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Blutdruck immer unter 120 / 80 mmHg senken?

Nach einer aktuellen Studie ist eine intensive Blutdrucksenkung empfehlenswert. Beeinflussen die Ergebnisse die europäischen Blutdruck-Leitlinien?

Bei hohen Blutdruckwerten ist eine medikamentöse Therapie nötig
Firma V – stock.adobe.com

Bluthochdruck gilt als stiller Killer, da er nur selten direkt Beschwerden verursacht. Doch auf Dauer gefährdet ein zu hoher Druck unsere Gefäße, das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte steigt deutlich. Auch Schäden an Augen und Nieren nehmen zu und außerdem die Neigung, eine Demenz zu entwickeln. In Deutschland hat trotz dieser nachweislichen Risiken schätzungsweis etwa jeder dritte Erwachsene zu hohe Blutdruckwerte – häufig ohne es zu wissen, da die Werte nie kontrolliert wurden. Chinesische Forscher haben nun bei Patienten, die ein ohnehin erhöhtes kardiovaskuläres Risiko hatten, in einer Studie untersucht, wie niedrig der Blutdruck für einen bestmöglichen Schutz gesenkt werden sollte. Denn die bisherige Datenlage klärt nicht eindeutig, wo der optimale untere Grenzwert liegt. 

Welche Blutdruckwerte empfehlen Experten bisher in Deutschland?

Nach den aktuell geltenden kardiologischen Leitlinien liegt bei Gesunden ein (beim Arzt gemessener) optimaler Blutdruckwert bei

  • 120/80 mmHg (oberer/unterer Wert)

Als normal gelten

  • 120-129/80-84 mmHg

Als hochnormal gelten

  • 130-139/85-89 mmHg.

Von einem therapiebedürftigen Bluthochdruck wird ab einem Wert von

  • 140-159/90-99 mmHg gesprochen.

Auch nach den im vergangenen Jahr vorgestellten Empfehlungen der Europäischen Bluthochdruckgesellschaft sollten bei allen Menschen zwischen 18-79 Jahren Blutdruckwerte von unter 140/90 mmHg angestrebt werden, besser noch von 130/80 mmHg. 

Diese Empfehlung gilt auch für Patienten über 80 Jahre, wenn das vertragen wird.

Was wurde in der chinesischen Studie untersucht?

An der Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde, haben über 11.000 Bluthochdruck-Patienten mit einem Alter von mindestens 50 Jahren teilgenommen, die an einem von 116 chinesischen Krankenhäusern behandelt wurden. Sie hatten alle ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. So hatten zum Beispiel 4359 von ihnen zusätzlich einen Diabetes mellitus, 3252 hatten eine koronare Herzerkrankung und 3022 hatten bereits einen ersten Schlaganfall erlitten. Der mittlere systolische Blutdruckwert lag bei den Teilnehmern zu Studienbeginn bei rund 147 mmHg.

Sie wurden dann zufällig einer von zwei Behandlungsgruppen zugewiesen: Eine Hälfte der Patienten erhielt eine Standardtherapie zur Blutdrucksenkung, mit der ihr oberer (systolischer) Blutdruckwert auf im Mittel 135 mmHg eingestellt wurde. Die andere Hälfte erhielt eine intensivierte medikamentöse Therapie, mit der ein systolischer Blutdruckwert von im Mittel 119 mmHg erzielt wurde. 

Bei welchem Blutdruck wurden die besten Ergebnisse für die Gesundheit erzielt?

Nach mehr als drei Jahren Behandlungszeit wurde überprüft, wie oft in den beiden Gruppen kritische Gefäßereignisse auftraten. Es zeigte sich dabei, dass es unter der intensivierten Behandlung seltener zu einem schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignis gekommen war. Dazu zählten ein Herzinfarkt, Krankenhausaufenthalt wegen Herzschwäche, ein Eingriff zur Revaskularisierung, Schlaganfall oder ein kardiovaskulär bedingter Tod. Insgesamt trat ein solches Ereignis bei 9,7 Prozent der Patienten dieser Gruppe auf. In der Gruppe mit Standardtherapie war das bei 11,1 Prozent der Patienten der Fall.

