Das Herz ist der Motor des Lebens. Wir sind darauf angewiesen, dass es gut funktioniert. Was passiert, wenn der Motor seine Kraft verliert, schlapp macht, sodass es zu einer chronischen Herzschwäche kommt?
Die chronische Herzschwäche ist ein Zustand, bei der die Pumpkraft des Herzens so weit abnimmt, dass nicht mehr genügend Blut und damit Sauerstoff und Nährstoffe zu Organen wie Gehirn, Nieren oder Muskeln gepumpt werden. Das hat schwerwiegende Folgen: Der ganze Körper wird in Mitleidenschaft gezogen. Es kommt nicht nur zu einschneidenden Beschwerden, in ihrem fortgeschrittenen Stadium bedroht die Herzschwäche das Leben des Patienten. Je früher die Herzschwäche (Herzinsuffizienz) erkannt wird, umso eher kann man mit den heutigen Therapiemöglichkeiten die fatale Entwicklung der Krankheit aufhalten oder verlangsamen.
Wie erkennt man die chronische Herzschwäche?
Die chronische Herzschwäche beginnt schleichend mit Atemnot und einer Abnahme der Leistungsfähigkeit. Zunächst können die Beschwerden ganz unspektakulär sein. Zum Beispiel: Immer hat man mit Freunden eine Wanderung gemacht. Das gibt man auf, weil es bergan zu anstrengend ist. Zu Bahn und Bus rennt man nicht mehr, weil man schnell außer Atem kommt. Wenn man die Treppe hinaufsteigt, geht einem die Luft aus, sodass man zwischendurch stehen bleiben muss. Man ist müde, abgeschlagen, an den Fußgelenken und am Fußrücken stellen sich Wassereinlagerungen ein, die wie Schwellungen aussehen: sogenannte Ödeme. Sie sind dadurch zu erkennen, dass durch Druck mit einem Finger bleibende Dellen in dem geschwollenen Bereich, z. B. an den Fußgelenken, entstehen.
Viele, besonders alte Menschen, haben diese Symptome – oft ohne zu wissen, dass sie an einer Herzkrankheit leiden.
Die Herzschwäche ist weit verbreitet. In Deutschland wird die Zahl der Patienten mit Herzschwäche auf drei bis vier Millionen geschätzt. Mehr als 40 000 sterben jährlich an dieser Krankheit. Trotzdem erhält die Herzschwäche nicht die nötige Aufmerksamkeit. Die Patienten neigen dazu, Atemnot, Leistungsschwäche und Knöchelödeme nicht wahrzunehmen oder auf das Alter zu schieben. Auch manche Ärzte widmen ihr zu wenig Aufmerksamkeit. Häufig werden mildere Zeichen einer Herzmuskelschwäche auf das zunehmende Alter geschoben. Der Patient bemerkt erst dann, wenn die Wasserüberladung durch Medikamente beseitigt ist, wie gut es ihm eigentlich gehen könnte.
Was sind die Ursachen der Herzschwäche?
Herzschwäche ist keine eigenständige Erkrankung. In ihr münden andere Herzkrankheiten – bei Weitem am wichtigsten: die koronare Herzkrankheit und hoher Blutdruck, allein oder gemeinsam mit Diabetes. Besonders gefährlich wird es, wenn koronare Herzkrankheit, hoher Blutdruck und Diabetes gemeinsam auftreten. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit einer Herzschwäche und ihrer Komplikationen, aber auch das Sterberisiko überproportional an. Auch die Dreierkombination Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes erhöht das Risiko eine Herzschwäche zu entwickeln um ein Vielfaches.
Wie führt die koronare Herzkrankheit zum schwachen Herzen?
