Stellungnahme

Aortenklappenstenose: Op oder Katheter (TAVI)?

Eine verkalkende Verengung der Aortenklappe ist im Alter häufig. Aktuelle Studiendaten könnten die Wahl erleichtern, welcher Weg zum Ersatz passt.

Altersgrenze für TAVI in der Diskussion

Erkrankungen der Herzklappen nehmen mit höherer Lebenserwartung der Bevölkerung an Häufigkeit zu. Vor allem die verkalkende Verengung (Stenose) der Aortenklappe steht dabei im Vordergrund. Sie ist eine typische Erkrankung des höheren Lebensalters. Gerade in den letzten Jahren hat sich hier sehr viel getan – beim Klappenersatz selbst als auch bei den Verfahren, wie eine Aortenklappe ersetzt werden kann. Viel diskutiert wird hier zum Beispiel, in welchen Fällen und vor allem in welchem Alter eine Operation (meist mit Öffnung des Brustkorbs) am besten geeignet ist und wann eine Herzkatheter-basierte Klappenimplantation (TAVI = Transcatheter Aortic Valve Replacement) vorteilhaft ist.

Bei älteren Patienten (ab 75 Jahre) mit hochgradiger Aortenklappenstenose sowie bei Patienten mit einem hohen operativen Risiko gilt zum Beispiel inzwischen der kathetertechnische Ersatz der Aortenklappe (TAVI ) als das Behandlungsverfahren der ersten Wahl. Intensiv unter Kardiologen und Herzchirurgen diskutiert wird allerdings weiterhin die Frage: Wann ist dieses Verfahren auch für Patienten mit niedrigem Operationsrisiko und mit jüngerem Alter zu empfehlen? Eine kürzlich publizierte Studie (DEDICATE) könnte hier künftig bei der Entscheidungsfindung helfen.

Studie mit Unterstützung der Herzstiftung

Primär zielte diese in Deutschland durchgeführte Studie darauf ab, zu prüfen, ob zwischen beiden Verhandlungsverfahren – TAVI oder Operation – Unterschiede hinsichtlich der Sterblichkeit (Tod jedweder Ursache) sowie dem Auftreten nicht-tödlicher Schlaganfälle bestehen. Denn speziell bei der TAVI wird befürchtet, dass es durch gelöste Trümmer der Stenose beim Einsetzen der neuen Klappe zu einer Embolie und einem Schlaganfall kommen könnte. Die Studie war eng zwischen Kardiologen und Herzchirurgen abgestimmt. Sie wurde geleitet von Professor Stefan Blankenberg vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Professor  Jochen Cremer vom Universitätsklinikum Schleswig Holstein in Kiel und wurde von der Charité in Berlin und Herzchirurg Professor Dr. Volkmar Falk aktiv begleitet und geprägt.

Prof. Volkmar Falk, Charité Berlin:

Zunächst einmal ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Studie dank der Förderung durch das DZHK (Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung) und die deutsche Herzstiftung – anders als vergleichbare Studien in den USA – unabhängig und ohne Sponsoring von den Herstellern der Herzklappen durchgeführt werden konnte. Da das TAVI Verfahren in Deutschland sowohl von Kardiologen und Herzchirurgen durchgeführt wird, sind die sehr guten Ergebnisse auch ein Ausdruck der erfolgreichen Arbeit unserer Heart-Teams."   

Insgesamt haben 1414 Patienten ab einem Alter von 65 Jahren mit hochgradiger symptomatischer Aortenklappenstenose an der Studie, die auch von der Deutschen Herzstiftung mit unterstützt wurde, teilgenommen. Das Operationsrisiko der Studienteilnehmer war generell als eher gering eingestuft worden. Nach dem Zufallsprinzip erhielten die Patienten dann entweder mit dem TAVI-Verfahren oder chirurgisch eine neue Aortenklappe. Die Kliniken waren in der Entscheidung frei, welchen Klappentyp sie verwendeten. Beide Patienten-Gruppen unterschieden sich nicht in der Geschlechtsverteilung, in der klinischen Ausgangssituation und im Schweregrad der Stenose. Auch die Altersverteilung war ähnlich.

