Die international bekannte Krimi- und Jugendbuchautorin und Botschafterin der Deutschen Herzstiftung Nele Neuhaus verrät im Interview, wie sie ihr Herz gesund hält, denn sie trägt seit nunmehr 10 Jahren eine neue biologische Herzklappe. Sie spricht über Operationen, Emotionen und über die Frage, ob in Zeiten von Diversität ein Fokus auf „Frauenherzen“ überhaupt noch passt.
Wir führen dieses Interview im Vorfeld des Aktionstages „Go Red for Women“, der – ausgehend von der amerikanischen Herzstiftung – Frauen dazu ermutigen möchte, mehr auf ihr Herz zu achten. Hat Ihre Herzerkrankung Ihr Bewusstsein fürs Herz geschärft?
Ja, unbedingt. Ich war 18 Jahre alt, als meine Herzerkrankung – eine Aortenklappeninsuffizienz – zufällig diagnostiziert worden ist. Der Hausarzt, bei dem ich eigentlich wegen etwas ganz anderem war, war auch Kardiologe. Er hat dann beim Abhören schon gemerkt: Da stimmt irgendwas mit der Herzklappe nicht. Und ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass ich zwar nicht sofort, aber doch irgendwann einen Klappenersatz benötigen würde.
Nach einer solchen Diagnose, auch wenn sie sich erst in weiter Zukunft auswirkt, lebt man dann schon anders. Denn man hat immer im Hinterkopf: Es ist etwas mit meinem Herz. Das vergisst man nie so ganz. Wenn es z.B. heiß ist oder man hat viel Bewegung gehabt und man schwitzt und das Herz klopft besonders stark, dann fragt man sich: Ist das jetzt noch normal? Im positiven Sinne ist es natürlich so, dass man bewusster und vielleicht auch ein bisschen vorsichtiger lebt und man sich mehr informiert. Was kann ich tun, um Risiken zu vermeiden? Wie kann ich mich gesund erhalten? Das ist ein großer Vorteil.
Eine Gefahr sehe ich darin, dass man sich plötzlich nichts mehr zutraut. Dass man denkt: Oh mein Gott, ich habe etwas an meinem Herzen und jetzt kann ich eigentlich nichts mehr machen. Vielleicht sterbe ich sogar bald. Das ist, glaube ich, das Schlimmste, was man tun kann. Daher sage ich: Gerade als Frau mit ihrer oft vorhandenen Mehrfachbelastung durch Kinder und Familie sowie Beruf darf man sich nicht demoralisieren lassen.
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Was würden Sie Frauen als Rat mitgeben wollen aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen, damit die Herzgesundheit im Alltag nicht einfach hinten runterfällt, gerade weil hoher Einsatz in Job und Familie gefragt ist?
Wir Frauen sollten uns hinter die Ohren schreiben, dass wir auch regelmäßig unsere Herzgesundheit checken lassen – wenn man bereits etwas am Herzen hat, mindestens einmal im Jahr, solange man gesund ist, ruhig in größerem Abstand. So wie man ja auch ganz selbstverständlich einmal im Jahr zum Frauenarzt geht. Dann hat man für sich selbst mehr Sicherheit und erlebt nicht so schnell eine böse Überraschung.
Besonders dramatisch ist es für Leute, die nicht wussten, dass sie eine Herzklappenerkrankung hatten, und eines Tages im Krankenhaus aufwachten mit einer Riesennarbe auf der Brust und einer mechanischen Herzklappe als Ersatz für die eigene defekte Herzklappe. So etwas ist wirklich traumatisch. Doch dem kann man vorbeugen, wenn man einfach etwas in Herzvorsorge investiert. Ich bin mir sicher, dass ein solcher Check beim Kardiologen nicht so wahnsinnig teuer ist – selbst, wenn die Krankenkassen nicht alle Kosten übernehmen.
