Bluthochdruck ist weltweit eine der häufigsten Ursachen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch wann spricht man überhaupt von Bluthochdruck? Welche Messwerte sind entscheidend – und wo sollten sie am besten bestimmt werden, um verlässlich einen Bluthochdruck anzuzeigen? Und ab wann sollte eine Therapie beginnen?
Diese drei großen aktuellen medizinischen Leitlinien liefern Antworten:
- Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Hypertonie, 2023
- Leitlinie der European Society of Hypertension (ESH), 2023
- Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC), 2024
Insgesamt ähneln die neuen Empfehlungen zur Diagnose und Therapie des Bluthochdrucks den bisherigen. Die drei verschiedenen Leitlinien sind sich auch in vielen Punkten einig. Dennoch gibt es an einigen Stellen Unterschiede. Wir fassen hier für Sie zusammen, was sie empfehlen – und wo sie sich unterscheiden.
Bluthochdruck – die stille Gefahr
Die Zahl der Betroffenen mit Bluthochdruck wächst beständig: Weltweit hat sich die Zahl der Erwachsenen mit Bluthochdruck in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt! Doch obwohl die gesundheitliche Gefahr, die von dauerhaft erhöhten Werten ausgeht, hinlänglich bekannt ist, ist die Zahl der Menschen, die ihren Blutdruck kontrollieren und ihre Werte kennen, vergleichsweise gering.
In Deutschland schätzen Experten, dass das etwa bei jedem fünften Erwachsenen der Fall ist. Das hängt zum einen damit zusammen, dass Bluthochdruck zunächst einmal keine Beschwerden verursacht. Zum anderen sind Patienten oft verunsichert, wenn sie die Diagnose Bluthochdruck erhalten. „Macht sich Bluthochdruck durch Beschwerden bemerkbar, dann sind häufig Gefäße und Organe bereits geschädigt“, so Prof. Voigtländer, Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses Frankfurt am Main. Umso wichtiger ist bei der Vorsorge das früh- und rechtzeitige Erkennen des Bluthochdrucks.
Wann ist ein Blutdruck zu hoch?
Übereinstimmend definieren alle aktuellen Leitlinien eine arterielle Hypertonie als Blutdruckwerte von >140/90 mmHg. Differenzen gibt es allerdings bei den Zielwerten, die therapeutisch erreicht werden sollten.
In der Versorgungsleitlinie wird zum Beispiel ganz pragmatisch empfohlen, dass jeder Patient/jede Patientin auf Werte unter 140 mmHg systolisch und 90 mmHg diastolisch eingestellt werden sollte. Individuell je nach Risiko gibt es einen Zielkorridor nach unten bis auf 120/70 mmHg und in Einzelfällen könne auch ein Druck von bis 160/90 mmHg akzeptabel sein.
Eine Art Zielkorridor sieht auch die ESH-Leitlinie vor. Grundsätzlich sind auch hier Werte unter 140/90 mmHg anzustreben, bei Jüngeren möglichst <130/80 mmHg und bei Menschen ab 65 Jahren <140/80 mmHg, wenn möglich sollte der niedrigere Zielwert erreicht werden. Dies gilt sogar für Hochbetagte, also Patienten über 80 Jahre.
Die Europäische Kardiologengesellschaft (ESC) empfiehlt hingegen in ihrer Leitlinie gleich pauschal als Zielblutdruck Werte von <130/80 mmHg – sofern das vertragen wird und nimmt hiervon auch gebrechliche Patienten und Senioren über 85 Jahre nicht per se aus. Eine blutdrucksenkende Medikation könne unter dieser Maßgabe somit lebenslang über das 85. Lebensjahr hinaus durchaus fortgesetzt werden, heißt es in den Empfehlungen.
Pragmatische Zielsetzung erleichtert die Kommunikation
„Doch letztlich sind dies gar nicht so große Differenzen, wie es vielleicht auf dem Papier den Anschein hat. Denn allen Leitlinien gemein ist der Hinweis, dass niedrige Werte anzustreben sind, um einen bestmöglichen Gefäßschutz zu erreichen", so Prof. Voigtländer.
