Der Stand der Transplantationsmedizin
Die Herztransplantation ist der Goldstandard zur Behandlung der Herzschwäche im Endstadium. Jedes Jahr bekommen rund 300 Menschen in Deutschland ein neues Herz eingepflanzt, viele mehr stehen auf der Warteliste. Die Ergebnisse nach einer Transplantation haben sich seit der ersten Transplantation durch Barnard am 3. Dezember 1967 stetig verbessert.
Heute arbeiten von 100 eingepflanzten Spenderherzen nach einem Jahr noch etwa 80, nach fünf Jahren noch 70 Herzen und nach zehn Jahren noch 60. Die durchschnittliche Lebenserwartung nach einer solchen Operation beträgt 10 Jahre. Doch der Bedarf an Spenderherzen wächst. So haben im Jahr 2021 insgesamt 339 Menschen in Deutschland ein neues Herz eingepflanzt bekommen, mehr als doppelt so viele weitere Patientinnen und Patienten standen am Jahresende noch auf der Warteliste.
Fortgeschrittenes Herzversagen infolge von Herzerkrankungen wie Durchblutungsstörungen oder Entzündungen (terminale Herzinsuffizienz) ist der häufigste Grund, dass eine Herztransplantation für einen Patienten in Betracht gezogen wird. Gerade für Patienten mit koronarer Herzerkrankung und Herzinfarkten oder mit langjährigem Bluthochdruck besteht diese Gefahr – insbesondere dann, wenn es zu Komplikationen kommt, weil die Erkrankung erst zu spät oder unzureichend behandelt wurde.
Auch angeborene Herzfehler oder eine Herzmuskelentzündung können das Herz so schwer schädigen, dass es nicht mehr ausreichend arbeiten kann. Mechanische Unterstützungssysteme können dann für eine Weile die Arbeit übernehmen. Schon lange suchen Forscher daher nach alternativen Möglichkeiten, ein irreparabel geschädigtes Herz durch ein neues System komplett zu ersetzen. Zwei mögliche Wege zeichnen sich hier für die Zukunft ab: Kunstherzen oder biologische Herzen vom Schwein.
„Auch mit der ersten Transplantation eines genetisch veränderten Schweineherzen in einen Menschen bleibt gegenwärtig – und bis auf Weiteres – die menschliche Organspende der Goldstandard“, so die Einschätzung des Herzchirurgen und Transplantationsmediziners Prof. Dr. med. Jan Gummert vom Vorstand der Deutschen Herzstiftung und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). „Ein menschliches Spenderherz kann länger als 20 Jahre funktionieren. Die mechanische Herzunterstützung zeigt ebenfalls bereits seit Jahren guten Ergebnisse für Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz. Bei der Transplantation von Schweineherzen müssen hingegen noch wesentliche Schwierigkeiten geklärt werden. Die die Haltbarkeit ist ebenfalls noch völlig unklar.“
Künstliche Herzen als Dauerlösung?
Die derzeit am häufigsten praktizierte Alternativ-Lösung zur Transplantation ist für schwer herzkranke Menschen die Versorgung mit einen Herzkammerunterstützungssystem (VAD; Ventricular Assist Device). Bei bis zu 1000 Patienten pro Jahr wird in Deutschland ein solches Pumpsystem neu eingesetzt. Diese „Teil-Kunstherzen“, die ursprünglich eigentlich nur als Übergangslösung bis zur Transplantation gedacht waren, werden inzwischen häufig zur Dauerlösung. Die ersten dieser Systeme, die 1992 erstmals auch in Deutschland implantiert wurden, hatten noch außenliegende Pumpenanteile. Das Antriebssystem war zudem groß und recht laut. Die Lebensqualität der Patienten war dementsprechend eingeschränkt. Oft war damit auch ein Daueraufenthalt im Krankenhaus verbunden.