Während eines Herzinfarkts stirbt Herzmuskelgewebe ab und wird durch Narbengewebe ersetzt. Geht viel Herzmuskelgewebe während eines Herzinfarkts verloren, kann die Herzschwäche unmittelbar nach dem Infarkt auftreten. Häufig ist der Patient jedoch nach einem Herzinfarkt in seiner Leistungsfähigkeit noch wenig eingeschränkt. Die Verschlechterung des Befindens tritt erst später ein, wenn Umbauprozesse des Herzmuskels (kardiales Remodeling) das Herz weiter schädigen. Der Körper reagiert auf den Verlust von Herzmuskelgewebe durch den Infarkt damit, dass er Stresshormone ausschüttet, wie Adrenalin und Noradrenalin, und auch die Produktion von Renin, Angiotensin II und Aldosteron erhöht – drei Hormone, die die Gefäße verengen. Kurzfristig wird dadurch der Kreislauf stabilisiert. Aber auf Dauer bewirken diese Hormone eine weitere Schädigung oder einen Untergang von Herzmuskelzellen.
Wie wirkt der hohe Blutdruck auf das Herz?
Eine chronische Druckbelastung des Herzens, wie sie bei einem erhöhten Blutdruck vorliegt, führt zu einer Zunahme der Herzmuskeldicke. Diese Veränderung nennt man Herzmuskelhypertrophie. Das Herz wird schwerer und größer. Leistungsfähiger wird es dadurch nicht. Im Gegenteil: Je größer das Herz durch den Bluthochdruck wird, desto schwächer wird es. Hoher Blutdruck ist auch die wichtigste Ursache einer anderen Form der chronischen Herzschwäche, die weniger bekannt, aber weit verbreitet ist: die diastolische Herzschwäche (im Fachjargon: Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion). Bei der diastolischen Herzschwäche hat der Herzmuskel seine Elastizität verloren. Die linke Herzkammer kann nicht ausreichend Blut aufnehmen und deshalb wird – selbst wenn die Pumpkraft des Herzens erhalten ist – zu wenig Blut in den Organismus ausgeworfen. Durch die steife Herzkammer staut sich das Blut vor der linken Herzkammer in die Lunge, was zu Luftnot bei Belastung und im Extremfall sogar zu Luftnot in Ruhe führt.
Welche anderen Ursachen können zu einem schwachen Herzen führen?
Defekte Herzklappen, angeborene Herzfehler, entzündliche Herzerkrankungen wie Myokarditis, dilatative Cardiomyopathie, Alkohol- und Drogenmissbrauch und anderes. Aber diese Ursachen sind insgesamt nur für etwa 20–30 % der Fälle von Herzschwäche verantwortlich.
Wie wird die Herzschwäche diagnostiziert?
Jeder, der unter Atemnot leidet, sollte den Arzt aufsuchen, um zu klären, ob es sich um eine Herzkrankheit handelt. Der Arzt erfährt viel durch die Vorgeschichte des Patienten und die körperliche Untersuchung. Bedeutsam sind die sichtbaren Stauungszeichen: Wassereinlagerungen in der Lunge zeigen, dass die linke Herzkammer erkrankt ist. Bei lang bestehender Schwäche der linken Herzkammer mit Drucksteigerung im Lungenkreislauf kommt es auch zu einer Überlastung der rechten Herzkammer und zu Wassereinlagerungen in den Gelenken, besonders im Unterschenkel. Im fortgeschrittenen Stadium kann sich Körperflüssigkeit in der freien Bauchhöhle (Aszites) stauen oder zwischen Rippenfell und Lunge die Entfaltung der Lunge und damit das Atmen behindern (Pleuraerguss). Eine Erweiterung der großen Halsvenen, insbesondere im Liegen, zeigt, dass die rechte Herzkammer nicht mehr genug Blut aufnehmen kann. Wenn auch nur der geringste Verdacht auf eine Herzschwäche besteht, hat der Hausarzt die Aufgabe, den Patienten an einen Kardiologen zu überweisen, damit die Herzschwäche sicher diagnostiziert und behandelt werden kann. Leider kommt es immer wieder vor, dass die Überweisung zum Facharzt oder in eine Spezialambulanz für Herzinsuffizienz unterbleibt und dadurch die Chancen sinken, die Herzschwäche wirksam zu bekämpfen.
Welche Untersuchungen sind nötig?
