Sprechstundenfrage

Herzmuskelentzündung: „Wie lange muss ich mich schonen?“

Bei einer Herz­mus­kel­ent­zün­dung bekommt man als Patient oft einen Zeit­raum genannt, in dem man sich strikt schonen sollte. Ob man sich bereits direkt danach wieder stärker belasten darf, ist mit einer anschließenden Kon­troll­un­ter­su­chung zu klären, wie Experten bei einer ein­deu­tig dia­gnos­ti­zier­ten Herzmuskelentzündung aus­drück­lich betonen. Um welche Un­ter­su­chun­gen es sich dabei handelt und warum bei der Schonungsdauer von Klinik zu Klinik teilweise un­ter­schied­li­che Empfehlungen gegeben werden, beantwortet die folgende Herzstiftungs-Sprechstunde.

Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:

Bei mir wurde eine Herzmuskelentzündung diagnostiziert. Der BNP-Wert (Brain Natriuretic Peptide) lag bei der ersten Untersuchung bei 1200. Die sofortige Einnahme der verschriebenen Medikamente und stark reduzierte Bewegung brachten den Wert nach einer Woche auf 900, nach weiteren 14 Tagen auf 600.

Ich bin 85 Jahre alt und betreibe den Ausdauersport Orientierungslauf. Die Wettkampfläufe zur Vorbereitung auf eine Senioren-WM sind hart. Meine Laufleistung ist stark abgefallen. Seit etwa zweieinhalb Monaten kann ich nur noch gehen! Jeder auch sehr langsame Laufversuch endete sofort in starker Atemnot. Die Frage ist: Wie weit soll die vorgeschriebene „Schonung“ gehen? 30 Minuten spazieren gehen auf ebenem Gelände werden empfohlen. Welche Selbstheilungsentwicklung kann man erwarten und wie lange dauern solche Entzündungen normalerweise? Heilt so etwas restlos aus? (Franz N., Mannheim)

Experten-Antwort:

Wie lange man sich bei einer Herzmuskelentzündung schonen sollte, hängt von mehreren wichtigen Faktoren ab, die ich gerne aus ärztlicher Sicht erläutern möchte.

Vorweg meine Einschätzung zu Ihrer Situation: In Ihrem Fall ist es ganz offensichtlich noch zu früh für Belastungen, was sich alleine aufgrund Ihrer Atemnot vermuten lässt, die weiterhin bereits bei geringen Belastungen auftritt. Der von Ihnen genannte BNP-Wert, bei dem ich annehme, dass der sogenannte NT-proBNP-Wert gemeint ist, und der bei der Diagnostik einer Herzschwäche oft eine wichtige Hilfe ist, befindet sich bei Ihnen zwar im Normbereich, aber für einen so aktiven Mann wie Sie ist der Wert wahrscheinlich noch nicht wieder da, wo er vor der Herzmuskelentzündung war.

Hinsichtlich der Beurteilung des BNP-Werts ist zu beachten, dass der Normbereich vom Alter abhängt und sich der Wert von Labor zu Labor unterscheiden kann. Bei dem Labor unserer Klinik beträgt der Normbereich des NT-proBNP-Wertes bei über 80-jährigen z. B. 0 bis 1800 ng/l.

Herzmuskelentzündung: Wie lange schonen?

Es ist wichtig zu wissen, dass sich das Vorgehen bei einer Herzmuskelentzündung von Klinik zu Klinik teilweise deutlich unterscheidet. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass es auf diesem Gebiet noch verhältnismäßig wenig Studien gibt, aus denen generelle Therapieempfehlungen abgeleitet werden können. Vieles muss daher nach dem jeweiligen Einzelfall entschieden werden, was das unterschiedliche Vorgehen in der Praxis erklärt.

Bei der Schonungsdauer z. B. empfiehlt eine Arbeitsgruppe der Europäischen Kardiologen-Vereinigung (ESC) die körperlichen Aktivitäten mindestens sechs Monate einzuschränken (Eur Heart J 2013;34: 2636–48), während in zahlreichen Herzzentren oft bereits nach drei Monaten wieder langsam mit vermehrten Belastungen begonnen wird, soweit eine entsprechende Kontrolle des Herzens zu diesem Zeitpunkt einen guten Verlauf zeigt.