Welche Einschränkungen hat die chinesische Studie?

Nach Ansicht von Professor Heribert Schunkert, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung hat die chinesische Studie einige Limitationen. So sei die Einschlussphase der Patienten genau mit dem Beginn der COVID-19-Krise in China zusammengefallen. Viele Visiten bei den Studienärzten hätten somit nicht durchgeführt werden können. Zudem war die Studie nicht verblindet, d.h. Patienten und Ärzte wussten, zu welcher Behandlungsgruppe sie zugeordnet wurden. So könnten sich ungewollt Fehler einschleichen, was die Interpretation etwas einschränke. „Schließlich spielt bei asiatischen Patienten der Schlaganfall als Komplikation des Bluthochdrucks eine größere Rolle als in Europa“, erläutert Schunkert, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen des Deutschen Herzzentrums München. 

Überraschend sei auch die niedrige Nebenwirkungsrate der intensiven Blutdrucksenkung gewesen. „Nur bei 3 von 1.000 Patienten in der intensiv behandelten Gruppe kam es zu Beschwerden aufgrund eines zu niedrigen Blutdruckes. Diese Zahl war in der amerikanischen SPRINT-Studie zum Beispiel deutlich höher“, so der Kardiologe. „Schließlich muss gesagt werden, dass der Nutzen der intensivierten Therapie erst nach zwei Jahren Behandlung zum Tragen kam.“ Dennoch könne zusammenfassend kann gesagt werden: Bei guter Toleranz der Behandlung und dem Fehlen von Nebenwirkungen ist ein Blutdruck von 120 mmHg systolisch besser ist als einer von 135 mmHg.

Haben die neuen Studiendaten Einfluss auf die europäische Bluthochdruck-Leitlinie?

„Wir wissen seit langem, dass Menschen, die von Natur aus einen Blutdruck unter 120 mmHg systolisch haben, ein deutlich verringertes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall in sich tragen“, so der Münchner Kardiologe. Weniger klar sei, ob Bluthochdruckpatienten so intensiv behandelt werden müssen, dass sich auch ihr Blutdruck systolisch unter 120 mmHg einpendle. Prof. Schunkert, verweist dazu auf die amerikanische SPRINT-Studie, die entsprechende Hinweise geliefert habe. „Jetzt hat auch die in China durchgeführte ESPRIT-Studie gezeigt, dass eine intensivere Behandlung des Blutdruckes (Zielwerte unter 120 versus 135 mmHg) auf lange Sicht das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herz-Kreislauf-Tod reduziert. So habe in der Vergleichsgruppe der chinesischen ESPRIT-Studie, in der gehäuft schwere Komplikationen auftraten, der durchschnittliche systolische Blutdruck zwar bei “nur“ 135 mmHg gelegen. Das bedeute jedoch, dass immerhin jeder zweite Patient im Durchschnitt über diesem Wert lag. 

„Diese Studie zeigt erneut, dass Werte über 135 mmHg vermieden werden müssen. Alle Blutdruckpatienten sollten Werte unter 130 mmHg erreichen. Und bei guter Verträglichkeit der Medikamente und fehlenden Nebenwirkungen ist sogar ein systolischer Blutdruck von 120 mmHg vorteilhaft und sollte angestrebt werden.“
Bild von Prof. Schunkert

Prof. Schunkert

Prof. Schunkert geht davon aus, dass die Erkenntnisse aus der chinesischen ESPRIT- und der amerikanischen SPRINT-Studie daher ihren Niederschlag in den künftigen Therapieleitlinien finden werden, da sie zeigen, dass nicht nur ein von Natur aus gegebener niedriger Blutdruck für das Herz-Kreislaufsystem günstig ist, sondern auch, bei guter Verträglichkeit der Medikamente, ein medikamentös eingestellter Blutdruck um 120 mmHg. 

  • Lowering systolic blood pressure to less than 120 mm Hg versus less than 140 mm Hg in patients with high cardiovascular risk with and without diabetes or previous stroke: an open-label, blinded-outcome, randomised trial - The Lancet

Experte

Prof. Dr. med. Heribert Schunkert
Portrait von Prof. Heribert Schunkert

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