID-19 condition: a randomized, phase 2, crossover trial - The Lancet Regional Health – Europe; doi.org/10.1016/j.lanepe.2022.100539

Nachricht-Archiv Janaur

In aller Regel nehmen Häufigkeit und Dauer der Attacken bei anfallsweisem (paroxysmalem) Vorhofflimmern im Laufe der Zeit zu, mit der Zeit entsteht so eine anhaltende (persistierende) Herzrhythmusstörung. Ursache hierfür ist nicht nur die zunehmende Zahl von Risikofaktoren (z.B. Lebensalter), sondern auch die durch häufige Anfälle von Vorhofflimmern hervorgerufenen pathophysiologischen Veränderungen am Herzen („Vorhofflimmern begünstigt Vorhofflimmern“). Ob sich dieser Prozess durch eine frühzeitige Therapie beeinflussen lässt, wurde in einer kürzlich publizierten Studie (EARLY AF-Trial) geprüft. Daran teilgenommen haben 303 insgesamt relativ gesunde Patienten von im Durchschnitt 58 Jahren mit anfallsweisem Vorhofflimmern und merklichen Beschwerden durch die Attacken. Sie wurden zufällig in eine von zwei Gruppen eingeteilt: Die Patienten der einen Gruppe wurden mit Antiarrhythmika behandelt, um das Vorhofflimmern zu unterdrücken. Die Patienten der anderen erhielten zum gleichen Zweck eine Vorhofflimmerablation mittels Kryotechnik. Die Häufigkeit von Vorhofflimmern wurde mittels eines implantierten Loop-Rekorders für drei Jahre überwacht.

Die Auswertung war deutlich: In der Ablationsgruppe kam es nur bei knapp zwei Prozent der Patienten zu anhaltendem Vorhofflimmern, in der mit Antiarrhythmika behandelten dagegen bei über sieben Prozent. Unerwünschte Effekte/Nebenwirkungen wurden in der Ablationsgruppe bei 11 Prozent (schwerwiegende 4,5 %) und in der mit Antiarrhythmika Behandelten bei rund 24 Prozent (schwerwiegende 10,1 %) beobachtet. Dass die interventionelle Strategie (Vorhofflimmerablation) einer medikamentösen Therapie mit Antiarrhythmika gegenüber überlegen ist, bestätigt Ergebnisse aus anderen Studien. Die Wissenschaftler folgern darüber hinaus aus den diesen Ergebnissen, dass eine frühzeitige Behandlung von anfallsweisem Vorhofflimmern ohne vorangehende medikamentöse Therapie offensichtlich den Übergang in anhaltendes Vorhofflimmern verhindern bzw. verzögern kann. Damit könnte also – zumindest bei ausgewählten Patienten – mehr erreicht werden als nur die Linderung der durch Vorhofflimmern hervorgerufenen Beschwerden, nämlich eine Hemmung des Fortschreitens der Vorhofflimmererkrankung. (1)

Die Gabe von Eisen-Infusionen kann bei Patienten mit Herzschwäche Lebensqualität und körperliche Leistungsfähigkeit verbessern. Ob dieser günstige Effekt auch länger als ein Jahr anhält, wurde nun in der IRONMAN-Studie untersucht. Dazu wurden aus 70 Kliniken Patienten mit Herzschwäche ausgewählt, die eine reduzierte Auswurfleistung der linken Herzkammer ( <45%) und einen nachgewiesenen Eisenmangel (Transferrin Sättigung <20 % oder Ferritin <100 µg Serumkonzentration) hatten. Diese wurden dann zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen erhielten nur die übliche Therapie, die anderen wurden zusätzlich intravenös mit Eisen behandelt. Die Nachbeobachtungszeit, in der die Häufigkeit von Krankenhausaufnahmen wegen Herzschwäche und kardiovaskulär bedingten Todesfällen ausgewertet wurde, war auch diesmal mit fast drei Jahren deutlich länger als in früheren Studien.

Es zeigt sich, dass es in dieser Zeit tatsächlich bei den mit Eisenderisomaltose behandelten Patienten zu weniger Vorfällen kam (22,4 versus 27,5 pro 100 Patientenjahre). Speziell schwerwiegende kardiale Ereignisse traten in der mit „Eisen“ behandelten Patientengruppe mit 36 Prozent seltener auf als in der ohne „Eisen“ behandelten Gruppe (43 Prozent). Nach Ansicht der Wissenschaftler liefert die Studie damit einen weiteren Hinweis auf den Nutzen einer Eisensubstitution bei Patienten mit Herzinsuffizienz, eingeschränkter Auswurffraktion sowie Eisenmangel. (2)

Angesichts vielversprechender erster Untersuchungsergebnisse mit einem Achtsamkeitstrainings auf den systolischen und diastolischen Blutdruck wurde das Mindfulness-Based Blood Pressure Reduction (MB-BP)-Programm ins Leben gerufen, das speziell an Patienten mit Bluthochdruck angepasst ist. Ziel ist es dabei, dass das Übungsprogramm durch Emotionsregulation, Aufmerksamkeitskontrolle und Stärkung der Selbstwahrnehmung sich auch auf Aspekte wie Ernährung, körperliche Aktivität, Alkoholkonsum und Einnahmetreue der blutdrucksenkenden Medikamente vorteilhaft auswirkt. Das geschieht, indem das Bewusstsein der Teilnehmer genau auf jene Dinge gelenkt wird, die den Blutdruck beeinflussen und auf das Wahrnehmen positiver Gedanken/körperlicher Reaktionen zum Beispiel nach Sport. Beim Kongress der US-amerikanischen kardiologischen Fachgesellschaft (AHA) wurden die positiven Ergebnisse eines solchen achtwöchigen Programms – mit je 2,5 Stunden pro Woche Aufwand – nun jüngst vorgestellt. Danach hatte sich nach sechs Monaten bei den Patienten mit zuvor schlecht eingestelltem Bluthochdruck der systolische Blutdruck um durchschnittlich 5,9 mmHg verringert. In einer Kontrollgruppe, die nur Informationsmaterial erhalten hatte, war der Blutdruck nur um durchschnittlich 1,4 mmHg gesunken. (3)

Einige Untersuchungen aus den vergangenen zwei Jahren haben bereits Hinweise darauf geliefert, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 das kardiovaskuläre Risiko erhöhen kann. Wissenschaftler haben nun anhand einer britischen Datenbank die Informationen zur kardiovaskulären Ereignissen bei rund 18.000 Patienten ausgewertet, die zwischen März 2020 und 2021 an Covid-19 erkrankt waren. Die Daten wurden mit Kontrollgruppen verglichen, die ähnlich (hinsichtlich Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen etc.) zusammengesetzt waren, aber keine SARS-CoV-Infektion hatten.

Während der durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von etwa fünf Monaten hatten Teilnehmer, die nicht ins Krankenhaus eingeliefert wurden (rund 14.300), im Vergleich zu entsprechenden Kontrollen ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien und Todesfälle jeglicher Ursache. Diejenigen, die sogar ins Krankenhaus eingeliefert wurden wegen schwerem Covid-19 ( rund 2700), hatten ein erhöhtes Risiko sowohl für venöse Thromboembolien als auch für Herzinfarkt, Schlaganfall, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz, Perikarditis und einen vorzeitigen Tod. Diese Risiken waren in den ersten 30 Tagen nach der Covid-19-Diagnose am höchsten, blieben aber für viele der Punkte während der gesamten Nachsorge hoch. Die Wissenschaftler äußerten sich deshalb besorgt, dass es infolge der Corona-Pandemie möglicherweise in naher Zukunft auch mehr herzkranke Patienten geben könnte, die eine Therapie benötigen. (4)

  1. Progression of Atrial Fibrillation after Cryoablation or Drug Therapy https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2212540
  2. Intravenous ferric derisomaltose in patients with heart failure and iron deficiency in the UK (IRONMAN): https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(22)02083-9/fulltext
  3. Mit Achtsamkeitsübungen gegen Bluthochdruck? (AHA)  https://www.tctmd.com/news/mindfulness-could-combat-uncontrolled-hypertension-mb-bp  // https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0165032722005730
  4. Cardiovascular disease and mortality sequelae of COVID-19 in the UK Biobank; https://heart.bmj.com/content/early/2022/09/21/heartjnl-2022-321492

Nachrichten Übersicht (2022)

Nachricht-Archiv November/Dezember

Lässt sich tatsächlich durch Senken eines erhöhten Blutdrucks das Risiko verringern, dass sich eine Demenz entwickelt? Bisher waren sich Wissenschaftler bei der Antwort auf diese Frage nicht einig. In einer neuen Gesamtauswertung mehrerer Studien wurde daher diese Fragestellung systematisch untersucht. Hierzu wurden die individuellen Daten von über 28.000 Patienten aus kontrollierten Studien über eine mittlere Zeit von 4,3 Jahren analysiert. Währenddessen wurde bei 861 Patienten eine Demenz erstmals festgestellt.

Die Wissenschaftler ermittelten, dass das Senken des Blutdrucks um 10 mmHg systolisch und 4 mmHg diastolisch (also eine relativ geringgradige Blutdrucksenkung) durch eine medikamentöse Therapie das Demenzrisiko um mehr als 10 % verringert. Je ausgeprägte die Blutdrucksenkung war, desto mehr wurde das Risiko einer Demenz vermindert. Der günstige Effekt war bis zu einer Senkung des Blutdrucks auf 100 mmHg systolisch und 70 mmHg diastolisch nachweisbar. Er war altersunabhängig, geschlechtsunabhängig und unabhängig von einem zuvor abgelaufenen Schlaganfall. Durch die Blutdrucksenkung ließ sich allerdings keine Verbesserung der kognitiven Funktion erreichen.

Für die Wissenschaftler bleiben damit weitere Fragen offen, nämlich:

  • Ergibt sich ein zusätzlich günstiger Effekt bei frühzeitigem Beginn der blutdrucksenkenden Therapie?
  • Sollte der Blutdruck zur Vermeidung einer Demenz möglichst stark gesenkt werden? (1)

Ein plötzlicher Herztod beim Sport ist äußerst selten, läuft aber zumeist dramatisch ab. In der Regel wird er von Zuschauern oder Mitspielern beobachtet. Ohne geeignete Wiederbelebungsmaßnahmen stirbt der meist junge Sportler. Was sich in den letzten Jahren getan hat, um die Überlebenschancen der Opfer dieses dramatischen Ereignisses zu verbessern, verdeutlich die Auswertung von Registerdaten aus Frankreich.

In einem prospektiven Register wurden Häufigkeit und Reanimationsmaßnahmen von plötzlichen Todesfällen beim Sport in Paris und Umgebung über 13 Jahre (2005-2018) registriert und nachverfolgt. Insgesamt kam es in diesem Zeitraum zu 377 solcher Todesfälle. Die ersten und letzten beiden zweijährlichen Perioden wurden bezüglich der Reanimationsmaßnahmen und der Reanimationserfolge verglichen. Es fanden sich eindrucksvolle Veränderungen:

  • Zunahme der kardiopulmonalen Reanimation von 35 auf 75 %.
  • Zunahme des Einsatzes des automatischen Kardioverters/Defibrillators (AED) von 2 auf 29 %.

Durch diese Maßnahmen stieg die Wahrscheinlichkeit des Überlebens (Entlassung aus dem Krankenhaus) von 24 auf 67 %. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, bei Sportveranstaltungen ein in der Wiederbelebung trainiertes Team und einen AED bereitzuhalten. Hierdurch lässt sich die Überlebenschance der Opfer eines plötzlichen Herztodes deutlich verbessern. (2)

Direkt wirksame Antikoagulanzien (DOAK) haben sich in der oralen Antikoagulation zwar inzwischen gegen die Vitamin-K-Antagonisten wie Marcumar durchgesetzt, doch es gibt kaum direkte Vergleichsstudien zwischen den einzelnen Wirkstoffen. In einer vergleichenden Auswertung der Daten von mehr als 500.000 Patienten mit Vorhofflimmern aus vier Ländern stellten Wissenschaftler nun fest, dass offenbar gastrointestinale (GI) Blutungen zu etwa 20% - 28% weniger wahrscheinlich unter einer Therapie mit Apixaban auftreten im Vergleich zu anderen Substanzen aus der Gruppe der DOAK Rivaroxaban, Dabigatran und Edoxaban (3 a). Die Daten stammen von Patienten, die zwischen 2010 und 2019 erstmals mit einem DOAK behandelt worden sind. Hinsichtlich anderer Risiken wie ischämischer Schlaganfall oder Gehirnblutungen oder Tod gab es bei der Datenauswertung keinen Unterschied zwischen den Antikoagulanzien. Der Vorteil für Apixaban bestand auch in der Subgruppe von Patienten über 80 Jahren und von Patienten mit Nierenfunktionseinschränkungen.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Wissenschaftler bei der Auswertung der Versicherungsdaten von US-Bürgern. Auch hier zeigte sich beim Blutungsrisiko bei Patienten, die Vorhofflimmern plus eine Herzklappenerkrankung haben, ein Vorteil zugunsten von Apixaban. Die Forschenden hatten dazu knapp 10.000 Personen ausgewählt, die neu auf Apixaban eingestellt worden waren und ebenso viele, die erstmals Rivaroxaban erhielten. Beide Gruppen waren ähnlich in Bezug auf Alters- und Geschlechtsverteilung sowie des individuellen Schlaganfall- und Blutungsrisikos. In der Nachbeobachtungszeit zeigt sich hier neben einem geringeren Blutungsrisiko außerdem, dass es unter Apixaban deutlich seltener zu einem ischämischen Schlaganfall kam. Rechnerisch war das Risiko um gut 40 Prozent geringer. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die zweimal tägliche Gabe von Apixaban für einen konstanteren Wirkstoffspiegel sorge und es keine Wirkstoffspitzen gebe, die Blutungen begünstigen könnten. (3 b)

Eine Ernährung, die reich an ungesättigten Fettsäuren ist, wie sie in Nüssen und Olivenöl vorkommen, ist Teil der Empfehlungen im Rahmen einer mediterranen Ernährung. Speziell der Effekt der pflanzlichen Omega-3-Fettsäure alpha-Linolensäure, die etwa in Walnüssen und Raps- und Leinöl in höherer Menge vorhanden ist, wurde vor kurzem in einer Studie unter die Lupe genommen. Bei 900 Herzschwächepatienten wurde der Gehalt an alpha-Linolensäure direkt in Blutfettbestandteilen bestimmt als Maß für die langfristige Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren mit der Ernährung. Über im Mittel gut zwei Jahre wurde geschaut, wie es weiter um die Herzgesundheit stand, also ob es z.B. zu einem tödlichen Herzinfarkt oder einer Klinikeinweisung wegen der Herzschwäche kam.