Da bei vielen Patienten (70 %) nur der linke Herzteil Unterstützung benötigt, wurden dann vor allem spezielle Linksherzunterstützungssysteme (LVAD) entwickelt, bei denen ein einziges Kabel (Driveline) von der Pumpe nach außen führt. Die Pumpe fördert Blut aus der linken Herzkammer über einen kurzen Schlauch in die Hauptschlagader.
Anfangs waren auch hier die Pumpsysteme mit einem Gewicht von einem Kilo noch schwer und recht groß, die Operation aufwendig. Inzwischen sind die LVAD wesentlich kleiner und weniger verschleißanfällig. Alle Pumpen benötigen allerdings noch das außenliegende Kabel für die externen Steuer-, Akku- und Kontrollsysteme. Diese passen heute jedoch relativ komfortabel in Gürteltaschen oder eine Schultertasche. Das Ziel eines komplett implantierbaren Linksherzsystems wurde noch nicht erreicht. Das hätte den Vorteil, dass Infektionen entlang der Driveline, die in den Körper führt, – eine typische Komplikation – vermieden werden könnten.
Im Vergleich zu LVAD werden reine Rechtsherzunterstützungssysteme (RVAD) nur selten implantiert, noch seltener ist eine Unterstützung beider Kammern (BiVAD), bei denen jeweils eine Pumpe an beiden Seiten des Herzens den gesamten Körper- und Lungenkreislauf unterstützt. Ein totales Kunstherz (TAH; Total Artificial Heart), bei dem das Herz des Patienten komplett entnommen wird und zwei mechanische Pumpen die Funktion beider Herzkammern und aller vier Herzklappen übernehmen, ist noch eine Ausnahme. Eine solche TAH-Implantation kommt vor allem nach dem Versagen einer Herztransplantation, bei einem sehr ausgeprägten Herzinfarkt und einem Herztumor in Frage, wenn Patienten unmittelbar vom Tod bedroht sind.
Weiterentwicklungen beim Kunstherz
Für kurze Zeit gab es in Deutschland zwei zugelassene Komplettsysteme: das SynCardia TAH (in zwei „Herzgrößen“), das bis Ende 2017 bei weltweit insgesamt 1700 Patienten eingesetzt wurde und das erst vor kurzem zugelassene Carmat TAH, das in Deutschland bislang erst dreimal eingesetzt wurde (Stand 9/2021). Das neue Kunstherz hat den Vorteil, dass es elektrisch anstelle von Druckluft angetrieben wird und dadurch leiser arbeitet. Außerdem kann es eine Autoregulation mit verschiedenen Füllungsdrücken imitieren. Langzeiterfahrungen wie mit dem seit über 30 Jahren genutzten SynCardia TAH fehlen dafür.
„Der Traum von einem voll implantierbaren System, das einen weitgehend normalen Alltag erlaubt, ist mit den vorhandenen Systemen noch nicht erreicht“, so Prof. Gummert. Aktuell (Stand 2022) steht in Deutschland kein zugelassenes TAH mehr zur Verfügung.
An neuen Systemen wird daher intensiv erforscht. Es ist völlig offen, ob eines der experimentellen Geräte wirklich für den Einsatz beim Menschen geeignet sein wird.
Ersatzherz vom Schwein – eine Alternative?
Am Ersatz menschlicher Herzen durch ein tierisches Organ – einer sogenannten Xenotransplantation – wird bereits ebenfalls seit langem geforscht. Bislang sind jedoch die Abstoßungsreaktionen ein nur schwer zu überwindendes Hindernis.
Der Einsatz von Herzklappen von Schweinen ist allerdings kein Problem, da es sich hier um nicht lebendiges Gewebe handelt und daher keine Abstoßungsreaktion auftritt.
Ein erster menschlicher Versuch erfolgte bei einer hirntoten Patientin im Jahr 2021. US-Forscher aus New York hatten hierbei eine Niere aus gentechnisch veränderten Schweinen der als hirntot erklärten Frau verpflanzt, die noch mit Beatmungsgeräten versorgt wurde. Die Niere funktionierte während der Beobachtungszeit von 54 Stunden normal ohne immunologische Gegenreaktion.