Wichtig ist mir zu betonen, dass sich dieses Vorgehen auf eine mehr oder weniger zweifelsfrei diagnostizierte Herzmuskelentzündung bezieht, also dass die Diagnose aufgrund eines typischen MRT-Befundes oder einer Gewebeprobe (Myokardbiopsie) gestellt wurde. Dieser Hinweis erfolgt vor allem vor dem Hintergrund, dass sich vielfach nach einer Grippe im EKG leichte Veränderungen finden lassen, die auf eine Herzmuskelentzündung hindeuten könnten. Wenn die MRT-Bilder des Herzens aber bei solchen Patienten keine Auffälligkeiten zeigen, sind sich Herzexperten nicht einig, ob man in diesen Fällen bereits ebenfalls von einer Herzmuskelentzündung mit den entsprechenden Konsequenzen für eine längere Schonungsphase sprechen soll.

Was ist während der Schonungsphase erlaubt?

Welche Belastungen während der Schonungszeit bei einer Herzmuskelentzündung erlaubt sind, sollte immer individuell vom betreuenden Arzt festgelegt werden, da er seine Patienten sehr gut in den unterschiedlichsten Facetten kennt und am besten beurteilen kann, wie eventuell neu auftretende Beschwerden zu deuten sind. Pauschal lässt sich allerdings sagen, dass in den meisten Fällen während der Schonungsphase leichte und kurze Spaziergänge in ebenem Gelände ohne Steigungen erlaubt sind, wobei auf keinen Fall Warnzeichen wie etwa Atemnot ignoriert werden dürfen, die eine Überforderung des Herzmuskels anzeigen können.

Nicht vergessen sollte man an dieser Stelle, dass es bei Herzmuskelentzündungen eine große Bandbreite an Schweregraden gibt: Handelt es sich z. B. um eine Herzmuskelentzündung, bei der im Herz-Echo eine schwerst eingeschränkte Pumpkraft festzustellen ist und die MRT-Aufnahmen auf eine große Narbe im Herzmuskel hinweisen, wird man sicherlich zu anderen Empfehlungen tendieren als bei einer Herzmuskelentzündung, bei der die Pumpkraft völlig normal ist und die MRT-Aufnahmen keine Narben zeigen.

Welche Untersuchungen am Ende der Schonungsphase?

Bei der Kontrolle einer Herzmuskelentzündung nach drei Monaten führen wir bei uns in der Klinik ein EKG, ein Langzeit-EKG, eine Echokardiographie (Ultraschall-Untersuchung des Herzens) und eine MRT-Untersuchung (wenn diese initial einen auffälligen Befund gezeigt hatte) durch. Zeigt sich bei diesen Untersuchungen, dass keine Rhythmusstörungen vorhanden sind, dass die Pumpkraft des Herzmuskels in Ordnung ist und dass die MRT-Aufnahmen auf eine Narben-Schrumpfung hindeuten und fühlt sich die oder der Betroffene außerdem gut, kann man über einen langsamen Beginn körperlicher Aktivitäten reden. Vorher würde ich nicht anfangen, mich zu belasten. Selbst ein 30-minütiges Gehen mit Steigungen ist, wenn die Diagnose Herzmuskelentzündung stimmt, ansonsten oft nicht empfehlenswert.

Heilungschancen bei einer Herzmuskelentzündung?

In vielen Fällen heilt eine Herzmuskelentzündung folgenlos aus. Die Voraussetzung ist allerdings, dass man sich sehr schont und die entsprechenden Medikamente einnimmt (z. B. Betablocker, ACE-Hemmer, gegebenenfalls Diuretika). Ignoriert man die Erkrankung dagegen und belastet sich zu früh und nimmt außerdem keine Medikamente ein, kann dies ernsthafte Risiken für die Gesundheit bedeuten.

Experte

Prof. Dr. med. Udo Sechtem
Prof. Sechtem

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2 Kommentare
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Frank N. Gemünden

Der Beitrag war durchaus hilfreich für mich und ist mir eine echte Hilfe gewesen. Danke LG

Waltraud Z. Frechen

Ich hatte eine Herzmuskelentzündung mit schwerem Verlauf im Alter von 54 Jahren und brauchte vom Ausbruch bis zur Ausheilung 9 Monate.Die ersten 6 Wochen hielt ich ein absoulutes Schonprogramm ein.Danach folgte eine 4-wöchige Reha mit leichter Sitzgymnastik und Ergotraining.Die folgenden Monate ging es so weiter mit Spaziergängen,Ergotraining und viel Geduld mit den eigenen, geringen Möglichkeiten.Mein Mut stieg allmählich,denn es ging in kleinen Besserungsschritten voran.Die Beachtung der eigenen Grenzen war von Erfolg gekrönt.Ich habe heute keine Beschwerden mehr.