Die konkrete Zielsetzung sollte letztlich dann stets in Abstimmung mit dem Patienten und in Abwägung seiner individuellen Krankheitssituation und eventuellen Nebenwirkungen der Behandlung einschließlich Sturzgefahr geschehen.
Stadieneinteilung anhand von Blutdruckhöhe oder Organschäden?
Anstelle der bisherigen Einteilung nach Blutdruckwerten – optimal, normal, hochnormal –, wie sie die ESH und die Versorgungsleitlinie (NVL) übernommen haben, haben die europäischen Kardiologen eine neue Kategorie „erhöhter Blutdruck” eingeführt. Damit soll neueren Studiendaten Rechnung getragen werden, nach denen Organschäden schon bei leicht erhöhtem Blutdruck beginnen und eine strenger Einstellung den Betroffenen nutzt.
Dadurch werden Situationen schon als behandlungsbedürftig (Lebensstiländerung plus eventuell auch Medikamente) angesehen, wenn zum Beispiel bereits eine Herzerkrankung (Herzinfarkt, Herzmuskelschwäche), ein Schlaganfall oder eine Nierenschwäche vorliegen. „Da diese Begleiterkrankungen ebenfalls das kardiovaskuläre Risiko erhöhen, ist es wichtig und richtig, eine Blutdruckeinstellung im Kontext anderer Risiken individuell zu betrachten", so Prof. Voigtländer.
Das ist die neue ESC-Einteilung
- normaler Blutdruck: ≤ 120/70 mmHg
- erhöhter Blutdruck: 120-139/70-89 mmHg
- Bluthochdruck: ≥140/90 mmHg
In der ESH-Leitlinie werden ergänzend noch drei Krankheitsstadien des Bluthochdrucks hervorgehoben. Auch das macht durchaus Sinn, wie Prof. Voigtländer betont. Denn damit lassen sich besser die fortschreitenden Schäden an Organen wie Herz, Hirn und Nieren bei einem unbehandelten Bluthochdruck vor Augen führen.
Das ist die ESH-Stadieneinteilung:
- Stadium I: unkomplizierte Erkrankung, bei der noch keine merklichen Organschäden vorliegen (gilt auch bis zu einer Nierenerkrankung Grad 1 und 2)
- Stadium II: leichte Organschäden sind erkennbar, etwa der Beginn einer chronischen Nierenerkrankung (Grad 3), oder das zusätzliche Vorliegen von Diabetes mellitus
- Stadium III: es liegen bluthochdruckbedingte kardiovaskuläre Erkrankungen vor oder eine fortgeschrittene chronische Nierenerkrankung (Grad 4 und 5)
„Wir möchten Patienten im Gespräch keine Angst machen. Dennoch unterschätzen viele die Folgen ihres Bluthochdrucks – bis es zu spät ist und zum Beispiel ein Herzinfarkt eingetreten ist oder die Nieren schwer geschädigt sind“, so der Kardiologe. Die Stadieneinteilung könne in der Kommunikation helfen, dass Betroffene die Notwendigkeit von Lebensstiländerungen und gegebenenfalls einer medikamentösen Behandlung verstehen und akzeptieren.
Wie oft sollte der Blutdruck kontrolliert werden?
„Zu begrüßen ist, dass in allen Leitlinien auf die Wichtigkeit einer regelmäßigen Blutdruckkontrolle verwiesen wird", so der Frankfurter Kardiologe weiter. So wird etwa in der ESC-Leitlinie bei Erwachsenen unter 40 Jahren empfohlen, den Blutdruck alle drei Jahre zu überprüfen. Ab 40 Jahren sollte die Kontrolle dann jährlich erfolgen.
Auch die ESH-Leitlinie betont, dass der Blutdruck bei Menschen ab 40 Jahren mit hohem Gefäßrisiko einmal pro Jahr kontrolliert werden sollte. Bei allen anderen Menschen ab 40 Jahren sollte die Messung in individuell festzulegenden Abständen erfolgen.
