Sprechstundenfrage

Kinderwunsch mit angeborenem Herzfehler

Was ist bei der regelmäßigen Einnahme blutverdünnender Medikamente während einer Schwangerschaft zu beachten?

Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:

Mein Mann und ich sind seit einem Jahr verheiratet, und wir wünschen uns beide ein Kind. Seit meiner Geburt habe ich einen Herzfehler. Als ich 14 Jahre alt war, ist der Fehler durch das Einsetzen einer künstlichen Aortenklappe behoben worden. Damit verbunden ist für mich die regelmäßige Einnahme blutverdünnender Medikamente (Vitamin-K-Antagonist). Was ist vor beziehungsweise während einer Schwangerschaft zu beachten? Können bei dem Kind eventuell Gesundheitsschäden auftreten? Gibt es medikamentöse Alternativen? Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie unsere Fragen beantworten könnten. (Dorit und Wolf F.)

Expertenantwort:

Eine Schwangerschaft bei einer Patientin mit mechanischer Klappe wird in die mittlere Risikogruppe eingestuft. Bei gut funktionierender Kunstklappe und normaler Herzfunktion ohne relevante Rhythmusstörungen werden die mit einer Schwangerschaft und Geburt einhergehenden Belastungen in der Regel gut toleriert. Vor der geplanten Schwangerschaft sollte ein kardiologischer Check-up erfolgen.

Das größte Risiko für eine schwangere Frau mit mechanischer Kunstklappe liegt in der erhöhten Neigung, Blutgerinnsel (Thrombosen) zu bilden. Das durch die mechanische Klappe bereits per se erhöhte Risiko wird durch die Schwangerschaft weiter erhöht. Besonders gefährdet sind Frauen mit älteren Klappenprothesen, mit Prothesen in Mitralposition oder Mehrfachprothesen. Gleiches gilt für Frauen, die bereits eine Thromboembolie durchgemacht oder eine Neigung zu Thrombosen haben, sowie für Frauen mit Vorhofflimmern oder einer schlechten Ventrikelfunktion. Aus diesem Grund werden Patientinnen mit mechanischer Klappe lebenslang mittels Vitamin-K-Antagonisten (die Medikamente Phenprocoumon oder Coumadin zur Blutgerinnungshemmung = Antikoagulation) auf einen individuellen INR-Wert eingestellt. Der INR-Wert gibt den Faktor an, um den die Gerinnungszeit des Blutes durch die Einnahme des Gerinnungshemmers verlängert wird. Der Gerinnungshemmung gegenüber steht das erhöhte Blutungsrisiko, das vor allem in der späten Schwangerschaft zu Fehl- und Frühgeburten führen kann. Auch sollte eine vaginale Entbindung unter Vitamin-K-Antagonisten wegen des Risikos der kindlichen Hirnblutung vermieden werden. In diesem Fall ist einem Kaiserschnitt den Vorzug zu geben.

Das Hauptrisiko des ungeborenen Kindes besteht in der sechsten bis zwölften Woche der Schwangerschaft in der Entwicklung von Fehlbildungen, vor allem der Gliedmaßen aufgrund von Einblutungen in den Knorpel und Störungen des Kalziumstoffwechsels. Der Grund dafür ist, dass die Vitamin-K-Antagonisten die Plazentaschranke passieren und über die Plazenta von der Mutter auf das Kind übergehen können – nicht aber die mütterlichen Gerinnungsfaktoren (bei noch unreifer Leber des Ungeborenen). Der Embryo ist somit einer höheren antikoagulatorischen Wirkung als die Mutter ausgesetzt. Das Auftreten von Fehlbildungen beim Embryo (Embryopathien) ist abhängig von der Dosis: Sie sind sehr selten bei einer Tagesdosis von weniger als fünf Milligramm Coumadin und weniger als drei Milligramm Phenprocoumon. Auch jenseits des ersten Schwangerschaftsdrittels besteht noch ein geringeres Risiko für fetale Blutungen, vor allem in das zentrale Nervensystem. Somit ist bei einer Schwangerschaft das mütterliche gegen das kindliche Risiko abzuwägen.

Als Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten kommen die Heparine in Betracht. Man unterscheidet unfraktionierte Heparine, kurz UFH, von niedermolekularen fraktionierten Heparinen, LMWH. Sie können die Plazentaschranke nicht passieren und somit keine Embryopathie verursachen. Das Blutungsrisiko ist dem der Vitamin-K-Antagonisten vergleichbar. Hinsichtlich des Thromboembolierisikos bleiben die Vitamin-K-Antagonisten bei guter INR-Einstellung während der gesamten Schwangerschaft die sicherste Option. Aus diesem Grund sollten Patientinnen, deren Tagesmenge bei guter INR-Einstellung unter der kritischen Dosisgrenze liegt, die Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten bis zur 36. Schwangerschaftswoche beibehalten. In diesem Dosisbereich sind kindliche Fehlbildungen nicht beziehungsweise selten beschrieben. Der angestrebte INR sollte 3 nicht überschreiten, um das Blutungsrisiko für den Feten gering zu halten. Wird die kritische Vitamin-K-Antagonisten-Dosis überschritten, sollte während der sechsten bis zwölften Woche der Schwangerschaft auf UFH oder LMWH unter stationärer Kontrolle umgestellt werden. Nach Erreichen der Zieldosis müssen mindestens wöchentliche Kontrollen mit Dosisanpassungen erfolgen, weil die erforderliche Menge im Verlauf der Schwangerschaft ansteigt. Ab der 13. Schwangerschaftswoche kann wieder auf den Vitamin-K-Antagonisten umgestellt werden (bis zur 36. Schwangerschaftswoche). Ab der 36. Woche wird (erneut) auf UFH oder LMWH gewechselt. Spätestens 36 Stunden vor erwarteter Entbindung sollte auf UFH-Dauerinfusion unter stationären Bedingungen umgestellt werden. Vier bis sechs Stunden vor der geplanten Entbindung wird auch die UFH-Gabe beendet. Bei komplikationsloser Entbindung (keine Blutungskomplikation) wird vier bis sechs Stunden danach wieder mit Heparin begonnen und 24 bis 48 Stunden nach der Geburt die orale Einnahme des Vitamin-K-Antagonisten mit altem Ziel-INR überlappend zum Heparin gestartet.

Expertin

Dr. med. Ulrike Walther