(Frankfurt a. M., 31. März 2021) Mit der dritten Corona-Welle und steigenden Covid-19-Infektionen befürchten Herzspezialisten, dass in den kommenden Wochen der Pandemie Herzkranke mit akuten Herzbeschwerden erneut Kliniken und Praxen meiden könnten. Besonders fatal zeigte sich das bereits im ersten Lockdown: Menschen scheuten bei Verdacht auf Herzinfarkt und anderen notfallartigen Herzbeschwerden den lebensrettenden Notruf 112 oder den Weg in die Notfallambulanz – aus Angst vor Ansteckung mit SARS-CoV-2 oder wegen befürchteter pandemiebedingter Kapazitätsengpässe in den Kliniken im Zuge von Verschiebungen vieler elektiver Eingriffe am Herzen.
„Mit jeder Minute, die man mit Symptomen eines Herzinfarkts abwartet ohne den Notarzt unter der 112 zu alarmieren und den Herzinfarkt sofort medizinisch versorgen zu lassen, verlässt man das optimale Zeitfenster für eine Behandlung des Herzinfarkts in der Klinik“, warnt Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung und Kardiologe am Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt am Main. „Dadurch steigt das Risiko eines plötzlichen Herztodes und irreparable Schäden am Herzen bei dauerhaften Leistungseinbußen werden wahrscheinlicher.“
Kampagne informiert über Herzerkrankungen und ihre häufigsten Warnzeichen
Umso wichtiger ist es, die Menschen über die wichtigsten Symptome von Herzinfarkt und anderen Herzkrankheiten zu informieren, die sich zum Teil mit Symptomen von Covid-19 (Luftnot, Brustschmerzen) überschneiden können (s. Fact Sheet). Ziel ist es auch, dafür zu sensibilisieren, trotz Corona-Lockdown bei Herzinfarkt-Verdacht wie auch bei Herzbeschwerden generell medizinische Versorgung in den Kliniken und Praxen in Anspruch zu nehmen. Aus diesem Grund haben die Deutsche Herzstiftung und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) gemeinsam mit der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (European Society of Cardiology, ESC) und dem Bündnis der Europäischen Herzstiftungen (European Heart Network, EHN) die Aufklärungskampagne „Ein krankes Herz kann niemals warten – Trotz Corona: Warnsignale des Herzens nicht ignorieren“ gestartet. Auf der Kampagnenseite www.herzstiftung.de/krankesherzwartetnie bieten die Initiatoren Informationsangebote in Form von Ratgebern, Experten-Beiträgen, Video-Clip und Illustrationen rund um das Thema Herzinfarkt (Ursachen, Symptome, Therapie) und richtiges Verhalten im Herznotfall sowie zu Herzerkrankungen allgemein.
„Nicht nur der akute Herzinfarkt, auch andere lebensbedrohliche Komplikationen wie bösartige Herzrhythmusstörungen oder Schlaganfall sind keine aufschiebbaren Krankheitsfälle, sondern erfordern eine notfallmedizinische Versorgung durch den Notarzt und die Klinik“, wie Prof. Dr. med. Andreas Zeiher, Präsident der DGK und Kardiologe am Universitätsklinikum Frankfurt am Main betont. Ebenso zählen dazu Durchblutungsstörungen des Herzens (Ischämien) höherer Dringlichkeit wie Hauptstammstenosen und die instabile Angina pectoris als Vorstufen des Herzinfarkts sowie die entgleiste (dekompensierte) Herzschwäche, die hochgradige Aortenklappenstenose und der Bluthochdrucknotfall. „Sie unterliegen auch in der Pandemie weiterhin selbstverständlich der Notfallversorgung“, so Zeiher.
Unser Herz sollte aber immer höchste Priorität genießen – auch in diesen schwierigen Zeiten. „Deshalb unser Appell an chronisch Herzkranke und Personen mit erstmaligen Herzbeschwerden: Hören Sie auf Ihr Herz, nehmen Sie medizinische Hilfe in der Klinik oder Praxis in Anspruch. Nehmen Sie weiterhin Ihre Medikamente und halten Sie Ihre Kontrolltermine ein“, so der Appell von ESC-Präsident Prof. Dr. med. Stephan Achenbach, Kardiologe am Universitätsklinikum Erlangen.
