Der Herzinfarkt gilt als typische Männerkrankheit. Deshalb erkennen Frauen, aber auch ihre behandelnden Ärzte, die Gefahr häufig deutlich später – auch deshalb, weil bei ihnen die Symptome weniger eindeutig sind als bei Männern. Lesen Sie hier, worauf Sie unbedingt achten sollten.
Frauen erleiden häufig erst im höheren Alter einen Herzinfarkt
Ein Herzinfarkt trifft tatsächlich vermehrt Männer als Frauen. Dennoch gehört der Herzinfarkt auch bei Frauen zu den häufigsten Todesursachen. Jedes Jahr sterben in Deutschland mehr als 20 000 Frauen daran – und nicht nur das: Sie haben nach einem Herzinfarkt auch schlechtere Chancen auf Genesung als Männer, wie Studien und Statistiken zeigen. Die Erkrankung tritt bei Frauen statistisch gesehen allerdings später auf: erst zehn Jahre nach der Menopause (Wechseljahre). Das große Problem: Erleiden Frauen einen Herzinfarkt, handeln sie häufig nicht schnell genug. Eine von der Herzstiftung geförderte Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung zeigte beispielsweise gemeinsam mit dem Helmholtz Zentrum München und der Technischen Universität München, dass bei Frauen über 65 Jahren mit Symptomen eines Herzinfarktes im Schnitt über viereinhalb Stunden vergehen, bis sie in die Notaufnahme kommen – bei Männern gleichen Alters dauert es nur dreieinhalb Stunden.
Beschwerden ernst nehmen und auch an einen Herzinfarkt denken!
Bei einem Herzinfarkt entscheidet jede Minute über Leben oder Tod. Doch gerade Frauen nehmen ihre Symptome häufig nicht ernst, verdrängen sie oder sprechen ihre Beschwerden erst auf Nachfrage laut aus. Häufig heißt es: Ich will doch keine Umstände machen! Doch genau das ist ein großer Fehler. Vor allem im höheren Alter sollten Frauen immer auch die Gefahr eines Herzinfarkts im Kopf haben – auch wenn die Symptome unspezifisch sind und für Zweifel sorgen. Doch auch jüngere Frauen sollten die Möglichkeit eines Herzinfarkts nicht verdrängen. Laut Studien neigen sie dazu, Beschwerden nicht ernst genug zu nehmen. Für sie stehen häufig berufliche Verpflichtungen oder die Betreuung der Kinder an erster Stelle. Generell gilt: Lieber einmal zu viel den Notruf wählen als einmal zu wenig! Als kleine Richtlinie kann man sich merken, dass man sich sofort Hilfe holen sollte, wenn die Beschwerden in einem bisher nicht gekannten Ausmaß auftreten.
Warum tritt bei Frauen ein Herzinfarkt häufig erst nach der Menopause ein?
Frauen profitieren vor den Wechseljahren von einem schützenden Effekt der weiblichen Geschlechtshormone (Östrogene). Sie regulieren nicht nur den Zyklus und die Schwangerschaft, sondern sind auch an unterschiedlichen Prozessen des Stoffwechsels beteiligt. Sie beeinflussen Entzündungsreaktionen und die Blutgerinnung und sie wirken erweiternd auf die Blutgefäße. Auf diese Weise können Östrogene vor der Bildung von arteriosklerotischen Ablagerungen in den Gefäßen schützen und vor einer koronaren Herzkrankheit bewahren. Nach den Wechseljahren lässt der Hormonschutz jedoch nach: Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, steigt dann bei Frauen rascher an als bei Männern.
So erkennen Frauen einen Herzinfarkt rechtzeitig
Gerade bei älteren Frauen sind die Herzinfarktsymptome weniger charakteristisch. Der typische starke Brustschmerz, der auch in verschiedene Körperregionen ausstrahlen kann, macht sich bei ihnen beispielsweise manchmal weniger heftig bemerkbar als bei Männern. Frauen berichten eher von einem Druck- oder Engegefühl in der Brust. Weitere Symptome für einen Herzinfarkt können bei Frauen sein:
- Kurzatmigkeit / Atemnot
- Schweißausbrüche
- Rückenschmerzen
- Übelkeit
- Erbrechen
- Schmerzen im Oberbauch
- Ziehen in den Armen
- Unerklärliche Müdigkeit
- Depressionen
Viele dieser Beschwerden führen dazu, dass Frauen zuerst an eine harmlose Magenverstimmung denken. Hinzu kommt, dass ältere Frauen häufig allein leben und im Notfall niemanden haben, der Hilfe holen könnte. Auch sind sie oft zurückhaltender und möchten ihren Mitmenschen nicht zur Last fallen.
