Interview

Sommer, Sonne und Medikamente fürs Herz: Wie verträgt sich das?

Hitze belastet das Herz, der Körper scheint anders auf Herz-Medikamente zu reagieren. Lesen Sie, was bei der Therapie zu beachten ist.

Bei Hitze kommt gerne mal der Kreislauf durcheinander, das wirkt sich auch auf die Wirkung von Medikamenten fürs Herz aus. Was ist bei der Einnahme zu beachten, um Sommer und Urlaub auch mit einer Herzerkrankung unbeschwert genießen können? Das erläutert im Interview der Hamburger Pharmakologe Professor Thomas Eschenhagen.

Termometer was aug 40 Grad klettert
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Die Sorge vor Hitzewellen wächst aktuell auch in Deutschland. Welche gesundheitlichen Risiken drohen denn durch Hitze vor allem Herzpatienten?

Prof. Eschenhagen: Man weiß inzwischen ganz gut aus Studien, dass zum Beispiel das Herzinfarktrisiko steigt, ebenso das Risiko für Thrombosen, also Blutpfropfen in den Beinen, und auch für eine Lungenembolie. Außerdem kann sich eine Herzschwäche verstärken. Das kann zu Stürzen führen und ist insgesamt eine gefährliche Situation.

Und auch beim Blutdruck kann ja einiges durcheinandergeraten. Können Sie vielleicht kurz erläutern, wie sich die Hitze auf unseren Blutdruck auswirkt?

Prof. Eschenhagen: Generell führt Hitze zu einer Blutgefäßerweiterung, das heißt, der Blutdruck sinkt. Das ist natürlich bei Bluthochdruck eigentlich erwünscht. Aber bei Patienten, die mit Medikamenten gut eingestellt sind, kann das auch mal ein bisschen viel werden. Die gute Einstellung in einer kalten Jahreszeit kommt dann insbesondere beim plötzlichen Wechsel zur Hitzewelle durcheinander. Schwindelattacken oder gar Ohnmachtsanfälle drohen. Patienten mit Bluthochdruck sollten daher aufpassen und häufiger den Blutdruck messen. Und bei stärkerem Blutdruckabfall und Beschwerden mit dem Arzt zeitnah besprechen, was zu tun ist.

Man weiß ja auch, dass Wassertabletten während Hitzephasen das Risiko für Elektrolytstörungen und damit hitzebedingte Gesundheitsschäden erhöhen können. Muss man die Blutdrucktherapie dann umstellen?

Prof. Eschenhagen: Man muss nicht regelhaft umstellen, sondern eher die Dosis etwas verringern. Und das gilt, wie Sie sagen, besonders für die wassertreibenden Diuretika, die die Gefahr einer Dehydration – also auszutrocknen – erhöhen können und dafür sorgen, dass der Körper auch viel Salz ausscheidet, also die auch fürs Herz wichtigen Elektrolyte Natrium, Kalium und Magnesium. Und das kann in Kombination mit Hitze und vermehrtem Schwitzen durchaus gefährlich werden.

Mann nimmt im SOmmer sein Medikament ein
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Gegen die Gefahr, im Sommer auszutrocknen soll man ja bekanntlich mehr trinken. Jetzt gibt es aber zum Beispiel bei den Blutdrucksenkern auch Medikamente die sogar das Durstgefühl reduzieren können.

Prof. Eschenhagen: Richtig. Das sind vorwiegend die ACE-Hemmer. In Deutschland nehmen über 15 Millionen Patienten solche Substanzen ein, die ja auch wichtig und gut sind. Doch der Patient muss wissen, dass eine der Nebenwirkungen ist, dass man den Durst nicht mehr so stark merkt.

Eine Krux gerade im Alter ist allerdings, dass das Durstgefühl oft merklich nachlässt. Haben Sie vielleicht einen praktischen Tipp, wie man sich zum Trinken selbst anspornt?

