Kardiologe und Intensivmediziner erläutert, mit welchen teils leichten Schritten sich Risiken für schweren Covid-19-Verlauf senken lassen
(Frankfurt a. M., 31. März 2021) Die Corona-Pandemie und ihre Dynamik mit steigenden Infektionsraten und SARS-CoV-2-Mutationen stellt den Alltag von Millionen Herz-Kreislauf-Patienten in Deutschland vor enorme Herausforderungen mit vielen Ängsten und offenen Fragen. Wie gefährlich eine Covid-19-Ansteckung bei bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankung werden kann, variiert von Fall zu Fall. Die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Komplikationen bei schweren Covid-19-Verläufen beläuft sich nach Schätzungen derzeit auf fünf bis zehn Prozent der Covid-19-Erkrankten. „Bei einer massiven Herzschwäche kann es gefährlich werden“, warnt der Herzspezialist Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Jüngere Untersuchungen von Krankenhausdaten zeigen außerdem, dass bei den beatmungspflichtigen Covid-19-Patienten, d. h. mit schweren Verläufen, der Anteil von Patienten mit Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Diabetes und Herzinsuffizienz deutlich höher liegt als bei den nicht-beatmungspflichtigen (1). „Betroffene mit diesen und anderen Herzerkrankungen wie Koronare Herzkrankheit, Herzklappenkrankheiten und angeborene Herzfehler sollten mit ihrem Facharzt besprechen, ob ihr Risiko bei einer Covid-19-Infektion ebenfalls besonders ausgeprägt sein könnte“, so Voigtländer. Ansonsten verweist der Kardiologe am Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) in Frankfurt am Main auf das Alter als weiteren Risikofaktor. Schützen müssten sich vor allem ältere Menschen ab 60, 65 Jahren, da deren Immunsystem sich schlechter gegen das Virus wehren kann. Fakt ist: Das Herz erlaubt bei akuten Beschwerden grundsätzlich keinen Aufschub für eine medizinische Versorgung. „Ein krankes Herz kann niemals warten“, warnt der Herzspezialist mit dem Motto der aktuellen Aufklärungskampagne der Herzstiftung und der Europäischen (ESC) und Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) unter www.herzstiftung.de/krankesherzwartetnie.
Falsche Scheu vor Kliniken: Bei akuten Herzbeschwerden immer zum Arzt!
Kommt es bei bestehender Herz- oder Kreislauferkrankung zu Beschwerden, sollten Patienten unbedingt zum Arzt in die Klinik oder in die Praxis gehen und bei notfallartigen Warnzeichen für einen Herzinfarkt sofort den Rettungsdienst (Notruf 112) alarmieren (www.herzstiftung.de/herzinfarkt-anzeichen). „Zu langes Warten und Aushalten von Herzbeschwerden wie Brustschmerzen, Luftnot oder Herzrasen zu Hause kann zu lebensgefährlichen Komplikationen führen. Solche Symptome müssen umgehend abgeklärt werden“, warnt Voigtländer. Dass es während eines strikten Lockdowns zu einem Anstieg der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen gekommen ist, hat eine Untersuchung von Daten hessischer Krankenhäuser im Zeitraum 23. März bis 26. April 2020 (2) gezeigt. 7,6 % mehr Menschen als im selben Zeitraum des Vorjahres starben an einer Herz-Kreislauf-Komplikation, während die Sterblichkeit allein durch eine Herzerkrankung um 11,8 % höher war. Im selben Zeitraum sank in den 26 Kliniken, die an der Untersuchung teilnahmen, die Zahl der Herzkathetereingriffe um 35 % gegenüber dem Vorjahr. Die Studienautoren vermuten, dass der Sterblichkeitsanstieg nicht allein mit SARS-CoV-2-Infektionen zu erklären ist, sondern dass Patienten viel später als üblich in die Kliniken kamen und dadurch erst deren Herz- oder Gefäßkomplikationen verzögert medizinisch versorgt wurden. „Die Ergebnisse der Arbeit deuten darauf hin, dass Patienten mit Herzbeschwerden aus Angst vor einer Covid-19-Infektion oder wegen vermeintlicher Kapazitätsengpässe die Notfallambulanz oder den Besuch einer Klinik mieden. Das müssen wir zukünftig vermeiden“, erklärt der Kardiologe Voigtländer.
