Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:
In herzblatt 3/2011 (ab Seite 4) wird die Transposition der großen Arterien (TGA) sehr anschaulich erklärt. Ich möchte gerne wissen, ob es während der Schwangerschaft eine Möglichkeit gibt, das Risiko des Auftretens einer TGA zu reduzieren. Ist es in diesem Zusammenhang z. B. sinnvoll, wenn die werdende Mutter Folsäure einnimmt? Gibt es noch andere sinnvolle Vorbeugungsmaßnahmen? (Johannes B., Köln)
Expertenantwort:
Forschung mit dem Ziel, angeborenen Herzerkrankungen vorzubeugen, ist von höchster Bedeutung. Leider werden auf diesem Gebiet nur sehr langsam für die Praxis nutzbare Erkenntnisse gewonnen.
In einer vor etwa 30 Jahren in Ungarn durchgeführten Studie konnte gezeigt werden, dass sich durch die tägliche Gabe von Folsäure (auch als Vitamin B9 bezeichnet) an werdende Mütter die Häufigkeit des Auftretens eines „offenen Rückens“ (Neuralrohrdefekt) bei den Kindern dramatisch senken ließ. Da es den Anschein hatte, dass bei Kindern aus diesen Schwangerschaften auch das Vorkommen einzelner Herzfehler (z. B. Kammerscheidewanddefekte = VSD) geringer war, wurden zu dieser speziellen Fragestellung bei Schwangeren bzw. bei Frauen, die eine Schwangerschaft planten, mehrere Vergleichsstudien durchgeführt. Mit der Verabreichung von Folsäure in bzw. zusätzlich zu Multivitaminpräparaten wurde schon vor der Schwangerschaft (präkonzeptionell) begonnen, damit von Anfang der Entwicklung des Kindes an genügend hohe Folsäurespiegel vorlagen.
Leider waren die Ergebnisse dieser Studien nicht einheitlich. Nur in 2 von 5 dieser Studien war bei den Kindern von Schwangeren, die Folsäure bekommen hatten (täglich 400 mg), eine geringe Senkung des Risikos einiger Herzfehler (z. B. VSD, aber nicht TGA) zu beobachten. Ein statistisch zuverlässiger Beweis ist das aber nicht. Derzeit ist also keine sichere Aussage möglich, ob Folsäure einen Einfluss auf die Entwicklung von Herzfehlern während der Schwangerschaft hat.
Einige andere Maßnahmen zur Vorbeugung angeborener Herzfehler sind jedoch allgemein anerkannt. Dazu gehört beispielsweise, dass die werdende Mutter vor allem in den ersten 10–12 Schwangerschaftswochen Virusinfektionen so gut wie möglich vermeidet (z. B. keine Fernreisen, kein Kontakt zu Erkrankten), bestimmte Medikamente nicht einnimmt (am besten bei der/dem behandelnden Gynäkologin/Gynäkologen fragen), Röntgenuntersuchungen unterbleiben und keine Strahlenbehandlung erfolgt. Von großer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist auch der komplette Verzicht auf Alkohol in jeder Form während der gesamten Schwangerschaft.
Experte
Prof. Dr. med. Herbert E. Ulmer, stv. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung e. V. Der Mediziner baute das Zentrum für herzkranke Kinder in Heidelberg mit auf und war 18 Jahre lang als dessen Ärztlicher Direktor tätig. Mittlerweile ist er im Ruhestand.