Die Versorgungsleitlinie rät zwar nicht zu einem generellen Screening, verweist aber darauf, dass zumindest jeder nach dem 18. Lebensjahr seinen Blutdruck kennen und der beim Arzt gemessene Wert auch dokumentiert werden sollte.
Wer zählt zu Gruppe der Risikopatienten?
Risikofaktoren für das Entstehen von Bluthochdruck – auch schon in jüngeren Jahren – sind bekanntlich etwa starkes Übergewicht, Bewegungsmangel, Stress und Tabakkonsum sowie Erkrankungen wie Diabetes mellitus. Alle Leitlinien betonen nun jedoch auch explizit das erhöhte Risiko bei Schlafapnoe sowie für Frauen nach der Menopause und für Frauen mit einer Vorgeschichte von Schwangerschaftsbluthochdruck und Schwangerschaftskomplikationen wie einer Präeklampsie. Gerade für diese Frauen ist dann die sorgfältige weitere Kontrolle des Blutdrucks wichtig.
Alle Experten sind sich auch einig: Je früher ein Bluthochdruck entdeckt wird, desto besser lassen sich Folgeschäden vermeiden. Denn es besteht ein kontinuierlicher Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Blutdrucks und dem Risiko für Schlaganfall, KHK, Herzinsuffizienz und der Entwicklung und dem Fortschreiten von chronischen Nierenerkrankungen - sowie von Demenz.
Wie und wo sollte der Blutdruck bestimmt werden?
Je nach Ort der Blutdruckmessung können die Werte mitunter stark schwanken. Daher wird in den Leitlinien auch angegeben, wie der Blutdruck am besten gemessen wird, um eine verlässliche Aussage dazu treffen zu können.
Nach der ESH-Leitlinie gilt ein Bluthochdruck als bestätigt, wenn bei mindestens zwei bis drei Praxisbesuchen in Abständen von ein bis vier Wochen erhöhte Werte (systolisch über 140 oder diastolisch über 90 mmHg) vorliegen. Die Messung sollte mit einem möglichst standardisierten Ablauf an beiden Armen erfolgen. Die Werte des Armes, die höher sind, sind dann maßgeblich für die Diagnose.
Auch ein einmalig gemessener deutlich erhöhter Blutdruckwert (≥180/110 mmHg, entsprechend Hypertonie Grad 3) kann zur Diagnose führen. Zur Messung werden vorrangig validierte Oberarm-Messgeräte empfohlen.
Die Versorgungsleitlinie rät ebenfalls vorrangig zur einer Praxismessung. Die Messung sollte dabei dreimal in Folge am Oberarm mit je zwei Minuten Abstand erfolgen. Maßgebend ist dann der Mittelwert der 2. und 3. Messung. Beträgt dieser Wert ≥ 140/90 mmHg sollte die Diagnose Bluthochdruck unter anderem durch eine 24-h-Messung abgesichert werden. Der 24-Stunden-Wert sollte maximal 130/80 mmHg betragen, der nächtliche Mittelwert sogar maximal 120/70 mmHg.
In der aktuellen ESC-Leitlinie werden ebenfalls sehr ausführlich die verschiedenen Mess-Situationen in Klinik, Praxis und zuhause beschrieben. Für das Screening wird aber auch hier auf die Messung in der Arztpraxis verwiesen. Empfohlen wird übereinstimmend mit den anderen Leitlinien, dass nach eine Ruhezeit von fünf Minuten mit einem validierten Oberarmmessgerät gemessen werden sollte, und zwar dreimal mit einem Abstand von ein bis zwei Minuten. Der Durchschnitt der letzten beiden Messungen wird dann zur Beurteilung genutzt. Zugleich sollte durch eine Pulsmessung stets die Herzfrequenz mit bestimmt werden.
