Schlaf ist ein natürlicher Teil des Lebens. Doch immer mehr Menschen haben Probleme beim Ein- und Durchschlafen und empfinden auch die Schlafdauer als zu kurz. Wer jedoch seine Schlafprobleme als harmlos abtut und sich nicht um ein gesundes Schlafverhalten kümmert, bezahlt dies später womöglich mit seiner Gesundheit. So kann zu wenig Schlaf das Risiko erhöhen, an kardiovaskulären Erkrankungen zu sterben. Besonders das Risiko für Herzinfarkt und Herzschwäche steigt. Umgekehrt ist auch zu viel Schlaf ungünstig, wie Studien ergeben haben. Doch wieso hat sich unser Schlafverhalten in den letzten 100 Jahren überhaupt so verschlechtert, dass das Herz darunter leidet?
Schichtarbeit und permanente Erreichbarkeit
Dass Schlafmangel heute so verbreitet ist, lässt sich größtenteils auf die permanente Verfügbarkeit von künstlichem Licht zurückführen und auf den damit verbundenen Wandel in der Arbeitswelt. Nacht- und Wechselschichten stören den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus und verstellen unsere innere Uhr. Aber auch viele Überstunden, fehlende Pausen und eine ununterbrochene Erreichbarkeit im Job sind bedeutende Risikofaktoren. Hinzu kommen elektronische Geräte, wie Fernsehen, Computer, Internet oder Smartphone. Sie signalisieren durch ihr helles Licht, dem Körper wach zu bleiben. Begünstigt wird ein gesundheitsgefährdendes Schlafverhalten zudem durch unser verändertes Freizeitverhalten, das oftmals mit höherem psychosozialem Stress verbunden ist. All dies zeigt sich unter anderem in einer insgesamt veränderten Schlafdauer: Schliefen vor 100 Jahren die Menschen noch circa neun Stunden pro Nacht, hat sich seither die Schlafdauer auf durchschnittlich 7,5 Stunden verringert. Aber auch Lärm und die Umgebungstemperatur können die innere Uhr und damit auch den Schlaf ungünstig beeinflussen.
Dafür brauchen wir die innere Uhr
Das Schlafbedürfnis an sich ist universell – bis hin ins Tierreich. Doch der Schlafbedarf ist sehr individuell. Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird dabei über eine “innere Uhr” im Inneren der Zellen geregelt. Diese innere Uhr ist so etwas wie das Steuerungselement des Körpers. Sie reguliert den Schlaf-Wach-Rhythmus, indem sie z.B. noch vor dem Aufwachen die Körpertemperatur ansteigen lässt und das Ausschütten des Hormons Kortison veranlasst, was die körperliche und geistige Leistung ankurbelt. Außerdem beeinflusst sie den Blutdruck und den Stoffwechsel und sorgt dafür, dass weitere physiologische und biochemische Prozesse zyklisch ablaufen. Diesen Grundmechanismus der inneren Uhr können wir nicht ändern; es ist bereits in den Genen festgelegt. Daher gibt die innere, biologische Uhr auch jedem Menschen seinen ganz persönlichen Schlaf-Rhythmus vor und bestimmt damit den Chronotyp, ob wir also eher „Lerchen“ oder „Eulen“ sind: Lerchen sind Morgenmenschen, die zeitig aufstehen, früh fit sind und abends eher müde werden, Eulen hingegen erreichen abends und nachts noch einmal ein Aktivitätsmaximum und schlafen morgens dafür gerne länger. Im Alter kann sich das mitunter jedoch ändern.
Auch wenn umgangssprachlich meist nur von einer inneren Uhr gesprochen wird, besitzt jedes Gewebe und jedes Organ seine eigene innere Uhr. Die wichtigste Uhr sitzt im Gehirn im sogenannten suprachiasmatischen Nucleus, einem Kerngebiet, in dem rund 5000 Nervenzellen eng miteinander verknüpft und mit anderen Hirnregionen verschaltet sind. Der Nucleus ist Bestandteil des Hypothalamus und wird vom Tageslicht gesteuert.
Schlafmangel führt zur Herzschwäche
Wenn wir nun regelmäßig Störfaktoren ausgesetzt sind und entgegen unserem Mechanismus leben, kann es zu körperlichen Problemen kommen. Denn während der Körper schläft, ist das Gehirn hochaktiv. So braucht unser Gehirn die regelmäßigen Regenerationsphasen, um in Ruhe arbeiten, wichtige Erinnerungen sichern und Überflüssiges löschen zu können. Was wir während des Tages gelernt haben, wird während des Schlafes vom Gehirn konsolidiert und integriert. Neue Forschungsdaten deuten darauf hin, dass bei diesen Speicher- und Verknüpfungsprozessen der Atemrhythmus während des Schlafs eine wichtige Rolle spielt.