Die beste Beurteilung der Herzfunktion ermöglicht die Ultraschalluntersuchung (Echokardiographie). Dadurch ist zu erkennen, ob der Herzmuskel dicker oder dünner geworden ist, ob der gesamte Herzmuskel oder nur bestimmte Wandabschnitte geschädigt sind. Zu sehen ist auch, ob Herzklappendefekte Ursache der Herzschwäche sind. Das EKG kann den Arzt auf eine Vergrößerung der linken Herzkammer oder eine Verdickung des Herzmuskels hinweisen. Das EKG kann auch Hinweise auf einen zurückliegenden Herzinfarkt geben. Das Belastungs-EKG zeigt, inwieweit die körperliche Belastbarkeit des Patienten eingeschränkt ist, und kann auf eine koronare Herzkrankheit hinweisen. Manchmal ist eine Röntgenaufnahme nötig, um genaue Vorstellungen von der Herzgröße zu bekommen. Sie dient auch dazu, die Flüssigkeitseinlagerungen in der Lunge nachzuweisen. Häufig ist eine Katheteruntersuchung des Herzens angezeigt. Sie gibt genaue Auskunft über die Pumpfunktion der rechten und linken Herzkammer und die Funktion der Herzklappen. Insbesondere kann eine koronare Herzkrankheit als Ursache der Herzschwäche nachgewiesen werden. Bei den Laboruntersuchungen ist ein Biomarker interessant: NT-proBNP.
Was zeigt dieser Biomarker?
NT-proBNP (N-Terminal pro-Brain Natriuretic Peptide) ist das Bruchstück eines Eiweißhormons, das bei Erhöhung der Wandspannung des Herzens, die ein Zeichen für seine Überlastung ist, vermehrt freigesetzt wird. Ist dieser Biomarker nicht erhöht (unter 125 pg/ml), handelt es sich um eine Luftnot, die unabhängig von Herzschwäche entstanden ist, sodass nach anderen Ursachen gesucht werden muss. Sind die Werte erhöht (gleich oder über 125pg/ml), ist es zwingend notwendig, den Patienten zum Kardiologen zu überweisen, damit die Herzschwäche abgeklärt wird. Weiterhin können erhöhte NT-proBNP-Spiegel als Maß dienen, wie gut eine Therapie mit Medikamenten anspricht. Die Patienten sollten unter Therapie die für sie möglich niedrigsten NT-proBNP-Konzentrationen erreichen. Daran kann man die Therapieeffekte ablesen.
Wenn die Diagnose Herzschwäche feststeht – auf was muss sich der Patient gefasst machen?
Er muss wissen, dass die chronische Herzschwäche die Tendenz hat fortzuschreiten. Die Pumpkraft des Herzens nimmt bei vielen Patienten mit der Zeit immer weiter ab. Um das Fortschreiten der Krankheit zu charakterisieren, nutzen die Ärzte die Einteilung der New York Heart Association (NYHA-Klasse). Anfangs rufen nur große Anstrengungen Beschwerden hervor, später auch kleine. Ist die Erkrankung fortgeschritten, kann es zu Komplikationen kommen: Bei vielen Patienten werden die Nieren im Lauf der Zeit geschädigt, sodass sie nicht mehr ausreichend Wasser und Salz ausscheiden. Häufig treten Herzrhythmusstörungen auf, die das Herz belasten. Blutarmut und Eisenmangel können den Gesundheitszustand weiter verschlechtern. Ziel der modernen Therapie der Herzschwäche ist es, in die Mechanismen einzugreifen, die nach heutigem Wissen zum Fortschreiten der Erkrankung beitragen, um die Verschlechterung der Krankheit aufzuhalten oder sie zumindest zu verlangsamen. Die Chancen dafür sind umso besser, je früher die Herzschwäche erkannt wird.
Wie sieht heute das Therapiekonzept aus?
Die Therapie ist nicht nur darauf ausgerichtet, das Leben zu verlängern, sondern die Beschwerden so zu bessern, dass ein glückliches Leben möglich bleibt. Das Konzept umfasst fünf verschiedene Vorgehensweisen, die je nach Diagnose und Schwere der Erkrankung zur Anwendung kommen: Behandlung der Ursachen, Medikamente, Bewegung als Therapie, spezifische Schrittmacher, Defibrillator als Schutz vor lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen.
Behandlung der Grundkrankheit – was bedeutet das?
