Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:
Meine Tochter ist 14 Jahre und kam mit einem Truncus arteriosus communis zur Welt. Sie wurde bereits zweimal am Herzen operiert und wir müssen auf eine Endokarditisprophylaxe achten. Sie hat vor ein paar Tagen eine feste Zahnspange bekommen. Das Anlegen der Brackets erfolgte unter Endokarditisprophylaxe. Was sollen wir tun, wenn durch die Brackets die Schleimhäute im Mund wund werden oder es vielleicht sogar einmal blutet? Ich achte sehr darauf, dass meine Tochter die Zähne pflegt. (Gerd M., Dresden)
Expertenantwort:
Die Empfehlungen zur Endokarditisprophylaxe zum Schutz vor einer sogenannten subakuten bakteriellen Endokarditis (SBE) werden leider kontrovers diskutiert. Ihre Tochter gehört mit einem Truncus arteriosus communis ohne Frage zur Gruppe mit dem höchsten Risiko für eine SBE.
Sie kümmern sich offenbar vorbildlich um Zahn- und Mundhygiene. Das kurzzeitige Eindringen von Bakterien in den Blutkreislauf bei alltäglichen Aktivitäten wie Zähneputzen oder Kaugummikauen ist aber kaum zu vermeiden. Bei guter Zahnpflege ist die Belastung mit Bakterien jedoch gering, sodass bei einer unauffälligen Immunlage kaum mit einer SBE zu rechnen ist. (Vgl. den Beitrag „Richtig Zähneputzen ist auch gut fürs Herz“ in herzblatt 3/2014, ab Seite 22.) Anders sieht das bei zahnärztlichen oder kieferorthopädischen Eingriffen aus, bei denen eine Verletzung des Zahnfleischs und/oder der Mundschleimhaut möglich oder sogar wahrscheinlich ist. Dabei wird einheitlich zu einer punktuellen Endokarditisprophylaxe geraten, vor allem wenn Ersatzklappen jedweder Art im Herzen arbeiten.
Derartige Verletzungen können beim Anlegen von Brackets nicht sicher ausgeschlossen werden, sodass Sie sich meines Erachtens mit Ihrer Vorsicht richtig verhalten haben. Wenn die Brackets im weiteren Verlauf sicher sitzen und nicht durch Verrutschen oder sonstige Belastungen zu einer anhaltenden blutenden Verletzung im Mundraum führen, ist wohl keine dauerhafte Prophylaxe erforderlich.
Die zahlreichen veröffentlichten Richtlinien in der kardiologischen und zahnärztlichen Fachliteratur zu diesem Thema sind leider auch für Ärzte nicht einfach zu lesen und haben uneinheitlichen Inhalt. Eine verständliche und meines Erachtens auch sichere Empfehlung findet sich im Internet unter: „Revidierte schweizerische Richtlinien für die Endokarditis-Prophylaxe“* von Prof. Dr. Ursula Flückinger aus Basel. Wenn Sie in eine Suchmaschine die Begriffe „Flückinger Endokarditis“ eingeben, steht die Arbeit in der Ergebnisliste ganz oben.
Experte
Prof. Dr. med. Herbert E. Ulmer, stv. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung e. V. Der Mediziner baute das Zentrum für herzkranke Kinder in Heidelberg mit auf und war 18 Jahre lang als dessen Ärztlicher Direktor tätig. Mittlerweile ist er im Ruhestand.