Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:
Als ich vier Monate alt war, wurde bei mir eine Aortenisthmusstenose operativ behandelt. Eine Restenose wurde im Jahr 2010 mittels Stent beseitigt. Allerdings habe ich auch eine bikuspide Aortenklappe und eine Erweiterung der Aorta an der Wurzel (5,7 x 5,2 Zentimeter). Meine Kardiologen sind sich noch nicht ganz sicher – aber sie werden mir wahrscheinlich eine Operation vorschlagen. Während des Eingriffs soll der erweiterte Teil der Aorta mit einem künstlichen klappentragenden Kunststoff ersetzt werden. Ich bin jetzt 36 Jahre alt, vor fünf Monaten wurde unser zweites Kind geboren. Die Diagnose der Aortenerweiterung auf 5,7 Zentimeter ist erst zwei Wochen alt und macht uns schwer zu schaffen. Ich habe natürlich vor, diese Operation gut zu überstehen. Aber wie wird mein Leben danach weitergehen: Ich bin Elektromeister und Alleinverdiener – darf ich dann noch normal arbeiten? Darf ich Sport treiben? Darf ich mit meinen Kindern toben? Darüber hinaus frage ich mich, ob es zwischenzeitlich noch andere Operationsverfahren gibt. Für mich ist vor allem wichtig, dass der Erfolg der Operation lange anhält und dass ich belastbar bin. (Michael D. , Nürnberg)
Expertenantwort:
Ihre Erkrankung muss zwingend bald operativ behandelt werden! Bei einer Erweiterung der Hauptschlagader dieser Größe droht ein inneres Zerreißen oder die Ruptur. Beides ist lebensgefährlich. Ein geplanter Eingriff hingegen kann bei Ihnen mit sehr geringem Risiko erfolgen. Die bikuspide Aortenklappe kann während der Operation entweder repariert oder sie muss ersetzt werden. Wenn man die Klappe reparieren kann, wäre es für Sie eine sehr gute Lösung. Denn dann können Sie unbelastet allen Aktivitäten in Beruf, Familie und Sport nachgehen: Der durch einen Kunststoffschlauch ersetzte Teil der Hauptschlagader verhält sich genau wie die eigene Hauptschlagader, kann sich aber nicht mehr weiten und auch nicht zerreißen. Eine Reparatur sollte aber nur dann erfolgen, wenn sie ein dauerhaft gutes Ergebnis erbringt. Das können nur ganz wenige Spezialisten! Falls eine Reparatur der Klappe nicht möglich ist, benötigen Sie einen Klappenersatz. In Ihrem Alter würde man eine mechanische Klappe bevorzugen: Sie hält ein Leben lang, auch damit können Sie allen Aktivitäten nachgehen. Allerdings benötigen Sie zeitlebens ein gerinnungshemmendes Medikament. Das kann Sie beruflich ein wenig einschränken: Kleine blutende Verletzungen brauchen dann länger, bis sie verheilen; Blutergüsse können gefährlich werden.
Die Alternative zur mechanischen Klappe ist eine biologische Klappe. In diesem Fall benötigen Sie keine gerinnungshemmenden Medikamente und können alles tun, was Sie wollen. Die Klappe hält etwa zehn Jahre, dann ist sie verschlissen und muss ausgetauscht werden. Eine solche Operation ist durchaus machbar, dennoch handelt es sich um einen erneuten Eingriff, der zudem schwieriger als der erste Eingriff ist; auch die Risiken sind dann höher. Seit einiger Zeit gibt es ein elegantes Verfahren, das es erlaubt, den zweiten Eingriff durch eine Kathetertechnik zu ersetzen: Eine zusammengefaltete biologische Klappe wird mithilfe eines Katheters bis zur alten, verschlissenen Klappe vorgebracht, über einem Ballon aufgespannt und unter Verdrängung der verschlissenen Anteile verankert. Das Verfahren – es nennt sich TAVI (Transkatheter-Aortenklappen-Implantation) – ist noch recht neu, in Spezialkliniken aber bereits gut etabliert. Die eingesetzte Katheterklappe hält ebenfalls etwa zehn Jahre. Mit einer ersten Operation und einer zweiten Kathetermaßnahme können also insgesamt 20 Jahre überbrückt werden – ohne gerinnungshemmende Medikamente bei voller körperlicher Leistungsfähigkeit. Denkbar ist es sogar, nach 20 Jahren erneut eine Kathetermaßnahme vorzunehmen. Sie werden fragen: Warum kommt die Kathetertechnik nicht gleich als erste Maßnahme infrage? Das geht aus zwei Gründen nicht: Erstens muss die Erweiterung der Hauptschlagader zwingend mitbehandelt werden – das geht nicht per Kathetertechnik. Und zweitens ist Ihre bikuspide Klappe so konfiguriert, dass sich die TAVI-Klappe nicht gut darin verankern lässt. Lassen Sie sich von einem Spezialisten beraten: Der bei Ihnen notwendige Eingriff muss von einem ausgewiesenen Experten vorgenommen werden, um das für Sie bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Experte
Prof. Dr. Johannes Albes, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung e. V. leitet seit 2003 als Chefarzt die Abteilung für Herz- und Gefäßchirurgie am Immanuel Klinikum Bernau Herzzentrum Brandenburg. Er ist Facharzt für Chirurgie, Thoraxchirurgie, Gefäßchirurgie und Herzchirurgie.