Die Behandlung der Grundkrankheit ist die beste Strategie gegen die Herzschwäche, weil ihr dadurch der Boden entzogen wird. Zum Beispiel durch gewissenhafte Einstellung des hohen Blutdrucks, Kathetereingriffe oder Bypassoperation, um bei koronarer Herzkrankheit schlecht durchblutetes Gewebe wieder zu aktivieren, Operation oder Kathetereingriffe zum Ersatz defekter Herzklappen.
Was erreichen Medikamente?
Betablocker schirmen das Herz gegen die Stresshormone ab. ACE-Hemmer und Sartane, ebenso MRAs (Aldosteron-Rezeptorantagonisten), verhindern schädliche Umbauprozesse und steigern die Leistungsfähigkeit des Herzens. Wenn diese Medikamente nicht wie gewünscht wirken, gibt es ein neues Medikament, das zu einer Senkung der Sterblichkeit und Verbesserung der Lebensqualität führt. Es handelt sich um Sacubitril/Valsartan. Bislang wird den europäischen Leitlinien entsprechend Sacubitril/Valsartan nur für Patienten empfohlen, die trotz der Behandlung mit Betablockern, ACE-Hemmern/Sartanen und MRAs noch eine deutlich reduzierte Pumpfunktion (Auswurffraktion* unter 35 %) und weiterhin Symptome der Herzschwäche aufweisen. Diuretika fördern die Entwässerung des Körpers und entlasten dadurch das Herz. Eine Behandlung mit Herzglykosiden (Digitalispräparaten) kommt heutzutage nur in schweren Fällen vor oder bei Patienten, die zusätzlich Vorhofflimmern mit deutlich zu hohen Herzfrequenzen trotz einer Therapie mit Betablockern haben.
Was heißt: Bewegung als Therapie?
Früher galt: Bei Herzschwäche muss man sich körperlich schonen. Heute weiß man: Bewegung hilft. Untersuchungen zum regelmäßigen Ausdauertraining an vielen Hundert Patienten haben gezeigt: Die Leistungsfähigkeit lässt sich um 10–25 % verbessern – je nach Intensität und Dauer des Trainingsprogramms. Außerdem wird erreicht, dass die Zahl der Krankenhauseinweisungen zurückgeht und die Prognose sich verbessert. Bei Herzschwäche empfehlen sich körperliche Aktivitäten, bei denen viel Bewegung mit vergleichsweise geringem Kraftaufwand möglich ist: Spazierengehen, Wandern, Nordic Walking, Radfahren. Allerdings: Vor Aufnahme eines körperlichen Trainings muss beim Kardiologen mit Ergometrie oder Spiroergometrie überprüft werden, wie gut die aktuelle körperliche Belastbarkeit ist und wie hoch sich der Patient optimal belasten sollte. Es hat sich bewährt, das Training in einem Herzzentrum oder einer Rehaklinik unter Aufsicht eines Sporttherapeuten oder Kardiologen zu beginnen, damit Überlastungen vermieden werden.
Wann werden Schrittmacher eingesetzt?
Die sogenannte Resynchronisationstherapie (CRT) mit speziellen Schrittmachern ist für Patienten bestimmt, bei denen eine Störung der Erregungsleitung im Herzen (Linksschenkelblock) festgestellt wurde. Dann zieht sich der Herzmuskel nicht gleichzeitig zusammen und arbeitet ineffizient. Durch den CRT-Schrittmacher kann das Herz wieder synchron arbeiten und wird dadurch leistungsfähiger. Eine ganz andere Aufgabe hat der Defibrillator: Patienten mit Herzschwäche, bei denen die Auswurffraktion* unter 35 % liegt, sind durch eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung – das Kammerflimmern – gefährdet. Davor kann der Defibrillator schützen.
Wenn trotz der heutigen Therapiemöglichkeiten die Krankheit fortschreitet, was dann?
Im Endstadium bleibt nur die Herztransplantation. Allerdings haben sich die Chancen der Patienten dadurch verbessert, dass künstliche Herzen – sogenannte Assist-Systeme – zur Verfügung stehen, die die Zeit, bis ein passendes neues Herz gefunden ist, überbrücken.
Was kann der Patient selbst tun?