Darüber hinaus ist der Schlaf wichtig für die körperliche Regeneration. Während wir schlafen, werden Reparaturprozesse angeschaltet, bestimmte Stoffwechselprozesse aktiviert und optimiert – etwa der Fett- und Zuckerstoffwechsel –, Abfallstoffe entsorgt, das Immunsystem gestärkt und die Wundheilung beschleunigt. Sichtbare Folgen von Schlafmangel sind tagsüber Müdigkeit und Erschöpfung, auch die Leistungsfähigkeit sinkt.
Herz-Tipp:
Der Rat, „erst einmal eine Nacht darüber zu schlafen“, hat durchaus seine Berechtigung. Denn die Erfahrung zeigt: Nach einer Schlafphase stellt sich so manches Problem anders dar und lässt sich tatsächlich leichter lösen.
Besonders gefährlich ist der Schlafmangel jedoch fürs Herz: Der oxidative Stress nimmt zu, und es entstehen aggressive Sauerstoffverbindungen, „freie Radikale“, die Zellen und Gewebe angreifen. Eine langfristige Folge dieser schwelenden Entzündungen sind etwa Schäden am Endothel, der zarten Innenschicht der Blutgefäße. Das begünstigt die Arteriosklerose, die sogenannte Arterienverkalkung. Sie ist die wichtigste Ursache für Herz-Kreislauf-Leiden wie koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Herzschwäche und Schlaganfall.
Auch das metabolische Syndrom, die folgenschwere Kombination von hohen Zucker- und Blutfettwerten, extremem Übergewicht und Bluthochdruck wird durch Schlafmangel begünstigt. Dieses „tödliche Quartett“ stellt ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Gefäß- und Herzkrankheiten dar.
Nicht zuletzt geht ein chronisch schlechter Schlaf mit dem allmählichen Verlust von Hirnsubstanz (Hirnatrophie) bei ansonsten gesunden älteren Erwachsenen und einem Abfall der kognitiven Leistungen einher. Jüngeren Datums ist die Erkenntnis, dass ein gestörter Schlaf auch Erkrankungen des Nervensystems wie Morbus Parkinson sowie die Alzheimer- Erkrankung und weitere Formen von Altersdemenz begünstigt. Und auch für die seelische Gesundheit ist er wichtig. So zeigte eine Studie, dass Jugendliche, die immer erst nach Mitternacht schlafen, deutlich häufiger Depressionen hatten und häufiger Selbstmordgedanken, also Gleichaltrige, die früher schlafen.
Schlafstörung als Symptom einer Krankheit
Von einer Schlafstörung spricht man, wenn ein Mensch mindestens dreimal pro Woche und über einen Zeitraum von einem Monat hinweg Schwierigkeiten mit dem Ein- und Durchschlafen hat und morgens nicht erholt aufwacht. Häufig stecken auch bestimmte Erkrankungen hinter einer Schlafstörung. Dann ist die Schlafstörung das Symptom für eine Krankheit. Ein Beispiel ist die Schlafapnoe, die mit großer Tagesmüdigkeit trotz ausreichender Schlafdauer einhergeht, weil es während des Schlafes immer wieder zu Atemaussetzern kommt.
Sieben Stunden Schlaf pro Nacht sind ideal
Im Schnitt benötigt der erwachsene Mensch sechs bis neun Stunden Schlaf. Neuere Studien konnten zeigen, dass nicht nur ein langfristig zu kurzer Schlaf (weniger als fünf Stunden), sondern auch dauerhaft zu langer Schlaf (mehr als neun Stunden) das allgemeine Risiko für Krankheiten erhöht. Es wird daher für Erwachsene mittlerweile eine Schlafdauer von durchschnittlich sieben Stunden pro Nacht empfohlen. So hat eine US-amerikanische Studie mit über 116.000 Menschen herausgefunden, dass sowohl bei weniger als sechs Stunden Nachtschlaf, aber v.a. bei mehr als acht Stunden Schlaf bei Erwachsenen – insbesondere ab einem Alter über 50 Jahren – das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt zunimmt.