Nach den Ergebnissen der spanischen Wissenschaftler hatten diejenigen Patienten mit Herzschwäche, bei denen ein höherer Gehalt an alpha-Linolensäure in ihrem Körper nachgewiesen werden konnte, ein deutlich niedrigeres Risiko für herzbezogene klinische Ereignisse (kardiovaskuläre Sterblichkeit, erstmalige Klinikeinweisung wegen Herzinsuffizienz) als jene Patienten aus der Gruppe mit einem eher geringen Gehalt. Das entsprach rechnerisch einer Risikoreduktion um beinahe 40 Prozent. Ob es sich um einen zufälligen statistischen Zusammenhang handelt oder ob Herzschwächepatienten wiederum von einer gezielten Zufuhr von alpha-Linolensäure, bzw. alpha-Linolensäure-reicher Kost profitieren, muss allerdings nun in weiteren Studien bestätigt werden. (4)

  1. Blood pressure lowering and prevention of dementia: an individual patient data meta-analysis; European Heart Journal, ehac584, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac584
  2. Karam N et al. Evolution of Incidence, Management, and Outcomes Over Time in Sports-Related Sudden Cardiac Arrest. J Am Coll Cardiol 2022; https://doi.org/10.1016/j.jacc.2021.11.011; 79:238-46
  3. Comparative Effectiveness and Safety Between Apixaban, Dabigatran, Edoxaban, and Rivaroxaban Among Patients With Atrial Fibrillation, Ann Int Med 10, 2022, https://doi.org/10.7326/M22-0511 (a) und Apixaban Versus Rivaroxaban in Patients With Atrial Fibrillation and Valvular Heart Disease. Ann Intern Med 2022; https://doi.org/10.7326/M22-0318 (b)
  4. Relationship of Circulating Vegetable Omega-3- to Prognosis in Patients with Heart Failure. J Am Coll Cardiol. Nov 2022; https://doi: 10.1016/j.jacc.2022.08.771

Nachricht-Archiv Oktober

Erhöhte Cholesterinwerte schmerzen nicht – ähnlich wie Bluthochdruck – und daher fällt vielen Betroffenen die regelmäßige und dauerhafte Einnahme von Statinen schwer, die zur Cholesterinsenkung verordnet wurden. Hinzu kommt, dass Muskelbeschwerden häufig in Zusammenhang mit der Einnahme von Statinen gebracht werden. Zwei Studien verdeutlichen nun, dass 1. Muskelbeschwerden nur in den wenigsten Fällen tatsächlich auf eine Statintherapie zurückgeführt werden können und 2. ein vorzeitiges Absetzen das Risiko für das Auftreten einer Herzerkrankung merklich erhöht.

Die beiden Studien im Einzelnen: In der einen Untersuchung haben britische Wissenschaftler insgesamt 23 Studien mit über 150.000 Teilnehmern ausgewertet und über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren die Häufigkeit von Muskelschmerzen unter Einnahme eines Statins oder eines Scheinmedikaments (Placebo) verglichen. Das Ergebnis: Die Häufigkeit unterschied sich insgesamt kaum. Mit Statintherapie berichteten 27,1 % der Patienten über Muskelschmerzen oder -schwäche. Mit Placebo waren es 26,7 %. Die Wissenschaftler betonen, dass Statine zwar geringfügig - vor allem im ersten Jahr der Einnahme - die Häufigkeit der Muskelbeschwerden, jedoch nicht die Schwere der Symptome erhöhten. In über 90 Prozent der Fälle seien geschilderte Beschwerden auch nicht auf die Statintherapie zurückzuführen gewesen.

In der zweiten Studie berechneten Wissenschaftler die Effekte einer frühzeitigen bzw. langfristigen Statintherapie (Standarddosis 40 mg Atorvastatin/Tag) auf die Herzgesundheit. Bekannt ist nämlich bisher zwar, dass Statine die Häufigkeit von Herzinfarkten und Schlaganfällen um etwa ein Viertel reduzieren, doch wie lange die Einnahme sinnvollerweise erfolgen sollte, ist unklar. Ein Ergebnis: Je höher das 10-Jahres-Risiko für eine Herzerkrankung ist, desto früher zeigt sich der Nutzen der Statintherapie. Wer die Therapie im Alter dann stoppt, verliert wieder einen großen Teil des Nutzens. Rechnerisch gehen z.B. bei Patienten mit einem eher geringen kardiovaskulären Risiko 73 % des Nutzens verloren, wenn eine Therapie verzögert im Alter von 50 Jahren begonnen und mit 80 vorzeitig beendet wird. Bei Patienten mit hohem Risiko für Herzerkrankungen geht mehr als ein Drittel des Nutzens verloren. (1)

Eine Studie aus Dänemark, die beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vorgestellt wurde, bestätigt erneut, dass eine Covid-Impfung auch von Patienten mit Herzinsuffizienz gut vertragen wird. Im Gegenteil: Die Ergebnisse sprechen sogar dafür, dass Geimpfte ein etwas geringeres Risiko für einen vorzeitigen Tod haben. Für die Studie wurden die Gesundheitsdaten von rund 100.000 Patienten mit Herzschwäche ausgewertet. Der Fokus lag auf dieser Herzerkrankung, weil sie nachweislich das Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-Erkrankung mit Krankenhauseinweisung und Beatmung erhöht.

Über einen Zeitraum von drei Monaten wurde der Gesundheitszustand von Herzinsuffizienz-Patienten nach der zweiten Covid-Impfung beobachtet mit dem von Ungeimpften aus einem gleichen Zeitraum vor der Pandemie verglichen. Das beruhigende Ergebnis: Die Impfung stand in keinem Zusammenhang mit einer Verschlechterung der Herzschwäche oder dem Auftreten anderer kardialer Ereignisse wie einer Thrombose oder Myokarditis. Es war sogar so, dass die Sterblichkeit in der geimpften Gruppe im beobachteten Zeitraum geringer war als in der Vergleichsgruppe. Die Wissenschaftler folgern daraus, dass es keinen Anlass für Besorgnis gibt, dass Patienten mit einer Herzschwäche durch eine Covid-Impfung ihre Herzerkrankung verschlechtern. (2)

 

In einer auf dem Europäischen Kardiologenkongress 2022 vorgestellten Studie (TIME) aus England mit rund 21.000 Bluthochdruck-Patienten wurde überprüft, welchen Effekt eine morgendliche (6-10 Uhr) gegenüber einer abendlichen Einnahme (20-24 Uhr) von blutdrucksenkenden Medikamenten hat. Über einen Zeitraum von fünf Jahren wurden hierzu die Notwendigkeit einer Krankenhausaufnahme wegen Herzinfarkt oder Schlaganfall sowie die Zahl kardiovaskulär bedingter Todesfälle erfasst. Die Auswertung der Daten ergab, dass kein merklicher Unterschied zwischen den beiden Patientengruppen hinsichtlich der Häufigkeit dieser Ereignisse bestand (3,4 % bei abendlicher und 3,7 % bei morgendlicher Medikamenteneinnahme). Mit anderen Worten: Die Komplikationsrate durch hohen Blutdruck war bei morgendlicher wie bei abendlicher Einnahme der Medikamente ähnlich.

Gibt es vielleicht einen Unterschied zwischen Frauen und Männern, alten und jüngeren Patienten? Auch zwischen diesen speziellen Patientengruppen konnten die Wissenschaftler keine merklichen Effekte bei verschiedenen Einnahmezeitpunkte der Medikamente feststellen.

Ihre Schlussfolgerung: Wer Medikamente gegen hohen Blutdruck erhält, kann mit gutem Gewissen selbst entscheiden, ob er diese morgens oder abends einnehmen möchte – je nachdem wie es für ihn angenehmer und besser verträglich erscheint. Wichtiger als die Tageszeit ist nach wie vor die regelmäßige Einnahme.

In einer in Südkorea durchgeführten Studie, die beim Europäischen Kardiologenkongress 2022 vorgestellt wurde, wurde bei Über-Achtzigjährigen geprüft, welchen Einfluss regelmäßige körperliche Bewegung auf ihre Lebenszeit hat. Hierzu wurden die Gesundheitsdaten von über 7.000 Menschen über 85 Jahren (68% davon Frauen) analysiert und geschaut wie unterschiedliche Bewegungslevel (sportliche Aktivitäten und langsamen Gehen) mit der Gesamtsterblichkeit sowie Todesfällen durch Herzkreislaufkomplikationen zusammenhängen.

Die Wissenschaftler unterteilten dabei unter anderem das Bewegungspensum (Gehen mit mäßiger Geschwindigkeit) in:

  • weniger als 1 Std./Woche bis gar nicht. Das war bei 66 % der Studienteilnehmer der Fall.
  • 1-2 Std./Woche (bei 12 %),
  • 2-3 Std./Woche (bei 8,7 %) und
  • mehr als 3 Std./Woche (bei 13,3%).

 Es zeigte sich, dass – verglichen mit der Gruppe der komplett oder nahezu Inaktiven (weniger als 1 Std. langsames Spazierengehen/Woche) – die Teilnehmer der anderen drei aktiveren Gruppen einen Überlebensvorteil hatten. Ihr Risiko innerhalb der fünfjährigen Beobachtungszeit der Studie zu sterben, war um 40 % geringer als bei geringer bis gar nicht vorhandener Bewegung.

 Schlussfolgerung: Schon eine relativ geringe körperliche Aktivität (mehr als 1 Std./Woche) wirkt sich auch bei Hochbetagten noch positiv auf die Lebenserwartung aus. Daher sollten auch sehr alte Patienten (über 85 Jahre) wenigstens 1 Std./Woche körperlich aktiv sein. Der Studienleiter fasste es ganz einfach zusammen: “Gehen Sie jeden Tag mindestens 10 Minuten Spazieren!” (3)

  1. Effect of statin therapy on muscle symptoms: an individual participant data meta-analysis of large-scale, randomised, double-blind trials, Lancet, August 2022, DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)01545-8, ESC-Pressemitteilung: Cardiovascular protection from statins greatly outweighs the risk of muscle symptoms (escardio.org), ESC-Pressemitteilung: Study highlights lifelong benefits of statin therapy, 25.8.2022
  2. The abstract “Risk of worsening heart failure and all-cause mortality following mRNA COVID-19 vaccination in patients with heart failure: a Danish nationwide real-world safety study”, ESC Congress 2022; 26. bis 29. August in Barcelona, ESC-Pressemitteilung: COVID mRNA vaccines are safe in patients with heart failure, veröffentlicht am 22. August 2022; COVID mRNA vaccines are safe in patients with heart failure (escardio.org)
  3. ESC-Pressemitteilung: Octogenarians should walk 10 minutes a day to prolong life

Nachricht-Archiv September

In einer kürzlich publizierten Studie aus Hongkong wurde geprüft, ob nach Impfung mit einem der beiden Covid-19-Impfstoffe – dem mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer und dem in Hongkong eingesetzten Totimpfstoff CoronaVac von Sinovac Biotech – bei Herzkranken (Diagnose wurde vor Februar 2021 gestellt) auffällige Nebenwirkungen am Herzen auftreten. Betrachtet wurde in der Untersuchung die Häufigkeit von sogenannten MACE-Ereignissen (englisch für Major Adverse Cardiac Events; das heißt: Herzinfarkt, Schlaganfall, Notwendigkeit einer Bypassoperation und Herztod), die zwischen Ende Februar 2021 und Ende Januar 2022 neu festgestellt worden waren. Insgesamt rund 230.000 herzkranke Menschen, von denen 1764 gegen Covid geimpft worden waren, wurden begutachtet. Das MACE-Risiko wurde für die Tage 0-13 und 14-27 Tage nach zwei Dosen des  jeweiligen Covid-Impfstoffs bewertet.

Die entscheidende Erkenntnis: Die Häufigkeit der MACE-Ereignisse vor und nach Impfung unterschied sich nicht – weder zwischen den beiden Impfstoffen, noch in der ersten oder zweiten Beobachtungsphase oder zwischen der ersten und zweiten Impfung. Die Ergebnisse waren zudem bei Frauen und Männern, bei Personen unter und über 65 Jahren und bei Patienten mit verschiedenen kardiovaskulären Grunderkrankungen gleich.

Diese Daten liefern somit einen wichtigen, weiteren Hinweis, dass Menschen mit einer Herzkrankheit kein erhöhtes Risiko für ihr Herz bei einer Covid-19-Impfung zu befürchten haben. Ob dies auch für die dritte und vierte Impfung gilt, lässt sich anhand dieser Studie nicht sagen. (1)

Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs sind die beiden 2 häufigsten Todesursachen in den USA wie auch in Deutschland. Häufig wird eine Vitamin- und Mineralstoffergänzung als vorbeugende Strategie für beide Krankheiten vorgeschlagen, da gemeinsame Krankheitswege mit oxidativem Stress, Entzündungen und Methioninstoffwechsel auftreten. Etwa jeder dritte Erwachsene nimmt hierzulande auch regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel ein (Bundesinstitut für Risikobewertung 2021)

Ob damit aber tatsächlich der erhoffte Nutzen erzielt wird, haben daher US-Forscher des unabhängige Expertengremiums „United States Preventive Services Task Force“ (USPSTF) genauer unter die Lupe genommen. Für ihre wissenschaftliche Arbeiten, betrachten sie 84 Studien mit insgesamt rund 740.000 Menschen, die bislang keine bekannte Herzerkrankung oder Krebs hatten. Diese waren nach dem Zufallsprinzip mit Vitaminpräparaten und/oder Mineralien behandelt worden beziehungsweise nur mit einer Scheinmedikation. Über mehrere Jahre wurden dann Sterblichkeit, kardiovaskuläre Ereignisse (Herzinfarkt, Herztod), das Auftreten von Krebserkrankungen und schwerwiegenden Nebenwirkungen erfasst.

Die wichtigsten Ergebnisse: Die Einnahme von Multivitaminpräparaten ging mit einer etwas geringeren Häufigkeit von Krebs einher. Das statistische Risiko wurde um 0,2 bis 1,2 Prozent verringert. Am deutlichsten war dieser Effekt für Lungenkrebs. Diesem auf den ersten Blick erfreulichen Ergebnis steht allerdings ein unerfreulicher Befund gegenüber: Die Einnahme von Beta-Carotin (mit oder ohne Vitamin-A-Zusatz) war mit einer deutlichen Erhöhung des Risikos für Lungenkrebs verbunden, die Zunahme des absoluten Risikos betrug bis zu 0,6 Prozent. Und auch das kardiovaskuläre Risiko war unter Beta-Carotin deutlich erhöht.

Vitamin D und Vitamin E hatten dagegen weder einen Einfluss auf die Sterblichkeit noch auf die Häufigkeit von Krebs oder Herzerkrankungen. Andere Nahrungsergänzungsstoffe zeigten in den verschiedenen Studien entweder uneinheitliche oder ungünstige Auswirkungen. So fanden die Forscher begrenzte Belege, die darauf deuten, dass einige Nahrungsergänzungsmittel mit einem höheren Risiko für schwerwiegende Schäden verbunden sein könnten. Das galt für Hüftfrakturen durch Vitamin A, hämorrhagische Schlaganfälle durch Vitamin E und  Nierensteine durch Vitamin C und Kalzium.