Darüber hinaus kann man ja noch viel tun, was das Herz gesund hält, wie Übergewicht vermeiden, nicht rauchen und moderaten Sport machen. Zu viel Leistungssport ist vielleicht nicht gut fürs Herz, aber eine gesunde Kondition durch Ausdauersport ist immer in Ordnung. Und man sollte sich natürlich auch gesund ernähren. Wenn dabei in Maßen Schokolade gegessen und mal Alkohol getrunken wird, kann man damit sicher auch gut leben.
6. Wichtige Tipps zur Lebensstiländerung von der Herzstiftung:
- Bewegen Sie sich regelmäßig. Ideal ist, wenn Sie sich 5-mal pro Woche 30 Minuten moderat bewegen (z. B. möglichst flott gehen, Rad fahren, joggen, tanzen, schwimmen)
- Ernähren Sie sich herzgesund mit der Mittelmeerküche: viel Gemüse, Salat, Obst, Vollkornprodukte, wenig Fleisch, eher Fisch, Oliven- und Rapsöl.
- Achten Sie auf Ihr Gewicht. Abnehmen ist nur erfolgreich in Verbindung mit Ausdauerbewegung.
- Hören Sie jetzt mit dem Rauchen auf, dann halbieren Sie Ihr Herzinfarktrisiko.
- Zuviel Alkohol erhöht auf lange Sicht Blutdruck und Triglyceride und führt zur Gewichtszunahme.
- Stress ist ein Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit. Gegen Stress wirkt körperliche Ausdaueraktivität. Auch Entspannungstechniken können helfen.
Würden Sie sagen, Frauen sollten/müssen anders angesprochen werden, damit Prävention wirkt? Oder ist so eine solche Frage in Zeiten von Diversität überholt?
Ich denke mal, dass sich gerade unsere Fähigkeit zum Multitasking, auf das wir Frauen oft stolz sind, als eher schädlich erwiesen hat. Und trotzdem lässt es sich oft nicht vermeiden, weil viele Frauen eben diese Mehrfachbelastung und die damit verbundene Anspannung haben. Und Diversität hin oder her: Wir Frauen sind halt immer noch diejenigen, die die Kinder kriegen. Dadurch ist diese Belastung einfach da.
Deshalb finde ich es wichtig, ein bisschen mehr auf sich zu achten und es nicht als Schande anzusehen, wenn man sagt: Ich gehe jetzt mal zum Kardiologen und lasse mal nachgucken, ob alles in Ordnung ist – auch Blutdruck und Cholesterin. Ich glaube, man muss uns Frauen ein bisschen mehr an unserer Verantwortung uns selbst und unserer Familie gegenüber packen.
Wie wichtig erscheint Ihnen generell, das Thema geschlechtersensible Medizin (Gendermedizin) noch weiter zu erforschen und in die Praxis umzusetzen?
Ich denke, das ist wichtiger, als man gemeinhin glaubt. Gerade in letzter Zeit habe ich vermehrt Artikel darüber gelesen, dass viele Medikationen sich eigentlich auf Männer beziehen und dass wir Frauen womöglich ganz anders behandelt werden müssten – vielleicht eine andere Dosierung bräuchten bei gewissen Medikamenten. Mittlerweile kann man ja vieles viel genauer untersuchen. Und deshalb finde ich eine geschlechterspezifische Forschung äußerst interessant und sinnvoll.
Und mit welchem Gefühl blicken Sie heute auf Ihre eigene Herzerkrankung?
Ich sage oft, mein Herz ist nicht krank, sondern mein Herz wurde repariert. Die kaputte Herzklappe wurde einfach durch eine neue ersetzt. Und der Schaden ist glücklicherweise so früh entdeckt worden, dass ich vermeiden konnte, noch andere Schädigungen am Herz zu haben. Das heißt, ich habe weder eine Linksherzvergrößerung, noch hat sich die Herzwand verdickt oder sonst irgendwas. Aber ich habe natürlich ein Ersatzteil in meiner Brust, eine Bioklappe.
