Der Herzinfarkt ist aufgrund der akuten Minderdurchblutung der Herzmuskulatur ein lebensbedrohlicher Notfall: Allein im Jahr 2019 gab es in Deutschland mehr als 210.000 Klinikeinlieferungen und über 44.200 Sterbefälle*. Die rasche und zuverlässige Diagnose eines Herzinfarktes ist dabei entscheidend für die bestmögliche medizinische Versorgung der Patienten und um schwere Folgeschäden zu verringern. Dazu soll in Zukunft eine vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf entwickelte App eingesetzt werden, die bei der schnellen und sicheren Herzinfarkt-Diagnose hilft. Die Deutsche Herzstiftung unterstützt die Entwicklung der App im Rahmen der Forschungsförderung mit mit 69.400 Euro.
Neuer personalisierter Diagnose- Algorithmus
Die Diagnose des Herzinfarkts beruht auf einem dreigliedrigen Schema aus klinischer Symptomatik (z. B. Brustschmerzen), typischen Zeichen im Elektrokardiogramm (EKG) und einer erhöhten Konzentration des Blutmarkers Troponin, der einen Herzmuskelzellschaden zuverlässig anzeigt. Ausgearbeitete Messkonzepte und Tests, die schon geringe Mengen des herzspezifischen Proteins Troponin nachweisen können, haben die Diagnose in den letzten Jahren bereits deutlich verbessert. Dennoch sehen Herzspezialisten hier noch Verbesserungspotenzial, indem man die Berechnungsverfahren (Algorithmen) für die Infarktdiagnose noch mehr auf das Patientenprofil zuschneidet. So berücksichtigen die derzeit angewendeten Algorithmen keine patientenspezifischen Faktoren wie Alter, Geschlecht, weitere Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) oder Angaben über die Dauer der Beschwerden, die die gemessene Troponinkonzentration im Blut und damit auch das individuelle Risiko für das Vorliegen eines Herzinfarkts erheblich beeinflussen können. Ebenso ermöglichen die derzeitigen Algorithmen basierend auf der gemessenen Troponinkonzentration lediglich eine grobe Kategorisierung der Brustschmerzpatientinnen und -patienten in drei Risikogruppen (Niedrig-, Mittel-, Hoch-Risiko), jedoch nicht eine individualisierte Vorhersage, mit welcher Wahrscheinlichkeit tatsächlich ein Herzinfarkt vorliegt.
Forschende Ärzte um Prof. Dr. Stefan Blankenberg und Priv.-Doz. Dr. Johannes Neumann vom Universitären Herz- und Gefäßzentrum, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), haben mit Hilfe von modernen statistischen Methoden einen auf maschinellem Lernen basierenden Algorithmus zur Diagnose des Herzinfarkts entwickelt, der die bisher fehlenden Faktoren jedes betroffenen Patienten personalisiert berücksichtigt. Damit ist eine individuelle Vorhersage der Herzinfarkt-Wahrscheinlichkeit unter Einbeziehung aller relevanten klinischen Informationen möglich sowie die Verwendung verschiedener hochempfindlicher Troponin-Tests. Zudem werden flexible Zeitpunkte der seriellen Blutentnahme berücksichtigt.
Anwendung der App neben der Klinik-Notaufnahme auch im ambulanten Sektor
Im Rahmen des von der Deutschen Herzstiftung geförderten Forschungsprojekts soll dieser innovative Algorithmus nun in Form einer digitalen Applikation (App) für mobile Endgeräte implementiert werden, um dessen routinemäßige klinische Anwendung bei Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf einen Herzinfarkt in der Notaufnahme zu ermöglichen. Perspektivisch soll das dann auch im ambulanten Sektor umgesetzt werden. „Dieser neuartige Ansatz wird die Grundlage für einen wesentlichen Kurswechsel in der Diagnose eines Herzinfarktes schaffen”, ist Dr. Betül Toprak, Assistenzärztin an der Klinik für Kardiologie des Universitären Herz- und Gefäßzentrums am UKE überzeugt. „Dadurch wird eine personalisierte Kalkulation der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Herzinfarkts geschaffen und ein wesentlicher Beitrag zur Digitalisierung in der kardiovaskulären Medizin geleistet.” Die Wissenschaftlerin ist verantwortlich für die Projektdurchführung und Empfängerin der Projektförderung (Projektitel: “Development of a digital app tool to implement a machine learning algorithm for the diagnosis of myocardial infarction”).
Expertin
Assistenzärztin an der Klinik für Kardiologie des Universitären Herz- und Gefäßzentrums am UKE.
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