Wer erkältet ist, hat meist mehrere Symptome: Das reicht von Schnupfen über Kopfschmerzen, Schlappheit und Fieber bis Husten und Halsschmerzen. Daher greifen Patienten gerne statt zu vielen Einzelmitteln zu Kombinationsmitteln, die gleich mehrere Symptome lindern. In einigen dieser Präparate ist der Wirkstoff Pseudoephedrin enthalten. Was müssen Herzpatienten hierbei beachten? Hier die Antwort unseres Experten
Die Sprechstundenfrage im Wortlaut
Ich fühle mich für mein Alter noch ziemlich fit und habe laut meinem Arzt nur eine ganz leichte koronare Herzkrankheit (KHK). Als ich vor kurzem nun mit einer Erkältung in der Apotheke war und mir ein Präparat kaufen wollte, das mir von einem Bekannten gegen meinen Schnupfen mit dickem Kopf empfohlen worden war, hat mir der Apotheker aber davon abgeraten. Es sei aufgrund meines Alters (65) und meiner Herzerkrankung wegen des enthaltenen Pseudoephedrins nicht gut. Er sagte sogar, dass es möglicherweise einen Herzinfarkt auslösen kann. Da ich das Mittel früher schon mal genommen habe, bin ich etwas in Sorge und würde mich nun gerne rückversichern: Ist ein solches Kombipräparat wirklich gefährlich für mein Herz? (Luise S., Mannheim)
Antwort des Experten
Aus meiner Sicht spricht aktuell alles dafür, dass der Wirkstoff Pseudoephedrin von den meisten Menschen gut vertragen wird. Dafür sprechen die wahrscheinlich Millionen Nutzer in der Welt und auch mehrere kleinere Beobachtungsstudien. Aber es gibt auch seltene, schwerwiegende Effekte, die in der Fachliteratur seit Jahrzehnten beschrieben und mehrfach zu Warnhinweisen der Aufsichtsbehörden geführt haben.
Kürzlich ist über einen Herzinfarkt berichtet worden, der auf generalisierten Koronarspasmen beruhte. Dieser Fall eines Patienten ist der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft gemeldet und veröffentlicht worden. Der 42-jährige bis dahin gesunde Betroffene hatte kurz nach erstmaliger Anwendung eines rezeptfrei erhältlichen Kombinationsarzneimittels, das Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin enthielt, gravierende Herzbeschwerden, Kammerflimmern und Bewusstlosigkeit. Er wurde daraufhin intensivmedizinisch betreut und erhielt einen Stent, verstarb aber wenige Tage nach Entlassung aus dem Krankenhaus. Wie gesagt, das ist ein Einzelfall. Und es deutet vieles darauf hin, dass hier eine besondere Empfindlichkeit vorlag.
Wie oft eine solche sogenannte idiosynkratische Nebenwirkung – also auf einer Überempfindlichkeit beruhenden Wirkung – am Ende tatsächlich auftritt, kann derzeit keiner sagen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sehr selten ist. Der genaue Mechanismus und welche Risikokonstellation vorliegen muss, damit derartig schwere Nebenwirkungen auftreten, sind gerade Gegenstand aktueller eigener Forschungsarbeiten – die übrigens auch von der Deutschen Herzstiftung mit unterstützt werden.
Was ist Pseudoephedrin?
Pseudoephedrin gehört zur Wirkstoffgruppe der indirekten Sympathomimetika, die das Hormon Noradrenalin aus sympathischen Nervenendigungen freisetzen. Darauf beruht der gefäßverengende (vasokonstriktive), aber auch ein allgemein stimulierender, stimmungsaufhellender Effekt. Durch die Gefäßverengung schwillt die Nasenschleimhaut ab, andererseits steigt der Blutdruck. Die Wirkung setzt innerhalb von 30 min ein und hält, je nach Dosierung, etwa einen halben Tag an.
Pseudoephedrin ist in Deutschland derzeit rezeptfrei verkäuflich und wird vor allem bei fieberhaften Infekten und verstopfter Nase eingenommen. In Frankreich ist die Substanz allerdings im Dezember 2024 unter die Rezeptpflicht gestellt worden, weil die dortigen Behörden das Risiko-Nutzen-Verhältnis aufgrund der seltenen, aber schweren Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem und das Gehirn als negativ einstufen.
Achtung bei schwerem Bluthochdruck und Nierenerkrankungen
Vorsicht ist auf jeden Fall geboten bei Patienten mit schwerem Bluthochdruck oder einer Nierenerkrankung. Laut Beipackzettel sind Pseudoephedrin-haltige Arzneimittel bei schwerer oder unkontrollierter Hypertonie sowie bei schwerer akuter oder chronischer Nierenerkrankung kontraindiziert. Auch Patienten mit schwerer KHK sollten darauf verzichten. Hintergrund ist ein Risikobewertungsverfahren der europäischen Arzneimittelbehörde zu Pseudoephedrin-haltigen Arzneimitteln. Pauschal wurde dabei zwar darauf hingewiesen, dass die Einnahme mit kardiovaskulären Risiken verbunden sein kann wie Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, ischämischen Risiken und Herzversagen. Doch an sich ging es bei dem Warnhinweis um zerebrale Nebenwirkungen wie „Donnerkopfschmerz“. Die dazu gemeldeten Fälle klangen nach Absetzen des Medikamentes und einer geeigneten Behandlung wieder ab. Es wurden keine Todesfälle berichtet.
Einnahme von Pseudoephedrin: Abwägung je nach Gesundheitszustand
Wenn bei Ihnen tatsächlich nur eine ganz milde KHK und kein Bluthochdruck vorliegt, ist das kardiovaskuläre Risiko bei bestimmungsgemäßer Einnahme von Pseudoephedrin-haltigen Arzneimittel wahrscheinlich als gering einzuschätzen. Ihr Alter stellt ebenfalls keine Kontraindikation dar. Generell muss man aber für sich klären, ob ein Pseudoephedrin-haltiges Kombinations-Erkältungsmittel tatsächlich das Richtige ist für die vorhandenen Erkältungsbeschwerden oder ob nicht Medikamente wie Ibuprofen oder ASS/Aspirin alleine ausreichen. Beide senken Fieber und lindern Glieder- und Rückenschmerzen. Und Nasensprays mit den Wirkstoffen Oxy- oder Xylometazolin können die Nase wieder frei machen.
Experte
Prof. Dr. med. Thomas Eschenhagen ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung, Mitglied im Vorstand der Deutschen Stiftung für Herzforschung, Direktor des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK).
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Herz-Sprechstunde
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