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Corona-Lockdown: Mehr Herzinfarkte?

Dieser und anderen Fragen geht die „Covid-19-Projektförderung“ der Deutschen Herzstiftung nach, die 14. Forschungsprojekte mit 1. Mio Euro fördert.

Patient wird im Krankenhausbett durch ein Krankenhaus geschoben
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Mit Beginn der Corona-Pandemie mehrten sich die Hinweise, dass Patienten mit Herzbeschwerden notwendige ärztliche Hilfe womöglich aus Angst vor Ansteckung nur zögerlich in Anspruch genommen haben und Patienten trotz Herzinfarktsymptomen nicht in die Notaufnahmen der Krankenhäuser kamen. Auch Umfragen und Studien im Ausland deuten darauf hin. „In unserer Klinik in Ludwigshafen haben wir beispielsweise gesehen, dass die Anzahl der Patienten mit klassischem ST-Hebungsinfarkt während der Wochen des Corona-Stillstands zwar ungefähr gleich geblieben – die Anzahl der Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkten aber gesunken ist“, berichtet Professor Uwe Zeymer vom Klinikum der Stadt Ludwigshafen am Rhein. Ähnliche Beobachtungen machte Professor Holger Thiele, Direktor des Herzzentrums in Leipzig: „Auch bei uns hat während des Corona-Lockdowns vor allem die Zahl der Nicht-ST-Hebungsinfarkte abgenommen.“ Auf den ersten Blick handelt es sich bei Nicht-ST-Hebungsinfarkten, kurz NSTEMI, um weniger schwere Fälle, die sich mit nicht so starken Symptomen bemerkbar machen. „Möglicherweise blieben gerade NSTEMI-Patienten eher zuhause, kamen später oder gar nicht in die Klinik,“ spekuliert Thiele. Insgesamt hat der Kardiologe in seiner Leipziger Klinik einen Rückgang der Herzinfarktpatienten um 30 bis 40 Prozent festgestellt.

Doch derartige Erfahrungen und Beobachtungen erlauben noch keine gesicherten Aussagen. „Das muss man mit Zahlen belegen, und das geht nur bundesweit“, betont Uwe Zeymer. Sein Kollege Holger Thiele unterstreicht: „Wir wollen wissen: Wie sieht es in ganz Deutschland aus?“ Gemeinsam mit Dr. Steffen Schneider von der „Stiftung Institut für Herzinfarktforschung“, Ludwigshafen, haben die beiden Kardiologen eine Untersuchung  begonnen, die Gewissheit schaffen soll. Ihr Projekt mit dem Titel „Covid-19 Collateral Damage: Einfluss der Corona-Pandemie auf die Herzinfarktversorgung und Mortalität in Deutschland“ wird von der Herzstiftung im Rahmen ihrer einmalig eingerichteten „Covid-19-Projektförderung“ mit 58. 514 Euro unterstützt.

Patient wird im Krankenhaus beatmet
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Auffälige Häufungen

Während des Corona-Stillstands stellten die Ludwigshafener und Leipziger Kardiologen nicht nur insgesamt einen Rückgang der Patienten mit Herzinfarktsymptomen in ihren Notaufnahmen fest. Sie machten noch eine weitere auffällige Beobachtung: Diejenigen Patienten, die mit Herzinfarktbeschwerden dennoch in die Klinik kamen und bei denen ein Herzinfarkt diagnostiziert worden war, erlitten häufiger Komplikationen. „In unserer Klinik in Ludwigshafen betreuten wir zum Beispiel in den wenigen Wochen des Corona Stillstands vier Herzinfarktpatienten, die infolge des Infarkts einen Riss in der Wand zwischen der rechten und linken Herzkammer hatten“, berichtet Zeymer: „Das ist eine ungewöhnliche Häufung.“ Sonst sehe man diese Komplikation selten. Die Verschlimmerung deute darauf hin, dass die Patienten lange gewartet haben, bis sie in der Klinik Hilfe suchten. Auch Holger Thiele in Leipzig berichtet von sonst nur selten auftretenden Komplikationen.