Auch die beste Therapie kann nicht erfolgreich sein, wenn der Patient sich nicht daran hält, z. B. Medikamente weglässt, vergisst oder zu bequem ist, um die Empfehlung zur Bewegungstherapie zu befolgen. Engagierte Mitarbeit des Patienten ist bei der chronischen Herzschwäche besonders wichtig. Ein gesunder Lebensstil mit allem, was dazugehört (Bewegung, gesunde Ernährung, Verzicht auf Rauchen und zu viel Alkohol), sollte sich von selbst verstehen. Es ist sinnvoll, immer wiederkehrenden Überwässerungen zu begegnen. Allen Patienten mit Herzschwäche, die eine Tendenz zur Wassereinlagerung haben, wird dringend geraten, sich täglich zu wiegen, um Entgleisungen der Herzschwäche, die zur Verschlechterung der Krankheit und zu Krankenhausaufenthalten führen, rechtzeitig zu bemerken.
Kann Herzschwäche nicht schleichend, sondern auch ganz plötzlich auftreten?
Ja, dann kommt es zu plötzlich auftretender, oft bedrohlicher, rasch voranschreitender Luftnot und Schwäche. Das charakterisiert die akute Herzschwäche. Die akute Herzschwache kann auftreten, wenn eine chronische Herzschwache entgleist, z. B. durch starke Druckbelastung bei sehr hohem Blutdruck, durch Herzrasen bei Vorhofflimmern, bei plötzlicher Verschlechterung der Herzschwache, wenn z. B. der Patient die verordneten Herzmedikamente eigenmächtig abgesetzt hat. Aber die akute Herzschwache kann auch auftreten, wenn eine Herzkrankheit nicht bekannt ist, z. B. durch einen Herzinfarkt, durch Myokarditis (Herzmuskelentzündung), durch herzschädigende Medikamente, z. B. eine Chemotherapie bei Krebserkrankung. Eine akute Herzschwache ist immer eine lebensbedrohliche Situation, die dringend sofortiger Behandlung bedarf. Dann muss über den Anruf bei der 112 die Notaufnahme eines Krankenhauses in Anspruch genommen werden. Dabei wird auch die auslösende Ursache erkannt und behandelt und eine Dauertherapie eingeleitet.
Immer wieder ins Krankenhaus eingewiesen zu werden – das müssen viele herzschwache Patienten erleben.
Die Krankenhausaufenthalte sind bei Herzschwäche ein großes Problem. Jedes Jahr werden mehr als 465 000 Patienten wegen Herzschwäche ins Krankenhaus eingewiesen. Wenn Patient und Arzt aufmerksam den Verlauf der Herzschwäche verfolgen, lassen sich diese Krankenhausaufenthalte oft vermeiden. Eine große Hilfe ist die tägliche Aufzeichnung des Gewichts. Wenn das Gewicht um mehr als 2 kg in drei Tagen steigt, ist das ein Warnsignal dafür, dass die Herzschwäche sich verschlechtert. Dann muss der Arzt oder die Herzambulanz aufgesucht werden, damit rechtzeitig gegengesteuert werden kann und ein Krankenhausaufenthalt vermieden wird. Um den Patienten vor den gefürchteten Krankenhausaufenthalten zu schützen, hat man eine Reihe von Betreuungsprogrammen entwickelt.
Wie sehen diese Programme aus?
Krankenschwestern rufen in enger Zusammenarbeit mit Kardiologen des Herzzentrums und den Hausärzten die Patienten regelmäßig an und überwachen so ihr Befinden. Dadurch ließ sich in einer Würzburger Studie die Sterblichkeit deutlich reduzieren. Eine andere Form der Betreuung sind telemedizinische Überwachungen. Einige wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass durch die telemedizinische Überwachung von CRT- und ICD-Geräten nicht nur Gerätedefekte, sondern auch Verschlechterungen der Herzschwäche frühzeitig erkannt werden können. Hier gibt es Perspektiven, die Betreuung der Patienten zu verbessern. Wie wertvoll diese Konzepte sind, sollen weitere wissenschaftliche Studien klären. Ein neues implantierbares Gerät (CardioMEMS System) kann elektronisch den Druck in der Lunge direkt an das betreuende Herzzentrum übermitteln. Die Ärzte dort können dann über eine Anpassung der medikamentösen Therapie den Druck regulieren und den Patienten vor einem Krankenhausaufenthalt bewahren. Das hat die CHAMPION-Studie 2011, an der 550 Patienten mindestens 6 Monate lang teilnahmen, nachgewiesen. Der endgültige Nutzen dieses Verfahrens kann nur beurteilt werden, wenn es bei mehr Patienten über längere Zeit erprobt ist. Diese Forschung ist nötig, um die Krankenkassen zu überzeugen, die recht erheblichen Kosten dieses Systems zu tragen.