Das versuche ich mit ein bisschen mit Humor zu nehmen und sage: Hey, halb so schlimm, ich habe Schwein gehabt. Ich habe rechtzeitig gemerkt, dass etwas mit dem Herz nicht in Ordnung ist, konnte mich sportlich fit halten und über die Jahre, in denen ich von meiner Herzklappenerkrankung wusste, mich mental auf eine mögliche Herzoperation vorbereiten. Und weil ich viele schädliche Einflüsse weggelassen haben, habe ich vielleicht auch erreicht, dass mein Herz in einem relativ gesunden Zustand repariert werden konnte.
Sie haben vor kurzem gesagt, dass man als Patient über einen Eingriff am Herzen anders nachdenkt als etwa über eine Knie-Op. Wie meinten Sie das?
Das Herz ist der Motor unseres Körpers. Wenn es nicht mehr schlägt, ist es vorbei mit uns. Deshalb ist es ein ganz besonderes Organ und nicht einfach zu ersetzen. Es ist etwas sehr Psychologisches, wenn man weiß, dass sein Herz für eine Weile nicht eigenständig schlagen wird, sondern die Herz-Lungen-Maschine seine Tätigkeit übernimmt, während das Herz repariert wird. Dann fragt man sich insgeheim, ob das Herz wohl wieder anspringt, wenn die Maschine abgeschaltet wird. Das ist es, was eine Herz-Operation von allen anderen Operationen, die man im Laufe seines Lebens über sich ergehen lassen muss, unterscheidet.
Also ein sehr emotionaler Aspekt für Sie. Nun werden Emotionen ja gerne als „Frauending“ eingestuft. Wie sehen Sie das mit Blick auf Herzerkrankungen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Männer emotionsloser an ihre Herzerkrankung herangehen als Frauen, sie reden nur nicht darüber. In der Herzklinik, in der ich war, habe ich erlebt, dass viele Männer, auch viele ältere Patienten, genauso betroffen und aufgeregt wie die anwesenden Frauen waren.
Ich erinnere mich auch, dass die Klinik darauf hingewiesen hat, sich direkt vor einer anstehenden Herzklappen-Operation bitte keine Informationsfilme mehr anzuschauen und auch nicht mehr im Internet nachzugoogeln. Das ist richtig. Ab einem gewissen Punkt muss man als Patient Vertrauen in die Ärzte haben. Ich denke, diese Mahnung richtet sich besonders an die Männer, denn die wollen oft von der technischen Seite an ein Problem herangehen und wissen, wie alles funktioniert – vielleicht auch, um Emotionen besser im Griff zu haben.
Vielen Dank für dieses Gespräch.
Die Fragen stellte Medizinredakteurin Ruth Ney
Nele Neuhaus, 55, geboren in Münster/Westfalen, lebt seit ihrer Kindheit im Taunus. Sie ist die erfolgreichste Krimiautorin Deutschlands. Sie hat 27 Bücher geschrieben, ihre Romane erscheinen in 35 Ländern und in einer Gesamtauflage von mehr als elf Millionen Exemplaren. Neben den Taunuskrimis schreibt die leidenschaftliche Reiterin Pferde-Jugendbücher und Unterhaltungsliteratur. Die Fernsehfilme nach ihren Taunuskrimis erreichten ein Millionenpublikum, Band 10 mit dem Titel „In ewiger Freundschaft“ erschien Ende 2021. Mit dem Schreiben hat die Autorin schon als Mädchen begonnen. Heute setzt sie sich mit ihrer Nele Neuhaus Stiftung für die Lese- und Schreibfähigkeiten von Kindern und Jugendlichen ein. Seit 2022 ist sie zudem Botschafterin der Deutschen Herzstiftung.
Unser Informationsmaterial
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Herzkrankheiten bei Frauen
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Bluthochdruck: hilfreiche Entspannungstechniken
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dolce vita - Herzgesunde Lebensweise
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