Alarmzeichen Herzinfarkt
Schmerzen im Brustkorb
Schmerzen im Oberbauch
Schmerzen im Rücken (zwischen Schulterblättern)
Bei Verdacht auf Herzinfarkt sofort 112 rufen
Hausnotrufsystem nutzen?
Ältere Frauen leben oft allein. Dann kann es sinnvoll sein, ein Hausnotrufsystem zu nutzen. Solche Systeme bieten beispielsweise der Malteser Hilfsdienst, die Johanniter, der Arbeiter-Samariter-Bund oder das Deutsche Rote Kreuz an. Mit einem Alarmknopf, den man wie eine Armbanduhr am Handgelenk trägt, lässt sich jederzeit Hilfe holen.
Bei Symptomen auch an Herzinfarkt denken
Auch wenn Frauen häufig zu lange zögern, bis sie einen Rettungswagen rufen, liegt die Ursache für eine verzögerte Behandlung nicht ausschließlich bei ihnen. Auch Ärztinnen und Ärzte sind vor einer Fehldiagnose nicht gefeit und können die wahre Ursache der Symptome verkennen, wenn sie sich untypisch zu den Symptomen äußern. Sie vermuten beispielsweise zunächst Magen- oder Verdauungsbeschwerden und denken nicht ans Herz. Und auch das medizinische Personal im Krankenhaus trägt zu Verzögerungen bei, da es beispielsweise EKG-Ergebnisse jüngerer Frauen seltener zur Beurteilung an Spezialisten eines Herzinfarktzentrums weiterleitet. Darüber hinaus haben Forscher der Harvard Business School in einer Studie gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, an einem Herzinfarkt zu sterben bei Frauen höher ist, wenn sie von jüngeren männlichen Ärzten behandelt werden – und nicht von Ärztinnen oder von älteren männlichen Ärzten, die mehr Erfahrung haben.
Werden Frauen anders behandelt als Männer?
Frauen und Männer erhalten im Krankenhaus, wenn die richtige Diagnose gestellt wird, die gleiche Behandlung. Entscheidend ist es, die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels nach einem Gefäßverschluss so schnell wie möglich wiederherzustellen – meist erfolgt das mit der Kathetertechnik. Danach werden Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation überwacht. Auch die Auswahl der Medikamente und ihre Dosierung unterscheidet sich bisher nicht. Hier ist es allerdings wichtig zu wissen, dass Frauen in großen klinischen Studien häufig unterrepräsentiert sind. Meist sind nur 25 Prozent der Studienteilnehmer weiblich. Dass es unterschiedliche Wirkungen und Nebenwirkungen bei Männern und Frauen gibt, ist mittlerweile bekannt. Deshalb wird inzwischen auch in internationalen Leitlinien gefordert, mehr Frauen in Studien einzubeziehen.
Herzinfarkt bei Frauen: Risikofaktoren kennen und vorbeugen
Nicht nur Frauen nach den Wechseljahren sind gefährdet, einen Herzinfarkt zu erleiden. Auch jüngere Frauen zwischen 40 und 50 sind der Gefahr ausgesetzt – vor allem wenn sie ungesund leben oder familiär belastet sind. Wer effektiv vorbeugen und sein Herzinfarktrisiko senken möchte, sollte folgende Risikofaktoren bekämpfen:
- Übergewicht
- Rauchen
- Bluthochdruck
- Erhöhte Blutfette
- Erhöhter Blutzucker
- Psychosoziale Belastung
- Stress
- Bewegungsmangel
- Ungesunde Ernährung
Folgende Schutzfaktoren können dabei helfen, einen Herzinfarkt zu verhindern:
- Bewegung
- Entspannung
- Rauchfrei leben
- Gesund ernähren
- Gemeinsame Mahlzeiten
- Soziale Geborgenheit
- Grippeimpfung
Expertin
Prof. Dr. med. Christiane P. Tiefenbacher, Mitglied im Vorstand der Deutschen Herzstiftung e.V. und Chefärztin der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie, Wesel. Schwerpunkte: Vaskuläre Forschung: endotheliale Dysfunktion, Mikrozirkulation, Angiogenese, Klinische Forschung zur pAVK, KHK, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern, seit 2008 Mitglied im Wiss. Beirat der Deutschen Herzstiftung.
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