Strengere Grenzen bei Messung zuhause
Vor allem in den europäischen Leitlinien wird darauf verwiesen, dass die Messung zuhause – wenn sie richtig ausgeführt, mitunter sogar verlässlicher ist als eine Praxismessung. Denn sie erfolgt meist ohne Hektik und vermeidet die oft mit einem Arztbesuch verbundene Aufregung. Dadurch sind dann allerdings auch die Grenzwerte für eine Hypertonie niedriger anzusetzen, nämlich ≤135/85 mmHg). Empfohlen wird auch hier die Messung am Oberarm.
Empfehlung der ESC: Bei jeder Sitzung sollten zwei Messungen im Abstand von ein bis zwei Minuten durchgeführt werden. Gemessen werden sollte zweimal täglich (morgens und abends) zur gleichen Zeit in einer ruhigen Umgebung und an insgesamt mindestens drei Tagen. Liegt der Durchschnitt der Blutdruckwerte dabei über 135/85 mmHg, sollte weiter vier Tage kontrolliert werden. Die Daten dieser “Messwoche” können dann mit dem Arzt besprochen werden.
So sind die Blutdruck-Grenzwerte bei der Messung zuhause definiert (ESC 2024)
in mmHg | systolisch | diastolisch |
nicht erhöht | <120 | <70 |
erhöht | 120-134 | 70-84 |
Hochdruck | ≥135 | ≥85 |
Lebensstiländerung oder Medikamente bei hohen Blutdruckwerten?
Alle drei Leitlinien betonen nach wie vor die Bedeutung der nichtmedikamentösen Therapie durch Lebensstiländerungen bei Patienten mit erhöhtem Blutdruck. Hier können Sie zunächst auch als alleinige Maßnahme versucht werden. Die Empfehlungen zum Lebensstil bilden generell auch die Basis einer Behandlung bei manifestem Bluthochdruck. Zu den Maßnahmen gehören zum Beispiel eine Kalorienreduktion/Gewichtsabnahme und die Steigerung der körperlichen Aktivität.
Besonders ausführlich widmen sich die Leitlinien der europäischen Kardiologen diesem Thema mit ganz konkreten Hinweisen zur Bewegung.
Dazu gehören zum Beispiel diese Bewegungsempfehlungen mit einem hohen Empfehlungsgrad:
- Aerobes Training mittlerer Intensität für mindestens 150 Minuten pro Woche oder mit hoher Intensität für 75 Minuten pro Woche. Geeignet sind dazu etwa schnelles Gehen, Joggen, Radfahren, Schwimmen.
- Krafttraining mit isometrischen Übungen in geringer mit mittlerer Intensität. Das können beispielsweise drei Sets mit einer jeweils ein-bis zweiminütigen Muskelkontraktion sein wie beim Wandsitz (Wallsit) oder bei einer gehaltenen Liegestütze (Plank). Solche Einheiten sollten zwei bis dreimal pro Woche eingelegt werden.
- Alternativ: Dynamisches Krafttraining mit zwei Sets von zum Beispiel Sit-ups oder Push-ups (je 10-15 Wiederholungen pro Set).
Das tägliche Bewegungspensum sollt generell gesteigert werden etwa durch Treppensteigen statt Fahrstuhl. Ein sitzender Lebensstil ist zu vermeiden.
Welche Rolle spielt das Alter?
Unabhängig von ergänzenden Lebensstil-verändernden Maßnahmen wird eine medikamentöse Therapie nach den ESH-Leitlinien für Patienten zwischen 18 und 79 Jahren empfohlen, wenn Blutdruckwerte über 140 mmHg systolisch und/oder 90 mmHg diastolisch vorliegen. Bei vorhandener Herzerkrankung ist dies bereits ab 130/80 mmHg überlegenswert - je nach Risikokonstellation. Für ältere Patienten sollten spätestens bei Werten von 160 mmHg systolisch Medikamente verordnet werden.
In den ESC-Leitlinien bildet das Alter per se keine Begrenzung für eine medikamentöse Therapie. Die Entscheidung für Medikamente wird dabei vor allem von zusätzlich bestehenden Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen abgeleitet. Den je höher das absolute Grundrisiko des Patienten, desto größer der Nettonutzen einer blutdrucksenkenden Behandlung.
