(Frankfurt a. M., 15. Dezember 2020) Die Scheu vor dem Notruf 112 für den Rettungsdienst wegen neugieriger Blicke der Nachbarn oder weil man den Krankenhäusern nicht zur Last fallen möchte: Notfallmediziner kennen nur zu gut die Gründe für fatales lebensgefährliches Zögern von Notfallpatienten bei Verdacht auf Herzinfarkt oder andere Herznotfälle wie bösartige Herzrhythmusstörungen. Die Festtage um Weihnachten und Neujahr sowie der Corona-Lockdown dürften diese Hemmung vor dem Notruf 112 noch steigern. Viele Menschen sind derzeit verunsichert und besorgt: Während der Corona-Pandemie ins Krankenhaus? Bloß nicht! „Ein fataler Irrtum, der im schlimmsten Fall Leben kosten kann“, warnt der Herzspezialist Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Denn bei einem Herznotfall zählt jede Minute. „Die derzeit hohen Zahlen an Corona-Infektionen dürfen nicht wie im Frühling dazu führen, dass Menschen bei Verdacht auf Herzinfarkt oder bei anderen notfallartigen Symptomen den lebenswichtigen Notruf 112 oder den Weg in die Notfallambulanz scheuen: entweder aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus oder wegen befürchteter Kapazitätsengpässe in den Kliniken“, so der Kardiologe und Intensivmediziner am Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt a. M. im Expertenbeitrag. Pro Jahr fordert der Herzinfarkt in Deutschland über 46.000 Todesopfer und führt zu mehr als 212.000 Klinikaufnahmen (Deutscher Herzbericht 2019).
Herzinfarkt und andere Herznotfälle: Unaufschiebbare Ereignisse für die Klinik
Besonders um die Weihnachtszeit können vermehrt Herz-Kreislauf-Komplikationen auftreten, darauf deutet eine Studie (1) aus der Zeit vor Corona hin. Der Studie zufolge gehen der Vorweihnachtsstress und die Aufregung der Weihnachtsfeiertage nicht an jedem Herzen spurlos vorüber. „Die Studienergebnisse lassen auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko an Heiligabend und an Neujahr schließen – besonders bei Menschen, die über 75 oder bereits chronisch krank sind“, erklärt Voigtländer. Eine vermehrte Anfälligkeit haben Patienten mit Risikofaktoren wie beispielsweise Diabetes und koronarer Herzkrankheit. Ihr Herz reagiert besonders empfindlich auf Risikofaktoren wie Stress. Mit Blick auf die Corona-Pandemie fügt der Kardiologe hinzu: „Bei vielen Menschen kommen in Zeiten von Corona sicherlich noch Sorgen und die Angst vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 hinzu. Das kann sich ebenfalls in Form von Stress bemerkbar machen.“
Herzinfarkt und andere Herznotfälle wie lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen sind keine aufschiebbaren Krankheitsfälle. Sie müssen rasch medizinisch versorgt werden. Kommt es beim Herzinfarkt etwa zum lebensbedrohlichen Kammerflimmern, kann nur ein Elektroschock über einen Defibrillator die Herzrhythmusstörungen beseitigen. Im Krankenhaus muss mittels Katheter das verstopfte Herzkranzgefäß so schnell wie möglich geöffnet werden, um einen weiteren Verlust von Herzmuskelgewebe zu verhindern. „Je mehr Zeit ohne Behandlung verstreicht, desto mehr Herzmuskel wird irreparabel zerstört“, sagt der Mediziner.
Weihnachtsfeiertage und Herzinfarkt: Kliniken sind gerüstet
Die Deutsche Herzstiftung betont: Rettungsdienstleitstellen, Herznotfallambulanzen (Chest Pain Units/CPUs) und Notaufnahmen der Kliniken stehen auch an Feiertagen, in der Zeit zwischen den Jahren wie auch am Wochenende oder nachts rund um die Uhr bereit – auch während der zweiten Corona-Welle. Die Feiertage um Weihnachten und Neujahr sowie hohe Covid-19-Infektionszahlen dürfen nicht dazu führen, dass Menschen mit Verdacht auf ein lebensbedrohliches Ereignis wie einen Herzinfarkt lebensrettende Maßnahmen unterlassen. „Zögern Sie nicht. Wählen Sie den Notruf 112 und äußern Sie den Herzinfarkt-Verdacht deutlich, damit ein Rettungswagen mit Notarzt geschickt wird“, appelliert Voigtländer. „Der Notarzt ist hier so wichtig, weil der Herzinfarkt jederzeit in Herzkammerflimmern übergehen und der Patient in wenigen Minuten am plötzlichen Herztod versterben kann.“ Infos zur Laien-Reanimation bei beobachtetem Herzstillstand hier.
Herzinfarkt-Symptome richtig deuten
Ein typisches Herzinfarkt-Symptom sind plötzlich einsetzende starke brennende und drückende Schmerzen, die länger als fünf Minuten anhalten und sich in Ruhe nicht bessern. Die Schmerzen zeigen sich überwiegend im Brustkorb, häufig hinter dem Brustbein, bisweilen auch nur im Rücken zwischen den Schulterblättern oder im Oberbauch. Die Schmerzen können in den Arm, den Hals oder Kiefer ausstrahlen. Zu den weiteren infarkttypischen Alarmzeichen gehören:
- Engegefühl in der Brust („Elefant auf der Brust“)
- Atemnot
- Übelkeit
- kalter Schweiß
- Unruhe
- Angst
- Blässe
Herzpatienten sollten eine Zunahme von Beschwerden wie Atemnot besonders ernst nehmen, denn die Symptome einer Herzerkrankung können den Symptomen von Covid-19 stark ähneln. Weitere Informationen zu den wichtigsten Symptomen einer Herzerkrankung wie Vorhofflimmern, Herzklappenerkrankung, koronare Herzkrankheit und andere Herzleiden, die Anlass für einen umgehenden Facharztbesuch sind, finden Herzpatienten und interessierte Angehörige hier.
Wichtig: Der Umweg über den Hausarzt oder den Ärztlichen Bereitschaftsdienst mit der Rufnummer 116 117 („Notdienstnummer“) kann bei Herzinfarkt gefährlich sein, weil ein Hausarzt und der Ärztliche Bereitschaftsdienst hier nichts anderes tun können als den Notarzt (112) zu rufen.
Herzinfarkt und Herzstillstand: Gut gerüstet mit dem Notfall-Set
Wer die Sorge hat, im Notfall vor Aufregung zu vergessen, wie die Wiederbelebung durch Herzdruckmassage bei beobachtetem Herzstillstand funktioniert oder was bei Herzinfarkt zu tun ist, bestellt das kostenfreie Herznotfall-Set unter www.herzstiftung.de/bestellen oder fordert es bei der Herzstiftung unter Tel. 069 955128400 an.
Hintergrundinformationen
- Chest-Pain-Units (CPU): www.herzstiftung.de/herznotfallambulanz
- Herzinfarkt-Symptome: www.herzstiftung.de/herzinfarkt-anzeichen
- Laien-Reanimation bei Herzstillstand: www.herzstiftung.de/erste-hilfe-corona
(1) Mohammad MA et al., Christmas, national holidays, sport events, and time factors as triggers of acute myocardial infarction: SWEDEHEART observational study 1998-2013 BMJ 2018;363:k4811 doi:https://doi.org/10.1136/bmj.k4811
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