Sprechstundenfrage

Wie gefährlich sind Schwankungen der Herzfrequenz?

Immer öfter wird die Herzfunktion mittels Smartwatch kontrolliert. Doch wann sind Messwerte gefährlich? Was kann einen Fehlalarm auslösen?

Frau hält eine Smartwatch in der Hand
istock

Viele Träger einer Smartwatch zeichnen damit heutzutage kontinuierlich ihre Körperwerte auf und speichern sie zum Beispiel in einer App. Damit tauchen auch zunehmend Fragen auf zur Interpretation der Werte. So auch bei einem Leser, der in Sorge war, dass die ihm angezeigten unterschiedlichen Herzfrequenzen vielleicht auf eine Gefahr fürs Herz deuten. Hier die Antwort unseres Experten. 

Die Sprechstundenfrage im Wortlaut

Nach langer Überlegung habe ich mir Ende vergangenen Jahres eine moderne Smartwatch gegönnt, da ich (60 Jahre) von meinen Hausarzt darauf hingewiesen worden bin, doch mehr auf meine Herzgesundheit zu achten (leichter Bluthochdruck und ein paar Kilos zu viel. Mein Ziel war es, mit der Smartwatch mich zu mehr Bewegung zu motivieren und gleichzeitig meine Herzfunktion im Blick zu behalten. Inzwischen bin allerdings zunehmend verunsichert. Denn das nicht ganz billige Gerät zeichnet doch sehr stark schwankende Herzfrequenzen auf. Mir geht es eigentlich gut und ich habe keine Beschwerden. Doch ein Nachbar ist jüngst auch einfach so umgekippt mit einem Herzinfarkt, ohne dass vorher etwas bei ihm bekannt war. Ich möchte keine Risiko eingehen, daher wäre ich froh, zu erfahren, ob ich doch lieber zum Kardiologen gehen sollte. (Peter K., Frankfurt )

Experten-Antwort

Moderne Smartwatches ermöglichen eine Interpretation des Pulses, in einigen Fällen sogar eines EKG mit mittlerweile so guter Auflösung, dass tatsächlich immer häufiger besorgte Fragen auftauchen, die als Grundlage gar keine Beschwerden haben, sondern nur auf der Beobachtung der Werte beruhen. Gerne gehe ich daher auch näher auf Ihre Frage ein, ob unterschiedliche Herzfrequenzen krankhaft sind. 

Zunächst einmal kurz erklärt, wie der Herzschlag entsteht: Der normale Herzschlag unterliegt in ganz besonderem Maße der Kontrolle des vegetativen – nicht willentlich steuerbaren – Nervensystems, das im Wechselspiel zwischen dem sogenannten „Sympathikus“ und seinem Gegenspieler dem „Parasympathikus“ Körperfunktionen unter Belastung (Sympathikus) und in Ruhe (Parasympathikus) reguliert. Die Herzfrequenz ist dabei eine entscheidende Größe, da die Herzleistung bei unterschiedlichen Belastungen (etwa bei der „Flucht vor dem Raubtier“) vor allem mittels Variation der Herzfrequenz reguliert wird. 

Das weiß jeder Leistungssportler, dessen Herzfrequenz von um die 40 Schlägen pro Minute in Ruhe dann unter maximaler Belastung Werte von annähernd 200 Schlägen pro Minute erreichen kann. Ein gesundes Herz kann also seine Leistung um einen Faktor von bis zu 5 steigern. Anders ist das zum Beispiel bei einem Patienten mit einer Herzschwäche: Sein Herz leidet an der Unfähigkeit, solche Belastungsunterschiede zu ermöglichen. Deswegen kann man grundsätzlich sagen, dass eine erhaltene Variabilität der Herzfrequenz Ausdruck eines gesunden Herz-Kreislaufsystems ist, während eine starre Herzfrequenz meist eher Ausdruck eines gestressten und damit nicht mehr gesunden Herz-Kreislauf-Systems ist.

Und noch auf eine andere Sorge bezüglich des Herzrhythmus möchte ich hier hinweisen: Manche Pulsuhren zeigen Fehlmessungen durch Extrasystolen an, also Extraschlägen des Herzens. Dazu muss man wissen, dass eine solche Extrasystole oft eine Pause des Herzauswurfes mit sich bringt, so dass die Pulswelle ausfällt oder zumindest eine Pause macht, so als ob das Herz nicht arbeiten würde. Auch hier kann man beruhigen, wenn Nutzer während einer Extrasystole ein Stolpern bemerken und die Pulsuhr eine scheinbare Pause detektiert. Das ist kein Fehl- oder Warnmessung der Pulsuhr, sondern es handelt sich lediglich um ein Phänomen, das mit der Herzleistung während einer Extrasystole zusammenhängt. Und dies allein ist nicht krankhaft.

Insgesamt kann man sagen: Die Daten von „Wearables“ allein sind in der Regel nicht ausreichend, um Aussagen über krank oder gesund zu treffen. Letztendlich ist die Interpretation der Daten in erheblichem Maße davon abhängig, wen es betrifft und ob der Träger Beschwerden hat oder nicht. Dennoch bietet das Tragen eine gute Chance, die individuell und kontinuierlich erhobenen Daten gesundheitsfördernd und krankheitserkennend zu nutzen. Und wenn Ihre Smartwatch bei Ihnen die Motivation für mehr Bewegung oder Sport erhöht, dann dies in jedem Fall schon mal gesundheitsfördernd.

Experte

Prof. Dr. Melchior Seyfarth
Bild von Prof. Melchior Seyfarth

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