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Myokarditis nach Covid-Impfung: Was ist inzwischen bekannt?

Aktuelle Studiendaten geben ein genaueres Bild zu den Impfrisiken. Nach wie vor gilt ein Herzschaden als selten.

Aktualisiert: 17.01.2024

Frau mit Pflaster auf dem Arm hält Herz mit einer gemalten Spritze in der Hand
Ratana21 - stock.adobe.com

Inzwischen ist bekannt, dass eine Covid-Impfung – vor allem mit einem mRNA-Impfstoff – in seltenen Fällen auch zu einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis), bzw. Herzbeutelentzündung (Perikarditis) führen kann. Gerade die Erfahrung, dass vor allem – meist männliche – junge Erwachsene und Jugendliche von impfbedingten Reaktionen am Herzen betroffen sind, erfordert eine sorgfältige Analyse. Denn bei den meisten lagen zuvor keine Anzeichen für eine Herzerkrankung vor. Die Vorteile einer Covid-Impfung gilt es daher besonders gegen die möglichen Risiken abzuwägen.

Neue Daten aus aktuellen Studien und die Erfahrungen nach mehreren Millionen Impfungen werfen inzwischen ein genaueres Licht auf Häufigkeit und mögliche Ursachen dieses Impfrisikos. Auch sie bestätigen: Die Prognose der Myokarditis nach der Impfung ist offenbar meist günstig. Der Verlauf ist überwiegend mild und oft selbstlimitierend – heilt somit oft von alleine aus – im Vergleich zu früher beobachteten Fällen einer anderweitig erworbenen Myokarditis, etwa infolge einer Grippeinfektion.

Günstige Prognose auch bei jungen Myokarditis-Patienten

In einer systematischen Übersichtsarbeit, in der 23 Studien ausgewertet wurden, hatten Wissenschaftler zum Beispiel überprüft, ob sich die günstige Prognose bei Erwachsenen mit Myokarditis nach Covid-19-mRNA-Impfung auch bei jungen Patienten unter 20 Jahren bestätigen lassen. Insgesamt fanden sie 854 Patienten im Alter von 12 bis 20 Jahren mit einer impfstoffassoziierten Myoperikarditis. Wie auch in anderen Untersuchungen war die Häufigkeit bei männlichen Patienten und nach der zweiten Impfdosis erhöht.

Die Zeichen einer Herzmuskelentzündung traten in der Regel wenige Tage nach der Impfung auf (im Durchschnitt 2,6 Tage danach). Die meisten Patienten wurden im Krankenhaus behandelt, etwa jeder vierte Betroffene musste auf der Intensivstation aufgenommen werden – hauptsächlich zur Überwachung von Herzrhythmusstörungen. Es gab jedoch keine Todesfälle und nach im Mittel drei Tagen konnten die Patienten die Klinik bereits wieder verlassen. (1)

Bestätigt wird dies Ende 2023 durch deutsche Daten aus dem MYKKE-Register. Danach  ist der Verlauf einer Impfstoff-assoziierten Myokarditis bei Kindern und Jugendlichen insgesamt eher mild und unterscheidet sich nicht wesentlich von einer nicht-impfstoffassoziierten Herzmuskelentzündung. Der Auswertung zufolge, die auch im "American Heart Journal" publiziert wurde, wiesen zum Beispiel Patienten mit Myokarditis nach Impfung eher Brustschmerzen auf, diejenigen mit nicht-impfstoffassoziierter Myokarditis hingegen eher Symptome einer Herzschwäche mit verringerter Auswurfleistung und einer vergrößerten linken Herzkammer. Sie hatten zudem häufiger Rhythmusstörungen und ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende kardiale Folgen. (7)

Auch langfristig offenbar keine Folgeschäden

Doch wie steht es langfristig um mögliche Folgen einer impfbedingten Myokarditis? Dieser Frage sind Wissenschaftler ebenfalls in einer Studie nachgegangen (2). Sie haben dazu 104 Patienten ab 12 Jahren, bei denen innerhalb von 28 Tagen nach Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer eine Myokarditis diagnostiziert wurde, über 180 Tage nachbeobachtet. Alle Diagnosen wurden von Krankenhausärzten auf der Grundlage einer klinischen Standarduntersuchung, einschließlich einer kardialen MRT-Untersuchung (cMRI), erstellt. Verglichen wurden die Diagnosen dann mit einer historischen Patientengruppe, bei denen eine Myokarditis im Zusammenhang mit einer Virusinfektion (noch vor Beginn der Corona-Pandemie) festgestellt worden war. Covid-19-bedingte Myokarditiden waren von der Analyse ausgeschlossen.

