Acetylsalicylsäure (ASS oder Markenname Aspirin) ist ein bekanntes Schmerzmittel (Analgetikum). In niedriger Dosis ist es ebenfalls eine wichtige Substanz zur Beeinflussung der Blutgerinnung. Lesen Sie, welche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zu beachten sind.
ASS beeinflusst Schmerzen und Blutgerinnung
Unter dem Markennamen Aspirin wurde ASS weltweit bekannt, um leichte bis mäßige Schmerzen, Entzündungen oder Fieber zu behandeln. Mittlerweile stellen viele andere Firmen Medikamente mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) her.
ASS gehört zur Gruppe der nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Der Wirkstoff hemmt bestimmte Enzyme (die Cyclooxygenasen COX1 und COX-2), die unter anderem an der Bildung von entzündungs- und schmerzvermittelnden Botenstoffen (Prostaglandinen) im Körper beteiligt sind.
Das Enzym COX-1 ist außerdem an der Bildung eines weiteren Enzyms (Thromboxan A2; TXA2) beteiligt, das wichtig für die Blutplättchen (Thrombozyten)-Produktion ist. Da ASS das Enzym COX-1 hemmt, wirkt sich das folglich auch auf die Blutplättchenaktivierung aus – die Thrombozyten können dann weniger gut miteinander verkleben und ein Blutgerinnsel (Thrombus) bilden. Dies ist bei Verletzungen eines Blutgefäßes an sich gewollt, um eine Blutung zu stoppen, wird aber gefährlich, wenn sich ein Gefäß im Inneren verstopft.
Wegen dieser Eigenschaft wird ASS umgangssprachlich auch häufig als „Blutverdünner“ bezeichnet. Dies ist medizinisch jedoch nicht korrekt, denn ASS macht weder das Blut „dünner“ noch hat es Einfluss auf die Fließgeschwindigkeit. In der Medizin spricht man aufgrund dieser Eigenschaft eher von einem Thrombozytenaggregationshemmer.
ASS ist als Medikament vor allem in Form von Tabletten, Kautabletten, Brausetabletten oder Granulat in unterschiedlicher Dosierung erhältlich – je nachdem, ob es als Schmerzmittel oder als Thrombozytenaggregationshemmer verwendet werden soll. Es kann bei Bedarf auch als Infusionslösungen verabreicht werden.
Aufgabe der Thrombozyten
Die Blutplättchen (Thrombozyten) stellen die Erste-Hilfe-Truppe der Blutgerinnung dar. Wenn ein Blutgefäß verletzt ist, heften sich die Thrombozyten als erste vor das Loch in der Gefäßwand. Es bildet sich ein Blutgerinnsel (Thrombus), das die Wunde verschließt. In den nächsten Tagen wird das Blutgerinnsel durch Bindegewebe ersetzt. Der Prozess der Blutgerinnung tritt im Körper nicht nur dann auf, wenn ein Blutgefäß verletzt wird, sondern auch wenn ein Fremdkörper (z.B. Stent) in ein Gefäß eingebracht wird.
Sollten gesunde Menschen Aspirin zum Herzschutz einnehmen?
Als Hemmstoff der Blutgerinnung wird ASS daher bei Personen mit erhöhtem Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) eingesetzt – allein oder in Kombination mit anderen Medikamenten. Dazu gehören z.B. Personen mit koronarer Herzkrankheit, speziell nach Wiedereröffnung eines Blutgefäßes. Hier werden oft kleine Metallgitter (Stents) zur weiteren Stabilisierung des Gefäßes eingesetzt.
Haupteinsatzgebiete in niedriger Dosis (100 mg pro Tag) sind:
- Herzschmerzen aufgrund von Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße (instabile Angina pectoris)
- zur Vorbeugung eines erneuten Herzinfarktes (Reinfarktprophylaxe)
- nach Operationen an arteriellen Gefäßen (Venen-Bypass, Stent-Implantation, pAVK)
- zur Vorbeugung einer vorübergehenden Mangeldurchblutung im Gehirn, nachdem es bereits erste Anzeichen dafür gegeben hat
Speziell aus den USA hört man immer wieder, dass auch gesunde Menschen jeden Tag niedrig dosierte ASS als blutverdünnendes Medikament einnehmen, um ihr Herz-Kreislauf-Risiko zu optimieren. Davor warnt die Herzstiftung.
Zumindest bei Menschen ohne Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit oder einen Herzinfarkt gibt es nämlich keine Beweise, dass ASS günstig wirkt. Etwas anders sieht es bei einem deutlich erhöhten Risiko durch vorhandene Risikofaktoren aus – auch wenn noch keine Herzerkrankung aufgetreten ist. Es gilt immer zu bedenken, dass der Arzneistoff wie jedes Medikament auch Nebenwirkungen hat. Ohne Anlass für eine Behandlung sollten diese vermieden werden (siehe unten).