Fazit der Studienautoren: Die zusätzliche Medikation mit Multivitaminpräparaten oder Mineralien hat bei gesunden Menschen keinen oder allenfalls einen minimalen Effekt bei der Verhütung von Herzerkrankungen oder Krebs. Beta-Carotin steigere sogar das Risiko für Lungenkrebs und Herzerkrankungen kritisch. Allerdings betonen die Experten auch, dass bei Vorliegen einer akuten oder chronischen Erkrankung unter Umständen eine zusätzliche Vitamin-, Mineralstoff- oder Multivitamin-Gabe im Rahmen der ärztlichen Therapie sinnvoll sein könne. (2)

Schätzungsweise über 60 Prozent der durch Umweltverschmutzung bedingten Krankheiten und Todesfälle sind auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Neben den bekannten Faktoren für eine Luftverschmutzung kann der Boden durch Schwermetalle, organische Chemikalien wie Pestizide und Mikro-/Nanoplastikpartikel verschmutzt sein. Dies führt zu einer Verunreinigung der Nahrungsmittelpflanzen direkt und gelangt durch Regen ebenso ins Wasser. Durch Aufnahme über die Nahrung entstehe eine große und wachsende Gefahr für die menschliche Gesundheit, schreibt eine Forschergruppe um den Mainzer Kardiologen und Umweltexperten Prof. Thomas Münzel von der Universitätsklinik Mainz. Sie haben in ihrer Arbeit wichtige Argumente zusammengetragen, warum diese Zusammenhänge künftig mehr Beachtung auch in der Herzmedizin finden sollten.

Beispiele:

Blei: Das Schwermetall kommt kann durch Abbau, Verarbeitung und unsachgemäßes Recycling die Umwelt verschmutzen. Berichte deuten darauf hin, dass Blei zu oxidativem Stress, Entzündungen, Funktionsstörungen der Gefäßwand (wie gestörte Gefäßweitenregulation und Gefäßdurchlässigkeit) und Wachstum von Gefäßzellen mit negativen Auswirkungen auf die Herzfrequenzvariabilität beiträgt. Studien ergaben einen Zusammenhang zwischen hohen Bleispiegeln im Blut und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie KHK, Herzinfarkt und Schlaganfall.

Cadmium: Das Schwermetall fällt bei Verbrennungs- und Produktionsprozessen an. Cadmium führt u.a. zu Gefäßschäden und Gefäßablagerungen durch oxidative Mechanismen, Beeinträchtigung der schützenden antioxidativen Reaktionen und eine Hemmung der Stickoxid (NO)-vermittelten Gefäßerweiterung (Vasodilatation). Eine koreanische Studie ergab z.B., dass Personen mittleren Alters mit einem hohen Cadmiumspiegel im Blut ein erhöhtes Schlaganfall- und Bluthochdruckrisiko haben.

Nano- und Mikroplastik: Kunststoffabfälle werden im Wasser oder Boden  mechanisch und photochemisch zu kleineren und biologisch aktiven Partikeln abgebaut – dem sogenannten Nano- oder Mikroplastik. Bis zu 50 % des Gewichts der hergestellten Kunststoffe bestehen zudem aus chemischen Zusatzstoffen wie Phthalaten, Bisphenolen, Flammschutzmitteln, Per- und Polyfluoralkylstoffen, PCB und Schwermetallen. Obwohl es bisher keine kontrollierten Humanstudien über den Zusammenhang zwischen Nano- und Mikroplastikpartikeln und kardiovaskulären Erkrankungen gibt – die meisten Studien erfolgten an Meerestieren –, wurde kürzlich gezeigt, dass diese Partikel in den Blutkreislauf gelangen und dementsprechend jedes Organ im Organismus schädigen können, wie die Forscher berichten. Bei Mäusen hat zudem die Aufnahme von Polystyrolkügelchen starkes Übergewicht (Adipositas) und kardiometabolische Erkrankungen gefördert sowie den Tod von Herzmuskelzellen durch oxidative Schädigung ausgelöst.

Pestizide und Chemikalien: Zu den chemischen Bodenschadstoffen, die bekanntermaßen gesundheitsschädliche Auswirkungen haben, gehören z.B. polychlorierte Biphenyle (PCB; z. B. Dioxine), Benzol und Bisphenol A (BPA). Die Chemikalien können aus industriellen Prozessen stammen (z. B. Materialzusätze oder Verbrennungsprodukte) oder sie können in Pestizidformulierungen auf den Boden aufgebracht werden. Diese Verbindungen begünstigen oxidativen Stress, Entzündungen oder sogenannte epigenetische Dysregulationen, die alle das Risiko für Krebs, Störungen der Gefäßfunktion, Gefäßablagerungen (Arteriosklerose), Zelltod, die Lebererkrankung NASH, Fettleibigkeit und kardiometabolische Komplikationen erhöhen können. Der landwirtschaftliche Pestizideinsatz ist nachweislich mit einem erhöhten Risiko für mehrere chronische Krankheiten wie Diabetes, Krebs und verbunden. Auch für ischämische Herzerkrankungen, Komplikationen wie akuter Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen und Herzversagen sowie schwerem Bluthochdruck während der Schwangerschaft wurden Zusammenhänge mit der Pestizidexposition berichtet. Allerdings sind die Studien sehr uneinheitlich.

Die Mechanismen, durch die toxische Bodenschadstoffe oxidativen Stress auslösen, sind unterschiedlich, beruhen aber hauptsächlich auf einer Unterdrückung antioxidativer Enzyme und der Störungen der sogenannten mitochondrialen Atmung (damit werden die Stoffwechselprozesse bezeichnet, die der Energiegewinn der Zellen dienen), wie die Wissenschaftler berichten.

Darüber hinaus fördern Schwermetalle Störungen der inneren (zirkadianen) Uhr, wie in verschiedenen Studien gerade mit Blei und Cadmium nachgewiesen worden sei, so die Experten. Eine Störung des zirkadianen Rhythmus kann die Entstehung einer Reihe von Krankheiten, darunter auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, begünstigen, wie in Studien belegt wurde. Eine Störung des zirkadianen Rhythmus ist zum Beispiel bei Schichtarbeitern, die bekanntermaßen ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, weit verbreitet.

Zum konkreten Mechanismus von Nano- und Mikroplastik gibt es noch wenig Erkenntnisse. (3)

  1. Association between BNT 16 2b or CoronaVac COVID-19 Vaccines and major adverse cardiovascular events among individuals with cardiovascular disease. Ye et al., Cardiovascular Research 2022, 1-10. https://doi.org/10.1093/cvr/cvac068
  2. Vitamin and mineral supplements for the primary prevention of cardiovascular disease and cancer: Updated evidence report and systematic review for the US-preventive services task force. JAMA. 2022;327(23):2334-2347. doi:10.1001/jama.2021.15650
  3. Soil and water pollution and human health: what should cardiologists worry about? Cardiovascular Research, cvac082, https://doi.org/10.1093/cvr/cvac082

Nachricht-Archiv August

Wie wirkt sich eine Herzerkrankung auf die psychische Gesundheit aus? Um dieser Frage nachzugehen, haben schwedische Forscher bei rund 870.000 Menschen, bei denen zwischen 1987 und 2016 eine Herzerkrankung neu diagnostiziert wurde und die bislang keine psychiatrische Störung hatten, den weiteren Gesundheitsverlauf ausgewertet. Sie verglichen diesen mit dem Gesundheitsverlauf bei über 900.00 herzgesunden Vollgeschwistern der Patienten. Ebenso wurde ein Vergleich zu alters- und geschlechtsgleichen Kontrollpersonen aus der allgemeinen Bevölkerung gezogen. Bei Diagnose der Herzerkrankung waren die Patienten im Durchschnitt 60 Jahre alt, rund 60 % waren Männer.

Die Forscher stellten unter anderem fest, dass das Risiko für eine neu auftretende psychiatrische Erkrankung vor allem im ersten Jahres nach der Diagnose der Herzerkrankung offenbar deutlich erhöht ist. Es war fast dreimal so hoch wie bei Herzgesunden, im darauffolgenden Jahr noch etwa 1,5-mal so hoch. Dieser Zusammenhang war unabhängig von der Art der Herzerkrankung – also ob eine koronare Herzerkrankung, eine Herzrhythmusstörung oder Bluthochdruck frisch festgestellt worden war. Zudem errechneten die Forscher, dass diejenigen Patienten, bei denen zusätzlich zur Herzerkrankung dann auch eine psychiatrische Diagnose vorlag, eher im Verlauf der nächsten Jahre an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung starben. Ihr Risiko war um gut 50 Prozent erhöht verglichen mit Herzkranken ohne zusätzliche Erkrankung der Psyche. 

Die Folgerung daraus: Gerade im ersten Jahre nach der Diagnose einer Herzerkrankung ist nicht nur die Kontrolle kardiologischer Werte wichtig. Sondern es sollte auch aktiv auf Zeichen einer psychiatrischen Erkrankung wie Depressionen, Angst-, Ess- oder Persönlichkeitsstörungen geachtet werden, um diese frühzeitig zu therapieren. Über welchen genauen Mechanismus die beiden Krankheitskomplexe von Herz und Seele zusammenwirken, ist noch nicht ganz klar. Diskutiert werden unter anderem Stressreaktionen und eine gestörte Immunantwort. (1)

Eine Covid-19-Erkrankung wirkt sich nicht nur auf die Lunge, sondern auch aufs Herz aus mit dem Risiko von kurz- wie langfristigen Schäden. Folge können u.a. Herzrhythmusstörungen und insbesondere Vorhofflimmern und Vorhofflattern sein. Doch wie häufig sind Rhythmusstörungen infolge von Covid-19? In einer kürzlich publizierten US-Studie wurde diese Frage nun systematisch untersucht. Verglichen wurden dabei auf der Basis elektronischer Patientendaten einer großen Krankenhausgruppe in Boston folgende Gruppen: 

  • Stationäre Patienten mit Covid-19 (rund 3000), 
  • Patienten ohne Covid-19 (rund 11.000), die im gleichen Zeitraum in den gleichen Krankenhäusern behandelt worden waren, 
  • und rund 5000 Patienten aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. 

Bei der Auswertung der Patientendaten zeigte sich unter anderem, dass 8,1 % der Patienten mit Covid-19 und 5,7 % der Patienten ohne nachgewiesene Infektion Vorhofflimmern/Vorhofflattern während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt hatten. 

Der statistischen Auswertung zufolge hatten damit Covid-19-Patienten gegenüber Patienten ohne Infektion ein um etwa 20 % erhöhtes Risiko, Vorhofflimmern und Vorhofflattern zu entwickeln. Und im Vergleich zur Patientengruppen vor der Corona-Pandemie hatten die Patienten mit Covid-19-Infektion sogar ein um etwa 57% erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern und Vorhofflattern.

Fazit: Eine Covid-19-Infektion erhöht das Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern/Vorhofflattern deutlich. Hierdurch nimmt auch das Risiko thromboembolischer Komplikationen bei den Infizierten zu. Dies sollte bei der Diagnostik und Therapie dieser Patienten verstärkt berücksichtigt werden.  (2)

Durch Gewichtsreduktion, körperliche Aktivität, verringerten Alkohol- und Kochsalz (Natriumchlorid)-Verzehr lassen sich bekanntlich erhöhte Blutdruckwerte – in unterschiedlichem Ausmaß – senken. Die Ergebnisse einer jüngst publizierten Studie weisen nun darauf hin, dass sich auch durch eine kaliumreiche Ernährung nicht nur der systolische Blutdruck senken lässt. Sondern es kann wohl auch der Verlauf atherosklerotischer Herz- und Gefäßerkrankungen günstig beeinflusst werden. In der langfristig angelegten Studie (European Prospective Investigation into Cancer; EPIC-Norfolk) wurden mehr als 25.000 Männer und Frauen über nahezu 20 Jahre beobachtet.

Messparameter waren dabei die Aufnahme von Kalium und Natrium mit der Nahrung, der systolische Blutdruck und das Auftreten sogenannter kardiovaskulärer Ereignisse (Herzinfarkt, ischämischer Schlaganfall, Herztod). Die Zufuhr von Kalium und Natrium wurden anhand der im Urin innerhalb von 24 Stunden ausgeschiedenen Mengen dieser Ionen abgeschätzt. Ergebnis: Eine hohe Kaliumzufuhr geht mit einem verringerten systolischen Blutdruck einher und verbessert offenbar auch langfristig die Lebenserwartung von Patienten mit atherosklerotischen Herzerkrankungen. Dies gilt allerdings nicht für Männer und Frauen im gleichen Maß.

So war eine merkliche Senkung des systolischen Blutdrucks durch kaliumreiche Ernährung praktisch nur beim weiblichen Geschlecht nachweisbar. Jeder Anstieg des täglich aufgenommenen Kaliums um 1 Gramm war bei Frauen mit einem um 2,4 mmHg niedrigeren systolischen Blutdruck verbunden, wie die Wissenschaftler errechneten. Dieser Effekt war zugleich umso ausgeprägter, je höher die Ausscheidung von Kochsalz im Urin und damit dessen Zufuhr war. 

Der Effekt einer kaliumreichen Ernährung auf das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse war hingegen bei Männern und Frauen recht ähnlich. Insgesamt hatten die Menschen in der Gruppe mit dem höchsten Verzehr an Kalium ein um 13 % geringeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zur Gruppe mit dem geringsten Verzehr. Und: Dieser Effekt scheint weitgehend unabhängig von der Kochsalzzufuhr zu sein, stellten die Wissenschaftler fest.

Eine Erklärung für den positiven Effekt einer kaliumreichen Ernährung auf den systolischen Blutdruck ist, dass ein erhöhte Kaliumkonzentrationen im Urin zu einer vermehrten Ausscheidung von Kochsalz führt. Dieser Effekt ist zudem bei Frauen ausgeprägter als bei Männern, weil Frauen in der Niere über ein aktiveres Enzymsystem für den Natrium- und Kaliumaustausch verfügen und damit über eine größere Kapazität, Kochsalz auszuscheiden. Dass langfristig positive Effekte eines hohen Kaliumverzehrs auch unabhängig von der Natriumzufuhr – und auch bei Männern – auftreten, liegt vermutlich an zusätzlich geschlechtsunabhängigen günstigen Effekten auf das Gefäßsystem, die über eine verstärkt Nierenausscheidung von Natrium hinausgehen. (3)

  1. Shen Q et al. Cardiovascular disease and subsequent risk of psychiatric disorders: a nationwide sibling-controlled study. medRxiv preprint; https://doi.org/10.1101/2022.06.27.22276962
  2. Wollborn J et al. COVID 19 increases the risk for the onset of atrial fibrillation in hospitalized patients. Sci Rep 12, 12014 (2022). https://doi.org/10.1038/s41598-022-16113-6
  3. Wouda RD, Boekholdt SM, Khaw KT, et al. Sex-specific associations between potassium intake, blood pressure, and cardiovascular outcomes: the EPIC-Norfolk study. Eur Heart J. 2022. doi:10.1093/eurheartj/ehac313. https://academic.oup.com/eurheartj/article-lookup/doi/10.1093/eurheartj/ehac313

Nachricht-Archiv Juli

US-Wissenschaftler haben in einer Studie 12 gesunde und normalgewichtige Probanden unter Laborbedingungen einem tagelangen Schlafentzug ausgesetzt. Ziel war es, den Einfluss einer unzureichenden Schlafdauer auf den Stoffwechsel und das kardiovaskuläre Risikoprofil zu untersuchen. Die Studienteilnehmer durften sich zunächst vier Tage lang eingewöhnen. Dabei waren neun Stunden Schlaf erlaubt. Anschließend durften sie 14 Tage lang nur noch vier Stunden schlafen. Danach waren in einer dreitägigen Erholungsphase wieder je neun Stunden erlaubt. Essen durften die Probanden in dieser Zeit, was sie wollten. Während der insgesamt 21 Tage wurden Energieaufnahme, Bewegung, Gewicht und andere Körpermesswerte kontrolliert.

