Sprechstundenfrage

Hilft kontinuierliches Blutzuckermessen beim Abnehmen?

Aktueller Trend ist, auch als Nicht-Diabetiker seine Blutzuckerwerte kontinuierlich zu erfassen. So soll das Abnehmen leichter fallen. Klappt das?

Frau misst am Arm ihren Blutzucker mit einem Sensor
adobe.stock.com

Weniger Schwankungen des Blutzuckerspiegels sollen für Herz und Gefäße gesünder sein und angeblich auch beim Abnehmen helfen. Um die Schwankungen im Blick zu halten, wird im Internet und in den Sozialen Medien seit geraumer Zeit propagiert, einen kleinen Sensor zu nutzen, wie ihn sonst Diabetiker am Arm tragen, damit sie nicht immer wieder mit einem Piks Blut aus der Fingerbeere holen müssen. Was ist wissenschaftlich belegt zum Nutzen eines solchen kontinuierlichen Glucose-Trackings? Hier die Antwort unseres Experten. 

Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:

"Ich (40 Jahre) habe vor kurzem im Internet gelesen, dass man mit einem kleinen Chip, der auf den Oberarm aufgebracht wird und der rund zwei Wochen hält, seinen Blutzucker kontinuierlich kontrollieren kann. Wer es schafft, durch eine entsprechende Ernährung den Verlauf des Blutzuckerspiegels relativ konstant zu halten, der könne so auch leichter abnehmen. Da ich mit einigen Kilos zu viel auf den Rippen zu kämpfen habe, die ich aber bisher weder durch mehr Sport noch durch weniger Kalorien losgeworden bin, wäre ich froh, einen patenten Weg zur Gewichtsreduktion zu finden. Mein Hausarzt hat mir eine Gewichtsreduktion sehr ans Herz gelegt – weil auch mein Blutdruck leicht erhöht ist. Daher meine Frage: Wie funktioniert das mit dem Chip und wo bekommen ich den her? Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen. (Marianne K., Mannheim)!"

Antwort des Experten:

Bei medizinischen Trends, die über das Internet oder die Sozialen Medien gerade besonders beliebt sind, wie das angesprochene Glukose-Tracking, sollten Sie stets vorsichtig sein – gerade wenn die Trends vorrangig der Selbstoptimierung dienen. Das kontinuierliche Glucosemonitoring (CGM) ist offiziell indiziert bei Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes und einer intensivierten Insulintherapie Typ. Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der der Körper dauerhaft zu hohen Blutzuckerwerten ausgesetzt ist, entweder weil das körpereigene Hormon Insulin gar nicht mehr (Typ 1) oder nicht mehr ausreichend (Typ 2) produziert wird. Nur in den genannten Fällen übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten der Sensoren, die pro Monat deutlich über 100 Euro und mehr liegen.

Wer profitiert von kontinuierlicher Blutzuckerkontrolle?

Grundsätzlich ist das CGM eine feine Sache, die vielen Diabetikern das lästige Stechen in die Fingerbeere erspart. Denn die regelmäßige Kontrolle des Blutzuckers ist für sie essentiell, vor allem, damit sie ihr Insulin richtig dosieren können. Gerade älteren Menschen mit Diabetes fällt es zudem oft schwer, die Steckhilfen zu bedienen, ihre Fingerkuppen sind verhornt und sie haben Schwierigkeiten, das kleine Teststäbchen in das in das Messgerät zu stecken und ordentlich mit einem kleinen Bluttropfen zu treffen. Sich die Blutzuckerdaten auf einem Display anzeigen zu lassen, ist da natürlich viel einfacher.

Für Menschen ohne Diabetes oder Anzeichen eines Diabetes gibt es hingegen keine ärztliche Empfehlung, kontinuierlich den Blutzucker zu messen. Es fehlen auch bislang verlässliche wissenschaftlicher Daten, dass das Anpassen der Ernährung an die Blutzuckerkurve den erwünschten Erfolg, etwa einer Gewichtsreduktion, bringt. Die Risiken, die Messdaten ohne regelmäßige Zwischenkontrolle durch einen Arzt fehlzuinterpretieren und Fehler bei der Ernährungsumstellung zu machen, sind wiederum hoch. Außerdem sind die im Internet ohne Rezept erhältlichen CGM-Sensoren oft überteuert und teils von fraglicher Qualität. Dennoch kann es dem ein oder anderen CGM-Nutzer durchaus die Augen öffnen, welche Nahrungsmittel seinen Blutzucker in die Höhe treiben und wie körperliche Betätigung Blutzucker-senkend wirkt. Doch Blutzuckerspitzen lassen sich auch vermeiden, wenn Sie ein paar Tipps beherzigen. 