Prof. Eschenhagen: Also, ich gebe zu, dass ich selbst ein ganz schlechter Patient bin und tendenziell viel zu wenig trinke. Ich muss mich ein bisschen dazu zwingen, meine Frau erinnert mich manchmal. Am besten macht man es sich zur Regel, bei jeder Mahlzeit – Frühstück, Zwischenmahlzeit, Mittagessen, Zwischenmahlzeit, Abendessen – regelmäßig Wasser zu trinken. Zusätzlich kann man sich einen Plan zum Abhaken oder eine Strichliste machen, wie viele Gläser man getrunken hat. Die allgemeine Empfehlung besagt, dass man bei Hitze etwa ein bis zwei Liter am Tag zusätzlich trinken sollte.

Und wie merke ich, dass ich zu wenig trinke und drohe, langsam auszutrocknen?

Prof. Eschenhagen: Ein Warnzeichen ist Müdigkeit. Verwirrtheit ist schon ein schweres Anzeichen, eigentlich ist es dann schon ein bisschen spät. Hilfreich ist auch ein einfacher Haut-Test. Ältere Menschen haben zwar generell weniger Hautspannung als junge Menschen. Doch wenn man die Haut auf dem Handrücken leicht hochzieht und zu einer Falte zusammenkneift und die Haut richtig stehen bleibt für eine gewisse Zeit, dann ist das schon ein deutliches Zeichen für ein Flüssigkeitsdefizit. Weitere Warnzeichen sind eine starke Färbung des Urins oder ein fehlender Toilettendrang über eine lange Zeit.

Wie sieht das speziell bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz aus: Diese haben einerseits häufig mit Wassereinlagerungen zu kämpfen, auf der anderen Seite sollen sie ja trotzdem im Sommer ausreichend trinken. Wie lässt sich hier das richtige Maß zwischen zu viel und zu wenig Trinken finden, um ein Entgleisen der Herzfunktion zu vermeiden?

Prof. Eschenhagen: Das ist tatsächlich ein Problem. Bei der Herzinsuffizienz sind nämlich sämtliche Regulationsvorgänge schwerer für den Körper, das gilt auch für den Flüssigkeitshaushalt. Das macht die klare Empfehlung einer Trinkmenge schwerer. Auch Studien, bei denen man versucht hat, eine strikte Trinkmengenbegrenzung auszuloten, waren nicht so richtig erfolgreich. Besser ist daher eine regelmäßige Gewichtsmessung. Damit hat man als Patient eine relativ einfache Kontrollmöglichkeit: Immer wenn das Gewicht stabil ist, ist man auf dem richtigen Weg. Und immer, wenn das Gewicht sprunghaft nach oben geht, ist es ein ganz eindeutiges Zeichen für zu viel Flüssigkeit. Ein bis maximal zwei Kilogramm Gewichtsschwankung sind normal. Springt das Gewicht aber von einem Tag auf den anderen zum Beispiel von 65 auf 68 Kilo, dann ist das ein sicheres Zeichen, dass zu viel Wasser eingelagert wird.

Ein anderer Punkt, an den viele gar nicht denken, bis sie unliebsame erste Erfahrungen gemacht haben, ist die Reaktion der eingenommenen Arzneimittel mit Hitze und Sonne. Was genau passiert denn da?