Im Januar 2022 wurde dann eine “Sensation“ verkündet: Einem Team von US-Chirurgen des Medical Center der Universität Maryland in Baltimore war es gelungen, einem 57-jährigen Mann ein gentechnisch verändertes Schweineherz einzusetzen. Der Patient, der an einer schweren Herzinsuffizienz litt und Herzrhythmusstörungen hatte, hatte nach Angaben der Ärzte keine andere Alternative und hätte sonst innerhalb kurzer Zeit sterben müssen.
Die ersten Patienten mit einem Schweineherz
Doch ist das wirklich ein Meilenstein? Rund acht Wochen hat der Patient überlebt, er erhält in dieser Zeit weiter Medikamente, die seinen Körper vor eine Reaktion auf das neue Organ schützen sollten. Eine akute Abstoßungsreaktion direkt nach der Operation war zumindest ausgeblieben. Im März 2022 verstarb er dann, nachdem er zunehmend schwächer geworden sein, heißt es in Berichten aus den USA. Im Sommer 2023 hat dann ein zweiter Patient in den USA ein Schweineherz eingepflanzt bekommen: ein 58-Jähriget mit einer lebensbedrohenden Herzkrankheit. Er starb allerdings ebenfalls nach wenigen Wochen. Und auch in Deutschland rechnen Herzchirurgen am Münchner Uniklinikum Großhadern mit der Möglichkeit einer ersten Schweineherz-Transplantation bei einem Menschen in maximal zwei Jahren.
„Schweineherzen sind anatomisch gesehen dem menschlichen Herzen sehr nahe. Größe und Funktion ähneln sich“, erklärt Herzchirurg Prof. Gummert. „Daher forscht die Transplantationsmedizin mit unterschiedlichen Ansätzen bereits seit 40 Jahren auf dem Gebiet der Xenotransplantation. Im Jahr 2018 wurde zum Beispiel in einer Studie einem Pavian ein gentechnologisch angepasstes Schweinherz transplantiert, der mehr als 3 Monate überlebte. Damit hat das Münchener Forscherteam um Herzchirurg Professor Bruno Reichart Pionierarbeit geleistet. Das war ein wichtiger Meilenstein für die Entwicklung der Xenotransplantation.“
Damit im Falle des US-Patienten nun das Schweineherz nicht gleich als fremd vom menschlichen Organismus abgestoßen wurde, wurde das Herz eines genetisch veränderten Schweins aus einem speziellen Zuchtprogramm (GalSafe) des Unternehmens Revivicor verwendet. Wissenschaftler haben hierbei mehrere Gene ausgeschaltet, die für die schnelle Antikörper-vermittelte Immunreaktion ursächlich sind und das Wachstum des Schweineherzens steuern. Dafür wurden andere menschliche Gene für eine erhöhte Immunakzeptanz neu in das Erbgut eingefügt. An insgesamt 10 Stellen wurde das Erbgut des Schweins verändert. „Durch die Entwicklung der sogenannten Genschere ist eine solche Anpassung einfacher geworden“, erläutert Prof. Gummert. Dennoch müssen die Patienten – ähnlich wie bei menschlichen Spenderherzen – lebenslang Immunsuppressiva einnehmen, damit der Empfänger das Spenderorgan nicht abstößt. „Bei einem tierischen Transplantat wäre ohne vorherige gentechnische Behandlung die Abstoßreaktion allerdings noch viel größer“, erläutert der Herzchirurg. „Zudem ist die Gefäßinnenhaut des Schweinherzens anders aufgebaut als beim Menschen, so dass ohne genetische Veränderungen eine dauerhafte Gefahr besteht, das Blutgerinnsel entstehen.“
Schweine übertragen außerdem bestimmte Viren, sogenannte Retroviren, die für Menschen gefährlich sein können. Biotechnologie-Unternehmen arbeiten daher schon länger daran, dieses mikrobiologische Risiko zu verringern, indem sie virenfreie Laborschweine züchten, deren Organe dann für eine Transplantation in Frage kommen könnten.