Tipps, um den Blutzucker stabil zu halten

Denn ihr Ziel abzunehmen und dadurch auch den Blutdruck zu senken, ist zu begrüßen. Grundsätzlich sollten daher auch Blutzuckerspitzen vermieden werden, weil das Heißhungerattacken fördert. Aus der Diabetesforschung weiß man zudem, dass chronisch erhöhter Blutzucker mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Folgen – auch fürs Herz – in Verbindung gebracht werden kann. 

Meine Tipps für ein gesundes Gewicht wären daher: 

  • Achten Sie auf eher wenige, dafür regelmäßige Mahlzeiten und verzichten Sie weitgehend auf Snacks zwischendurch. Hungergefühl zwischendrin ist eher positiv zu bewerten. Bei starkem Hunger kann natürlich etwas leichtes/kalorienarmes gegessen werden. 
  • Merke: Obst ist nicht Gemüse und Gemüse ist nicht Obst! Das heißt: Obst ist eher ein “Killer“ für die Blutzuckerspiegel wegen des hohen Zuckeranteils. Geben Sie daher Gemüse den Vorzug. Daran kann man sich nicht dick essen.
  • Essen Sie farbiges Gemüse nach dem Ampelprinzip rot-gelb grün. Das heißt: auf den Teller gehören stets alle Farben, zum Beispiel Paprika oder Tomaten (rot), Karotten (gelb), Zucchini oder Salat (grün).
  • Fisch oder mageres Fleisch als Eiweißlieferanten sollten ein Sechstel bis maximal ein Drittel der Portion auf dem Teller ausmachen.
  • Auch Eier dürfen auf den Teller – am besten ohne Eigelb.
  • Quark und Joghurt (fettarm) sind ebenfalls gute Eiweißlieferanten. Sie sind vor allem in Kombination mit Obst zu empfehlen, weil sie die Zuckeraufnahme im Darm deutlich reduzieren.
  • Gehen Sie sparsam mit Kohlenhydraten um – das sind meist die Dickmacher.
  • Getränke sind ein stark unterschätzter Kalorienlieferant: Verzichten Sie auf alles, was zuckerhaltig ist – auch die Saftschorle oder den Cappuccino sowie auf alkoholhaltige Getränke, wenn Sie Gewicht verlieren möchten.
  • Verzichten Sie möglichst auf Fertigprodukte und Produkte, denen Industriezucker zugesetzt wurde. Auch vermeintlich gesunde Müslis enthalten oft zu viel davon.
  • Nutzen Sie eventuell ein Ernährungstagebuch oder eine Ernährungs-App, um ein Gefühl für Ihre Ernährungsweise zu bekommen.
  • Achten Sie darauf, dass Sie sich wirklich mindestens 150 Minuten pro Woche aktiv mit moderater Intensität oder 75 Minuten mit hoher Intensität bewegen. Kombinieren Sie Ausdauer- und Krafttraining.

Wie funktioniert der Glucose-Sensor?

Ein Glucosesensor zur kontinuierlichen Blutzuckermessung, kurz CGM, wird mit einem Applikator auf die trockene Haut (meist auf der Oberarmunterseite) aufgebracht. Während der flache, nur münzgroße Senosor auf der Haut klebt, durchdringt eine ganz feine Eelektrode, ein sogenannter Messfaden, die Haut bis ins Unterhautgewebe. Dieser Faden ist mit einem speziellen Enzym (Glukoseoxidase) versehen, das mit der Glukose in der Gewebeflüssigkeit zwischen den Zellen (Interzellularflüssigkeit) reagiert und dabei ein elektrisches Signal erzeugt.

Dieses Signal wird proportional zur Glukosekonzentration verstärkt und über einen Sender kontaktlos an ein Empfangsgerät oder eine Smartphone-App übertragen. So erhalten Nutzer kontinuierlich und automatisch einen aktuellen Glukosewert, ohne dass sie sich wie bei einer herkömmlichen Blutzuckerkontrolle für jede einzelne Messung stechen müssen. Eine Alarmfunktion warnt vor Unter- oder Überzuckerung. Der Sensor kann auch beim Baden, Duschen oder Schwimmen getragen werden. Die am meisten genutzten Systeme müssen alle 10 -15 Tage ausgetauscht werden. Dies kann ein Patient selbst machen mit entsprechenden Applikationshilfen.

Neben diesen Systemen gibt es auch Sensoren, die bis zu sechs Monate unter der Haut verbleiben. Der Austausch erfolgt hier nur in einer Arztpraxis. 

Experte

Prof. Dr. med. Martin Halle
Bild von Prof. Martin Halle

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