Über 40 Prozent weniger Herzinfarkte und andere Herzgefäßkomplikationen in Kliniken
Während des ersten Lockdowns sank allein die Zahl der stationär versorgten akuten Herzinfarkte um 31 %, das Spektrum auf Durchblutungsstörungen des Herzens (Ischämien) höherer Dringlichkeit wie Hauptstammstenosen, instabile Angina pectoris, dekompensierte Herzschwäche, kardiogener Schock und Herzinfarkt erweitert, kam man sogar auf 42 % weniger stationäre Behandlungen (1). Eine ESC-Umfrage unter mehr als 3.100 Klinikärzten und Pflegekräften in 141 Ländern weltweit ergab, dass während der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 die Zahl der Herzinfarktpatienten, die notfallmedizinische Versorgung in den Kliniken in Anspruch nahmen, sogar um über 50 % sank (2). „Anstatt den Notarzt zu rufen, dürften diese Menschen einen Herzinfarkt zu Hause erlitten haben mit fatalen Folgen für ihre Überlebenschancen“, berichtet ESC-Präsident Achenbach. „Trotz der Corona-Pandemie muss aber unser Herz seine volle Aufmerksamkeit erhalten wie zu Zeiten vor Corona. Wir Ärzte erleben leider allzu häufig Notfälle, die durch einen vorzeitigen Arzt- oder Klinikbesuch vermeidbar gewesen wären.“
Covid-19 war im Jahr 2020 zwar für den Tod von mehr als 1,6 Millionen Menschen weltweit verantwortlich, über 7 Millionen erliegen einem Herzinfarkt. Allein in Deutschland starben daran rund 46.200 Menschen im Jahr 2018 (bei ca. 75.000 Covid-19-Sterbefällen 2020/2021 seit Pandemiebeginn) (3).
Weiterführende Informationen
(1) Der Untersuchungszeitraum reichte vom 16. März bis 5. April 2020, siehe WidO-Report: Günster, C, Drogan D, Hentschker C, Klauber J, Malzahn J, Schillinger G, Mostert C. WidO-Report: Entwicklung der Krankenhausfallzahlen während des Coronavirus-Lockdowns. Nach ICD-10-Diagnosekapiteln und ausgewählten Behandlungsanlässen, Berlin 2020
(2) Pessoa-Amorim G, Camm CF, Gajendragadkar P, et al. Admission of patients with STEMI since the outbreak of the COVID-19 pandemic. A survey by the European Society of Cardiology. Eur Heart J Qual Care Clin Outcomes. 2020;6:210–216. doi: 10.1093/ehjqcco/qcaa046
(3) Deutsche Herzstiftung (Hg.), Deutscher Herzbericht 2019, Frankfurt am Main 2020; Robert Koch-Institut (RKI)
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Die Deutsche Herzstiftung e. V. wurde 1979 gegründet und ist mit über 100.00 Mitgliedern heute die größte gemeinnützige und unabhängige Anlaufstelle für Patienten und Interessierte im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu den Hauptaufgaben der Herzstiftung gehört es, Patienten in unabhängiger Weise über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deren Vorbeugung sowie über aktuelle Diagnose- und Therapiemöglichkeiten aufzuklären. Bekannt ist die Herzstiftung außerdem durch ihre bundesweiten Aufklärungskampagnen und als wichtige Förderinstitution in der Herz-Kreislauf-Forschung. Die hohe Qualität ihrer Informationsangebote beruht nicht zuletzt auf der Expertise der rund 500 Herzspezialisten im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. Vorstandsvorsitzender ist der Kardiologe Prof. Dr. Dietrich Andresen (Berlin), Schirmherrin ist Barbara Genscher. Homepage: www.herzstiftung.de
Bei diesen Anzeichen eines Herzinfarkts rufen Sie sofort den Rettungsdienst (112)
- Starke Schmerzen und Druckgefühl im Brustkorb: Anzeichen für einen Herzinfarkt können Schmerzen sein, die überwiegend im Brustkorb oder häufig auch ausschließlich hinter dem Brustbein auftreten. Sie können in andere Körperteile wie Arme, Oberbauch, Rücken, Hals, Kiefer oder Schulterblätter ausstrahlen. Brustschmerzen oder Atemnot bei kleinsten Belastungen oder in Ruhe sind besonders alarmierend. Dahinter könnte die sogenannte instabile Angina pectoris (Brustenge) stecken, aus der sich jederzeit ein Herzinfarkt entwickeln kann. Generell gilt: Halten die Schmerzen länger als fünf Minuten an, sollten Sie sofort handeln.