Während des Nachbeobachtungszeitraums wurde ein Todesfall (1 %) bei den 104 Patienten mit Myokarditis nach der Impfung festgestellt, verglichen mit 84 Todesfällen (11 %) bei den 762 Patienten mit infektionsbedingter Myokarditis. Ebenso gab es nur einen Fall (1 %) von dilatativer Kardiomyopathie (krankhafte Erweiterung des Herzmuskels) und 2 Fälle (1,9 %) von Herzinsuffizienz in der Impfgruppe, verglichen mit 28 (3,7 %) bzw. 93 (12,2 %) in der Gruppe mit virusbedingter Myokarditis. Das relative Sterberisiko war damit für Personen mit impfassoziierten Herzmuskelentzündungen um 92 % geringer als für Betroffene einer Virusmyokarditis.

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten diese Befunde auf unterschiedliche ursächliche Zusammenhänge für das Entstehen einer Myokarditis nach Covid-Impfung hinweisen. Die offensichtlich mildere Prognose der impfbedingten Myokarditis könnte z.B. daran liegen, dass die zugrundliegenden Immunreaktionen in der Regel nur kurzzeitig auftreten. Bei einer durch eine Virusinfektion ausgelösten Myokarditis könne es hingegen zu einer direkten Invasion von Herzmuskelzellen kommen und somit zu einer direkten, durch die Infektion verursachten Schädigung der Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten). Das würde dann auch die potenziell schlechtere Prognose erklären, wie sie auch in der Studie festgestellt wurde.

Mehr Myokarditisfälle nach Nicht-Covid-Impfungen

Zu interessanten Ergebnissen waren ein halbes Jahr zuvor im April 2022 Wissenschaftler bei der Analyse von insgesamt elf Beobachtungsstudien gekommen, in die die Daten von über 400 Millionen Covid-Impfungen mit mRNA-Vakzinen einflossen. Ziel der Forscher war es unter anderem herausfinden, ob es sich bei den vermehrten Meldungen zu einer Myokarditis/Perikarditis tatsächlich um eine Zunahme der Häufigkeit infolge der Covid-Impfungen handelt oder ob sie vielleicht eher auf verbesserte Meldesysteme zurückzuführen sind.

Insgesamt betrug hier die Häufigkeit für eine Myokarditis/Perikarditis bei mRNA-Impfung 18 Fälle pro einer Million Impfungen – und es bestätigte sich, dass Männer häufiger als Frauen, unter 30-Jährige häufiger als Ältere und Zweitgeimpfte häufiger als Erstgeimpfte betroffen waren. Interessant: Parallel dazu wurden auch elf Studien mit verschiedenen Nicht-Covid-Impfstoffen (zehn Millionen Impfungen) und Angaben zu Myokarditis/Perikarditis ausgewertet. Vor allem zeigte sich, dass die Häufigkeit einer Myokarditis/Perikarditis bei der Lebendimpfung gegen Pocken deutlich höher als nach Covid-Impfung war, nach Impfungen gegen Influenza (Grippe) bzw. gegen weitere Krankheitserreger lag sie auf einem vergleichbaren Niveau. (3)

Schwedische Forscher vom Karolinska Institut in Stockholm haben zur gleichen Zeit die Datenanalyse von 23 Millionen Menschen zur Häufigkeit einer Herzmuskelentzündung nach einer Covid-Impfung publiziert. Danach ist eine Herzmuskelentzündung als insgesamt seltenes Phänomen eingestuft worden – auch unter jungen Männern. Bei jungen Männern unter 30 Jahren, die zwei Dosen des gleichen Präparats erhielten, gab es laut Auswertung bei Moderna 9 – 28 zusätzliche Fällen pro 100.000 Geimpfte binnen 28 Tagen nach der zweiten Dosis. Beim Biontech/Pfizer-Impfstoff seien es 4 – 7 Fälle mehr gewesen als ohne Impfung zu erwarten gewesen seien. (4)

Die Suche nach der Myokarditis-Ursache

Nach wie vor gibt es allerdings noch keine eindeutige Erklärung dafür, warum es in seltenen Fällen nach einer Covid-Impfung – und vor allem bei jungen Männern – zu einer Herzmuskelentzündung kommt. Auf der Suche nach der Ursache ist ein deutsches Wissenschaftsteam vom Universitätsklinikum des Saarlandes der Erklärung vor kurzem jedoch einen Schritt weiter gekommen. Dazu wurden Blutproben und zum Teil auch Gewebematerial aus dem Herzen von Patienten mit Myokarditis untersucht.

