Die Nationale Herz-Allianz (NHA) ist ein ein breites Bündnis, in dem sich alle großen herzmedizinischen Fachgesellschaften Deutschlands und die Deutsche Herzstiftung als Patientenvertretung gemeinsam für eine Verbesserung von Forschung und die Versorgung im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen engagieren. Daher befürwortet die NHA auch das Gesundes-Herz-Gesetz. Dabei ist es wichtig, einige Fakten zu kennen, warum das GHG unterstützenswert ist. Hier eine Zusammenstellung der wichtigsten Aspekte.
1. Herz-Kreislauferkrankungen sind in Deutschland die Todesursache Nummer 1 (1/3 aller Todesfälle).(1)
2. Deutschland belegt trotz hoher Gesundheits-Aufwendungen den letzten Platz bei der Lebenserwartung in Westeuropa (im Mittel 1,7 Jahre geringer). (2,3)
3. Hauptgrund für die geringere Lebenserwartung ist die hohe kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität durch unzureichende kardiovaskuläre Prävention.(3)
4. Deutschland belegt im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in der Prävalenz vermeidbarer kardiovaskulärer Risikofaktoren: Bluthochdruck, Rauchen, Adipositas, Diabetes mellitus und Hypercholesterinämie vordere Plätze.(4)
5. Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen, insbesondere zur Erkennung und zur Beratung bezüglich der wichtigen vermeidbaren kardiovaskulären Risikofaktoren, sind sinnvoll und durch randomisierte Studien als auch Register-Studien positiv belegt. (5,6,7)
6. Da diese Maßnahmen nicht immer sozial Benachteiligte erreicht, sollte ein zusätzlicher Fokus auf die strukturelle Primärprävention und Verhältnisprävention gelegt werden.
7. Im Vergleich zu anderen Screening-Verfahren, z.B. für Krebserkrankungen oder Hepatitis-C, wäre ein Screening auf kardiovaskuläre Risikofaktoren zur Verhinderung eines Todesfalls hoch effektiv („Number-needed to screen“ von 274 bzw. 418 im Vergleich zu >1000-3000 für Karzinom-Erkrankungen).
8. Im Gesundes-Herz-Gesetz soll die Verordnungsfähigkeit von Statinen nach Bewertung durch den G-BA erleichtert werden. Damit greift das GHG die Empfehlungen der aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) auf. (8.9) Sie stellt keine Erweiterung der Indikation dar, sondern adressiert die teilweise Unterversorgung in der Primärprävention in Deutschland! Bei Jahrestherapiekosten von ca. 70 € für diese sehr gut verträglichen und effektiven Medikamente ist diese Empfehlung bei Hoch-Risiko-Patienten höchst kosteneffektiv.
9. Diese Veränderungen sollten jedoch nicht dazu führen, dass die bisherigen Leistungen der Krankenversicherungen zur Verhaltensprävention nach Paragraf 20 Absatz 5 SGB V zugunsten des GHG umgeschichtet werden. Insbesondere die qualitätsgeprüften Bewegungsangebote müssen erhalten bleiben.
10. Eine genetisch bedingte Familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine recht häufige Ursache (Prävalenz 1:250) für frühzeitige Herzinfarkte bei jungen Erwachsenen und reduziert die Lebenserwartung bis zu 15 Jahre. In Deutschland sind derzeit <5% der Menschen mit FH diagnostiziert.
11. Ein aktueller IQWiG-Bericht urteilt grundsätzlich positiv über ein FH-Screening (bei Erwachsenen) und grundsätzlich positiv für eine systematische Diagnostik (Kaskadenscreening) bei Kindern. Ebenso urteilt der IQWiG-Bericht positiv für eine medikamentöse Behandlung von Kindern mit FH.(10)
12. Im Vergleich zu anderen Screening-Verfahren, die in Deutschland bei genetischen Erkrankungen bereits etabliert sind (Beispiele Phenylketonurie, Ahornsirupkrankheit, etc.) und eine Prävalenz von 1:5000 – 1:580.000 haben, ist die FH sogar eine häufige Erkrankung.(11)
13. Da die FH gut zu erkennen und zu behandeln ist, wäre ein gesetzlicher Anspruch auf die Früherkennung dieser Fettstoffwechselerkrankung im Kindesalter sinnvoll. Um eine Statin-Therapie auf die Kinder mit dem höchsten Risiko zu fokussieren, ist eine genetische Diagnose der FH notwendig. Es ist nicht geplant, eine Statin-Therapie bei Kindern ohne genetisch determinierte FH zu initiieren!
Fazit
Die schlechte Prognose von kardiovaskulären Erkrankungen insgesamt und die in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern viel zu hohe kardiovaskuläre Mortalität machen diese Initiative zu einem der wichtigsten politischen Vorhaben der letzten Jahrzehnte, um die Herz-Kreislauf-Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland zu verbessern.
Das Gesunde Herz-Gesetz ist ein guter Anfang, sollte aber in eine gezielte nationale Herz-Kreislauf-Gesundheitsstrategie münden. Diese sollte Verhältnis- und Verhaltensprävention, Beginn der Lebensstilmodifikation im Kindesalter, Anerkennung genetischen Ursachen und der Nikotinsucht als Krankheit, gezielter systematischer Impfprogramme und vor allem auch Maßnahmen zur Steigerung der Laienreanimation (hierdurch wären rund 10.000 Menschenleben pro Jahr zusätzlich zu retten) adressieren.
- Statistisches Bundesamt: Häufigste Todesursachen in Deutschland | Statista
- Grigoriev P, Sauerberg M, Jasilionis D, van Raalte A, Klüsener S. Sterblichkeitsentwicklung in Deutschland im internationalen Kontext. Bundesgesundheitsbl 2024 · 67:493–503
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