Prof. Eschenhagen: Einige Arzneimittel machen die Haut tatsächlich sehr empfindlich gegenüber UV-Strahlung. Es kann zu einem verstärkten Sonnenbrand oder einer schmerzhaften Hautreaktion mit Stechen und Brennen kommen. Manchmal auch zu einer ungewöhnlichen Dunkelfärbung der Haut. Auslösende Klassiker sind hier das Antibiotikum Doxycyclin oder das Johanniskraut gegen leichte Depressionen. Aber auch das Antiarrhythmikum Amiodaron, das gar nicht so wenige Herzpatienten einnehmen, kann eine ausgeprägte phototoxische Reaktion auslösen. Ebenso muss man die Diuretika ein bisschen im Auge behalten, im Wesentlichen das Hydrochlorothiazid (HCT), das Millionen Menschen mit Bluthochdruck oder auch Herzinsuffizienz einnehmen. Die erhöhte UV-Empfindlichkeit unter HCT-Einnahme ist vermutlich auch eine Erklärung, warum in Studien festgestellt wurde, dass bei langfristiger Einnahme dieser Substanz, das Risiko für Hautkrebs erhöht ist. Daher gilt: Wer solche Medikamente einnimmt, muss noch vorsichtiger mit der Sonne sein, sich ordentlich eincremen mit hohem UV-A-Schutz und empfindliche Stellen durch Kleidung schützen. Das Gute: Die Liste der phototoxischen Substanzen ist nicht sehr lang.

Was macht man, wenn doch eine Hautreaktion auftritt?

Prof. Eschenhagen: Dann sollte der Patient die Sonne erst einmal möglichst konsequent meiden und, wenn es schlimmer wird, ist in der Regel eine Creme mit Kortison hilfreich. Ohnehin sollten gerade Herzpatienten die pralle Sonne und zu viel Hitze meiden und zum Beispiel Aktivitäten in kühlere Abendstunden verlegen.

Jetzt ist es ja nicht nur so, dass die Hitze uns Menschen zusetzt. Auch die Medikamente selbst vertragen manchmal die Hitze nicht so gut. Gibt es denn Herzmedikamente, die besonders hitzeempfindlich sind?

Prof. Eschenhagen: Eigentlich nicht. Denn meist sind das Tabletten oder Dragees und die sind generell recht stabil. Das ist ganz anders bei Salben und Augentropfen zum Beispiel, also allem Flüssigen. Da wird es bei Hitze schnell kritisch. Grundsätzlich sollte man als Patient darauf achten, ob die Tabletten und Verpackungen aussehen wie immer. Bläht sich etwas oder gibt es Verfärbungen, riecht etwas anders, dann sollte man das Medikament auf gar keinen Fall nehmen. Wichtig ist, dass man nichts in die Sonne legt – was eigentlich selbstverständlich ist –, aber eben auch nicht in den Kühlschrank. Denn alles Feuchte ist schlecht für Tabletten. Auch im Urlaub gilt, dass das Aufbewahren im Zimmer bei Raumtemperatur für Tabletten am besten ist.

Frau wartet am Flughafen auf ihren Flug
© Anna Berkut

Wo wir beim Thema Reisen sind: Worauf sollten Herzpatienten im Urlaub bei ihrer Medikation achten, vor allem bei einer Fernreise mit Zeitverschiebung?

Prof. Eschenhagen: Bei Fernreisen, wo es ja auch mal Zeitverschiebungen von bis zu zwölf Stunden gibt, ist das ein schwieriges Thema. Denn wenn man versucht sich die Uhr zu stellen, um den heimischen Zeitrhythmus zu halten, wird es schnell kompliziert. Ich würde es daher so handhaben, dass die Medikamente am Urlaubsort im gleichen Rhythmus wie zuhause eingenommen werden. Bei den meisten Herzmedikamenten macht ein Verschieben und damit ein einmalig verlängertes Einnahmeintervall nichts aus. Hauptsache man nimmt dann die Medikamente weiter regelmäßig ein. Das ist im Urlaub ohnehin manchmal schon eine Herausforderung, weil ja alles anders ist als zu Hause. Wichtig sind auch hier bei Herzinsuffizienz regelmäßige Gewichtskontrollen, um zu sehen, dass alles stabil ist. Und Marcumar-Patienten sollten darauf achten, ob ihre Ernährung deutlich anders ist als zuhause. Denn eine Diätumstellung kann die Blutgerinnung merklich beeinflussen. Das lässt sich wiederum am besten durch die Kontrolle des INR-Wertes im Auge behalten.

