Sprechstundenfrage

Ist Mitral-Clipping zu empfehlen?

Viele Herzklappen-Erkrankungen lassen sich heute schonend per Katheter behandeln, also ohne eine belastende OP am offenen Herzen. Allerdings ist ein Katheter-Eingriff trotz der immer besseren Machbarkeit nicht in jedem Fall auch tatsächlich ratsam. Bei der Mitralklappe z. B., die sich zwischen dem linken Vorhof und der linken Kammer befindet, sollte die Pumpkraft des Herzens bestimmte Mindestwerte aufweisen, wie der Chefredakteur der Herzstiftung in der folgenden Sprechstunden-Antwort erläutert. Zudem sollten Sie bei der Auswahl der Klinik auf einen wichtigen Punkt achten.

Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:

Meine Mutter macht mir Sorgen. Sie ist 84 Jahre alt, geistig fit und liebt das Leben. In letzter Zeit aber hat sie immer größere Probleme, ihre Wohnung im ersten Stock zu erreichen. Auf halbem Wege schon bleibt sie auf der Treppe stehen, hält sich am Geländer fest und atmet schwer. Der Grund für die Schwäche wurde rasch gefunden: Der Kardiologe diagnostizierte eine Schlussunfähigkeit der Mitralklappe und riet angesichts des Alters meiner Mutter zum Mitral-Clipping, einem Kathetereingriff, um die defekte Klappe zu reparieren.

Nun habe ich kürzlich in der Zeitung gelesen, dass dieses Verfahren in einer großen Studie enttäuschende Ergebnisse gezeigt hat. In dem Artikel stand, dass sich der Mitral-Clip nicht besser erwiesen habe als eine Therapie mit Medikamenten. Die Medikamentengabe aber hatte bei meiner Mutter keinen ausreichenden Erfolg. Wie beurteilen Sie die Situation? Sollte sich meine Mutter zum Kathetereingriff und zum Mitral-Clip entschließen? (Susanne H., Greifswald)

Experten-Antwort:

Das sogenannte Mitral-Clipping wird heute weltweit bei vielen Tausenden Patienten angewandt.

Dazu wird ein Clip mithilfe eines Katheters über das Gefäßsystem bis zum Herzen vorgeschoben; die undichten Anteile der Herzklappensegel werden sodann mit dem Clip erfasst und abgedichtet. Es hat sich herausgestellt, dass sich damit bei der Mehrzahl der Patienten mit schwerer Schlussunfähigkeit der Mitralklappe (Mitralklappeninsuffizienz) die körperliche Leistungsfähigkeit bessern und die Atemnot bei Belastung lindern lässt. Welchen Patienten ein Mitral-Clipping hilft, ist jedoch nicht einfach vorherzusagen.

Studien zu Mitral-Clipping widersprüchlich

Kürzlich wurden eine französische und eine amerikanische Studie zum Mitral-Clipping publiziert. Das Ergebnis der französischen Studie war, dass der Mitral-Clip weder die Lebensqualität noch die Leistungsfähigkeit der Patienten verbessern kann. Die amerikanische Studie hingegen wies nach, dass sich die Leistungsfähigkeit der Betroffenen erhöhte, die Zahl der Krankenhausaufenthalte abnahm und sich die Lebenserwartung innerhalb von zwei Jahren verbesserte. Wie lassen sich diese unterschiedlichen Studienergebnisse erklären?

Schaut man sich die Studiendaten genauer an, zeigt sich, dass die Patienten, die an der französischen Studie teilnahmen, deutlich kränker waren: Die Pumpkraft ihrer linken Herzkammer (die linksventrikuläre Funktion) war stärker eingeschränkt und die Patienten befanden sich bereits in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Mitralklappeninsuffizienz. Anders in der amerikanischen Studie: Bei diesen Patienten war die linksventrikuläre Funktion besser und die Mitralklappeninsuffizienz weniger weit fortgeschritten. Es könnte also sein, dass man nicht bis zum Allerletzten warten darf, bis man das Mitral-Clip-Verfahren anwendet.

Auf die richtige Klinik-Wahl achten

Eine weitere Erklärung für den unterschiedlichen Ausgang der beiden Studien ist, dass an der französischen Studie Zentren beteiligt waren, die nur geringe Erfahrung mit dem Mitral-Clipping hatten – man weiß aber, dass die Erfahrung beim Anwenden einer neuen Technik von entscheidender Bedeutung ist.

Was folgt aus all dem für den Patienten, der sich entscheiden muss: Soll er nun Ja oder Nein zum Mitral-Clip sagen? Um sich für das Mitral-Clipping zu entscheiden, sollte die Auswurffraktion – ein Maß für die Pumpkraft des Herzens – noch zwischen 30 und 40 Prozent liegen. Ist der Herzmuskel dagegen so schwach, dass die Auswurffraktion z. B. nur noch bei rund 15 Prozent liegt, kann der Mitral-Clip nichts mehr nutzen.

Meine Empfehlung:

Wenn die Herzschwäche Ihrer Mutter nicht zu ausgeprägt ist, kann sie sich für ein Mitral-Clipping entscheiden – sofern der Arzt festgestellt hat, dass ihre Atemnot und Leistungsschwäche tatsächlich auf einer schweren Mitralklappeninsuffizienz beruhen. Ist das gegeben, sollten Sie sich an ein Zentrum wenden, das große Erfahrung mit dieser Technik hat und über 100 Eingriffe pro Jahr ausführt. Das gibt Ihrer Mutter die besten Chancen. Nach der Zahl der Eingriffe kann man als Patient in der Klinik übrigens problemlos fragen und sollte Ihnen wider Erwarten diese wichtige Antwort verweigert werden, kann man sich durchaus überlegen, eine andere Klinik aufzusuchen.

Experte

Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
Portrait von Prof. Thomas Meinertz

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4 Kommentare
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Rüdiger W. Nachterstedt

Unmittelbar nach der OP tut bei mir eine starke Verbesserung der Atemnot ein. Meine Pumpkraft lag bei 30%.

Rolf Siegen

Die MI-Erklärung ist für einen Laien sehr gut dargestellt. Meine Frau ist eine Betroffene. Danke

Hans B. Ingolstadt

Der Beitrag kommt für mich gerade zur richtigen Zeit, ich bin auch ein „Betroffener“.

Ingelore M. MARL

Habe hier zum 1. Mal von dem Herz-Clipping-Verfahren gelesen. Danke für die Info.