Besser schlafen: 12 Tipps für einen gesunden Schlaf
Ausreichend guter Schlaf ist neben gesunder Ernährung, Bewegung und dem Verzicht aufs Rauchen, eine wesentliche Voraussetzung für Wohlbefinden und körperliche Gesundheit. Es lohnt sich also, dafür etwas zu tun. Bestimmte Verhaltensweisen, Gewohnheiten und Gegebenheiten können den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus negativ beeinflussen. Mit folgenden 11 Tipps können Sie, Schlafstörungen und Ihre Folgen vorbeugen:
1. Feste Schlaf- und Aufstehzeiten entwickeln
Gehen Sie abends möglichst immer zur gleichen Zeit ins Bett, und stehen Sie morgens immer zur gleichen Zeit wieder auf. Die täglichen Aufsteh- und Einschlafzeiten sollten nicht mehr als 30 Minuten voneinander abweichen.
2. Abendessen nicht zu spät einnehmen
Nehmen Sie das Abendessen immer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein. Schwere Mahlzeiten sollten Sie mindestens drei Stunden vor dem Zubettgehen meiden, ebenso einen übermäßigen Konsum von Alkohol.
3. Auf schwere Mahlzeiten verzichten
Ein abendliches Essen, das reich an Kohlenhydraten und Fetten ist, fördert die Darmaktivität – und stört den Schlaf. Ein leichtes, proteinreiches Abendessen hingegen kann die Schlafqualität verbessern.
4. Auf späten Kaffee besser verzichten
Kaffee sollten Sie vier bis acht Stunden vor dem Zubettgehen nicht mehr trinken: Koffein wirkt stimulierend. Nach 19 Uhr ist es besser, nicht mehr zu rauchen. Nikotin stört den Schlaf. Noch besser ist es, ganz auf Nikotin zu verzichten.
5. Powernapping vor 15 Uhr
Das „Nickerchen“ am Nachmittag sollte vor 15 Uhr stattfinden, auf zwanzig Minuten beschränkt und mit dem Wecker kontrolliert werden – sonst wird der Nachtschlaf davon beeinträchtigt. Wer nachts schlecht schläft, sollte ganz darauf verzichten, tagsüber zu schlafen.
6. Kein Sport in den Abendstunden
Sport ist grundsätzlich gut – nach 18 Uhr sollte körperliche Anstrengung jedoch eher vermieden werden, denn sie aktiviert das sympathische Nervensystem. Ein kleiner Spaziergang am Abend hingegen unterstützt das Müde werden.
7. Regelmäßige Schlafrituale schaffen
Hilfreich können regelmäßige Schlafrituale sein, etwa ein Abendgebet, Meditation oder Atemübungen. Auf diese Weise können Sie besser zur Ruhe finden.
8. Einschlaf-Tabletten vermeiden
Schlafmittel sollten Sie nur in Absprache mit Ihrem Arzt einnehmen; pflanzliche Mittel, etwa Baldrian- oder Hopfenpräparate, sind dabei zu bevorzugen. Auch die Einnahme von Melatonin kann die Ein- und Durchschlafphasen und damit den Schlaf verbessern.
9. Entdecken Sie die dunkle Seite der Nacht
Wenn Sie nachts wach werden: Vermeiden Sie helles Licht und essen sie nichts – beides fördert das Wachwerden und verstellt die innere Uhr. Blicken Sie nicht unentwegt auf den Wecker, um die Uhrzeit zu kontrollieren. Das löst Anspannung und Erregung aus.
10. Wohltuende Schlafumgebung schaffen
Sorgen Sie für eine angenehme Schlafumgebung. Das Schlafzimmer sollte abgedunkelt und ruhig gelegen sein sowie eine angenehme Raumtemperatur haben (18° C). Frische Luft durch ein offenes Fenster sorgt für besseren Schlaf.
11. Abhilfe in heißen Nächten
Wenn es im Sommer unangenehm warm bis in die Nacht hinein wird: Sorgen Sie dafür, dass schon früh die Jalousien herunter gelassen werden. Feuchte Tücher im Raum und eine kühle Dusche vor dem Schlafengehen (alternativ kühle Fußbäder) sowie ein leiser/sanfter Ventilator im Schlafzimmer sorgen für Erfrischung. Ebenso können gekühlte Nachtwäsche plus ganz leichtes Bettzeug (etwa dünne Naturfasern wie Baumwolle, Leinen, Seide) zu einem guten Schlaf beitragen.
12. Kein TV im Schlafzimmer
Verbannen Sie Fernseher und andere elektronische Geräte aus Ihrem Schlafzimmer: Mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen sollten Sie das Arbeiten am Computer oder das Lesen von E-Mails auf dem Smartphone einstellen.
Experte
Professor Dr. Dr. Anil-Martin Sinha ist Chefarzt des Sana Klinikums in Hof, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung und Mitautor des aktuellen Positionspapiers „Schlafmedizin in der Kardiologie“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie.