Pressemeldung

Infarktmarker im Blut nach Herz-OP: OP-Effekt oder Herzinfarkt?

Renommierte Dr. Rusche-Projektförderung der Deutschen Stiftung für Herzforschung geht an Forscher des Herz- und Gefäßzentrums Hamburg.

Dr. med. Tim Knochenhauer
David Ausserhofer/DGTHG Dr. med. Tim Knochenhauer mit der Urkunde der Dr. Rusche-Projektförderung auf der 53. Jahrestagung der herzchirurgischen Fachgesellschaft DGTHG in Hamburg

Mehr Patientensicherheit durch neue Biomarker: Forscher des Universitären Herz- und Gefäßzentrums Hamburg erhalten renommierte Dr. Rusche-Projektförderung der Deutschen Stiftung für Herzforschung

(Frankfurt a. M./Hamburg, 19. März 2024) Pro Jahr werden in Deutschland rund 88.100 Herzoperationen (2021) durchgeführt. Allein zur Behandlung der koronaren Herzkrankheit (KHK) und des Herzinfarkts sind für das Jahr 2021 über 36.000 Bypass-Operationen (isoliert und kombiniert) und zur Behandlung von Aortenklappenerkrankungen über 13.200 operative Eingriffe (isoliert und kombiniert) zu verzeichnen (Deutscher Herzbericht 2022).

Im Rahmen einer herzchirurgischen Operation kann es zu einer Herzmuskelverletzung kommen, wodurch kardiale Biomarker wie beispielsweise das hochsensitive Troponin in das Blut freigesetzt und dort nachgewiesen werden können. Troponin kann dabei auf eine Minderdurchblutung des Herzmuskels hindeuten, die auf eine mechanische Verletzung des Herzmuskels im Zuge des chirurgischen Eingriffs, aber nicht unbedingt auf einen Herzinfarkt zurückführen ist. „Im klinischen Alltag ist es extrem wichtig, einen im Zuge der Operation erwartbaren Anstieg kardialer Biomarker wie Troponin von einem unerwünschten Troponin-Anstieg nach einem Herzinfarkt in zeitlicher Nähe zur Herz-OP sofort unterscheiden zu können“, betont der Herzchirurg Prof. Dr. Armin Welz, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF). „Wir fördern deshalb innovative Forschung zur Entwicklung schneller und spezifischer Diagnoseverfahren in diesem Bereich – aktuell im Rahmen der Dr. Rusche Projektförderung.“ Infos zur Forschungsförderung unter www.herzstiftung.de/forschung-und-foerderung 

Dynamik kardialer Biomarker während Herz-OP besser verstehen

Um mehr Erkenntnisse für ein effizienteres Testverfahren zu gewinnen, untersucht ein Forscher-Team um Dr. med. Tim Knochenhauer, Assistenzarzt an der Klinik und Poliklinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg (Direktor: Prof. Dr. Dr. Hermann Reichenspurner), die Dynamik kardialer Biomarker nach herzchirurgischen Eingriffen. Das Forschungsvorhaben „B-ACS – Biomarkers After Cardiac Surgery“ wurde mit der renommierten Dr. Rusche-Projektförderung der DSHF auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) ausgezeichnet (Dotation: 60.000 Euro). „Unser Ziel ist es, die Dynamik neuer und etablierter Biomarker bei herzchirurgischen Eingriffen noch besser zu verstehen. Nur so können wir nach einer Operation eine relevante Herzmuskelschädigung infolge einer Minderdurchblutung des Herzens, beispielsweise einen Herzinfarkt, schneller und gezielter feststellen und behandeln“, erklärt Dr. Knochenhauer zum Dr. Rusche-Förderprojekt.

Normaler OP-Effekt oder Gefahr für das Herz in Verzug?

In der alltäglichen Diagnostik eines Herzinfarktes ist die Untersuchung von im Blut messbaren Biomarkern, vor allem dem hochsensitiven kardialen Troponin, längst etabliert. Serielle Troponinmessungen können inzwischen mit hoher Genauigkeit einen Herzinfarkt bestätigen oder ausschließen. Alternative Ursachen für einen Troponinanstieg im Blut nach herzchirurgischen Operationen sind beispielsweise die mechanische Manipulation am Herzmuskel oder die Operation am nicht-schlagenden Herzen unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine.

Aktuell hat die Europäische Gesellschaft für Herz-Thorax-Chirurgie (EACTS) in einem Konsensuspapier (1) zum Myokardinfarkt im zeitlichen Umfeld einer Herzoperation (perioperativer Myokardinfarkt, kurz „PMI“) eine Empfehlung mit Grenzwerten etablierter kardialer Biomarker (Kreatinkinase „CK“, die MB-Unterform „CK-MB“ und Troponin) publiziert. Grenzwerte („Cut-off-Werte“) sind für eine Unterscheidung zwischen negativem oder positivem Befund wichtig. „Allerdings beziehen sich die Empfehlungen ,nur‘ auf die etablierten Biomarker, nicht aber auf weitere weniger etablierte Marker. Diese möchten wir im Rahmen der Diagnosestellung eines PMI erforschen “, sagt Dr. Knochenhauer. Auch seien viele der diagnostischen Empfehlungen aufgrund der aktuellen Datenlage verbunden mit einer Troponinkontrolle zum Zeitpunkt postoperativ und 24 Stunden später. Eine Myokardischämie gelte es jedoch so früh wie möglich, bereits in der frühen postoperativen Phase, festzustellen, um die Sterblichkeit und das Therapieergebnis („Outcome“) nach einer Bypassoperation zu verbessern, betont der Arzt und Forscher am UKE. „Ein perioperativer Herzinfarkt ist mit einer hohen Sterblichkeit verbunden und erfordert eine unmittelbare Therapie mit rascher Verbesserung der Durchblutung.“

Zur Diagnose des PMI ist die Zusammenschau mehrerer Befunde (Biomarker, Symptomatik, EKG, Echokardiographie) notwendig. Für Ärzt:innen stellt ein PMI zudem eine Herausforderung dar, „weil die typischen Herzinfarkt-Symptome aufgrund von Narkose, Sedierung im Zuge der Operation fehlen oder Schmerzen im Brustkorb aufgrund des Eingriffs fehlinterpretiert werden könnten“, erklärt Dr. Knochenhauer. Die B-ACS-Studie soll zur schnelleren Diagnose des PMI beitragen und dabei helfen, weitere bisher nicht-etablierter Biomarker zu identifizieren.

Erste Untersuchungen bei Patient:innen nach Bypass- und Herzklappen-Operation

In einer Pilotphase der B-ACS Studie von April bis November 2022 wurden bereits 412 Patient:innen nach herzchirurgischem Eingriff (Bypass-/Herzklappen-OP) eingeschlossen und untersucht. In dieser Kohorte konnten Knochenhauer und Kolleg:innen bereits signifikante Unterschiede in der Troponinveränderung nach der Operation zwischen Patient:innen mit und ohne aufgetretenem Herzinfarkt nachweisen. Zudem konnten sie zeigen, dass die höchsten Troponinwerte im Durchschnitt vier Stunden nach herzchirurgischem Eingriff nachzuweisen waren. Überdies wiesen männliche und weibliche Patient:innen innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Operation zu allen untersuchten Zeitpunkten signifikante Unterschiede zwischen den Troponinwerten auf, wobei bei Frauen höhere Werte gemessen wurden.

Basierend auf der Pilotstudie wird nun eine Fortführung der Studie geplant, um auch eine Nachbeobachtung der Studienteilnehmenden zu ermöglichen und eine Biobank mit Blut- und Gewebeproben aufzubauen. Die hierfür gewonnenen Biomaterialien sollen zur Erforschung noch nicht etablierter Biomarker und deren Nutzen für eine schnellere und spezifische Diagnostik eines Herzinfarktes nach herzchirurgischem Eingriff verwendet werden. Die Hamburger Herzforscher planen, die Studienkohorte auf über 1.500 Teilnehmende zu erweitern.

  1. Gaudino M. et al, cardiothorac Surg 2024; doi:10.1093/ejcts/ezad415.

Dank der finanziellen Unterstützung durch Stifterinnen und Stifter, Spender und Erblasser kann die Deutsche Herzstiftung gemeinsam mit der von ihr 1988 gegründeten Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) Forschungsprojekte in einer für die Herz-Kreislauf-Forschung unverzichtbaren Größenordnung finanzieren. Infos zur Forschungsförderung der Deutschen Herzstiftung: www.herzstiftung.de/forschung-und-foerderung

Die 2008 eingerichtete „Dr. Rusche-Projektförderung“ ist mit 60.000 Euro dotiert und wird jährlich von der DSHF zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) vergeben. Benannt ist der Stiftungsfond nach dem Internisten Dr. Ortwin Rusche (1938 bis 2007) aus Bad Soden, der die DSHF in seinem Testament bedachte, um Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Herzchirurgie zu fördern. Bewerben können sich junge Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler, die in Deutschland auf dem Gebiet der Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie tätig sind.

Foto-Material erhalten Sie auf Anfrage in druckfähiger Form unter [email protected] oder Tel. 069 955128114/-140

Forschen für die Medizin von morgen - Forschungsbroschüre der Herzstiftung

Über die Forschungsförderung der Deutschen Herzstiftung und der Deutschen Stiftung für Herzforschung informiert die Broschüre „Forschen für die Medizin von morgen“. Der Band stellt eine Auswahl an geförderten patientennahen Forschungsprojekten vor und berichtet darüber hinaus über die Vergaben von Wissenschaftspreisen und stellt die Stifterinnen und Stifter sowie Erblasser hinter den Preisen und Förderprojekten vor. Die Broschüre kann unter Tel. 069 955128400 kostenfrei angefordert werden.

Patientinnen und Patienten, Interessierte und Krankenhäuser/Arztpraxen können die Broschüre „Auf einen Blick – Herzoperation“ kostenfrei als Print-Produkt oder im digitalen Format (PDF) bei der Deutschen Herzstiftung unter www.herzstiftung.de/bestellung („Sonderdrucke“) (Tel. 069 955128-400) anfordern.

Kontakt

Pressestelle: Michael Wichert und Pierre König