Artikel

Renale Denervation: Behandlungsoption bei zu hohem Blutdruck?

Was tun, wenn trotz Medikamenten der Blutdruck zu hoch ist? Betroffenen mit therapieresistenter Hypertonie kann ein Eingriff an den Nieren helfen.

Darstellung der renalen Denervation
Peakstock

Nieren an der Blutdrucksteuerung beteiligt

Die Regulation des Blutdrucks ist ein komplexes System mit einer ausgezeichneten Feinsteuerung. Neben der kurzfristigen Regulation durch Messfühler in den Gefäßen, die Blutdruckänderungen direkt ans Gehirn melden, das dann das Herz zum langsameren Schlagen veranlasst, wirken an der weiteren Regulation Hormone und Enzyme mit. Hierbei spielt vor allem das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, abgekürzt RAAS, eine wichtige Rolle. Wichtige Blutdruckmedikamente, wie die Diuretika und ACE-Hemmer/Sartane setzen daher an der Niere und den Hormonen und Enzymen des RAAS-Systems an.

Sinkt zum Beispiel der Blutdruck, bildet die Niere das Hormon Renin, einen Hauptakteur der Blutdrucksteuerung. Dieses Hormon stößt dann eine Kaskade an Reaktionen an, bei der weitere Hormone entstehen, wie etwa das Angiotensin II. Dieses ist der stärkste „Vasokonstriktor“ (Gefäßverenger) des Körpers und sorgt dann dafür, dass Blutgefäße verengen und der Blutdruck steigt. Außerdem bewirkt es über das Gehirn, dass in den Nebennierenrinden das Hormon Aldosteron produziert wird. Und dieses sorgt wieder dafür, dass die Nieren mehr Salz und Wasser zurückhalten. Das erhöht ebenfalls den Blutdruck. Umgekehrt merkt eine gesunde Niere, wenn der Blutdruck in den Gefäßen steigt: Sofort werden vermehrt Salz und Wasser ausgeschieden. Dadurch sinkt das Blutvolumen und der Blutdruck normalisiert sich. Diesen unmittelbar gegensteuernden Effekt der Nieren bezeichnet man fachsprachlich als „Druckdiurese“.

Hilfe in besonders schweren Fällen von Bluthochdruck

Dennoch lässt sich bei einigen Patienten trotz einer medikamentösen Therapie mit mehreren verschiedenen Wirkstoffen und trotz Lebensstiländerung mit mehr Bewegung und weniger Gewicht keine ausreichende Blutdrucksenkung erreichen. Für diese Betroffenen mit einer sogenannten therapieresistenten Hypertonie ist die sogenannte renale Denervation eine weitere Behandlungsmöglichkeit. Sie beeinflusst den Blutdruck, wo er entsteht: an den Nieren, indem gezielt Nervenfasern verödet und somit die blutdrucksteigernde Reizweiterleitung zum Gehirn unterbrochen wird.

Darstellung renale Denervation
© Stefan Walter/ Fratelli Walter

Blutdruck senken mittels Katheterablation

Konkret werden bei den Verfahren die sympathischen Nervenfasern entlang der Nierenarterie mithilfe einer minimalinvasiven Katheterablation verödet („denerviert“). Der minimalinvasive Eingriff ähnelt einer Herzkatheteruntersuchung und dauert rund 30 bis 45 Minuten. Als Gefäßzugang dient die Oberschenkelarterie.

Unter Röntgenkontrolle bringt der Arzt den Ablationskatheter bis hin zu den Nierenarterien. Die Verödung (Ablation) erfolgt mit Hitze, Ultraschall oder chemisch, beispielsweise mit der Injektion von Alkohol. In der Regel werden die Nierenarterien sowohl der linken wie der rechten Nieren behandelt. Während des Eingriffs erhält der Patient ein Beruhigungs- und Schmerzmittel, eine Vollnarkose ist nicht erforderlich. Der Nutzen der renalen Denervation wurde in jüngster Zeit in einigen Studien untersucht. 

Was für einen Kathetereingriff an der Niere spricht

Die Idee für die renale Denervation ist schon recht alt. Bereits 1842 wies ein deutscher Physiologe Fasern des sympathischen Nervensystems in der Niere nach. Dieses ist Teil des vom Willen unabhängigen (autonomen) Nervensystems, das in Stresssituationen den Puls beschleunigt und den Blutdruck in die Höhe treibt. Diese Erkenntnis führte in den 1930er Jahren zu ersten Versuchen, Bluthochdruck zu behandeln, indem man entlang der Lendenwirbelsäule sympathische Nervenfasern durchtrennte. So sollte eine übermäßige Aktivität gebremst und verhindert werden, dass blutdrucksteigernde Reize an die Niere weitergeleitet werden.

Doch der Erfolg des chirurgischen Eingriffs war kaum beim einzelnen Patienten vorhersehbar und zudem von schweren Nebenwirkungen begleitet. Mit der Entwicklung wirksamer und verträglicher Medikamente rückte das Verfahren in den Hintergrund und verschwand zeitweise gänzlich in der Versenkung.
Doch mit zunehmender Erfahrung mit der Kathetertechnik erlebte das Konzept in den vergangenen Jahren eine Renaissance – vor allem der gezielte Eingriff an synthetischen Nervenfasern in der Niere.

