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Herzinfarkt: Vitamine bieten keinen Schutz

Immer wieder wird diskutiert, ob eine gezielte Vitamin-Einnahme das Herz schützt. Was ist dran an der Debatte?

Aktualisiert: 03.08.2023

Abbildung von Vitamine und Vitaminpillen
Bild von Mizianitka auf Pixabay

Vitamine gelten allgemein als gesund – und viele Menschen glauben daher, dass Sie sich mit der Einnahme entsprechender Pillen etwas Gutes tun und sich sogar vor einem Herzinfarkt schützen können. Vor allem das Vitamin D und B-Vitamine wie Niacin (B3) und B12 sind immer wieder im Gespräch – und Gegenstand wissenschaftlicher Studien. Lesen Sie hier, wie Nutzen und Risiken bewertet werden.

Bei den meisten Vitamin- und Nährstoffpräparaten, die es in Apotheken wie auch im Supermarkt oder in Drogerien in stattlicher Zahl zu kaufen gibt, handelt es sich um sogenannte Nahrungsergänzungsmittel (NEM). Oft werden solche Multivitamin- und Nährstoffkombinationen angeboten nach dem Motto: mit einer Tablette den gesamten Tagesbedarf abdecken. Doch anders als Medikamente müssen NEM keinen Wirkungsnachweis erbringen oder Belege für ihre Unbedenklichkeit. Es gibt mehr oder weniger einfache Angaben zur Dosierung, ohne weitere Hinweise auf das Risiko möglicher Überdosierung oder auf Wechselwirkungen. Ernährungsexperten sehen ein solches Gießkannen-Prinzip zur Vitaminversorgung daher kritisch. In der Leitlinie zur kardialen Rehabilitation (1) wird sogar ganz deutlich geschrieben, dass die Verwendung verschiedenster Nahrungsergänzungsmittel nicht mit einem reduzierten kardiovaskulären Risiko verbunden ist.

Dennoch können Vitamin-Präparate in Einzelfällen auch sinnvoll sein. Stellt ein Arzt tatsächlich einen Mangel fest, wie das durchaus bei Vitamin D (Spiegel < 20,0 ng/ml, etwa bei wenig Sonnenstrahlen) oder Vitamin B12 (z.B. bei streng veganer Ernährung, Metformin-Einnahme oder chronisch entzündlichen Darmleiden) vorkommen kann, ist eine gezielte Einnahme begründet. Aber es lässt sich damit wohl nicht einfach vorbeugend einem Herzinfarkt aus dem Weg gehen.

Wie ist die aktuelle Studienlage?

Vor allem zum Vitamin D gibt es etliche Studiendaten, die gezielt einen möglichen Herzschutz bei Patienten im Fokus hatten. Denn das Vitamin ist nicht nur an der Versorgung des Knochens mit Kalzium beteiligt. Es finden sich auch Rezeptoren für Vitamin D in Zellen von Blutgefäßen. Und dem Vitamin wird eine entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben. Dies könnte sich positiv auf Gefäßablagerungen (Arteriosklerose) auswirken, einem wesentlichen Risikofaktor für die meisten Herz-Kreislauf-Erkrankungen.  

Nachdem allerdings einige ältere Publikationen einen möglichen Zusammenhang zwischen einem Mangel an Vitamin D und einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko aufgezeigt hatten, sind die Ergebnisse neuer und deutlich größerer Studien eher enttäuschend. In der 2018 hochrangig veröffentlichten VITAL-Studie (2) haben über 25.000 als gesund erachtete Männer und Frauen im Alter ab 50 Jahren über mehrere Jahre täglich Vitamin D3 (Cholecalciferol, 2000 IE) eingenommen oder ein Scheinpräparat. Ein Resultat: Ob mit oder ohne zusätzliches Vitamin D waren in beiden Gruppen Herzinfarkte und Schlaganfälle gleich häufig. Enttäuscht haben ebenfalls die Ergebnisse der D-Health-Studie (3). Die regelmäßige Gabe von Vitamin D3 an ältere Menschen hatte auch hier keinen positiven Einfluss auf die kardiovaskulär bedingte Sterblichkeit.

Ebenso zogen Wissenschaftler bei der Analyse von mehreren kontrollierten Studien in Form von Metaanalysen zu den Wirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln  – darunter auch Vitamin-B-Komplex, Vitamin B3 oder Niacin, Vitamin B6 und Vitamin D – einen ernüchternden Schluss. Demnach haben diese offenbar keinen Einfluss auf Sterblichkeit, Herzinfarkt oder Schlaganfall (4). Daran teilgenommen hatten Personen mit normalem Blutdruck und Patienten mit arterieller Hypertonie.