Der in der Studie künstlich erzeugte Schlafmangel machte sich tatsächlich körperlich bemerkbar: Die Probanden nahmen täglich deutlich mehr Kalorien mit der Nahrung auf (308 kcal). Auch Protein- und Fettzufuhr stiegen an. Dies führte letztlich zu einer merklichen Zunahme des Bauchfettes (unter der Haut und rund um die Eingeweide), während sich das Körpergewicht nur um im Schnitt ein halbes Kilo erhöhte. Der Energieverbrauch hingegen blieb während des Schlafentzuges unverändert, obwohl mehr Zeit für Bewegung gewesen wäre. Besonders kritisch: Gerade das als kardiometabolischer Risikofaktor geltende Bauchfett rund um Eingeweide (Viszeralfett) nahm sogar noch in der Erholungsphase, also nach dem Schlafentzug, weiter zu, während sich Kalorienzufuhr und Gewicht der Teilnehmer wieder mit ausreichend Schlaf normalisierten. (1)

Forscher der Staatliche Universität in San Diego sind der Frage nachgegangen, ob sitzende Tätigkeit, wie sie zunehmend die westliche Arbeitswelt prägt, ein unabhängiger Risikofaktor für einen Schlaganfall ist. Sie haben dazu bei rund 7600 Probanden ab 45 Jahren mit einem Beschleunigungssensor über sieben Tage hinweg erfasst, wie viel Zeit pro Tag sie sitzend und wieviel Zeit sie mit leichter oder moderater bis intensiver körperlicher Tätigkeit verbrachten. Sieben Jahre lang wurde anschließend beobachtet, wie häufig in dieser Gruppe ein Schlaganfall auftrat und ob sich ein Zusammenhang mit der täglichen Bewegung erkennen ließ.

Insgesamt hatten sich in dieser Zeit 286 Schlaganfälle ereignet, davon gingen 244 (85 %) mit einer Durchblutungsmangel (Ischämie) einher. Es zeigte sich dann bei der weiteren Auswertung – fast erwartbar –, dass sowohl leichte als auch mittlere bis starke körperliche Aktivitäten mit einem geringeren Schlaganfallrisiko verbunden waren. Deutlich wurde auch: Mit jeder einstündigen Bewegungseinheit pro Tag nahm es um 14% ab. Neu und interessant war, dass umgekehrt sowohl die tägliche Sitzzeit insgesamt als auch die Dauer der jeweiligen „Sitzeinheiten“ ungünstig auf das Schlaganfallrisiko wirkten. So ließ sich ein höherer Anteil an sitzender Tätigkeit mit einem 44 % höheren Risiko für einen Schlaganfall in Verbindung bringen. Und es stieg um 14 % pro täglicher Stunde Sitzen.

Die Wissenschaftler folgern aus ihrer Untersuchung, dass sich das Schlaganfallrisiko somit deutlich verringern lässt, wenn a) mehr Zeit mit körperlicher Aktivität – insbesondere mit moderater Intensität – verbracht wird und wenn b) weniger Zeit mit sitzender Tätigkeit – insbesondere  längeren Sitzeinheiten – verbracht wird. (2)

Bislang sind die Studiendaten zu einer Testosteron-Behandlung bei Männern widersprüchlich. In einigen Untersuchungen wurde ein erhöhtes Risiko etwas für Herzinfarkt und Schlaganfall ermittelt, in anderen konnte das nicht bestätigt werden. Schottische Forscher haben daher 17 Studien vor diesem Hintergrund als sogenannte Meta-Analyse zusammen ausgewertet. Insgesamt wurden die Daten von mehr als 3400 Patienten mit Hypogonadismus (Unterfunktion der Hoden) ausgewertet, die im Mittel über 9,5 Monate mit Testosteron behandelt worden waren.

Das beruhigende Ergebnis: Es fanden sich keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Arrhythmien, Herzinsuffizienz oder einen Herzinfarkt. In der Behandlungsgruppe war die Zahl der Todesfälle sogar etwas geringer (vier versus 12 Fälle). Daraus lässt sich schließen, dass zumindest eine relativ begrenzte Testosteron-Behandlungszeit von etwa zehn Monaten bei Männern mit Hypogonadismus kein Risiko fürs Herz bedeutet. Eine neue Studie prüft derzeit noch, wie sich eine Testosteron-Applikation über die Haut bei Männern auswirkt, die bereits eine Herzerkrankung oder ein erhöhtes Risiko dafür haben. (3)

  1. Effects of Experimental Sleep Restriction on Energy Intake, Energy Expenditure, and Visceral Obesity; J Am Coll Cardiol. 2022;(13); doi: 10.1016/j.jacc.2022.01.038
  2. Association of Accelerometer-Measured Sedentary Time and Physical Activity With Risk of Stroke Among US Adults ; JAMA Netw Open. 2022;5(6):e2215385. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.15385
  3. Adverse cardiovascular events and mortality in men during testosterone treatment: an individual patient and aggregate data meta-analysis, Lancet Healthy Longev. 2022 Jun;3(6):e381-e393. doi: 10.1016/S2666-7568(22)00096-4.

Nachricht-Archiv Juni

An der CORDIOPREV-Studie haben rund 1000 Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 20 und 75 Jahren mit einer nachgewiesenen koronaren Herzerkrankung teilgenommen. Sie waren alle im spanischen Krankenhaus der Reina Sofia Universität in Cordoba behandelt worden. Sieben Jahre lang wurden sie dann intensiv von Diätspezialisten betreut. Ihnen wurden dabei unter anderem entsprechende Nahrungspakete, etwa mit Olivenöl, zur Verfügung gestellt, je nachdem, ob sie in der Studiengruppe mit mediterraner oder fettarmer Ernährung waren. Die Wissenschaftler, die die Daten am Studienende auswerteten (u.a. Zahl der kardiovaskulären Ereignisse, Herzinfarkte, Revaskularisationen, Schlaganfälle, Herztod) wussten nicht, welcher Patient in welcher Gruppe war.

Es zeigte sich, dass die kardiovaskuläre Schutzwirkung durch die mediterrane Ernährung merklich größer war als die bei fettarmer Kost. Während der Studienzeit war es bei 87 Personen der Gruppe mit mediterraner Kost zu einer Herz-Gefäß-Komplikation gekommen und bei 111 Personen der zweiten Gruppe. Besonders Männern tat die Mittelmeerküche offensichtlich gut: Bei ihnen war damit das Risiko für ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis um etwa ein Drittel (33 %) geringer im Vergleich zu fettarmer Ernährung. Interessant: In der Gruppe mit Mittelmeer-Kost war der Gesamtfettanteil der zugeführten Nahrung sogar über die Zeit etwas angestiegen – bedingt durch den Verzehr von mehr Olivenöl, Nüssen und Fisch. Allerdings nahm der Kohlenhydratanteil leicht ab. In der Vergleichsgruppe war es umgekehrt: Der Fettanteil nahm – wie gewünscht – ab, aber der Kohlenhydratanteil nahm merklich zu.

Das Studienergebnis bestätigt damit die aktuellen europäischen Empfehlungen zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Darin wird ebenfalls die mediterrane Ernährungsweise bevorzugt und z.B. empfohlen, gesättigte Fettsäuren durch ungesättigte zu ersetzen. (1)

Schon früh in der Corona-Pandemie wurde deutlich, dass ältere Menschen und insbesondere Männer ein merklich erhöhtes Risiko für schwere Covid-19-Verläufe haben. Ähnliches gilt auch bei Fettleibigkeit und Bluthochdruck. Welchen Effekt jedoch metabolische Vorerkrankungen in Kombination auf den Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2 und das Risiko zu sterben haben, wurde nun durch Auswertung der Daten von rund 3000, überwiegend deutschen Patienten aus dem europäischen Fallregister LEOSS gezielt untersucht. Daran beteiligt waren mehre deutsche Forschungseinrichtungen.

Dazu wurden verschiedene Altersgruppen (18-55 Jahre; 56-75 Jahre und über 75 Jahre) mit und ohne Erkrankungen (Bluthochdruck, Adipositas, Diabetes/metabolisches Syndrom) verglichen. Danach hatten Patienten über 75 Jahren – wie zu erwarten – das höchste Covid-19-Sterberisiko. Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, gestörter Zuckerstoffwechsel und starkes Übergewicht verstärkten das Risiko nur noch unwesentlich. Anders bei Patienten im Alter bis 55 Jahren: Hier war das Risiko, infolge einer Covid-Erkrankung zu sterben, siebenfach im Vergleich zu Gleichaltrigen erhöht, wenn die Patienten gleichzeitig Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes hatten. Es entsprach zugleich dem Risiko, das ältere Patienten zwischen 55 und 75 Jahren ohne metabolische Begleiterkrankungen aufwiesen.

Ein ähnliches Bild zeigte sich beim Vergleich von milden zu schweren Krankheitsverläufen. Und: Selbst als die Wissenschaftler die jüngere Altersgruppe nochmals unterteilten in 18-35 Jahre und 36-55 Jahre bestätigte sich im Trend, dass ein Bluthochdruck plus metabolische Erkrankungen selbst in der jüngeren Gruppe das Risiko für schwere Verläufe und Tod erhöht. (2)

Der Nutzen der blutdrucksenkenden Therapie lässt sich bekanntlich danach beurteilen, wie viele Schlaganfälle, Herzinfarkte, Nierenversagen und Todesfälle durch diese Therapie verhindert werden. Mögliche Schäden und Beschwerden infolge ungewohnt niedriger Blutdruckwerte sind dagegen abzuwägen. Zu den ungünstigen Effekten gehören etwa Schwindelgefühl, Schwäche und kurze Anfälle von Bewusstlosigkeit (Synkopen). Dieses Abwägen wird bei Patienten mit zunehmenden Alter umso wichtiger, weil zum Beispiel Stürze durch Schwindeltattacken weitreichende Folgen haben können.

Einige Studien haben nun bereits Hinweise darauf gegeben, dass auch in höherem Alter eine optimalen Blutdruckeinstellung die Lebenserwartung verbessern kann. In einer Analyse der Daten von über 27.000 Patienten im Alter über 60 Jahren (Durchschnittsalter war 70 Jahre) wurde nun nochmals gezielt nach Nutzen und Risiken einer intensivierten Blutdrucksenkung geschaut. Die Daten stammten aus sechs randomisierten großen Blutdruckstudien. Nach den aktuellen Leitlinien der europäischen Kardiologen liegt ein Bluthochdruck bei Werten über 140/90 mmHg vor. Als Zielwert für eine Blutdrucksenkung sollten 130/80 mmHg und niedriger angestrebt werden – das gilt allerdings vor allem für Patienten unter 65 Jahre.

Ein wesentliches Bewertungskriterium für den Erfolg der Therapie war in der Analyse nun vor allem die Beantwortung folgender Frage: Wie lange dauert es, bis ein älterer Patient von einer intensivierten Blutdrucksenkung profitiert? Denn gerade ungünstige Effekte treten ja meist zeitnah mit den niedrigen Werten auf. Als positiver Effekt definiert wurde das Verhindern schwerer kardiovaskulärer Ereignisse.

Wie zu erwarten, traten die günstigen Effekte der intensivierten Blutdrucksenkung nicht unmittelbar nach Therapiebeginn, sondern erst im Laufe von Monaten auf. So war es plausibel, dass Patienten mit einer Lebenserwartung von einem Jahr oder weniger statistisch nicht von einer solchen Therapie profitierten. Ab einer dreijährigen Behandlungsdauer dagegen profitierten die Patienten deutlich von dieser Behandlung. Bemerkenswert, aber nicht unerwartet, war außerdem folgendes Untersuchungsergebnis: Der günstige Effekt der systolischen Blutdrucksenkung unter 140 mmHg war nur wenig ausgeprägt im Vergleich zu systolischen Werten unter 150 oder 160 mmHg. Bei einem Zielblutdruck unter 130 mmHg war der positive Effekt hingegen sehr deutlich. Und selbst bei einem Zielblutdruck unter 120 mmHg fand sich noch ein positiver Effekt. Die Wissenschaftler folgern daraus, dass auch Patienten über 60 Jahre mit hohem Blutdruck von einer intensivierten Blutdrucksenkung (unter 130 mmHg systolisch) profitieren, wenn ihre Lebenserwartung drei Jahre und mehr beträgt – was bei der Mehrzahl der Menschen der westlichen Welt heute der Fall ist. Neben der Lebenserwartung sind dennoch stets auch die begleitenden Erkrankungen und die subjektive Verträglichkeit der blutdrucksenkenden Therapie zu berücksichtigen.(3)

Viele Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind inzwischen bekannt. Dennoch sind Herzerkrankungen nach wie vor Todesursache Nr. 1. Wissenschaftler sind nun der Frage nachgegangen, inwiefern die Einnahme von Schilddrüsenhormonpräparaten möglicherweise einen weiteren Risikofaktor darstellt. Hintergrund ist, dass Schilddrüsenhormone (z.B. Levothyroxin) mit zu den am häufigsten verordneten Medikamenten gehören. Und es ist bekannt, dass Schilddrüsenhormone per se die Reizleitung am Herzen verändern.

Nach Angaben der US-Wissenschaftler ist es auch so, dass bis zu 50 % der mit Schilddrüsenhormonen behandelten Patienten mit der Zeit Zeichen einer Schilddrüsenüber- oder  ‑unterfunktion entwickeln. Zugleich weiß man, dass Patienten mit einer Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben.

Sie kontrollierten daher bei über 700.000 Patienten, die mit Schilddrüsenhormonen behandelt wurden – meist wegen einer Unterfunktion – die weitere gesundheitliche Entwicklung über zwei bis neun Jahre. Knapp elf Prozent der Patient starben in dieser Zeit aufgrund einer kardiovaskulären Erkrankung wie Herzinfarkt, Herzmuskelschwäche oder Schlaganfall. Wurden Alter, Geschlecht und vorhandene kardiovaskuläre Risikofaktoren berücksichtigt, so zeigte sich, dass das Risiko zu sterben, bei jenen Patienten auffällig erhöht zu sein scheint, die mit ihren Laborwerten der Schilddrüsenfunktion (TSH, fT4) außerhalb des Normbereichs lagen, also entweder zu hohe oder zu niedrige Werte aufwiesen. Als Vergleichsgruppen dienten Patienten, deren Laborwerte für die Schilddrüsenfunktion im erwünschten – sogenannten euthyreoten – Bereich lagen.