Unbedingt gegen Covid-19 impfen lassen – Hausarztpraxen effektiver einbinden
Unnötige und zusätzliche Risiken, die eine Herz- oder Gefäßkomplikation begünstigen könnten, sollten Herzkranke ebenso grundsätzlich vermeiden. „Wer Anspruch auf eine Covid-19-Schutzimpfung hat, sollte sich unbedingt impfen lassen“, appelliert Voigtländer an alle Herzpatienten und auch an Gesunde. Die Schutzwirkung der in der EU zugelassenen Impfstoffe vor einem schwerwiegenden Covid-19-Krankheitsverlauf überwiege die Risiken von Nebenwirkungen. „Damit aber dieser Schutzmechanismus rasch und flächendeckend in Deutschland greifen kann, muss die Einbindung der Hausarztpraxen effektiver ablaufen, indem diese noch schneller mit ausreichend Impfstoff ausgestattet werden“, fordert der Vorstand der Deutschen Herzstiftung. „Hausarztpraxen haben hier neben den Impfzentren eine enorm wichtige Schlüsselposition.“
Gegen Bluthochdruck und Übergewicht mit Bewegung und gesunder Ernährung
Neben den bekannten Hygiene- und Abstandsmaßnahmen (AHA+L-Regel), die man unbedingt umsetzen sollte, rät der Frankfurter Herzspezialist zum Verzicht auf Reisen in stark frequentierte Gebiete. Menschen mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung sollten sich zudem auch gegen das Influenzavirus impfen lassen, ebenso gegen Pneumokokken, die Haupterreger einer Lungenentzündung. Was kann man als Herzpatient (und als Gesunder) am besten tun, um sein Immunsystem zu stärken und sich so gut wie möglich zu schützen? „Entscheidend ist ein gesunder Lebensstil mit gesunder Ernährung und vor allem Bewegung“, unterstreicht der Kardiologe und rät zu Ausdauersport – mindestens dreimal die Woche, je nach Belastbarkeit und nach Rücksprache mit dem Arzt, etwa eine Stunde walken, radfahren oder 30 Minuten joggen. „Wer das nicht kann, der macht etwas anderes. Jede Bewegung ist besser als keine Bewegung“. Mit gesunder Ernährung und Bewegung nimmt jeder Mensch einen weiteren wichtigen Risikofaktor für Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall effektiv in die Zange: Übergewicht. „Alles was insgesamt für die Herzgesundheit gut ist, stärkt auch die Abwehrkräfte des Körpers und unterstützt das Immunsystem.“
Weiterführende Informationen
- Pressemitteilung zu WIdO-Auswertungen für den Krankenhaus-Report 2021
- Nef, H.M. et al, Impact of the COVID-19 pandemic on cardiovascular mortality and catherization activity during the lockdown in central Germany: an observational study. Clin Res Cardiol 110, 292–301 (2021). https://doi.org/10.1007/s00392-020-01780-0
Fotomaterial erhalten Sie auf Anfrage unter [email protected] oder per Tel. unter 069 955128-114
Die Deutsche Herzstiftung e. V. wurde 1979 gegründet und ist mit über 100.00 Mitgliedern heute die größte gemeinnützige und unabhängige Anlaufstelle für Patienten und Interessierte im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu den Hauptaufgaben der Herzstiftung gehört es, Patienten in unabhängiger Weise über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deren Vorbeugung sowie über aktuelle Diagnose- und Therapiemöglichkeiten aufzuklären. Bekannt ist die Herzstiftung außerdem durch ihre bundesweiten Aufklärungskampagnen und als wichtige Förderinstitution in der Herz-Kreislauf-Forschung. Die hohe Qualität ihrer Informationsangebote beruht nicht zuletzt auf der Expertise der rund 500 Herzspezialisten im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. Vorstandsvorsitzender ist der Kardiologe Prof. Dr. Dietrich Andresen (Berlin), Schirmherrin ist Barbara Genscher. Homepage: www.herzstiftung.de
- 60323 Frankfurt am Main, Bockenheimer Landstr. 94-96
- 069 955128 114/-140
- [email protected]
Leitung Pressestelle: Michael Wichert
Pressereferent: Pierre König