Ein Expertengremium in den USA, die United States Preventive Services Task Force (USPSTF), hat sich 2022 ebenfalls mit der Frage beschäftigt, ob Vitaminzusätze das Herz (noch) gesunder Menschen schützen. Ihr Fazit aus der Analyse von 90 Studien (5): Die Vitamin- und Mineralstoff-Supplemente bei gesunden Erwachsenen ohne bekannten Nährstoffmangel bieten keinen klinisch bedeutsamen Schutz vor kardiovaskulären Erkrankungen. Die USPSTF hat daraus keine Empfehlung für Vitamin D abgeleitet, dafür aber die explizite Empfehlung, Beta-Carotin- oder Vitamin-E-Supplemente wegen Nebenwirkungen nicht zur Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen einzunehmen.

Mit großer Zurückhaltung wurde auch eine aktuelle australische Studie aus dem Jahr 2023 von Wissenschaftlern bewertet. Darin ist der Effekt auf die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Ereignissen bei Einnahme von Vitamin D über fünf Jahre ausgewertet worden (6). Zwar gab es wohl einen leicht positiven Effekt auf das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, nicht aber auf andere kardiovaskuläre Ereignisse. Und das Studiendesign lässt einen großen Spielraum für die Interpretation der Ergebnisse. 

Statt Vitamintabletten auf eine gesunde Ernährung achten

Vitaminpräparate sehen harmlos aus und versprechen vor allem eins: einen großen Effekt auf die Gesundheit. Deshalb sind Menschen häufig bereit, viel Geld dafür auf den Tisch zu legen – doch davon rät die Herzstiftung ab. Für Vitaminpräparate gibt es nach aktuellem Kenntnisstand keinen wissenschaftlich haltbaren Beleg, dass sie Schutz vor einem Herzinfarkt bieten. Je nach Vitamin und Dosierung – das gilt vor allem für die fettlöslichen Vitamine E, D, K, A – besteht sogar die Gefahr von schädlichen Wirkungen. Fachgesellschaften weisen daher in ihren Leitlinien darauf hin, dass von einer zusätzlichen Vitamineinnahme kein günstiger Effekt auf die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit zu erwarten ist. So sieht etwa die Europäische Kardiologen Gesellschaft (ESC) die Datenlage als unzureichend für eine Empfehlung zur Einnahme solcher Präparate an. Ähnlich ist die Einschätzung der Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR)

Fazit: Setzen Sie lieber auf einen hohen Gemüse- und Obstanteil in Ihrer Ernährung wie überhaupt auf eine gesunde Ernährung. Auf diese natürliche Weise lässt sich der Bedarf für die meisten Vitamine problemlos decken. Und Sie leisten damit erwiesenermaßen einen Beitrag zu Ihrer besseren Herzgesundheit und zur Vorbeugung von Herzinfarkten. Wer darüber hinaus aktiv sein möchte, sollte auf ausreichend Bewegung achten, den Blutdruck im Blick behalten und Zigaretten meiden.

Auszug aus der S3-Leitlinie kardiale Reha (DGPR)

  • Nahrungsergänzungsmittel sollen nicht generell empfohlen werden.
  • Vitamin D3 kann zum Ausgleich eines Mangels (25-OH-D im Plasma < 50 nmol/l oder < 20 ng/ml) im Rahmen der kardiovaskulären Sekundärprävention (also nach einem ersten kardialen Ereignis) gegeben werden.

  1. S3–Leitlinie zur kardiologischen Rehabilitation im deutschsprachigen Raum Europas (D-A-CH) ; https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/133-001.html 
  2. Vitamin D Supplements and Prevention of Cancer and Cardiovascular Disease; NEJM, 2018, https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1809944 
  3. The D-Health Trial: a randomised controlled trial of the effect of vitamin D on mortality, JAMA 2022; DOI:https://doi.org/10.1016/S2213-8587(21)00345-4 
  4. Effects of Nutritional Supplements and Dietary Interventions on Cardiovascular Outcomes; Ann Int Med; https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/M19-0341 
  5. Vitamin, Mineral, and Multivitamin Supplementation to Prevent Cardiovascular Disease and Cancer, JAMA 2022; https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2793446 
  6. Vitamin D supplementation and major cardiovascular events: D-Health randomised controlled trial; BMJ 2023; doi: https://doi.org/10.1136/bmj-2023-075230 

Experte

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Man mit Vitaminpillen
Volodymyr Hryshchenko unsplash
Nehmen Sie Vitamintabletten, um Ihr Herzkreislauf-Risiko zu senken, sollten Sie die Einnahme beenden. Hier lesen Sie, wann Vitaminpräparate schaden.

Helmut Gohlke

Prof. Dr. med.

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