Mehr als 90 Prozent der Kinder überleben dank Op
Dank des medizinischen Fortschritts haben sich in den letzten Jahrzehnten die (Über)-Lebenschancen von Kindern, die mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt gekommen sind, enorm verbessert. Das trifft in besonderer Weise für Kinder zu, die mit einer sogenannten Transposition der großen Arterien (TGA) geboren werden.
Bei diesen Kindern ist der Ursprung der Lungenschlagader mit dem der Körperschlagader vertauscht. Der komplexe Herzfehler gehört zur Gruppe der sogenannten zyanotischen Herzfehler (Vitien). Äußerlich sichtbares Zeichen einer Unterversorgung des gesamten Körpers mit Sauerstoff (Zyanose) ist die Blaufärbung von Lippen, Nagelbetten und Haut. Betroffen ist etwa jedes 2000. Neugeborene.
Über 90 Prozent der betroffenen Kinder überleben aber inzwischen und erreichen das Erwachsenenalter. Einen entscheidenden Anteil daran hat die Weiterentwicklung der lebensrettenden Operation, die meist schon kurz nach der Geburt erfolgt. Hinzu kommt eine verbesserte medizinische Betreuung bis ins Erwachsenenalter.
Falsch geschalteter Blutkreislauf
Bei einem gesunden Herzen sind der Lungen- und der Körperkreislauf quasi "in Serie geschaltet". Das Blut wird dabei aus der rechten Herzkammer (rechter Ventrikel) in die Lunge gepumpt und kommt mit Sauerstoff beladen zurück zum Herzen - diesmal auf die linke Seite. Dann wird es aus der linken Herzkammer in den Körper gepumpt, der so mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird.
Bei der TGA sind hingegen die beiden Kreisläufe parallel geschaltet: Die Körperschlagader (Aorta) entspringt dann statt aus der linken aus der rechten Herzkammer und die Lungenschlagader (Pulmonalarterie) tritt umgekehrt aus dem linken Ventrikel statt aus dem rechten hervor. Das verursacht eine parallele Zirkulation. Die Folge: Das sauerstoffreiche Blut kann nicht in den Körper gelangen. In einigen Fällen hilft der Körper selbst nach durch Kurzschlussverbindungen in Form von Löchern in den Herzscheidewänden. Oder der Ductus arteriosus - ein kleines Blutgefäß zwischen Körper- und Lungen-Schlagader, das sich üblicherweise nach der Geburt verschließt - bleibt offen.
Ohne solche ausreichenden Kurzschlüsse und Verbindungen der beiden getrennten Kreisläufe, die ein Durchmischen von sauerstoffarmem und sauerstoffreichem Blut (sogenannte Mischzyanose) bewirken, würden die betroffenen Neugeborenen meist schon in den ersten Lebenstagen sterben.
Zeit gewinnen bis zur Operation
Neben den natürlich angelegten Wegen, dem Körper zumindest eine gewisse Sauerstoffversorgung zu erhalten, stehen Kinderkardiologen heute zwei weitere lebensrettende Mischmöglichkeiten für sauerstoffarmes und sauerstoffreiches Blut zur Verfügung, bis eine operative Korrektur des Herzfehlers erfolgen kann.
a. Intravenöse Prostaglandin E1-Dauerzufuhr: Dadurch kann über Wochen verhindert werden, dass sich der Verbindungsgang zwischen Körper und Lungenschlagader (Ductus arteriosus) nach der Geburt verschließt.
b. Herzkathetertechnik: Hiermit kann die nach der Geburt meist noch bestehende kleine Verbindung zwischen den Vorhöfen (Foramen ovale) mit einem Ballonkatheter vergrößert werden. Dieses sogenannte „Rashkind-Manöver“ ist nach dem US-Kardiologen William J. Rashkind benannt, der den Eingriff erstmals im Mai 1965 durchführte.
Was operativ möglich ist
Prinzipiell gibt es zwei große Operationsverfahren, die bei einer einfachen TGA zur Wahl stehen.
1. Die Vorhofumkehr-Operation: Hierbei wird das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge durch den linken Vorhof hindurch in die rechte Herzkammer umgeleitet und von dort in die Körperschlagader gepumpt. Analog wird das sauerstoffarme Blut aus der oberen und unteren Körperhälfte auf Vorhofebene so umgeleitet, dass es in die linke Herzkammer und von dort zur Sauerstoffaufnahme in die Lunge gepumpt wird. Der Nachteil: die Leistungsfähigkeit der rechten Kammer, die für die anstrengenden Pumpvorgänge zur Blutversorgung des gesamten Körpers nicht ausgelegt ist, erschöpft sich mit der Zeit. Häufig kommt es zudem zu Herzrhythmusstörungen.
2. Die arterielle Switch-Operation: Hierbei werden die Körper- und die Lungenschlagader durchschnitten und umgesetzt, so dass sie funktionell und anatomisch richtig sitzen und die Blutkreisläufe wieder stimmig in Serie geschaltet sind. Zusätzlich müssen dazu die beiden winzigen Herzkranzarterien ebenfalls vorsichtig ausgeschnitten und in der Aorta eingenäht werden. 95 Prozent der Neugeborenen überstehen diese anspruchsvolle Operation, die heutzutage bevorzugt wird, sehr gut. Sie muss aber in der Regel schon in den ersten beiden Lebenswochen des Neugeborenen erfolgen, wenn die linke Herzkammer noch ausreichend trainiert ist.
Allerdings liegt nicht in allen Fällen eine „einfache“ Form der TGA vor. Bei Kindern mit komplexeren Herzfehlern im Bereich der großen Arterien müssen dann nochmals ganz spezielle Operationsmethoden von besonders erfahrenen Kinderherzchirurgen angewendet werden.
Nachsorge auch bei guter Prognose wichtig
Die Mehrzahl der Kinder erreichen bei gut reparierter TGA einen lang anhaltenden, sehr guten Gesundheitszustand, der die normale Integration in Schule und Sport ermöglicht und so zu einem guten psychischen, physischen und sozialen Wohlbefinden beiträgt.
Regelmäßige Kontrollen in der Kinderkardiologie sorgen dafür, dass eventuelle Herzprobleme frühzeitig auffallen und etwas dagegen unternommen werden kann.
Auch im Jugend- und Erwachsenenalter sind diese Check-ups - dann meist in größerem Abstand - wichtig. Der Hausarzt sollte mit dem Krankheitsbild und den möglichen Schwachstellen dabei zumindest theoretisch vertraut sein. Daneben ist ein EMAH-Kardiologe notwendig, der weiß, welche Untersuchungen sinnvoll sind (u.a. Langzeit-EKG, transkutane Sauerstoffsättigung, Echokardiographie, Belastungsuntersuchungen etc.)
Expertin
Prof. Dr. med. Brigitte Stiller, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung e. V., Ärztliche Direktorin in der Klinik für Angeborene Herzfehler und Pädiatrische Kardiologie im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinik Freiburg.
Experte
PD Dr. med. Fabian Kari arbeitet seit 2021 als stellvertretender Sektionsleiter der Kinderherzchirurgie an der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universität-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen. Nach seiner Ausbildung in Freiburg hatte sich der Herzchirurg an der New Yorker Columbia University im Rahmen eines Fellowship-Programms weiter auf Kinderherzchirurgie spezialisiert. 2019 kehrte der zurück und habilitierte sich.
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TGA (2022)
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Die Transposition der großen Arterien (Herzblatt)
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