Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:
Mein jetzt 5-jähriger Sohn hat eine angeborene Aortenstenose, die schon am Tag seiner Geburt per Ballondilatation geweitet wurde. Mit zehn Monaten konnte die Aortenklappe rekonstruiert werden. Seitdem hatten wir Ruhe, aber jetzt verschlechtern sich die Werte wieder. Ansonsten geht es ihm gut. Mein Sohn wird alle acht Wochen in der Uniklinik untersucht. Meine Frage: Kann die Klappe ein zweites Mal repariert werden? Wenn nicht, wie ist es mit einer künstlichen Klappe? Wie oft müsste diese bis zum Erwachsenenalter getauscht werden? Muss dazu immer der Brustkorb geöffnet werden oder gibt es noch andere Möglichkeiten? Eine Ross-Operation würden wir nicht wählen, weil man damit doch automatisch auch Probleme an der Pulmonalklappe hervorruft. Wie weit ist die Entwicklung einer mitwachsenden Herzklappe aus Stammzellen fortgeschritten? (Sigrid N., Oberhausen)
Expertenantwort:
Die angeborene Aortenstenose Ihres Sohnes, die bereits am ersten Lebenstag mit einem Ballonkatheter erweitert werden musste, wird auch als „kritische Aortenstenose“ bezeichnet. Für diesen lebensbedrohlichen Herzfehler haben renommierte Kinderherzchirurgen den Satz geprägt: „Bei der kritischen Aortenstenose ist der Ersteingriff die wirksamste Maßnahme, um für die weiteren Operationen Zeit zu gewinnen.“ Hieraus können Sie entnehmen, dass der Verlauf, wie er bei Ihrem Sohn eingetreten ist, durchaus nichts Ungewöhnliches darstellt.
Bei diesem Herzfehler ist in nahezu allen Fällen nicht nur die Klappenöffnung zu klein, sondern zusätzlich sind die Klappensegel verdickt und asymmetrisch angelegt. Auch der Aortenklappenring ist in der Regel in seinem Durchmesser zu klein. Beim Ersteingriff mit Ballondilatation wird zwar die Klappenöffnung etwas erweitert, die Klappe selbst wird dabei aber immer mehr oder weniger insuffizient, d. h. schlussunfähig. Das Ausmaß und die Folgen dieser Aortenklappeninsuffizienz bestimmen dann in der Regel den Zeitpunkt und die Art des erforderlichen Zweiteingriffs. In einigen Fällen, wie bei Ihrem Sohn, helfen dann der Versuch einer operativen Rekonstruktion der defekten Aortenklappe und ggf. eine Erweiterung des Ansatzrings (Aortovalvuloplastie) weiter. Nicht selten muss die Aortenklappe aber schließlich doch ersetzt werden. Dies ist bei Ihrem Sohn nun offensichtlich bereits im 5. Lebensjahr notwendig geworden.
Bei einem Ersatz durch eine mechanische, aber auch durch eine isolierte biologische Klappe, ist aufgrund der Größenverhältnisse bei einem 5-Jährigen mindestens noch mit einer oder zwei weiteren Austauschoperationen gegen größere Klappen zu rechnen. Der von Ihnen erwähnte Einsatz einer aus Stammzellgewebe gezüchteten mitwachsenden Aortenklappe ist noch im Experimentalstadium, d. h. es liegen bisher keinerlei Erfahrungen über den weiteren Verlauf beim Menschen vor.
Die Ross-Operation, in die – wie von Ihnen richtig bemerkt – auch noch eine weitere, zuvor gesunde Herzklappe einbezogen werden muss, wurde bis vor einiger Zeit an manchen Zentren auch als „effektiver Primäreingriff“ (d. h. als wirksamer Ersteingriff) bei einer kritischen Aortenstenose im Säuglingsalter bevorzugt. Bei der Ross-Operation wird die defekte Aortenklappe durch die eigene Pulmonalklappe ersetzt, die dann ihrerseits durch ein biologisches Fremdimplantat (Homograft) ersetzt werden muss. Obwohl die Zahlen der Ross-Operation derzeit rückläufig sind, ziehen auch ansonsten eher konservativ eingestellte Kinderherzchirurgen die Ross-Operation vor, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind: Es liegt eine deformierte, zweisegelige Aortenklappe vor, die Aortenklappe ist insuffizient und ein vorausgegangener chirurgischer Eingriff an dieser Klappe brachte nicht den nötigen Erfolg.
Ich bin ganz sicher, dass dieser Sachverhalt auch an Ihrer behandelnden Klinik bekannt ist und Sie dort vertrauenswürdig beraten werden.
Experte
Prof. Dr. med. Herbert E. Ulmer, stv. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung e. V. Der Mediziner baute das Zentrum für herzkranke Kinder in Heidelberg mit auf und war 18 Jahre lang als dessen Ärztlicher Direktor tätig. Mittlerweile ist er im Ruhestand.