Höhere Sterblichkeit?

Hinweise darauf, dass sich während des Corona-Stillstands weniger Menschen trotz Herzinfarktsymptomen an die Krankenhäuser wandten, gibt es auch aus anderen Ländern, etwa aus Österreich, Spanien, Italien, aus den USA oder China. Aktuell zeigt eine weltweite Umfrage der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie: In den Monaten des Stillstands verzeichneten die meisten der befragten Ärzte einen Rückgang der Anzahl an Patienten mit Herzinfarkten in den Kliniken; hinzu kommt, dass bei vielen Patienten eine Revaskularisierung, eine Wiedereröffnung des verschlossenen Herzkranzgefäßes, nicht zum optimalen Zeitpunkt erfolgen konnte. Als Folgen der verzögerten Behandlung drohen größere verbleibende Schäden am Herzmuskel, schwere Herzschwäche und eine höhere Sterblichkeit. Ob sich das Sterberisiko tatsächlich erhöht hat, ist derzeit nicht bekannt. „Konkrete Daten zur Sterblichkeit gibt es nicht in größerem Umfang“, bestätigt Zeymer. Ein zweites Ziel des Projektes der Forschergruppe aus Ludwigshafen und Leipzig ist es deshalb zu klären, ob in Deutschland während des Corona-Stillstands im Vergleich zu den Vorjahren mehr Menschen an einem Herzinfarkt gestorben sind.

Indirekt bestätigende Hinweise stammen vom Statistischen Bundesamt, das in den „Corona-Monaten“ die Übersterblichkeit ermittelt hat. Sie wird berechnet, indem man die Sterblichkeit (Mortalität) in einem bestimmten Zeitraum mit der Sterblichkeit im gleichen Zeitraum der Vorjahre vergleicht. Nach vorläufigen Angaben des Bundesamts lag die Zahl der im April 2020 verstorbenen Menschen mit neun Prozent deutlich über dem Schnitt der Vorjahre. Betrachtet man insgesamt die Kalenderwochen 13 bis 18 (23. März bis 3. Mai), zeigen sich im Vergleich zu den Jahren 2016 bis 2019 ebenfalls erhöhte Sterbefallzahlen. Doch geht die erhöhte Mortalität allein auf Covid-19 zurück? Oder sind darunter auch mehr Todesfälle aufgrund von Herzinfarkten oder Schlaganfällen – gleichsam Kollateralschäden? Das wollen die Forscher mit der Auswertung der Krankenhausdaten ermitteln. Um zu erfahren, ob zwischenzeitlich auch mehr Menschen mit Herzschwäche behandelt werden, kooperieren die Forscher mit Krankenkassen, um die entsprechenden Daten zu erhalten. „Ein Anstieg der Herzschwächebehandlungen ist ebenfalls ein indirektes Zeichen dafür, dass während des Corona-Stillstands etwas schiefgelaufen ist“, begründet Steffen Schneider.

In ihre Studie wollen die Wissenschaftler alle rund 400 Kliniken einbeziehen, die in Deutschland Infarktpatienten versorgen. „Seit Anfang Juli hat das Projekt auch die ideelle Unterstützung der Deutschen Kranken hausgesellschaft“, freut sich Schneider. Das macht es einfacher, die Daten zu beschaffen. Die Auswertung wird im Institut für Herzinfarktforschung in Ludwigshafen erfolgen. Die Projektleiter hoffen, schon in drei bis vier Monaten konkrete Ergebnisse mitteilen zu können.

Herzinfarktforschung: Höhere Herzinfarkt-Sterblichkeit?

  • Orginaltitel: „COVID-Collateral Damage”
  • Projektleiter: Dr. Steffen Schneider et al., Stiftung IHF, Institut für Herzinfarktforschung, Ludwigshafen
  • Fördersumme: € 58.514,00

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Arzt hält Patientin die Hände
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