- Massives Engegefühl: Viele Menschen spüren als Anzeichen für einen Herzinfarkt einen heftigen Druck oder ein sehr starkes Einschnürungsgefühl im Brustkorb – so, als würde ihnen „ein Elefant auf der Brust stehen“.
- Heftiges Brennen: Im Brustkorb kann ein starkes Brennen auftreten.
- Angstschweiß mit kalter, fahler Haut: Menschen, die einen Herzinfarkt erleiden, spüren häufig starke Angst, die durch blasse Gesichtshaut und kalten Schweiß auch sichtbar wird.
- Übelkeit, Erbrechen, Atemnot, Schmerzen im Oberbauch: Die Anzeichen für einen Herzinfarkt können zudem recht unspezifisch sein – vor allem bei Frauen. Um auf Nummer sicher zu gehen und auch diese Symptome nicht zu übersehen, gilt die Empfehlung, immer dann einen Rettungswagen mit Notarzt (112) zu rufen, wenn die Beschwerden in einem noch nie zuvor erlebten Ausmaß auftreten.
Achtung: Auch wenn bei vielen Patienten der Herzinfarkt plötzlich und ohne Vorboten kommt, so treten nach neueren Daten bei ca. 50 % der Herzinfarktpatienten Symptome auch 24-48 Std. vor dem eigentlichen Herzinfarkt auf. Die Betroffenen berichten über kurze Phasen von Brustkorbenge oder Brennen hinter dem Brustbein. Dies kann in Ruhe oder bei leichter Belastung auftreten, gelegentlich tritt auch nächtliches Erwachen mit diesen Beschwerden auf.
Bei diesen Warnzeichen für Herzerkrankungen sofort zum Arzt!
Generell sollten Betroffene bei den folgenden Warnzeichen umgehend zum Internisten oder Kardiologen. Sie können untersuchen, ob z. B. eine Herzrhythmusstörung als Folge einer koronaren Herzkrankheit (Grunderkrankung des Herzinfarkts), oder anderer Herzerkrankungen wie Herzklappenerkrankungen oder eine Herzschwäche vorliegt. Unbehandelt können diese Erkrankungen zu schwerwiegenden, auch notfallmäßigen, Komplikationen führen:
- Schmerzen oder ein unangenehmes Engegefühl im Brustkorb (Angina pectoris) und/oder Luftnot
- Nächtliches Erwachen mit Druck im Brustkorb
- Herzrasen mit Einschränkung der Belastbarkeit
- Hartnäckiges Herzstolpern
- Kurze Bewusstlosigkeiten (Synkopen)
- Schwindelanfälle, drohende Bewusstlosigkeiten
Diese Beschwerden können Warnzeichen auch für mehrere Herzerkrankungen zugleich sein. Angina pectoris-Beschwerden können Vorboten für eine fortgeschrittene Herzkranzgefäßverengung bis hin zum Herzinfarkt sein, aber auch Anzeichen eines operationsbedürftigen Herzklappenfehlers. Atemnot und Leistungsschwäche sind typische Symptome für eine Herzschwäche oder eine Herzproblematik wie Herzklappenerkrankung oder Vorhofflimmern. Kurze Synkopen können ein harmloses neurologisches Problem, aber auch Vorboten einer bösartigen Herzrhythmusstörung (Kammerflimmern) sein.
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