Die Studienlage über den tatsächlichen Nutzen dieser renalen Denervation für die Patienten mit Bluthochdruck war zunächst widersprüchlich. Eine große Studie Mitte der 2010er Jahre brachte zum Beispiel zunächst nur enttäuschende Resultate. In neueren Studien sieht es besser aus.

Zunehmend vielversprechende Studienlage

So wurde 2020 eine Studie in der Fachzeitschrift „The Lancet“ vorgestellt, an der fast 300 Patienten mit einem Blutdruck zwischen 140 und 180 mmHg teilgenommen hatten. Es zeigte sich, dass sich bei Patienten, bei denen eine renale Denervation durchgeführt wurde, der Blutdruck deutlich senken ließ verglichen mit der Gruppe von Patienten, die nur eine Scheintherapie erhielten. Und 2021 wurde eine Studie publiziert, die die Wirksamkeit der renalen Denervation bei Bluthochdruckpatienten nachwies, bei denen selbst eine medikamentöse Dreifachkombinationstherapie den Blutdruck nicht senken konnte. In beiden Studien (ähnlich wie in vorangegangenen) erwies sich das Verfahren als sicher und weitgehend frei von Nebenwirkungen.

Die Erfolgsmeldungen setzten sich in 2022 fort. Studiendaten, die auf eine europäischen Kardiologenkongress im April in Paris vorgestellt wurden, bestätigten zum Beispiel, dass sich bei Patienten mit unkontrollierter Hypertonie mittels renaler Denerveration (Radiofrequenz-Verfahren) nicht nur die Zeit, in der die Blutdruckwerte der Teilnehmer im empfohlenen Zielbereich unter 140 mmHg liegen, deutlich verlängert lässt. Die Verbesserung der Blutdruckkontrolle war zudem mit einer deutlichen Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen verbunden. Zudem weisen die Daten aus anderen Studien auf einen blutdrucksenkenden Effekt hin, der nach bisherigen Erkenntnissen wenigstens drei Jahre anhält.

So wurden im September 2022 die finalen Ergebnissen der SYMPLICITY-HTN-3-Studie veröffentlich. Danach wurde bei Patienten mit erhöhten Blutdruckwerten trotz Einnahme dreier Blutdrucksenker durch eine renale Denervation der systolischen und diastolischen Blutdruck auf längere Sicht deutlich gesenkt. Nach drei Jahren zeigte sich nach renaler Denervation sowohl in der Arztpraxis als auch bei einer 24-Stunden-Messung bei den behandelten Patienten beim systolischen Blutdruck im Mittel ein Unterschied von 22 mmHg bzw. 16,5 mmHg im Vergleich zu jenen Patienten, die nur eine Scheinbehandlung erhalten hatten.

Wer für die renale Denervation in Frage kommt

Derzeit ist die renale Denervation (RND) vor allem jenen Patienten vorbehalten, die an schwerem Bluthochdruck leiden. Patienten, für die das Katheterverfahren in Frage kommt, sollten im Rahmen von Studien und in Zentren behandelt werden, in denen das Verfahren routinemäßig angewandt wird. Mehrere Fachgesellschaften haben daher gemeinsam die Kriterien für eine Zertifizierung von RND-Zentren erarbeitet. Denn in erster Linie geht es bei der renalen Denervation nicht um eine Alternative zur dauerhaften Einnahme von Medikamenten. Im Fokus steht sie als eine weitere Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit einem hohen Risiko, um sie vor schweren Komplikationen der Bluthochdruckerkrankung wie Herzinfarkt und Schlaganfall zu bewahren.

Ein Problem des Verfahrens ist nach wie vor, dass der blutdrucksenkende Effekt von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein kann. Einige sprechen darauf mit einer besonders starken Blutdruckreduktion an, andere nicht. Daher wird auch intensiv daran gearbeitet, konkrete Voraussetzungen bei Patienten zu ermitteln, die für ein besonders gutes Ansprechen des Verfahrens sprechen.

Experte

Prof. Dr. med. Michael Böhm
Portrait von Prof. Michael Böhm

Unser Informationsmaterial

Als Mitglied der Herzstiftung können Sie alle Medien direkt lesen. Interessierte können unsere Broschüren und Ratgeber unter 069 955128-400 oder über den Button Produkt bestellen kostenfrei anfordern.

Mehr erfahren

  1. Die besten natürlichen Blutdrucksenker und blutdrucksenkenden Lebensmittel auf einen Blick.
  2. Blutdrucksenker: Welche Medikamente Ihnen helfen und warum ein gesunder Lebensstil so wichtig ist.
  3. Die Niere ist der „Workaholic“ unter den Organen und wird dennoch wenig wertgeschätzt. Zu Unrecht, wie dieser kleine Steckbrief zeigen will

https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)30554-7/fulltext

https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)30554-7/fulltext

ESC-Pressemitteilung: https://www.escardio.org/The-ESC/Press-Office/Press-releases/Marking-World-Hypertension-Day-and-emerging-data-on-renal-denervation-Three-renal-denervation-trials-point-to-effective-long-term-treatment-of-hypertension

https://www.acc.org/Latest-in-Cardiology/Clinical-Trials/2022/09/16/22/08/RADIANCE-II

https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(22)00455-X/fulltext

https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(22)01787-1/fulltext