Wer darf ASS nicht einnehmen?
ASS darf u.a. nicht bei bekannter Überempfindlichkeit bzw. einer bekannten Allergie gegen den Wirkstoff eingenommen werden. Auch Schwangere sollten ASS in den ersten sechs Monaten (1. + 2. Trimenon) vermeiden und dürfen im letzten Schwangerschaftsdrittel (3. Trimenon) definitiv nicht einnehmen, um Blutungsrisiken für Mutter und Kind zu vermeiden.
Darüber hinaus gibt es Erkrankungen und Situationen, bei denen zumindest Vorsicht, bzw. die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ratsam ist. Das ist etwa vor Operationen der Fall, bei Asthma bronchiale, bei vorhandenen Magen- und Darmgeschwüren, bei schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen, bei Störungen der Blutgerinnung oder bei gleichzeitiger Behandlung mit anderen gerinnungshemmenden Medikamenten. Alle Informationen über Anwendungsbeschränkungen finden Sie übrigens auch in der Packungsbeilage.
Welche Nebenwirkungen von ASS sind bekannt?
Zu den häufigsten, kurzfristig auftretenden Nebenwirkungen gehören Magen-Darm-Beschwerden wie Sodbrennen, Übelkeit oder Durchfall. Außerdem kann der Wirkstoff zu leichten (z.B. Nasenbluten) bis schwerwiegenden Blutungen führen. Treten diese im Magen-Darm-Bereich auf, bleiben sie oft unbemerkt, ziehen aber eine Eisenmangel-Anämie (Blutarmut) nach sich.
Bei Auftreten von schwarzem Stuhl oder blutigem Erbrechen (Zeichen einer schweren Magenblutung) müssen Sie sofort Ihren Arzt benachrichtigen. Säureblocker (Protonenpumpenhemmer) schützen den Magen-Darm-Trakt und verringern das Risiko für Magengeschwüre.
In seltenen Fällen kann es zu Überempfindlichkeitsreaktionen kommen, die sich in Form von Hautreaktionen, Schwellungen im Gesicht oder Atemnot äußern – vor allem bei Patienten mit Asthma.
Welche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten gibt es?
ASS hat Wechselwirkungen mit etlichen anderen Arzneistoffen. Sprechen Sie daher Ihren Arzt an, falls Sie ASS regelmäßig sowie weitere Medikamente dauerhaft einnehmen. Er kann besprechen, ob tatsächlich Risiken bestehen und wie sie umgangen werden können. Medikamente einfach selbst wegzulassen, schadet hingegen oft mehr.
Dennoch gibt es ein paar wichtige Wechselwirkungen, die man im Blick behalten sollte. Dazu gehört vor allem die gleichzeitige Einnahme mit Antikoagulanzien (d.h. Gerinnungshemmer wie Marcumar bzw. Falithrom oder Heparin), weil sich dadurch das Blutungsrisiko deutlich erhöht. Thrombozytenaggregationshemmer (etwa Clopidogrel) verringern die Zeit bis zur Blutgerinnung ebenfalls. Tatsächlich kombinieren Ärzte bei der dualen Plättchenhemmung z.B. nach Einsetzen eines Stents ASS bewusst mit Clopidogrel, aber in geeigneter Dosierung. Das ist durchaus erwünscht und kein Grund zur Sorge.
Wird ASS mit anderen NSAR, Kortisontabletten oder bestimmten Psychopharmaka wie Sertralin oder Paroxetin eingenommen, kann dies die Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt verstärken.
ASS verändert zudem die Wirkspiegel mancher Arzneistoffe im Blut. Bei Digoxin, einem Wirkstoff zur Behandlung von chronischer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und Herzrhythmusstörungen, kann sich zum Beispiel dadurch die Wirkung verstärken. Das gilt auch für den Wirkstoff Methotrexat (wird zur Behandlung bei Rheuma verordnet), für Blutzucker-senkende Arzneistoffe (z.B. Sulfonylharnstoffe) und Valproinsäure (gegen Krampfanfälle). Umgekehrt kann sich die Wirkung von Medikamenten zur Behandlung von Bluthochdruck (Diuretika, ACE-Hemmer) und zur Behandlung von Gicht (z.B. Probenicid) bei gemeinsamer Einnahme mit ASS abschwächen. Bei gleichzeitiger Einnahme wird der Arzt bei Bedarf die Dosis entsprechend anpassen.
Ibuprofen oder Metamizol zur Schmerzlinderung schwächen ihrerseits die zum Infarktschutz wichtige gerinnungshemmende Wirkung von ASS bei gemeinsamer Einnahme. Sollten diese Medikamente nötig sein, ist darauf zu achten, dass ASS zum Herzschutz immer zuerst eingenommen wird - und dann erst mit zeitlichem Abstand das Schmerzmedikament.
Experte
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.
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