Sprechstundenfrage

Taussig-Bing-Komplex: Was steckt hinter der Krankheit?

Experten beantworten, was Eltern betroffener Kinder bei der Geburt beachten sollten und welche Therapien es gibt.

Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:

Meine Schwester ist in der 24. Schwangerschaftswoche und hat die Diagnose eines Taussig-Bing-Komplexes ihres ungeborenen Jungen bekommen. Da ich selbst Anästhesistin bin – allerdings ohne jede Erfahrung in der Kinderkardiologie –, sucht sie Rat bei mir. Leider kann ich ihr da wenig helfen, was ich herzlich gern tun würde.
Aus diesem Grund würde ich mich sehr freuen, von Ihnen ein paar Fragen beantwortet zu bekommen: Wie ist das Vorgehen nach der Geburt des Kindes? Wie häufig wird eine solche Fehlbildung operiert? Wie lange sind diese Kinder erfahrungsgemäß in der Klinik? Wie sieht das Leben eines operierten Kindes aus im Hinblick auf Infekte, körperliche Anstrengung, eventuelle spätere Operationen? (Hanna B., Osnabrück)

Expertenantwort:

Beim Taussig-Bing-Komplex handelt es sich um eine Sonderform der Transposition der großen Arterien: Die Aorta entspringt aus der rechten Herzkammer und die Pulmonalarterie reitet über einem Ventrikelseptumdefekt und nimmt das Blut aus beiden Herzkammern auf. Das venöse Blut aus dem Körperkreislauf fließt über den rechten Vorhof in die rechte Herzkammer, weiter in die Aorta und in den Körperkreislauf. Das arterielle Blut aus der Lunge fließt über die linke Vorkammer in die linke Herzkammer und dann zum größeren Teil durch die „reitende“ Pulmonalarterie wieder in die Lunge und zum kleineren Teil durch den Ventrikelseptumdefekt in die rechte Herzkammer und dann über die Aorta in den Körperkreislauf.
Das Kind sollte am besten in einem Perinatalzentrum entbunden werden, um sofort von Neonatologen und Kinderkardiologen betreut werden zu können. In der Regel wird eine frühe Korrektur im Neugeborenenalter durchgeführt. Dabei werden Aorta und Lungenschlagader kurz oberhalb der Herzklappen abgetrennt und vertauscht wieder angenäht. Dabei müssen die Herzkranzgefäße ebenfalls verpflanzt werden. Der Ventrikelseptumdefekt wird verschlossen. Der Kreislauf entspricht dann dem anatomisch richtigen Kreislauf.
Es handelt sich um eine komplexe Operation, mit welcher wir in unserer Klinik bereits viel Erfahrung haben. Prinzipiell sind wir auch bemüht, kleinste Kinder ohne Fremdblut zu operieren, da wir miniaturisierte Herz-Lungen-Maschinen zur Verfügung haben. In der Regel muss man mit einem dreiwöchigen Aufenthalt rechnen. Die Kinder geben den Takt vor: Wenn alles optimal geht, kann das Kind natürlich auch früher entlassen werden. Die Kinder entwickeln sich in der Regel ganz komplikationslos und normal. Sie bedürfen aber einer weiteren kinderkardiologischen Überwachung.

Expertin

Privatdozentin Dr. Nicole Nagdyman