Ihrer Arbeit zufolge stecken hinter impfbedingten Myokarditis-Fällen vermutlich spezielle Autoantikörper. Diese werden gegen ein zentrales, entzündungshemmendes Molekül gebildet – den Interleukin-1-Rezeptor-Antagonist (IL-1Ra). Dieser hemmt normalerweise überschießende Entzündungsreaktionen, die durch den Botenstoff Interleukin-1 vermittelt werden. Ist der Rezeptor-Antagonist allerdings leicht verändert (durch das vorrübergehende Anhängen einer Phosphatgruppe), kommt es eben zu jener fehlgeleiteten Bildung von Auto-Antikörpern – also gegen sich selbst gerichteten Antikörpern. Solche Autoantikörper hat man auch bei Patienten mit einem schweren Covid-19-Verlauf und bei Kindern mit dem Multisystemischen Entzündungssyndrom (MIS-C) gefunden. (5)

Obduktionsdaten nach Covid-Todesfällen

Zum Jahresende 2022 haben nochmals Obduktionsdaten aus Deutschland von 25 Patienten, die binnen 20 Tagen nach einer Covid-Impfung unerwartet verstorben waren, für Gesprächsstoff gesorgt. Dabei war speziell nach Veränderungen am Herzgewebe geschaut worden. Bei vier Patienten, die nach einer mRNA-Impfung gestorben waren, wurde eine akute Myokarditis festgestellt, ohne dass eine andere signifikante Erkrankung oder Gesundheitskonstellation vorlag, die einen unerwarteten Tod verursacht haben könnte.

Die Herzgewebeuntersuchung zeigte bei allen ähnliche Entzündungszeichen verbunden mit einer leichten Schädigung der Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten). In drei Fällen folgerten die Wissenschaftler auf der Basis der Autopsiebefunde, insbesondere dem Vorhandensein einer Myokarditis zusammen mit dem Fehlen anderer plausibler Todesursachen (etwa einer Lungenembolie, einem Herzinfarkt oder anderen Herzerkrankungen) sowie dem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung, dass die Impfung die wahrscheinliche Ursache der Myokarditis war. Diese habe dann vermutlich zu Herzrhythmusstörungen und infolgedessen durch Herzstillstand oder durch Kammerflimmern zum Tod der Patienten geführt.

Auch in dieser Arbeit verweisen die Autoren, dass impfbedingte Herzmuskelentzündungen selten und in der Regel milde sind. Dennoch scheine es bei einigen prädisponierten Patienten auch zu einer kritischen Immunantwort zu kommen, die eine Myokarditis fördern. Zudem lassen die Daten die Annahme zu, dass eine versehentliche Injektion des Impfstoffs in ein Blutgefäß anstelle des Muskels dazu beitragen könnte. (6)

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  3. Experten der Deutschen Herzstiftung beantworten Ihre Fragen zur Covid-19-Impfung.

  1. Myopericarditis After COVID-19 mRNA Vaccination Among Adolescents and Young Adults; JAMA Pediatr. Published online December 5, 2022. doi:10.1001/jamapediatrics.2022.4768)
  2. Prognosis of Myocarditis Developing After mRNA COVID-19 Vaccination Compared With Viral Myocarditis: Journal of the American College of Cardiology, doi.org/10.1016/j.jacc.2022.09.049
  3. Myopericarditis following COVID-19 vaccination and non-COVID-19 vaccination; Lancet Respiratory Medicine; doi.org/10.1016/S2213-2600(22)00059-5
  4. SARS-CoV-2 Vaccination and Myocarditis in a Nordic Cohort Study of 23 Million Residents; JAMA Cardiology; doi:10.1001/jamacardio.2022.0583
  5. IL-1RA Antibodies in Myocarditis after SARS-CoV-2 Vaccination; NEJM; DOI: 10.1056/NEJMc2205667
  6. Autopsy-based histopathological characterization of myocarditis after anti-SARS-CoV-2-vaccination; Clinical Research in Cardiology; doi.org/10.1007/s00392-022-02129-5
  7. American Heart Jounal 1/24; https://doi.org/10.1016/j.ahj.2023.11.006