Xenotransplantation bleibt Vision
Weder zur langfristigen Funktion noch zur „Haltbarkeit“ von Schweineorganen im menschlichen Körper lassen sich derzeit wissenschaftlich fundierte Aussagen treffen. „Erst durch weitere klinische Erfahrungen und Forschungsvorhaben können wir die notwendigen Antworten auf diverse Fragen erhalten“, betont Prof. Gummert. So hat das erwähnte Münchener Forscherteam zum Beispiel bisher nicht für den Menschen zugelassene Medikamente in ihrem Tierexperiment verwendet, um das Spenderherz im Affen vor einer Abstoßung zu bewahren. Welche Medikamente die Arbeitsgruppe aus den USA genutzt hat, dazu fehlen gegenwärtig differenzierte Informationen.
„Auch wenn die Schweineherz-Transplantation möglicherweise ein weiterer Meilenstein in der Transplantationsmedizin ist, so sind wir erst am Anfang. In den nächsten 10 Jahren wird ein Tierherz in der Routine das menschliche Spenderherz nicht ersetzen können“, so das Fazit von Herzchirurg Gummert. „Wir betreten Neuland und brauchen neben ethischen und politischen Regularien erst einmal verlässliche medizinische Ergebnisse und weitere Forschungserkenntnisse. Vor allem fehlen uns Langzeiterfahrungen. Bis dahin können wir nur weiter zur Organspende aufrufen. Die Xenotransplantation ist im Moment eine Vision.“
Herzen aus dem 3-D-Drucker?
Noch in den Kinderschuhen steckt die Herstellung von „natürlichen“ Herzen aus dem 3D-Drucker. 2019 haben israelische Forscher von der Universität Tel Aviv immerhin erstmals ein vollständiges Herz mittels 3D-Druck erzeugt. Ihr „Kunstherz“ in Kleinformat bestand dabei aus menschlichem Gewebe, hatte Blutgefäße und Klappen versorgt, war aber nicht fähig, zu pumpen. Die dazu nötige „Biotinte“ hatten die Forscher aus dem Fettgewebe eines Patienten gewonnen. Die Zellen wurden zum einen zu einem personalisierten thermoresponsiven Hydrogel verarbeitet wurden. Zum anderen wurden die Zellen reprogrammiert, so dass sie zu Herzmuskelzellen und Endothelzellen werden konnten. US-Forscher haben inzwischen sogar ein 3D-biogedrucktes Modell des menschlichen Herzens in Originalgröße erstellt. Doch kein solches Herz ist bislang funktionsfähig.
Diese Art der Gewebezüchtung, Tissue Engineering bezeichnet, hat 2021 im Übrigen auch einen kleinen Durchbruch in der Gefäßchirurgie erlangt. Hierbei haben Kieler Forscher um den Gefäßchirurgen Dr. Rouven Berndt einen neuartigen 3D-Biodrucker entwickelt, um feine Blutgefäße für Bypass-Implantate aus Braunalgen herzustellen. Unterstützt wurde die Arbeit durch die Dr. Rusche-Projektförderung der Deutschen Stiftung für Herzforschung. Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Erlangen ist es im vergangenen Jahr nun sogar gelungen, einen kontrahierenden Ring aus Herzmuskelzellen zu drucken, die aus menschlichen Stammzellen stammten. Einen anderen kardiologischen Einsatz von 3D-Drucken verfolgten Ärzte am Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum in einer Testreihe. Dort wurden in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Institut Teile des Herzens von Patienten in einem 3D-Drucker in Silikon nachmodelliert, so dass daran die ideale Position für eine neue Herzklappe gefunden werden konnte.
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Experte
Prof. Dr. med. Jan Gummert, Mitglied im Vorstand der Deutschen Herzstiftung und Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, Bad Oeynhausen.
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Leben mit einem Kunstherz (2019)
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Auf einen Blick: Herzoperationen (2021)
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