Auffällig war dabei, dass das kardiovaskuläre Risiko direkt mit dem Abweichen des TSH-Wertes von der Norm verbunden zu sein scheint (insbesondere bei TSH-Werten <0,1 ml/L und >20 ml U/L). Darüber hinaus scheinen vor allem hochbetagte Patienten (>85. Lebensjahr) bei einer Abweichung der Laborparameter der Schilddrüse ein hohes Herzrisiko zu haben. Die Wissenschaftler folgern daraus, dass auch eine Therapie mit Schilddrüsenhormonen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Laborparameter nicht in dem Bereich einer normalen Schilddrüsenfunktion (Euthyreose) eingestellt werden. Wichtigster Laborparameter hierzu ist der TSH-Wert. Sie verweisen daher darauf, dass wenn eine Therapie mit Schilddrüsenhormonpräparaten notwendig ist, dieser Wert dann auch besonders sorgfältig in den therapeutischen Bereich eingestellt und kontrolliert werden sollte.

  1. Long-term secondary prevention of cardiovascular disease with a Mediterranean diet and a low-fat diet (CORDIOPREV): a randomised controlled trial, Lancet, Mai 2022, https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)00122-2
  2. Obesity and Impaired Metabolic Health Increase Risk of COVID-19-Related Mortality in Young and Middle-Aged Adults to the Level Observed in Older People: The LEOSS Registry, Front. Med., 11 May 2022 | https://doi.org/10.3389/fmed.2022.875430
  3. Time to Clinical Benefit of Intensive Blood Pressure Lowering in Patients 60 Years and Older jamainternal_chen_2022_oi_220022_1650556223.42716.pdf
  4. Association of Thyroid Hormone Treatment Intensity with Cardiovascular Mortality , JAMA Netw Open. 2022;5(5):e2211863. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.11863

Nachricht-Archiv Mai

Im Rahmen des GULLIVE-R-Projekts des DGK-Zentrums für Versorgungsforschung (1) wird aktuell untersucht, wie sich die gesundheitliche Situation (inklusive Behandlung und Therapietreue) von Patientinnen und Patienten ein Jahr nach einem Herzinfarkt darstellt. Dies ist von Bedeutung, weil nach einem ersten Infarkt bekanntlich das Risiko für weitere schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse stark erhöht ist. Allerdings: Mit größer werdendem Abstand zum Infarkt wähnen sich Betroffene – und häufig auch die behandelnden Ärzte – oft (zu) sicher und lassen die Behandlung schleifen.

Die erste Auswertung der Daten von 2500 Patientinnen und Patienten zeigte nun, dass direkt nach dem Infarkt und einer erfolgreichen Revaskularisation der Herzkranzgefäße eine große Zahl von ihnen (80 %) entsprechend den aktuellen ärztlichen Leitlinien behandelt wurde. Sie erhielten wenigstens 4 der 5 „Medikamenten-Bausteine“ (ASS, Thrombozytenaggregationshemmer, Statin, ACE-Hemmer/ARB/ARNI, Beta-Blocker). Und zunächst folgten die meisten auch tatsächlich den empfohlenen Maßnahmen zur Lebensstiländerung mit Ernährungsumstellung, regelmäßiger Bewegung und Blutdruckkontrolle.

Doch schon wenige Monate später änderte sich das positive Bild: Nur die Hälfte der Betroffenen erhielt nach sechs Monaten noch die empfohlenen 4-5 Medikamente. Bei 31 Prozent bestand die Therapie aus drei, bei etwa 15 Prozent nur noch aus zwei Medikamenten. Zudem unterschätzten sie ihr Risiko deutlich, einen weiteren Infarkt zu bekommen. Das galt auch für die behandelnden Ärzte. Um das Risiko für ein erneutes kardiovaskuläres Ereignis zu ermitteln, wurden neun einfach zu messende klinische Werte betrachtet. Danach hatten 34 Prozent der Patienten ein erhöhtes Risiko für ein erneutes kardiovaskuläres Ereignis. Doch nur rund 7 Prozent der Patienten und 11 Prozent der Ärzte sahen das selbst so. Dagegen meinte gut jeder dritte Patient (37 %) und jeder dritte Arzt (32 Prozent), dass ein geringes Risiko vorliege.

Auch bei den Kenntnissen zur Erkrankung gab es offensichtliche Lücken. Knapp 88 Prozent der Patienten fühlten sich zum Beispiel gut über die koronare Herzerkrankung informiert, doch weniger als 16 Prozent kannten den richtigen LDL-Zielwert und weniger als 40 Prozent den korrekten Zielblutdruckwert. Und während über 70 Prozent annahmen, ihr Cholesterinwert liege im richtigen Bereich, kannten ihn aber nur 21 Prozent der Patienten genau.

In einer britischen Untersuchung wurde bei über 365.000 Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall kontrolliert, wie viele von ihnen in den folgenden vier Wochen Herzbeschwerden entwickeln und welche Konsequenzen das für die betroffenen Patienten hat (2). Bei rund elf Prozent trat ein akutes Koronarsyndrom auf, knapp neun Prozent entwickelten Vorhofflimmern/-flattern, gut sechs Prozent eine Herzinsuffizienz und 1,2 % wiesen schwere ventrikuläre Arrhythmien sowie 0,1 % eine Stress-Kardiomyopathie (Takotsubo-Syndrom) auf. Wie zu erwarten, verschlechterte die zusätzliche Herzbelastung die Prognose deutlich.

So war das Risiko jener Patienten mit kardialen Komplikationen in den nächsten fünf Jahren zu sterben, einen Herzinfarkt zu bekommen oder erneut ins Krankenhaus zu müssen, deutlich höher als bei Vergleichspatienten mit Schlaganfall ohne zusätzliche Herzbeschwerden. Vor allem bei Patienten mit schweren ventrikulären Rhythmusstörungen/Tachykardien war das Sterberisiko um mehr als 100 Prozent erhöht. Bei Herzinsuffizienz waren es noch über 80 Prozent und bei Vorhofflimmern 45 Prozent im Vergleich zu Schlaganfallpatienten ohne Herzkomplikationen. Und auch das Risiko eines erneuten Schlaganfalls war bei Patienten mit Herzkomplikationen hoch. Etwa jeder zweite war in den fünf Jahren der Studienkontrolle betroffen.

Die Studie lässt zwar keine klare Aussage zu, ob die Herzbeschwerden erst durch den Schlaganfall ausgelöst wurden oder ob infolgedessen bestehende Herzerkrankungen erst entdeckt wurden. Die Bedeutung von Kontrollen der Herzfunktion in der Nachsorge wird dadurch nicht beeinflusst.

Der plötzliche Herztod ist nicht selten das erste Ereignis einer koronaren Herzkrankheit. „Plötzlicher Tod bei scheinbar völliger Gesundheit“, heißt es dann. Bis heute gibt es praktisch keine Warnzeichen, die einen drohenden plötzlichen Herztod bei Personen anzeigen, die bislang keine Beschwerden oder Symptome einer Herzerkrankung haben.

Da man jedoch weiß, dass ein erhöhter Kalziumscore (CACS) für das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit spricht, war es naheliegend, in einer Studie zu prüfen, ob vielleicht ein erhöhter Kalziumscore auch eine Gefährdung durch einen plötzlichen Herztod anzeigt. Dieser wird mit Hilfe einer speziellen computertomographischen (CT) Untersuchung ermittelt, bei der Kalkablagerungen in den Herzgefäßen sichtbar werden.

Dazu wurde bei über 66.000 bislang asymptomatischen Personen, die sich einer solchen Untersuchung unterzogen, ermittelt, wie häufig es in den nachfolgenden rund zehn Jahren zu einem plötzlichen Herztodes kam (3). Das kardiovaskuläre Risiko wurde zudem mittels traditioneller Risikofaktoren berechnet. Innerhalb der Nachbeobachtungszeit kam es zu 211 Ereignissen eines plötzlichen Herztods. Dies entspricht einer Häufigkeit von 0,3%. Über die traditionellen Risikofaktoren hinaus nahm die Häufigkeit des plötzlichen Herztodes mit dem Ausmaß der Koronargefäßverkalkung und somit der Höhe des Kalziumscores tatsächlich zu. Besonders deutlich war der Zusammenhang zwischen erhöhtem Kalziumscore und dem Risiko für plötzlichen Herztod bei Menschen mit an sich niedrigem und mittlerem Ausgangsrisiko, in den nächsten zehn Jahren eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu bekommen.

Etwas Wein in die Aussagekraft dieser Studie kippt eine andere Publikation, bei der sechs Studien mit knapp 18.000 bei Studienstart ebenfalls gesunden Teilnehmern übergreifend ausgewertet wurden (4). Es wurde dabei rückwirkend untersucht, ob der Kalziumscore die Aussagekraft herkömmlicher Herzrisiko-Scores für das Auftreten einer Herz-Kreislauf-Erkrankung in den nächsten Jahren in einem klinisch nützlichen Maß ergänzt. Insgesamt gab es bei den Teilnehmern 1.043 kardiovaskuläre Ereignisse. Es zeigte sich, dass die CACS-Bestimmung die Risikovorhersage zwar verbessern kann, allerdings nur unwesentlich.

Schlußfolgerung: In den aktuellen europäischen Leitlinien zur Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird ab einem Alter von 40 Jahren die Bestimmung des Kalziumscores (CACS) als zusätzliche Option zur Abschätzung des individuellen 10-Jahres-Risikos zwar erwähnt (als sogenannter Risikomodifizierer). Und nach den vorliegenden Daten kann dieser Score auch tatsächlich eine Rolle bei der Verfeinerung der Risikobewertung bei ausgewählten Patienten spielen. Es bleibt jedoch unklar, welche Patienten davon profitieren und wie hoch am Ende der tatsächliche klinische Nutzen für sie ist. Denn zugleich müssen die die Strahlenbelastung durch eine CT-Untersuchung und die Kosten der Untersuchung gegengerechnet werden.

  1. DGK-Kongress 2022, Abstrakt und Vortrag  Prof. Uwe Zeymer, Klinikum Ludwigshafen
  2. Stroke-Heart Syndrome: Incidence and Clinical Outcomes of Cardiac Complications Following Stroke, Stroke, 31.3.2022; https://doi.org/10.1161/STROKEAHA.121.037316
  3. Coronary Artery Calcium for Risk Stratification of Sudden Cardiac Death: The Coronary Artery Calcium Consortium; J Am Coll Cardiol Img. 2022. DOI: 10.1016/j.jcmg.2022.02.011
  4. Evaluation of the Incremental Value of a Coronary Artery Calcium Score Beyond Traditional Cardiovascular Risk Assessment, JAMA Intern Med. Published online April 25, 2022. doi:10.1001/jamainternmed.2022.1262

 

Nachricht-Archiv April

10.000 Schritte am Tag werden gemeinhin als gesundheitsförderliches Ziel angegeben. Doch ist diese Angabe auch gesichert? US-amerikanische Forscher haben daher insgesamt 15 große internationale Studien mit insgesamt über 47.000 Teilnehmern unter die Lupe genommen (1 a), die die Sterblichkeit bei Erwachsenen über 18 Jahren in Zusammenhang mit ihrem Bewegungsverhalten untersuchten. Um einen Dosis (Schrittzahl)-Wirkungs-Effekt nachweisen zu können, teilten die Wissenschaftler die Schrittmenge in vier gleich große Gruppen auf. Dabei zeigt sich, dass diejenigen aus der Gruppe mit den meisten Schritten eine um 40 bis 53 Prozent geringere Sterblichkeitsrate hatten als diejenigen aus der Gruppe mit den wenigsten Schritten pro Tag. Insgesamt kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass bei Menschen über 60 Jahren 8000-10.000 Schritte pro Tag die Wahrscheinlichkeit für einen verfrühten Tod senken. Bei Menschen über 60 Jahren nimmt wohl mit 6000-8000 Schritten pro Tag das Sterberisiko progressiv ab.  Sie konnten damit eigene frühere Daten bestätigten, wonach mindestens 7.000 Schritte pro Tag die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Todes um 50 bis 70 Prozent verringerten.

Den Vorteil speziell von Krafttraining haben darüber hinaus jüngst japanische Forscher bestätigen können (1 b). Ihre Analyse von ebenfalls gleich mehreren Studien ergab, dass ein 30- bis 60-minütiges Krafttraining pro Woche besonders günstig ist, um sowohl das Gesamtrisiko eines verfrühten Todes als auch das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs allgemein und Diabetes um 10 bis 17 % zu verringern. Es fanden sich keine Hinweise darauf, dass mehr als eine Stunde Krafttraining wöchentlich das Risiko noch weiter reduziert.  Zusätzlich ermittelten die Forscher, dass sich die Wirkungen von aerobem Sport und Muskelaufbautraining addieren. So reduziert nach ihren Daten ein kombiniertes Training im Vergleich zu gar keinem Sport das Gesamtsterberisiko um 40 % und das Risiko für Herzerkrankungen sogar um 46 %.

Wie häufig kommt es bei Patienten mit Vorhofflimmern zu einem Schlaganfall trotz Behandlung mit einem Gerinnungshemmer? Und wie sehr beeinflusst das das Entstehen einer Demenz? Dieser Frage sind Schweizer Wissenschaftler in einer großen Studie (SWISS-AF) mit über 1200 Patienten nachgegangen (2), die wegen Vorhofflimmerns an verschiedenen Kliniken behandelt wurden. Ihr mittleres Alter betrug 71 Jahre. Fast alle wurden effektiv mit gerinnungshemmenden Medikamenten behandelt. Vor Beginn und nach Ende der zweijährigen Beobachtungsperiode erhielten alle Patienten eine MRT-Untersuchung des Kopfes. Quantitativ klassifiziert wurden Infarkte im Bereich der Hirnrinde und der weißen Substanz, jeweils unterteilt in große und kleine Infarkte/Schlaganfälle. Außerdem wurden Defekte der weißen Hirnsubstanz und Mikroblutungen beurteilt. Die Hirninfarkte wurden klinisch in symptomatische und in asymptomatische (stumme) unterteilt. Die geistige Leistungsfähigkeit (Kognition) wurde anhand standardisierter Testverfahren gemessen.

Die Auswertung der Daten ergab, dass es bei 2,3 % der Patienten zu symptomatischen Hirninfarkte und bei 5,5, der Untersuchten zu asymptomatischen Hirninfarkte gekommen war. Bei Patienten mit neuen Hirninfarkten nahmen ihre geistigen Fähigkeiten deutlicher ab als bei Patienten ohne neue Hirninfarkte. Dabei gab es keinen Unterschied, ob es sich um einen symptomatischen und asymptomatischen Hirninfarkt gehandelt hatte. Keinen Einfluss auf die Kognition hatten hingegen Veränderungen in der weißen Gehirnsubstanz oder Mikroblutungen.

Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen somit die Vermutung, dass nicht nur symptomatische, sondern auch stumm verlaufende Hirninfarkte Ursache einer nachlassenden geistigen Leistungsfähigkeit bei Vorhofflimmerpatienten sein können. Da nahezu 90 % der Patienten mit einem Hirninfarkt unter einer effektiven Antikoagulation standen, scheint bei einigen Patienten mit Vorhofflimmern eine alleinige Therapie mit oralen Antikoagulanzien nicht ausreichend zu sein, um Hirninfarkte zu verhindern. Die zusätzliche Gabe eines Plättchenhemmstoffes könnte unter Umständen Hirninfarkte verhindern, geht aber mit einem höheren Blutungsrisiko einher. Die Studienergebnisse der letzten Jahre zeigen, ist hingegen eine erfolgreiche interventionelle Therapie des Vorhofflimmerns und die Herstellung von Sinusrhythmus in der Lage ist, Hirninfarkte sicher zu verhindern.

Brustschmerzen sind bekanntlich das Haupt-Warnsignal eines Herzinfarkts. Aber auch andere Beschwerden wie Kurzatmigkeit, Oberbauch- oder Nackenschmerzen oder ein vorübergehender Bewusstseinsverlust (Synkope) können auftreten. In einer Studie (3) untersuchten portugiesische Wissenschaftler, wie sich die unterschiedlichen Symptome auf die Prognose nach einem Herzinfarkt auswirken und ob es bestimmte Personengruppen gibt, bei denen eher atypische Beschwerden eines Herzinfarktes auftreten. Sie untersuchten dazu die Daten von knapp 5000 Patienten aus dem portugiesischen Register für akute Koronarsyndrome, die einen sogenannten Non-ST-Elevation-Myokardinfarkt (NSTEMI) hatten. Bei dieser Art von Herzinfarkt wird eine Arterie, die das Herz mit Blut versorgt, teilweise blockiert.

Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer lag bei 68 Jahren und 71 % waren Männer. Die Patienten wurden je nach ihrem Hauptsymptom bei der Einlieferung in drei Gruppen eingeteilt. Brustschmerzen waren dabei das häufigste Symptom (91 %), gefolgt von Atemnot/Müdigkeit (7 %) und Synkope (2 %). Es zeigte sich, dass Patienten mit Dyspnoe/Müdigkeit mit einem Durchschnittsalter von 75 Jahren älter waren als die Patienten in den beiden anderen Gruppen und es sich bei ihnen auch häufiger um Frauen handelte. Im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen litten Patienten mit Atemnot/Müdigkeit als Hauptsymptom zudem häufiger an Bluthochdruck, Diabetes, chronischen Nierenerkrankungen und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).

Die Forscher verglichen anschließend auch die Überlebensraten zwischen den drei Gruppen nach einem Jahr. Ein Jahr nach dem Herzinfarkt waren noch 76 % der Patienten in der Gruppe mit Dyspnoe/Müdigkeit am Leben, gegenüber 94 % in der Gruppe mit Brustschmerzen und 92 % in der Gruppe mit Synkopen als Hauptsymptom des Infarktes. Dennoch lässt sich daraus kein eindeutiger Beleg für ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko bei den unspezifischen Herzinfarkt-Symptomen Müdigkeit/Kurzatmigkeit ableiten, wie die Forscher berichten. Dennoch raten sie, dass Betroffene auch dann dringend einen Arzt aufsuchen sollten, wenn sie über längere Zeit unter Atemnot leiden und nicht nur bei klassischen Herzinfarktsymptomen wie Schmerzen in der Brust, Druck oder Schweregefühl, das in einen oder beide Arme, den Hals oder den Kiefer ausstrahlt. Dies sei besonders für Frauen und ältere Patienten wichtig, bei denen sich sonst die Herzinfarkt-Diagnose kritisch verzögern könnte.

  1. (a) Lancet, März 2022, Daily steps and all-cause mortality: a meta-analysis of 15 international cohorts, https://doi.org/10.1016/S2468-2667(21)00302-9 und (b) British Journal of Sports Medicine 2022. http://dx.doi.org/10.1136/bjsports-2021-105061
  2. European Heart Journal, ehac020, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac020
  3. Escardio.org, https://www.escardio.org/The-ESC/Press-Office/Press-releases/Shortness-of-breath-heralds-worse-survival-than-chest-pain-for-heart-attack-patient

 

Nachricht-Archiv März

Nach Einschätzung von Patienten und Ärzten ist die Unverträglichkeit gegenüber Statinen weit verbreitet. In der weltweit größten Studie wurde nun untersucht, wie häufig tatsächlich im Alltag eine Unverträglichkeit gegenüber Statinen auftritt und welche Patienten davon besonders betroffen sind. In die Metaanalyse von 176 publizierten Studien wurden über vier Millionen Patienten eingeschlossen. Das Vorliegen einer Statinintoleranz wurde nach den Kriterien verschiedener wissenschaftlicher Gesellschaften definiert.

Eine „echte“ Intoleranz gegenüber Statinen fand sich nur bei insgesamt rund neun Prozent der Patienten. Wurden die Kriterien internationaler Fachgesellschaft herangezogen waren es sogar nur zwischen fünf und sieben Prozent.

Eine Unverträglichkeit fand sich häufiger unter folgenden Bedingungen: weibliches Geschlecht (um 48 % erhöhtes Risiko), Schilddrüsenunterfunktion (+38 %), hohe Statindosis (+38 %), höheres Lebensalter (+33 %) oder Übergewicht (+31 %). Auch ein Diabetes mellitus sowie chronische Leber- und Nierenerkrankungen erhöhten das Risiko, ebenso die gleichzeitige Einnahme von Kalziumantagonisten und von Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen.

Je nach Studiendesign schwankte die Häufigkeit einer Statinintoleranz ebenfalls. So betrug sie in den 112 randomisierten Studien, bei denen kein Patient wusste, was er einnahm, nur knapp fünf Prozent. In den 64 klinischen Studien, in denen den Patienten ihr Medikament bekannt war, betrug die Häufigkeit einer Statinintoleranz hingegen 17 Prozent. Die Autoren werten dieses Ergebnis auch als deutlichen Hinweis auf einen sogenannten Nocebo-Effekt, das heißt auf eine vorhandene negative Erwartungshaltung.

Ihre Schlussfolgerung: Die Häufigkeit einer Unverträglichkeit gegenüber Statinen ist deutlich geringer als von Patienten und Ärzten angenommen. Das Auftreten von Symptomen, die den Verdacht auf eine Unverträglichkeit nahelegen, erfordert eine sorgfältige Analyse durch den behandelnden Arzt, um herauszufinden, was der tatsächliche Grund der Beschwerden sein könnte. (1)

Welchen Einfluss hat die psychische Gesundheit auf das Entstehen bzw. den Verlauf kardiovaskulärer Krankheiten? Dieser Frage wird schon länger in der Kardiologie nachgegangen. In einer Metaanalyse mit über 180.000 Patienten wurde dies nun näher untersucht. In allen Studien wurde zwischen Optimisten und Pessimisten unterschieden. Dann untersuchten die US-amerikanischen Forscher, ob in einer der beiden Gruppe mehr kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle auftraten. Tatsächlich stellten sie fest, dass Patienten mit einer optimistischen Lebenseinstellung ein um 19 % geringeres Risiko hatten, vorzeitig zu sterben.  Es bestand zudem ein deutlich verringertes Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten. Auch das Risiko für einen Schlaganfall war verringert, wenn auch nicht so eindeutig.

Diese Studie ist nicht die erste, die auf die günstige Wirkung von seelischer Gesundheit auf das kardiovaskuläre Risiko hinweist. Trotzdem mahnen die Autoren der Studie zur Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse. So konnten bei einigen der analysierten Studien zusätzliche Einflussfaktoren nicht zuverlässig ausgeschlossen werden. Außerdem bleibt nach den Studienergebnissen offen, über welchen konkreten Mechanismus die optimistische Lebenseinstellung das kardiovaskuläre Risiko beeinflusst. Mögliche Erklärung könnte sein, dass Optimisten per se eher herzgesunde Lebensweisen an den Tag legen. Zudem gibt es Hinweise, dass die Stimmung auch körperliche Reaktionen auslöst etwa in Bezug auf Entzündungsprozesse, Hormonausschüttung und Bluthochdruck, was chronische Erkrankungen beeinflussen kann. Erst kürzlich legte auch eine europäische Gruppe von Psychokardiologen ein Positionspapier vor, in dem eine stärkere Berücksichtigung seelischer Probleme bei Patienten mit Herzinsuffizienz gefordert wird. (2)

US-Forscher haben jüngst Informationen von über 150.000 zumeist älteren Patienten ausgewertet, die zwischen März 2020 und Januar 2021 an Covid-19 erkrankt waren. Verglichen wurden die Daten mit Personen, die während der Pandemie ohne Covid-Infektion geblieben waren und mit Patientendaten aus der Zeit vor der Pandemie. Die Auswertung der in „Nature“ publizierten Studie (3) ergab, dass an Covid-Erkrankte nach einem Jahr ein um über 70 Prozent höheres Risiko für eine Herzinsuffizienz hatten als Patienten ohne Covid. Auch für andere kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Schlaganfall oder tiefe Venenthrombosen war das Risiko merklich erhöht.

Ebenso ist das Risiko für psychische Störungen ein Jahr nach einer Covid-19-Infektion um etwa ein Drittel erhöht. Dabei handelte es sich unter anderen um Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen und Gedächtnisstörungen. Am stärksten betroffen sind offenbar Patienten, die einen Krankenhausaufenthalt hinter sich hatten. Die Wissenschaftler nutzten für diese Analyse den gleichen Datenpool wie die Forscher der in „Nature“ publizierten Studie. Festgestellt wurde zudem, dass der Gebrauch von Psychopharmaka um bis zu zwei Drittel zu nahm – selbst bei milden Verläufen. Die Ergebnisse wurden Mitte Februar im „British Medical Journal“ (4) veröffentlich.

Bei einer ebenfalls im britischen Ärzteblatt veröffentlichten Studie (5) wurde wiederum ermittelt, dass rund jeder dritte US-Bürger im Alter über 65 Jahren in den ersten 120 Tagen nach seiner Genesung von Covid-19 offenbar eine andere Erkrankung entwickelt. Dazu gehörten Atmungsstörungen, Abgeschlagenheit und Bluthochruck sowie Herzrhythmusstörungen.

Im Fokus aktueller wissenschaftlicher Publikationen standen darüber hinaus konkrete Risikofaktoren für das Entstehen von Long Covid und mögliche Ursachen. Hierbei fanden zum Beispiel US-Forscher (6) vier Faktoren, die möglicherweise Long-Covid begünstigen: das Auftreten von Autoantikörpern, eine hohe Viruslast (viel virale mRNA) zu Erkrankungsbeginn, die Reaktivierung von (inaktivierten) Epstein-Barr-Virionen und ein bestehender Typ-2-Diabetes.

Eine Auswertung von Praxisdaten des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (Zi) kam ebenfalls zu dem Schluss, dass es womöglich bestimmte Vorerkrankungen gibt, die das Entstehen einer Long-Covid-Erkrankung begünstigen (7). Nach ihren Daten sind vor allem Menschen zwischen 45 und 65 Jahren betroffen, darunter vor allem Frauen. Auffällig viele hatten Vordiagnosen wie Rückenschmerzen, Adipositas oder Stressbeschwerden.

Neben Alter, Vorerkrankungen und Anzahl der Beschwerden während der akuten Covid-Erkrankung spielt möglicherweise auch die individuelle Immunglobulinkonstellation eine Rolle. Wissenschaftler der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich haben nämlich einen Zusammenhang zwischen niedrigen Spiegeln an den Immunglobulinen – auch Antikörper genannt – IgM und/oder IgG3 und einem erhöhten Long-Covid-Risiko festgestellt. Die Immunglobuline werden vom Immunsystem produziert und neutralisieren dann SARS-CoV-2 oder machen das Virus anfälliger für Attacken des Immunsystems.  Sollten sich die Daten bestätigen, könnten damit möglicherweise frühzeitig Patienten mit hohem Long-Covid-Risiko erkannt werden und es könnte therapeutisch eingegriffen werden, hieß es auf einer Pressekonferenz des Science Media Centers (8).

Die  UK Health Security Agency (UKHSA), eine Behörde des britischen Gesundheitsministeriums, hat im Februar über die Auswertung von 15 Studien aus verschiedenen Ländern berichtet, die sich alle mit Covid-19-Impfungen und Long-Covid-Risiken beschäftigten (9). Als wesentliche Erkenntnis schreiben die Autoren, dass die Studienergebnisse nahelegen, dass geimpfte Personen (1 oder 2 Dosen) nach der Infektion weniger wahrscheinlich Symptome von Long-Covid entwickeln. Diese gelte sowohl für kurzfristige Symptome (4 Wochen nach Infektion) als auch mittelfristige (12 bis 20 Wochen nach Infektion) und langfristige (6 Monate nach Infektion). In zwei Studien, in denen einzelne Long-Covid-Symptome erfasst wurden, traten bei vollständig Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften mittel- oder langfristig Beschwerden wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwäche in Armen und Beinen, Haarausfall, Schwindel, Kurzatmigkeit, Geruchsstörungen und Muskelschmerz seltener auf.

In den Studien, die die Wirkung einer Impfung bei Menschen mit bereits vorhandener Long-Covid-Symptomatik untersuchten, gab es wiederum Hinweise auf eine Verbesserung der Symptome nach der Impfung – entweder sofort oder langfristig. Allerdings weisen die Autoren auch darauf hin, dass es in allen Studien auch einige Patienten gab, die über eine Verschlimmerung der Symptome nach der Impfung berichteten.

  1.  Prevalence of statin intolerance: a meta-analysis, Eur Heart J 2022; ehac015, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac015
  2. Association of Optimism With Cardiovascular Events and All-Cause Mortality: Systematic Review and Meta-Analysis – ScienceDirect; https://doi.org/10.1016/j.amjmed.2021.12.023
  3. Long-term cardiovascular outcomes of COVID-19; Nature Medicine, Feb 2022; https://doi.org/10.5281/zenodo.5799457
  4. Risks of mental health outcomes in people with covid-19: cohort study, BMJ, Feb 2022;  https://doi.org/10.1136/bmj-2021-068993
  5. Risk of persistent and new clinical sequelae among adults aged 65 years and older during the post-acute phase of SARS-CoV-2 infection: retrospective cohort study, BMJ, Feb 2022; https://doi.org/10.1136/bmj-2021-068414 
  6. Multiple Early Factors Anticipate Post-Acute COVID-19 Sequelae: Cell, Jan 2022; https://doi.org/10.1016/j.cell.2022.01.014
  7. https://www.zi.de/presse/presseinformationen/8-februar-2022
  8. https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/press-briefing/details/news/long-covid-begriff-befund-behandlung/opac-retrieve-file.pl (koha-ptfs.co.uk)

 

Nachricht-Archiv Februar

Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz haben nicht nur körperliche, sondern meist auch erhebliche seelische Probleme. Letztere werden häufig nicht ausreichend bei der Behandlung dieser Patienten berücksichtigt. Die European Association of Preventive Cardiology hat daher 12 europäische Wissenschaftlicher*innen mit psychokardiologischer Expertise beauftragt, in einem Positionspapier den wissenschaftlichen Stand und die klinische Bedeutung psychosozialer Fragen für das Krankheitsbild Herzinsuffizienz zu erarbeiten. Dieses Positionspapier liegt jetzt vor und wurde im European Journal Preventive Cardiology publiziert. Die wichtigsten Kernaussagen sind:

1. Die Bedeutung psychosozialer Risikofaktoren für das Entstehen und den Verlauf der Herzinsuffizienz wird in der Kardiologie unterschätzt. Insbesondere für die Depression und soziale Isolation/Einsamkeit sind als Faktoren, die eine Herzinsuffizienz begünstigen, wissenschaftlich bestätigt, werden aber  im klinischen Alltag ungenügend berücksichtigt. Der häufig schwerwiegende Verlauf der Erkrankung fördert wiederum selbst Episoden von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die die betroffenen Patienten erheblich belasten. Auf die seelischen Komplikationen der Herzinsuffizienz zu achten, sollte daher fester Bestandteil der Therapie sein.