Experte

Prof. Dr. med. Thomas Eschenhagen
Portrait von Prof. Thomas Eschenhagen

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10 Kommentare
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Anne-Marie Rusert Bamberg

Danke für die vielen guten Tipps.
Herzliche Grüße

Werner Bald Schwerin

Danke, sehr gute Tips
Werner Bald

Joachim Goetz Berlin

sehr informativ und intersssant

Udo Beckmann Warstein

Dieser Beitrag ist sehr zu empfehlen , um sich bei Sommerhitze richtig zu verhalten.

Herr Siegfried Seydel 82152 Planegg

Welchen Stellenwert hat die neue Priskusliste für Blutdruckmittel im Alter?
Meine Frau nimmt füh 1 x 50 mg Spironolacton (lt.Priskus max. 25 mg) alternativ Eplerenon, mittags dann 40 mg Verapamil und nochmals abends 40 mg Verapamil.
Kann meine Frau (82 Jahre) von der Hausärztin verlangen, das teure Eplerenon zu verschreiben? Danke für die Antwort im Voraus. MfG Siegfried Seydel

Deutsche Herzstiftung

Hallo Herr Seydel,

bitte beachten Sie, das wir an dieser Stelle keine medizinischen Anfragen beantworten können. Jedoch möchten wir darauf hinweisen, dass die Priscus-Liste eine wichtige Liste ist, die allerdings keinen verbindlichen Charakter hat, sondern Ärzten eine Entscheidungshilfe bei der passenden Auswahl von Medikamenten für ältere Patienten geben soll. Am besten ist, beim Arzt im freundlichen Gespräch nach den Gründen für seine Auswahl und Dosierung (hier Spironolacton) zu fragen und ob Eplerenon möglicherweise die bessere Wahl wäre. Am Ende liegen Verantwortung und Entscheidung für eine bestimmt Verordnung beim behandelnden Arzt.

Viele Grüße
Ihre Deutsche Herzstiftung

Maximilian Heilmeier München

Danke für den hilfreichen Hinweis!

Dauerdurst Peter Bündgens Niederzier

Hallo,

als Herzpatient nehme ich mehrere Medikamente - unter anderem auch Mocomar und Diuretika regelmäßig ein. Mein Problem, ich trinke NICHT ZU WENIG, sondern habe ständig ein starkes Durstgefühl, so als hätte ich lange nicht getrunken, ausgetrockneter Mund. Also quasi das Gegenteil von im Artikel erwähnten "geringem Durstgefühl". Kein Arzt konnte mir bisher sagen was und wie ich dagenen vorgehen könnte auf ein normales Trinkmaß zu kommen. Wie heist es so schön, Durst ist schlimmer wie Heimweh. Dies kann ich bestätigen. :-)

Andreas Weber Frankfurt

Der Tipp, zu den Mahlzeiten zu trinken, ist m.E. kontraproduktiv. Denn dann verdünnt man die Magensäfte und die Verdauung wird erschwert. Besser (Empfehlung meiner Ernährungsärztin): gleich nach dem Aufwachen bis ca. 20 Uhr alle halbe Stunde ein halbes Glas Wasser trinken. Und 30 Min vor und nach dem Essen pausieren.

Deutsche Herzstiftung

Hallo Herr Weber,

vielen Dank für Ihren Kommentar. Der Hinweis, dass Wasser zum Essen die Verdauung stört durch ein Verdünnen der Magensäure, gilt nur eingeschränkt. Experten verweisen darauf, dass das Trinken (in Maßen = ein Glas) eindeutig mehr positive Effekte hat. Zum einen wird das Schlucken trockener Speisen erleichtert und zum anderen wird sogar das Verdauen der Speisen gefördert, da Wasser ein wichtiges Lösungsmittel für manche Nährstoffe und Transportmittel ist. Förderlich ist dabei, Wasser auf Zimmertemperatur zu trinken.

Viele Grüße
Ihre Deutsche Herzstiftung