Bluthochdruck gilt als stiller Killer, da er nur selten direkt Beschwerden verursacht. Doch auf Dauer gefährdet ein zu hoher Druck unsere Gefäße, das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte steigt deutlich. Auch Schäden an Augen und Nieren nehmen zu und außerdem die Neigung, eine Demenz zu entwickeln. In Deutschland hat trotz dieser nachweislichen Risiken schätzungsweis etwa jeder dritte Erwachsene zu hohe Blutdruckwerte – häufig ohne es zu wissen, da die Werte nie kontrolliert wurden. Chinesische Forscher haben nun bei Patienten, die ein ohnehin erhöhtes kardiovaskuläres Risiko hatten, in einer Studie (veröffentlicht am 28.06.2024) untersucht, wie niedrig der Blutdruck für einen bestmöglichen Schutz gesenkt werden sollte.
Was wurde in der chinesischen Studie untersucht?
An der Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde, haben über 11.000 Bluthochdruck-Patienten mit einem Alter von mindestens 50 Jahren teilgenommen, die an einem von 116 chinesischen Krankenhäusern behandelt wurden. Sie hatten alle ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. So hatten zum Beispiel 4359 von ihnen zusätzlich einen Diabetes mellitus, 3252 hatten eine koronare Herzerkrankung und 3022 hatten bereits einen ersten Schlaganfall erlitten. Der mittlere systolische Blutdruckwert lag bei den Teilnehmern zu Studienbeginn bei rund 147 mmHg.
Sie wurden dann zufällig einer von zwei Behandlungsgruppen zugewiesen: Eine Hälfte der Patienten erhielt eine Standardtherapie zur Blutdrucksenkung, mit der ihr oberer (systolischer) Blutdruckwert auf im Mittel 135 mmHg eingestellt wurde. Die andere Hälfte erhielt eine intensivierte medikamentöse Therapie, mit der ein systolischer Blutdruckwert von im Mittel 119 mmHg erzielt wurde.
Bei welchem Blutdruck wurden die besten Ergebnisse für die Gesundheit erzielt?
Nach mehr als drei Jahren Behandlungszeit wurde überprüft, wie oft in den beiden Gruppen kritische Gefäßereignisse auftraten. Es zeigte sich dabei, dass es unter der intensivierten Behandlung seltener zu einem schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignis gekommen war. Dazu zählten ein Herzinfarkt, Krankenhausaufenthalt wegen Herzschwäche, ein Eingriff zur Revaskularisierung, Schlaganfall oder ein kardiovaskulär bedingter Tod. Insgesamt trat ein solches Ereignis bei 9,7 Prozent der Patienten dieser Gruppe auf. In der Gruppe mit Standardtherapie war das bei 11,1 Prozent der Patienten der Fall.
Welche Einschränkungen hat die chinesische Studie?
Nach Ansicht von Professor Heribert Schunkert, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung hat die chinesische Studie einige Limitationen. So sei die Einschlussphase der Patienten genau mit dem Beginn der COVID-19-Krise in China zusammengefallen. Viele Visiten bei den Studienärzten hätten somit nicht durchgeführt werden können. Zudem war die Studie nicht verblindet, d.h. Patienten und Ärzte wussten, zu welcher Behandlungsgruppe sie zugeordnet wurden. So könnten sich ungewollt Fehler einschleichen, was die Interpretation etwas einschränke. „Schließlich spielt bei asiatischen Patienten der Schlaganfall als Komplikation des Bluthochdrucks eine größere Rolle als in Europa“, erläutert Schunkert, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen des Deutschen Herzzentrums München.
Überraschend sei auch die niedrige Nebenwirkungsrate der intensiven Blutdrucksenkung gewesen. „Nur bei 3 von 1.000 Patienten in der intensiv behandelten Gruppe kam es zu Beschwerden aufgrund eines zu niedrigen Blutdruckes. Diese Zahl war in der amerikanischen SPRINT-Studie zum Beispiel deutlich höher“, so der Kardiologe. „Schließlich muss gesagt werden, dass der Nutzen der intensivierten Therapie erst nach zwei Jahren Behandlung zum Tragen kam.“ Dennoch könne zusammenfassend kann gesagt werden: Bei guter Toleranz der Behandlung und dem Fehlen von Nebenwirkungen ist ein Blutdruck von 120 mmHg systolisch besser ist als einer von 135 mmHg.
Haben die neuen Studiendaten Einfluss auf die europäische Bluthochdruck-Leitlinie?
„Wir wissen seit langem, dass Menschen, die von Natur aus einen Blutdruck unter 120 mmHg systolisch haben, ein deutlich verringertes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall in sich tragen“, so der Münchner Kardiologe. Weniger klar sei, ob Bluthochdruckpatienten so intensiv behandelt werden müssen, dass sich auch ihr Blutdruck systolisch unter 120 mmHg einpendle. Prof. Schunkert, verweist dazu auf die amerikanische SPRINT-Studie, die entsprechende Hinweise geliefert habe. „Jetzt hat auch die in China durchgeführte ESPRIT-Studie gezeigt, dass eine intensivere Behandlung des Blutdruckes (Zielwerte unter 120 versus 135 mmHg) auf lange Sicht das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herz-Kreislauf-Tod reduziert. So habe in der Vergleichsgruppe der chinesischen ESPRIT-Studie, in der gehäuft schwere Komplikationen auftraten, der durchschnittliche systolische Blutdruck zwar bei “nur“ 135 mmHg gelegen. Das bedeute jedoch, dass immerhin jeder zweite Patient im Durchschnitt über diesem Wert lag.
Update 2025: Welche Blutdruckwerte empfehlen Experten in Deutschland?
Der Blutdruck ist ein entscheidender Indikator für die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Optimal sind bei Erwachsenen Werte von 120/70 mmHg. Die aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC 2024) haben diese Zielwerte erstmals besonders streng gefasst. Neu eingeführt wurde die Kategorie des „erhöhten Blutdrucks“ für Werte zwischen 120–139/70–89 mmHg.
Die Blutdruckkategorien im Überblick:
- optimal: <120mmHg/<70mmHG
- erhöhter Blutdruck: 120-134/70-89 mmHg
- Bluthochdruck Grad 1: 140-159/90-99 mmHg
- Bluthochdruck Grad 2: 160-179/100-109 mmHg
- Bluthochdruck Grad 3: >180/>110 mmHg
- isolierter systolischer Blutdruck: >140/<90 mmHg
- Lowering systolic blood pressure to less than 120 mm Hg versus less than 140 mm Hg in patients with high cardiovascular risk with and without diabetes or previous stroke: an open-label, blinded-outcome, randomised trial - The Lancet
Experte
Prof. Dr. med. Heribert Schunkert, Kardiologe und Direktor der Klinik für Erwachsenenkardiologie am Deutschen Herzzentrum München, Schwerpunkte: Interventionelle Kardiologie und Hypertensiologie sowie Molekularbiologie und Genetik von Herzerkrankungen, seit 2018 Vorstandsmitglied und seit 2021 stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung.

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Bluthochdruck: Herz und Gefäße schützen (2021)
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