Aktuell wurden nun die Ergebnisse aus dem ersten Jahr nach dem Eingriff vorgestellt. Danach war die TAVI der offenen Chirurgie auch bei jüngeren Patienten mit einem niedrigen Operationsrisiko nicht unterlegen. 

 Prof. Stefan Blankenberg, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf:

„Die Studie hat erstmals die medizinische Routinebehandlung der Aortenklappenstenose gespiegelt und besitzt daher einen besonders hohen Wert für die klinische Versorgung im Alltag. Die Behandlung der Aortenklappenstenose mittels TAVI sollte nun auch für jüngere Patient:innen in Erwägung gezogen werden. Die exzellenten Ergebnisse der TAVI Behandlung wurden in den hervorragenden Strukturen erzielt, in welchen diese in Deutschland derzeit stattfindet",

Weniger Todesfälle in der TAVI-Gruppe

So lag die Häufigkeit des kombinierten Studienendpunktes von Tod und Schlaganfall in der chirurgischen Gruppe bei 10 Prozent und in der TAVI-Gruppe bei 5,4 Prozent.
Wurden nur die Todesfälle allein betrachtet, starben in der chirurgisch behandelten Gruppe 6,4 Prozent der Patienten und in der kathetertechnisch behandelten Gruppe nur 2,6 Prozent der Patienten. Auch die Häufigkeit von Schlaganfällen war in der chirurgisch behandelten Gruppe deutlich höher (4,7 % versus 2,9 % ). Neu aufgetretenes Vorhofflimmern wurde zudem bei 12,4 Prozent der Patienten nach TAVI und bei 30,8 Prozent der Patienten nach Operation festgestellt.

TAVI hatte auch Nachteile

Diese bemerkenswert günstigen Ergebnisse in der kathetertechnisch behandelten Patientengruppe wurden allerdings auch von einigen Nachteilen begleitet: In der TAVI-Gruppe waren zum Beispiel doppelt so viele Schrittmacherimplantationen notwendig wie in der chirurgischen (11,8 % versus 4,7 %). Auch Gefäßkomplikationen waren in der TAVI-Gruppe deutlich häufiger als in der chirurgischen (7,9 % versus 0,7 %).

Fazit:

Zumindest im ersten Jahr nach Durchführung des Eingriffs scheint die kathetertechnische Implantation der Aortenklappe vorteilhafter als eine chirurgische Maßnahme zu sein – auch mit Blick auf die schnellere Rückkehr in den Alltag. Die weitere Beobachtung der Patienten wird zeigen, ob die Überlegenheit auch während der nachfolgenden Jahre bestehen bleibt. Definitive Aussagen sollen dazu die 5-Jahres-Daten von DEDICATE ermöglichen. Weitere Studien sind zudem nötig, um zu klären, ob sich die Daten auch auf Patienten mit bikuspider Aortenklappe (betrifft etwa zwei Prozent der Bevölkerung) übertragen lassen. Diese waren von der Studie nämlich ausgeschlossen. Die bis heute vorliegenden Beobachtungen über bis zu zehn Jahre nach Aortenklappenersatz zeigen bislang keinen eindeutigen Unterschied in der Klappenhaltbarkeit zwischen den beiden Implantations-Verfahren.

  1. DEDICATE: Transcatheter or Surgical Treatment of Aortic-Valve Stenosis; DOI: 10.1056/NEJMoa2400685
  2. Another Early Win for TAVI in Low-Risk Patients; DOI: 10.1056/NEJMe2402934

Experte

Professor Dr. med Volkmar Falk
Bild von Prof. Volkmar Falk

Experte

Prof. Stefan Blankenberg
 Bild von Prof. Blankenberg
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