Das optimale Einstellen des Blutdrucks erfordert häufig einige Zeit und lässt sich oft auch nicht mit einem Medikament allein erreichen. Wer jedoch auf die notwendige regelmäßige Tabletteneinnahme verzichtet, riskiert zu hohe Blutdruckwerte, die das kardiovaskuläre Risiko erhöhen. Wie einfach wäre es also, das Dilemma mit einer Spritze zu lösen, die dann gleich über mehrere Monate wirkt. Tatsächlich ist ein solches Medikament zur Injektion in der Entwicklung. Hier erfahren Sie, wie unser Experte diese Entwicklung auf Anfrage eines Patienten beurteilt.
Die Sprechstundenfrage im Wortlaut
Ich (77 Jahre) bin Bluthochdruckpatient und eigentlich gut medikamentös eingestellt. Doch zwischendurch gibt es immer mal wieder Blutdruckspitzen von 160 mmHg, die mich in Sorge versetzen, dass mein Herz das auf Dauer nicht toleriert. Jetzt habe ich gelesen, dass es bald eine Spritze gegen Bluthochdruck geben soll, die langfristig hilft. Meine Frage: Käme eine solche Spritze für mich in Frage, auch um die Blutdruckspitzen zu vermeiden? Wann ist diese Spritze denn erhältlich? (Peter K., Hamburg)
Experten-Antwort
Zunächst zu ihren Blutdruckspitzen. Dass ein Blutdruck im Laufe des Tages variiert, ist normal. So schwankt er im Verlauf des Tages mit Gipfeln am frühen Morgen und am Nachmittag zwischen 16 und 18 Uhr, um dann in der Nacht wieder abzusinken. Ebenso wirken körperlicher Anstrengung oder Wut und Ärger blutdrucksteigernd. Beruhigen wir uns wieder, sinkt er in der Regel. Und auch Ernährungsgewohnheiten (Kaffee-, Alkohol- und Salzkonsum) sowie deutliche Temperaturschwankungen (extreme Hitze oder Kälte) können den Blutdruck beeinflussen. Dadurch können, wie bei Ihnen, schon mal systolische Spitzenwerte von 160 mmHg auftreten.
Bei einem gut eingestellten Bluthochdruck (Hypertonie) sollten die Werte dennoch bei dem meisten Messungen daheim unter 135/85 mmHg liegen. Der optimale Zielwert läge in Ihrem Alter um die 130/70mmHg. Führen Sie daher über die nächsten Wochen am besten ein Tagebuch, wann diese Spitzenwerte auftreten und ob es dann irgendwelche Besonderheiten im Tagesablauf gab, die vielleicht die Blutdruckerhöhungen erklären. Besprechen Sie die Aufzeichnungen mit ihrem Arzt. Unter Umständen kann er für solche Situationen einen schnellwirksamen Blutdrucksenker verordnen. Wenn bei plötzlich erhöhten Werten allerdings gleichzeitig Beschwerden auftreten wie Brustschmerzen, Atemnot oder neurologische Ausfälle, sollten Sie die 112 anrufen.
Blutdruck-Spritze noch in der Erforschungs-Phase
Zur Therapieoption mit Spritze: In Deutschland weist fast jeder dritte Erwachsene zu hohe Blutdruckwerte auf. Eine unbehandelte oder schlecht therapierte Hypertonie ist ein wesentlicher Grund zum Beispiel für Schlaganfälle. Von denjenigen, die eine medikamentöse Therapie erhalten, nimmt zudem offenbar nahezu die Hälfte (je nach Studie) die Medikamente nicht regelmäßig ein. Die Möglichkeit, hier durch eine Spritze über einen längeren Zeitraum den Blutdruck zu stabilisieren, scheint vor diesem Hintergrund natürlich verlockend. Der Forschungsansatz ist auch durchaus interessant und die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.
In den aktuellen Berichten, auf die sich Ihre Anfrage bezieht, ging es vermutlich um den Wirkstoff Zilbesiran, der in der KARDIA-1-Studie überprüft wird. Es handelt sich um einen RNA-Wirkstoff, der gezielt die Bildung des Hormons Angiotensin II ausschaltet, das ganz wesentlich an der Blutdruckregulation beteiligt ist. Dies geschieht, indem die Bildung des Proteins Angiotensinogen, aus dem Angiotensin II abgespalten wird, in der Leber unterdrückt wird.
Dieser Wirkstoff ist allerdings noch in der Erforschung und hat gerade erst eine Phase-2-Studie abgeschlossen, wenn auch mit positiven Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit. Behandelt wurden dabei Patienten mit einer milden bis moderaten Hypertonie. Diese war definiert durch systolische Blutdruckwerte von 135 – 160 mmHg, die nicht behandelt wurden oder unter einer Therapie mit bis zu zwei Medikamenten stabil waren. Ein Ergebnis: Nach drei Monaten war bei mehr Patienten, die Zilbesiran gespritzt bekommen hatten, der mittlere systolische 24-Stunden-Blutdruckwert um 15 mmHg oder mehr gesunken im Vergleich zu Patienten, die eine wirkstofffreie Spritze erhalten hatten.
Doch erst wenn sich diese Wirksamkeit in einer sogennnten Phase-3-Studie an einer ausreichend großen Zahl von Blutdruckpatienten bestätigt, kann eine Substanz zur Zulassung angemeldet werden. Das ist ein langwieriger Prozess, so dass realistisch erst in einigen Jahren damit zu rechnen ist, dass die Blutdruckspritze in die praktische Anwendung kommt. Insbesondere muss sich noch zeigen, dass die lange Wirkdauer, zum Beispiel bei Auftreten einer akuten Erkrankung wie einer Grippe, nicht nachteilig ist. Bis dahin können wir jedoch auf viele vorhandene Substanzen zurückgreifen, deren Wirksamkeit und Sicherheit gut geprüft und dokumentiert sind. Auch Medikamente, die die Wirkung von Angiotensin II blockieren, sind darunter. Und nicht zu vergessen: Auch durch einen gesunden Lebenswandel haben wir eine effektive Möglichkeit, den Blutdruck günstig zu beeinflussen.
Experte
Prof. Dr. med. Heribert Schunkert, Kardiologe und Direktor der Klinik für Erwachsenenkardiologie am Deutschen Herzzentrum München, Schwerpunkte: Interventionelle Kardiologie und Hypertensiologie sowie Molekularbiologie und Genetik von Herzerkrankungen, seit 2018 Vorstandsmitglied und seit 2021 stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
Unser Infomaterial
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Bluthochdruck: Herz und Gefäße schützen (2021)
PDF: 7,47 MB -
Blutdruck-Pass
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Checkliste Bluthochdruck
PDF: 1,15 MB
Danke fürdie tollen Informationen
Ich bin sehr froh Mitglied zu sein