2. Psychosoziale Stressfaktoren (wie die Depression) können nachweislich über verschiedene biologische Vermittlungswege (u.a. Ausschüttung von Hormonen und Entzündungsmediatoren) zu einer weiteren Verschlechterung der Grunderkrankung und damit zu einem Fortschreiten der Herzinsuffizienz beitragen.

3. Dem traumatischen Effekt des Fortschreitens der Erkrankung begegnen viele Patienten mit einer Verleugnung der Krankheitsrealität, was die notwendige Mitarbeit der Patienten*innen deutlich erschwert. Dieses selbstschädigende Verhalten der Patienten kann durch neue, erfolgversprechende psychologische Gesprächstechniken deutlich verbessert werden. Die Experten des Positionspapiers ermutigen, auch telemedizinische Betreuungskonzepte zu nutzen, die aber die wichtige persönliche Begegnung von Patient*in/Arzt bzw. Ärztin nicht ersetzen soll.

4. Klassische psychotherapeutische Behandlungskonzepte zeigen ebenso wie eine psychopharmakologische Therapie keine oder allenfalls mäßige Erfolge. Besser wirksam sind Interventionen, die körperliche Bewegungsprogramme mit kognitiver Verhaltenstherapie kombinieren. Zur Behandlung einer schwerwiegenden andauernden Depression sollte ein Psychiater oder Psychosomatiker hinzugezogen werden.

5. Viele Patienten und Patientinnen mit Herzinsuffizienz benötigen einen implantierbaren Defibrillator (ICD) oder im fortgeschrittenen Verlauf auch ein Linksherz-Unterstützungs-System (LVAD). Die psychologische Unterstützung der Betroffenen und ihrer Angehörigen muss integraler Bestandteil des langfristigen Behandlungsplans werden.

6. Die unvorhersehbare Krankheitsentwicklung, durch die sich mitunter die Situation rasch und lebensbedrohlich verschlechtert, ist für Patienten*innen und ihre Angehörigen extrem belastend. Schon zu einem frühen Zeitpunkt sollte die Möglichkeit einer stationären oder ambulanten palliativen Versorgung mit Patienten*innen, betreuenden Angehörigen und dem medizinisch-pflegerischen Personal besprochen werden.

Auszug aus der Presseerklärung des Erstautors des Positionspapieres, Karl-Heinz Ladwig

In einer Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) standen gezielt Krankheitsfälle von 12- bis 17-jährigen Patienten mit einer im Labor bestätigten Covid-Infektion im Fokus. Diese hatte bei ihnen zwischen Juli und Ende Oktober 2021 zu einem Krankenhausaufenthalt geführt. An der Datenerhebung hatten 31 Krankenhäuser in 23 US-Bundesstaaten mitgewirkt, in denen insgesamt 445 Jugendliche wegen Covid-19 behandelt worden waren. 180 Jugendliche mussten sogar auf die Intensivstation, 127 benötigten lebenserhaltende Therapien. Die Wissenschaftler verglichen anschließend Schwere und Verlauf der Infektion bei ungeimpften Patienten mit jenen, die mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech ein- oder zweimal geimpft worden waren (insgesamt 18 Patienten). Der Impfstoff war bereits im Mai 2021 in den USA auch für 12-15-Jährige zugelassen worden.

Die Auswertung der Daten, die nun in der renommierten Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ publiziert wurden, bestätigen, dass auch in der Praxis der Impfstoff  hocheffektiv vor einem schweren Verlauf einer Covid-Infektion schützt. Nur zwei der 18 geimpften Patienten gehörten zur Gruppe der Schwererkrankten (11 %), benötigten aber keine intensivmedizinische Sauerstoffversorgung (ECMO). Bei einem hatte zudem eine chronische Grunderkrankung mit Immunschwäche vorgelegen, der andere war zuvor gesund gewesen. Anders stellte sich die Situation bei den ungeimpften Jugendlichen dar. Hier war der Verlauf der Covid-19-Infektion bei fast der Hälfte (45 %) schwer. 13 benötigten sogar eine sogenannte extrakorporale Sauerstoffversorgung (ECMO), sieben starben. Daraus errechneten die Forscher eine Wirksamkeit der mRNA-Impfung von 98 % gegen die Aufnahme auf die Intensivstation und ebenso von 98 % gegen einen so schweren Verlauf einer Covid-Infektion, dass lebenserhaltende Maßnahmen wie eine ECMO nötig werden.

Zahlen aus Deutschland zur Krankenhausaufnahme wegen Covid-19 von Mitte Dezember bis Mitte Januar bestätigten auch, dass es sich bei fast zwei Drittel der Covid-19-Neuaufnahmen auf eine Intensivstation um ungeimpfte Patienten handelte. Die Zahlen haben das Robert Koch-Institut und die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin im Januar vorgestellt. (2)

In der großen „Hamburg City Health Study“ werden seit dem Jahr 2016 die Gesundheitsdaten von Hamburgerinnen und Hamburgern im Alter zwischen 45 und 74 Jahren erfasst. Vorrangig gilt die Aufmerksamkeit Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz und Schlaganfall, aber auch für Demenz. Ein Seitenprojekt umfasste zudem Covid-19-(Folge-)Erkrankungen. Die jetzt im „European Heart Journal“ publizierten Daten beziehen sich auf rund 440 Patienten mit einer mild bis moderaten Covid-19-Erkrankung. Die allermeisten Betroffenen konnten ambulant behandelt werden, nur 31 Patienten mussten ins Krankenhaus (ohne intensivmedizinische Betreuung). Bei der körperlichen Nachuntersuchung nach im Mittel knapp zehn Monaten wiesen allerdings die Covid-19-Erkrankten Anzeichen von mittelfristigen Organschädigungen auf. Verglichen wurden sie dabei mit einer ähnlich zusammengesetzten Gruppe von Menschen ohne Covid.

Wie die Wissenschaftler des UKE berichten, wurde bei der Lungenfunktionstestung bei den Teilnehmenden ein um etwa drei Prozent reduziertes Lungenvolumen sowie ein leicht erhöhter Atemwegswiderstand festgestellt. Die echokardiografische Herzuntersuchungen ergaben eine durchschnittliche Abnahme der Pumpkraft um ein bis zwei Prozent. Außerdem wurden erhöhte Blutwerte des Markerproteins Troponin T, das ebenfalls Auskunft über die Herzkraft gibt, dokumentiert. Ein weiteres zentrales Ergebnis: Durch die Ultraschalluntersuchung der Beine konnten zwei- bis dreifach häufiger Zeichen einer erfolgten Beinvenenthrombose nachgewiesen werden. Außerdem wurde nach SARS-CoV-2-Infektion eine Abnahme der Nierenfunktion um etwa zwei Prozent festgestellt. Die Leistungsfähigkeit des Gehirns unterschied sich hingegen nicht. Die Befunde hatten zwar bislang keine Folgen, die die Covid-Genesenen gesundheitlich bereits merklich beeinträchtigten (man spricht dann auch von subklinischen Befunden). Sie geben nach Auffassung der Wissenschaftler dennoch Anlass, Patienten auch bei milden Verläufen, wie sie gerade aktuell bei Infektionen mit der Omikron-Variante häufig sind, ärztlich zu beobachten. So könnten frühzeitig mögliche Folgeerkrankungen durch Gefäßschädigungen erkannt und eine entsprechende Therapie eingeleitet werden.    

In einer ebenfalls aktuell publizierten US-amerikanischen Studie hatten Wissenschaftler zudem die Prognose von Covid-Patienten, die ins Krankenhaus mussten und Herzschäden aufwiesen, untersucht. Danach hatten vor allem Patienten mit deutlich erhöhten Blutwerten an Troponin T – das betraf knapp zwei Drittel der Erkrankten – auch ein erhöhtes Risiko, noch während des Klinikaufenthaltes zu sterben (meist durch Herz- und Gefäß- oder infektbedingte Komplikationen). Auch das Risiko einer erneuten Klinikeinweisung war bei den Patienten mit Herzschäden in den Folgemonaten noch erhöht. Die Forscher stellten zudem fest: Gut die Hälfte der Überlebenden der Covid-19-Infektion wiesen auch sechs Monate später noch Covid-assoziierte Beschwerden auf wie Atemnot, Brustschmerzen und starke Müdigkeit. Betroffen waren auch hier eher Patienten mit erhöhten Troponin-T-Werten während ihres Klinikaufenthaltes. (3)

Häufig stellt sich die Frage, ob auch hochbetagte Patienten (oberhalb des etwa 80. Lebensjahres) mit einem Herzinfarkt von einer sofortigen kathetertechnischen Wiedereröffnung des thrombotisch verschlossenen Herzkranzgefäßes profitieren. Man spricht hier auch von einer perkutanen koronaren Intervention (PCI). Diese Fragestellung wurde in einer kürzlich publizierten Studie untersucht. Dabei wurden Patienten mit einem akuten Herzinfarkt, die ein mittleres Lebensalter von 85 Jahren hatten, entweder einer Behandlungsgruppe mit interventioneller (PCI) oder medikamentöser Therapie zugeteilt. Insgesamt wurde 124 Patienten für die interventionelle und 35 Patienten für die medikamentöse Therapie ausgesucht. Grund für die Entscheidung zur medikamentösen Behandlung war ein instabiler gesundheitlichen Zustand und Mehrfacherkrankung. Die Patienten beider Gruppen unterschieden sich nicht in der Ausdehnung des Herzinfarktes. Jedoch waren Patienten in der medikamentösen Therapiegruppe häufiger pflegebedürftig und gebrechlicher. So hatten auch häufiger schon früher einen Herzinfarkt oder Schlaganfall gehabt. Ein Jahr lang wurde der gesundheitliche Zustand der Patienten dann beobachtet.

In Anbetracht der Unterschiede in den beiden Behandlungsgruppen war es nicht überraschend, dass diejenigen Patienten, die invasiv/interventionell behandelt worden waren, kurz und mittelfristig eine deutlich bessere Lebenserwartung hatten als die lediglich medikamentös behandelten. So lag die Sterblichkeit der Patienten in der PCI-Gruppe nach 30 Tagen bei 20 % – gefährdet waren vor allem Patienten mit kardiogenem Schock (Herzkreislauf-Versagen) –, bei den medikamentös behandelten Patienten war sie mit 37 % fast doppelt so hoch. Hier waren vor allem jene gefährdet, die auch Bluthochdruck, Diabetes, einen Bypass oder früher bereits eine PCI hatten. Nach einem Jahr war der Unterschied noch deutlicher: Die Sterblichkeit der PCI-Patienten betrug 22 %, bei den medikamentös behandelten dagegen war fast die Hälfte gestorben (Sterblichkeit 48 %).

Schlussfolgerung: Die Mehrzahl der hochbetagten Patienten mit akutem Herzinfarkt profitiert von einer invasiv/interventionellen Therapie. Sie haben nach dem Eingriff eine hohe Chance, das erste Jahr zu überleben und sich weiter selbstständig zu Hause versorgen zu können. Einschränkungen für einen solchen Eingriff gelten für hochbetagte Patienten mit Pflegebedürftigkeit sowie Herzinfarkten und Schlaganfällen in der Vorgeschichte. (6)

In einer kürzlich publizierten US-Studie (5) mit über 90.000 zu Beginn gesunden Männern und Frauen wurde der Einfluss von Olivenöl auf die Gesamtsterblichkeit sowie die Sterblichkeit an anderen Erkrankungen über einen Zeitraum von fast 30 Jahren untersucht. Der Auswertung zufolge war schon der Konsum geringer Olivenölmengen (>0,5 Esslöffel im Durchschnitt pro Tag oder >7 g Olivenöl) mit einer deutlichen Senkung der Gesamtsterblichkeit sowie der Sterblichkeit an verschiedenen Erkrankungen verbunden verglichen mit keinem oder sehr seltenem Olivenölverzehr.

Konkret verringerte sich damit bei Teilnehmern mit dem höchsten Olivenölkonsum (verglichen zum niedrigsten) die:

  • Gesamtsterblichkeit um 19%,
  • kardiovaskuläre Sterblichkeit um 19%,
  • Krebssterblichkeit um 17%
  • Sterblichkeit an neurodegenerativen Erkrankungen (z.B. Alzheimer) um 29%
  • Sterblichkeit durch Erkrankungen der Atemwege um 18%

Und selbst beim Konsum von noch geringeren Mengen an Olivenöl (0,5 Teelöffel, entsprechend etwa 1,5 g täglich) nahm die Sterblichkeit noch um etwa zwölf Prozent ab. Bei Ersatz von Olivenöl durch andere pflanzliche Öle blieb der günstige Effekt auf die Sterblichkeit erhalten.

Fazit: Diese Studienergebnisse bestätigen frühere Untersuchungen und machen den Vorteil von Olivenöl für eine gesunde Ernährung deutlich. So war der Ersatz von 10 g/Tag tierischer Fette durch die gleiche Menge Olivenöl mit einem um 8-34 % niedrigeren Risiko für die Gesamtmortalität und die ursachenspezifische Mortalität verbunden. Wer also Margarine, Butter und Majonnaise durch Olivenöl ersetzt, verbessert seine Lebenserwartung.

Allerdings beruhen die Daten aus Selbstauskünften der Studienteilnehmen (was leicht verfälschend wirken kann) und die Wirksamkeit von Olivenöl ist damit nicht kausal belegt. Zu klären sind noch Fragen wie:

  • Welche tägliche Menge an Olivenöl ist optimal?
  • Ist ein Ersatz durch andere pflanzliche Öle genauso gut?
  • Gibt es Unterschiede je nach verwendetem Olivenöl (sekundäre Pflanzenstoffe, Polyphenolgehalt)?
  • Welche Inhaltsstoffe genau sind für die günstigen Wirkungen verantwortlich?
  • Über welchen Mechanismus kommen die günstigen Wirkungen zustande?