Patienten mit Herzschwäche leiden oft unter den Einschränkungen des Alltags, unter Zukunftsangst und Depressionen. Die technische Betreuung der Patienten wird immer besser. Aber die Patienten vermissen schmerzlich die persönliche Zuwendung des Arztes, der dafür keine Zeit mehr hat.
Die chronische Herzschwäche führt zu seelischen und sozialen Problemen. Deshalb ist das intensive Gespräch nicht nur mit dem Patienten, sondern auch mit seinen Angehörigen von größter Bedeutung. In diesen Gesprächen sollte es nicht nur um die regelmäßige medizinische Betreuung und die Medikamenteneinnahme gehen, sondern auch um Fragen, wie der Patient mit der Einschränkung seines Alltags zurechtkommt und welche Möglichkeiten ihm offenstehen. Oft entwickelt sich in der Herzschwäche eine Depression, sodass überlegt werden muss, wie dem Patienten geholfen werden kann. Herzinsuffizienzambulanzen an den großen Zentren können das leisten, weil sie meist eine psychotherapeutische Mitbetreuung organisiert haben. Auch viele Kardiologen haben sich in die Probleme herzschwacher Patienten hineingedacht und können die Patienten unterstützen. In Homburg/Saar wurde eine psychokardiologische Sprechstunde für Herzschwächepatienten eingerichtet. Dort arbeiten Kardiologen und Psychologen, die durch Gesprächstherapie, aber auch durch Testen der geistigen Leistungsfähigkeit Hilfe bei depressiver Verstimmung oder Angststörungen anbieten können.
Zum Schluss ein Satz, den jeder bis zum Überdruss gehört hat und den fast keiner ernst nimmt: Vorbeugen ist besser als heilen.
So ist es. Die Herzschwäche entwickelt sich in etwa 70 % der Fälle aus koronarer Herzkrankheit und hohem Blutdruck. Beide entstehen aus den bekannten Risikofaktoren wie Rauchen, falsche Ernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel. Eine Änderung des Lebensstils, die die Risikofaktoren in den Griff bekommt, ist die beste Waffe gegen Herzschwäche. Das hat eine große Studie (Djoussé et al. 2009) an über 20 000 amerikanischen Ärzten, die länger als 20 Jahre beobachtet wurden, gezeigt. Bei den Ärzten, die gesund und ohne Bluthochdruck lebten, war das Risiko für Herzschwäche halbiert. In Deutschland leiden zurzeit etwa drei bis vier Millionen Menschen an Herzschwäche. Überträgt man die amerikanischen Zahlen auf Deutschland und nimmt an, die Hälfte derer, die sich achtlos verhalten, entschieden sich für einen gesunden Lebensstil, so blieben Hunderttausende, die sonst krank geworden wären, von Herzschwäche, von Leiden und Komplikationen verschont. Ein Traum – aber ein Traum, über den nachzudenken sich lohnt.
Interview: Irene Oswalt
* Die Auswurffraktion (auch Ejektionsfraktion) ist ein Maß für die Pumpleistung des Herzens. Eine
Auswurffraktion von mehr als 50 % gilt als normal.
Experte
Prof. Dr. med. Michael Böhm, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung sowie Direktor der Klinik für Innere Medizin III am Universitätsklinikum des Saarlandes und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Zu den klinisch-wissenschaftlichen Schwerpunkten des Kardiologen zählen u. a. die Diagnostik und Behandlung von Herzschwäche-Erkrankungen.