Sprechstundenfrage

Darf man nach Implantation eines Defis oder Herzschrittmachers noch reiten?

Kann man nach einer Herzschrittmacher-Implantation noch reiten? Unsere Sprechstunde klärt über Risiken und Möglichkeiten dieses beliebten Hobbys auf.

Frau reitet auf einem Pferd
lightpoet - stock.adobe.com

Im Rahmen unserer Sprechstunde erreichte uns die Anfrage einer Dame, die wissen wollte, ob es nach der Implantation eines Herzschrittmachers noch möglich ist, ein Pferd zu reiten. Diese Frage ist nicht nur für Pferdeliebhaber von Bedeutung, sondern auch für alle, die trotz medizinischer Eingriffe aktiv und fit bleiben möchten.

Experten-Antwort

Die Implantation eines Herzschrittmachers oder eines internen Defibrillators (ICD) kann bei Erwachsenen in der Regel über eine Vene am Brustkorb erfolgen über die Elektroden ins Herz vorgeschoben werden. Das Aggregat, also der eigentliche Schrittmacher mit der Batterie wird entsprechend in einer Muskeltasche im Bereich des Oberkörpers platziert. Wenn alles gut verheilt ist, was in der Regel nach 3-4 Wochen der Fall ist, spricht nichts dagegen, wieder reiten zu gehen. 

Risiken und Grunderkrankungen

Die Gefahr, die beim Reiten besteht muss daher eher in Abhängigkeit von der Grunderkrankung gesehen werden, die zur Implantation des Schrittmachers oder Defis geführt hat. Wenn es sich um eine schwerwiegende Herzrhythmusstörung handelt, die mit Kammerflimmern oder ähnlichen höhergradigen Störungen einhergeht, besteht die Gefahr durch eine Bewusstlosigkeit einen Sturz vom Pferd zu erleiden, was natürlich zu schweren Verletzungen führen kann. Wie hoch das Risiko für ein solches Ereignis ist, sollte im Vorfeld mit dem behandelnden Kardiologen besprochen werden. 

Ein weiteres mögliches Problem in diesem Zusammenhang ist die Einnahme von Blutgerinnungshemmern, die ebenfalls im Falle eines Sturzes zu schwerwiegenden Blutungsereignissen führen kann. Diese Gefahr besteht aber natürlich bei allen Stürzen, unabhängig vom Reiten. 

Bei kleinen Kindern wird das Aggregat des Herzschrittmachers häufig in die Bauchwand gelegt und die Elektroden werden auf die Außenseite des Herzens aufgenäht. In diesem Fall ist es theoretisch denkbar, dass es über die Dauer von vielen Jahren durch die stetige Bewegung im Oberkörper auf dem Pferd zu einem Kabelbruch und damit zu einer Fehlfunktion des Herzschrittmachers kommen kann. In der Praxis ist dies jedoch ein vernachlässigbares Problem. 

Wenn es beim Reiten zu Tachykardien kommt, kann dies am Bewegungssensor des Herzschrittmachers liegen. Dieser registriert die Bewegung des Körpers und passt nach einem vorher festgelegten Algorithmus die Herzfrequenz an den Bedarf des Körpers an, wenn dies nicht mehr korrekt vom Taktgeber des Herzens, dem Sinusknoten, vorgegeben werden kann. Durch die Bewegung des Pferdes kann es hier zu einer Fehlwahrnehmung durch den Herzschrittmacher kommen, so dass die Herzfrequenz nicht zur Belastung passt. In diesem Fall sollte das behandelnde Zentrum kontaktiert werden, wo eine Anpassung bzw. Optimierung erfolgen kann. 

Therapeutischer Nutzen des Reitens

Grundsätzlich ist Reiten und der Kontakt mit Pferden eine Erfahrung, die für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler sehr wertvoll und auch förderlich sein kann. So kann das Pferd helfen, Bewegungseinschränkungen zu überwinden, die Koordination und das Gleichgewicht zu verbessern und eine andere Perspektive zu bekommen. Aus diesem Grund werden Pferde im Rahmen von Therapien schon seit langem eingesetzt. 

Sportkardiologische Perspektive beim Reiten

Betrachtet man die Anforderungen des Reitens aus Sportkardiologischer Sicht, hängt die Intensität der Belastung sehr von der Sparte ab. So hat Voltigieren andere Anforderungen an die reitende Person als Dressurreiten, Springreiten oder Vielseitigkeitsreiten. Auch beim Reitsport muss zwischen dynamischen und statischen Bewegungsformen unterschieden werden. In der Regel handelt es sich hier um Mischformen und es muss individuell entschieden werden, welche Art des Reitens in Frage kommt. Denn auch wenn das Pferd einen großen Teil der Arbeit leistet, ist es auf die Führung durch die Reiterin oder den Reiter angewiesen, was eine hohe körperliche und mentale Belastung darstellen kann. Wie bereits erwähnt sollte darauf geachtet werden, dass die Verletzungsgefahr, insbesondere bei Einnahme von Gerinnungshemmern so gering wie möglich gehalten wird, was natürlich nur in einem begrenzten Maße möglich ist. Daher wird in der Leitlinie „Sport bei angeborenen und erworbenen Herzerkrankungen“ der deutschen Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie das Verletzungsrisiko als „hoch“ eingeschätzt und von Reitsport abgeraten. Es bleibt also immer eine Abwägung zwischen persönlicher Risikobereitschaft und Nutzen durch die positiven Aspekte von Sport und in diesem Fall die Interaktion mit den Tieren. 

Expertin

Dr. Nicole Müller
Bild von Dr. Nicole Müller

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