In den USA wurde bereits Ende Oktober 2021 mit der Impfung von Kindern im Alter zwischen fünf und elf Jahren mit der Kinderversion von Comirnaty (Biontech/Pfizer) begonnen. Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) haben nun die Verträglichkeitsdaten von 8,7 Millionen verabreichten Impfdosen (3. November bis 19. Dezember 2021) ausgewertet und in einem Wochenbericht veröffentlicht. Die Daten stammen zum einen aus dem staatlichen Meldesystem VAERS (Vaccine Adverse Event Reporting System) und zum anderen aus einer speziellen Impf-App. Diese ähnelt dem SafeVac-System des Paul-Ehrlich-Instituts, in die Verdachtsfälle von Nebenwirkungen eingetragen werden können. Der Auswertung zufolge gab es in VAERS für die Altersgruppe 5-11 Jahre insgesamt 4249 Verdachtsfälle, die allerdings zu fast 98 Prozent nicht schwer waren und zudem überwiegend auf Anwendungsfehlern aufgrund der verringerten mRNA-Dosis von 10 Mikrogramm (statt 30) beruhten. Über die App wurden 42.502 Meldungen von Eltern eingestellt, die zu rund 35 bzw. 41 Prozent (1./2. Impfung) systemische Nebenwirkungen (v.a. Kopfschmerzen, Erschöpfung) und zu über 50 Prozent lokale Nebenwirkungen (v.a. Schmerzen an der Einstichstelle) betrafen. Insgesamt habe es über die App weniger solcher Meldungen bei jüngeren Kindern gegeben verglichen mit 12-15-Jährigen, heißt es in dem Bericht.

Bei den über VAERS gemeldeten 100 schweren Impfreaktionen (2,4 Prozent) handelte es sich im Wesentlichen um: Fieber (29 Fälle), Erbrechen (21), erhöhte Troponin-Werte (12), Krampfanfälle (12 – davon 2 Fieberkrämpfe), Myokarditis (15 – davon 11 bestätigt). Von den elf bestätigten Myokarditisfällen waren dem CDC-Bericht zufolge sieben Kinder bereits zum Zeitpunkt der Publikation genesen, vier weitere in Genesung. Insgesamt hätten die Sicherheitsdaten denen der Zulassungsstudien entsprochen. Gerade eine von vielen Eltern befürchtete Herzmuskelentzündung sei in dieser Altersgruppe sehr selten. Sie kommt CDC-Meldedaten zufolge eher – wenngleich ebenfalls selten – nach der zweiten Impfung bei 12-15-Jährigen (46 gemeldete Fälle pro 1 Million Impfdosen) und mehr noch 16-17-jährigen Jungen (70 gemeldete Fälle pro 1 Million Impfdosen) vor.

Das CDC verweist in diesem Zusammenhang auch auf eine weitere Studie mit über 330.000 Kindern im Alter bis 11 Jahren hin, in der kein einziger Myokarditisfall aufgetreten sei. Zudem betont die Gesundheitsbehörde, dass zwar auch zwei Todesfälle in Zusammenhang mit der Covid-Impfung gemeldet worden seien. Bislang gebe es allerdings keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Impfung und Tod. Vielmehr seien die beiden betroffenen Mädchen bereits vor der Impfung in gesundheitlich stark angeschlagenem Zustand gewesen. (1)

Die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 sorgt zwar vermehrt für Durchbruchinfektionen. Einschätzungen der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zufolge schützen die aktuellen Impfstoffe dennoch vor einem schweren Verlauf – vor allem nach Boosterung.

Die Omikron-Variante des Coronavirus zeichnet sich durch eine besonders hohe Ansteckungsfähigkeit aus. Dennoch zeigen Studien aus Südafrika, dem Vereinigten Königreich und einigen EU-Ländern ein geringeres Risiko, nach einer Infektion mit Omikron ins Krankenhaus eingeliefert zu werden. Das Risiko dafür wird auf der Grundlage dieser Studien derzeit auf ein Drittel bis die Hälfte des Risikos bei der Delta-Variante geschätzt, wie die EMA berichtete. Die Arzneimittelbehörde verwies in einer Pressemitteilung auch darauf, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen symptomatische Erkrankungen bei Omikron geringer ist als bei anderen Varianten und im Laufe der Zeit abnimmt, was das Risiko von Durchbruchinfektionen erhöhe. Zugleich zeigten allerdings aktuelle Studien, dass die Impfung weiterhin einen hohen Schutz vor schweren Erkrankungen und Krankenhausaufenthalten im Zusammenhang mit der Omikron-Variante bietet. Daten aus Südafrika ergaben zum Beispiel, dass Personen, die zwei Dosen eines Covid-19-Impfstoffs erhalten haben, zu 70 % vor Krankenhausaufenthalten geschützt sind. Ähnliche Daten aus dem Vereinigten Königreich bestätigten, dass der Schutz zwar einige Monate nach der Impfung abnimmt, der Schutz vor Krankenhausaufenthalten nach einer Auffrischungsimpfung jedoch wieder auf 90 % ansteigt.

Etwas Ernüchterung bringen vorläufige Daten aus Israel, wo bereits mit einer flächendeckenden vierten Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech begonnen wurden. Danach steigen die Antikörper-Titer zwar zwei Wochen nach der vierten Impfung wieder erneut deutlich an – liegen sogar etwas über dem Wert nach der dritten Impfung. Jedoch scheint das nicht gegen eine Infektion mit der Omikron-Variante auszureichen, so Angaben von Wissenschaftlern des israelischen Shiba-Krankenhauses nahe Tel Aviv. Aussagen zum Schutzeffekt vor schwerer Erkrankung liegen allerdings noch nicht vor.  (4)

  1. Corona-Kinderimpfung ist sicher COVID-19 Vaccine Safety in Children Aged 5–11 Years—United States, November 3–December 19, 2021 (cdc.gov)
  2. Schutz vor schwerem Covid https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2117995%7CAbstract%20der%20Studie  Presseinformation: Daten aus dem Intensivregister: Ungeimpfte machen Mehrheit aller COVID-19-Fälle auf Intensivstationen aus (divi.de)
  3. Selbst milde Covid-Verläufe können Organe beeinträchtigen Multi-organ assessment in mainly non-hospitalized individuals after SARS-CoV-2 infection: The Hamburg City Health Study COVID programme | European Heart Journal | Oxford Academic (oup.com) plus Herzschäden durch Covid – welche langfristigen Auswirkungen hat das? Relationship Between Myocardial Injury During Index Hospitalization for SARS‐CoV‐2 Infection and Longer‐Term Outcomes | Journal of the American Heart Association (ahajournals.org)  
  4. EMA-Pressemitteilung https://www.ema.europa.eu/en/news/preliminary-data-indicate-covid-19-vaccines-remain-effective-against-severe-disease-hospitalisation
  5. Olivenöl statt Butter – lässt sich so das Sterberisiko senken?
    Consumption of Olive Oil and Risk of Total and Cause-Specific Mortality Among U.S. Adults | Journal of the American College of Cardiology (jacc.org)
  6. STEMI im hohen Alter – was bringt die PCI? Activation of PPCI team in the octogenarian and nonagenarians population: real-world single-centre experience (bmj.com)

Nachricht-Archiv Januar

Vorhofflimmern ist die häufigste Rhythmusstörung bei älteren Menschen und geht mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle einher. Untersuchungen wie die Cardiovascular Health Study haben schon vor einigen Jahren zudem Hinweise geliefert, dass Vorhofflimmern auch mit einem verstärkten Gedächtnisabbau und einem erhöhten Demenzrisiko einhergeht. Inzwischen wurden zudem Hinweise gefunden, dass die Einnahme von Gerinnungshemmern, fachlich Antikoagulanzien, bei Vorhofflimmern nicht nur die Gefahr für Schlaganfälle senkt, sondern auch das Risiko, eine Demenz zu entwickeln.

Nun haben Wissenschaftler aus Brasilien erneut in einer Untersuchung mit 200 Vorhofflimmern-Patienten über 70 Jahren erforscht, ob gerinnungshemmende Medikamente zusätzlich eine günstige Wirkung auf die Funktion des Gehirns im Alter haben. Nach dem Zufallsprinzip erhielt dabei ein Teil der Patienten einen oralen Gerinnungshemmer (NOAK) der neueren Generation (Dabigatran), der andere Teil den gerinnungshemmenden Vitamin-K-Antagonisten Warfarin. Mittels bildgebender Verfahren und Gedächtnistests wurden Zustand und Leistungsfähigkeit des Gehirns zu Beginn der Studie, nach einem und nach zwei Jahren verglichen. Es konnten abschließend keine Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen festgestellt werden bezogen auf Einbußen bei der geistigen Leistungsfähigkeit oder gar Anzeichen einer Demenz. Ob damit das Entstehen einer Demenz aber tatsächlich gebremst wurde, lässt sich nicht sicher sagen, beide Therapie wirkten zumindest gleich gut. Die Ergebnisse der GIRAF-Studie (CoGnitive Impairment Relatet to Arial Fibrillation) sind vor kurzem beim US-amerikanischen Kardiologenkongress (AHA) vorgestellt worden.

Eine Erklärung für die mögliche Schutzwirkung der Vorhofflimmern-Therapie könnte sein, dass die gerinnungshemmenden Medikamente auch kleine Schlaganfälle (TIA – transitorische ischämische Attacken) verhindern, die die Betroffenen oft nicht einmal wahrnehmen, die aber doch die geistigen Fähigkeiten schädigen.

Dieser günstige Effekt ist ein weiterer Grund, auch betagte Patienten mit Vorhofflimmern mit gerinnungshemmenden Medikamenten zu behandeln. (1)

Die jährliche Grippe-Impfung ist nach wie vor wichtig, um in der Erkältungssaison im Winter vor einer schweren Influenza zu schützen, die potenziell tödlich sein kann. Durch die Debatten um die Corona-Impfung gerät sie mitunter allerdings etwas in den Hintergrund. Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts hat daher schon im vergangenen September an diese wichtige saisonale Schutzimpfung erinnert und zugleich darauf verwiesen, dass die Grippe-Impfung auch zeitgleich mit einer Covid-Impfung erfolgen kann. Dass das sicher und effektiv möglich ist, haben nun britische Wissenschaftler in einer Studie (ComFluCOV) bestätigt. Überprüft wurden die Sicherheit, die Verträglichkeit und die Wirksamkeit der Impfungen bei knapp 700 Erwachsenen. Dazu erhielten Studienteilnehmer entweder den mRNA-Impfstoff Comirnaty oder den Vektor-Impfstoff Vaxzevria gegen Covid (Erst- und Zweitimpfung) und zeitgleich oder versetzt eine Grippeimpfung mit einem von drei verschiedenen Grippe-Impfstoffen (tri- bzw. tetravalent – je nach Alter).

Die Auswertung ergab keine nennenswerten Unterschiede zwischen zeitlich getrennten Impfungen und einer gleichzeitigen Impfung hinsichtlich der Nebenwirkungen (hauptsächlich Müdigkeit). Die meisten Beschwerden waren mild bis moderat. Zudem war die Wirksamkeit der Impfstoffe bei gemeinsamer Applikation – gemessen an der Antikörperproduktion – nicht verringert. Eine gleichzeitige Impfung ist somit genauso wirksam und verträglich wie eine zeitversetzte folgern die Wissenschaftler aus ihren Daten. Sich gleich zwei Impfungen auf einmal geben zu lassen, hat zudem einen logistischen Vorteil: Es ist nur ein Termin nötig. Ärzte und das Gesundheitssystem werden gerade in Pandemiezeiten weniger belastet. (2)

 

Es gibt Patienten, die unter einer hochgradigen Verengung der Aortenklappe (Aortenklappenstenose) leiden, aber im Alltag dennoch lange Zeit keine Beschwerden haben. Gleichwohl sind sie durch schwerwiegende Komplikationen gefährdet: Herzinfarkte, Schlaganfälle, Herzschwäche und vorzeitiger Tod treten bei diesen Patienten überdurchschnittlich häufig auf.

In der AVATAR-Studie wurde nun nach dem Zufallsprinzip eine Patientengruppe wachsam abwartend (konservativ) behandelt, bekam also Medikamente. Die Patienten der anderen Gruppe wurden operiert und erhielten eine neue Herzklappe. Alle 157 Patienten hatten eine schwere und meist mit Gewebeveränderungen verbundene (degenerativ bedingte) Aortenklappenstenose (Klappenöffnungsfläche ≤1 cm2). Sie wiesen allerdings einen normalen Belastungstest und eine normale Herzkraft auf (linksventrikuläre Funktion LVEF > 50 %). Anschließend hat man die gesundheitliche Entwicklung beider Gruppen beobachtet. Wichtig waren dabei: Wie häufig kam es zu kardiovaskulären Ereignissen, etwa Herzinfarkt und Schlaganfällen? Wie oft zu Todesfällen? Und: Wie oft mussten Patienten wegen Herzinsuffizienz ins Krankenhaus?

Die Wissenschaftler habe bei der Auswertung der Daten über einen Zeitraum von mehr als 2,5 Jahren festgestellt, dass es unter denjenigen Patienten, die operiert worden waren, zu deutlich weniger Todesfällen, Infarkten und Klinikeinweisungen kam als unter den nicht-operierten. Sie ziehen daraus den Schluss, dass sich eine Operation bei einer hochgradigen Stenose der Aortenklappe auch dann lohnt, wenn der Patient (noch) ohne Beschwerden ist. Zu einem ähnlichen Ergebnis war auch eine andere Studie (RECOVERY) gekommen, die gut ein Jahr zuvor veröffentlich worden war.

Das sehen die aktuellen Leitlinien der europäische Kardiologen (EACTS-Leitlinien 2021) vor:

Bei Patienten mit Aortenklappenerkrankung, die keine Symptome, einen normalen Belastungstest und eine LVEF > 55% haben, sollte ein Eingriff in Betracht bezogen werden, wenn das Risiko eines Eingriffs gering ist und zusätzlich einer der folgenden Aspekte vorliegt

  • eine sehr schwere Aortenklappenstenose
  • eine schwere Klappenverkalkung mit Fortschreiten der Erkrankung
  • deutlich erhöhte Laborwerte für BNP (Brain Natriuretic Peptide) als Hinweis für eine Herzschwäche. (3)

1. Blood thinners may prevent cognitive decline in older patients with atrial fibrillation; American Heart Association Scientific Sessions 2021, LBS.03

2. Safety and immunogenicity of concomitant administration of COVID-19 vaccines (ChAdOx1 or BNT162b2) with seasonal influenza vaccines in adults in the UK (ComFluCOV); Lancet, Nov 2021; https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)02329-1

3. Aortic Valve ReplAcemenT versus Conservative Treatment in Asymptomatic SeveRe Aortic Stenosis: The AVATAR Trial; November 2021; https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.057639
https://academic.oup.com/eurheartj/advance-article/doi/10.1093/eurheartj/ehab395/6358470

 

Experte

Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
Portrait von Prof. Thomas Meinertz

Ihre Mitgliedschaft

Gruppe von Menschen
  • Sie erhalten unsere Zeitschrift im Abo nach Hause
  • Sie werden zu informativen Veranstaltungen eingeladen
  • Sie können unsere Ratgeber direkt online lesen
  • Sie unterstützen aktiv die patientennahe Herzforschung

Werden Sie Teil einer großen Gemeinschaft

Mit Ihrem Mitgliedsbeitrag - von nur 36 Euro im Jahr - unterstützen Sie unsere umfassende Aufklärungsarbeit rund um Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die patientennahe Herzforschung.

Aktuelles

Aktuelle wissenschafllich Erkentnisse aus Studien, von Kongressen und Expertentagungen zum Thema Herzerkrankungen.