Entscheidungshilfe liefert eine 10-Jahres-Risikoschätzung mit entsprechenden standardisierten Rechenmodellen. Ist danach zum Beispiel das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Ereignis gering (< 10 %), so ist Patienten mit lediglich erhöhtem Blutdruck zunächst keine medikamentöse Therapie erforderlich. Bei gesichertem Bluthochdruck wird jedoch unabhängig von weiteren Risiken zu Lebensstiländerung plus medikamentöser Therapie geraten. Diese kann auch über ein Alter von 85 Jahren hinaus erfolgen, sofern sie vertragen wird.
Die Versorgungsleitlinie sieht eine medikamentöse Therapie ab einer Hypertonie Grad 1 (140-159/90-99 mmHg) und bei geringem kardiovaskulären Risiko oder Gebrechlichkeit als Monotherapie vor. Bei einer Hypertonie Grad 2/3 (160-179/100-109 mmHg bzw. ≥180/110 mmHg) oder einem Bluthochdruck Grad 1 plus hohem Risiko wird eine Kombinationstherapie empfohlen. Alter und Lebenserwartung werden bei der gemeinsamen Entscheidungsfindung mit dem Patienten bei der Therapieplanung individuell berücksichtigt.
„Ab welchem Blutdruck bei Hochbetagten mit einer Therapie begonnen wird, muss wirklich immer individuell entschieden werden, weil hier noch stärker die allgemeine Gebrechlichkeit und weitere Begleiterkrankungen eine Rolle spielen“, erläutert Prof. Voigtländer. Wichtig jedoch: Eine schon früher begonnene Blutdrucktherapie sollte auch bei Hochbetagten möglichst fortgesetzt werden.
Welche Medikamente zur Blutdrucksenkung?
Die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie sind bei allen Leitlinien weitgehend gleich hinsichtlich der Auswahl der Substanzen. Im Vordergrund stehen diese drei Substanzklassen:
- ACE-Hemmer oder Sartan (AT-2-Blocker)
- Kalziumantagonist
- Diuretikum (Thiazid oder Thiazid-artig)
Betablocker sind (nur) dann eine Option, wenn zusätzlich eine Herzerkrankung vorliegt, bei der sich diese Substanzen bewährt hat, wie eine koronare Herzkrankheit, Zustand nach Herzinfarkt, bei Herzschmerzen/Angina Pectoris oder einer Herzschwäche. Bei der Entscheidung, ob mit einzelnen Substanzen oder mit einer Kombinationstherapie begonnen werden sollte, gibt es hingegen Unterschiede.
Die beiden europäischen Leitlinien (ESH/ESC) positionieren sich eindeutig für eine Kombinationsbehandlung von Anfang an. Die Versorgungsleitlinie sieht die Kombination hingegen nur als “optionale Alternative” zur initialen Monotherapie.
Besser gleich mit einer Kombination starten?
„Eine Zweierkombination aus ACE-Hemmer oder Sartan plus Kalziumantagonist oder Diuretikum sollte aus meiner Sichthier der erste Schritt zur Blutdrucksenkung sein“, so Prof. Voigtländer. „Denn wir haben inzwischen ein neues Verständnis, wie der Bluthochdruck reguliert wird, beziehungsweise wie er durch eine multimechanistische Funktionsstörung entsteht, bei der verschiedenste Faktoren ineinandergreifen. Das erklärt auch, warum wir mit der Kombination von Medikamenten, die ganz unterschiedlich wirken, den Blutdruck viel effektiver und in der Regel auch verträglicher senken können als durch eine Monotherapie.”
„Das bestätigt, was auch die Deutsche Herzstiftung immer geraten hat: Eine Blutdrucktherapie nutzt vor allem dann, wenn sie vertragen wird und die Medikamente dann auch regelmäßig eingenommen werden“, so Kardiologe und Hochdruckexperte.
Bis die jeweils richtige Dosis gefunden ist, kann es allerdings manchmal einfacher sein, zunächst mit zwei getrennten Präparaten zu starten und dann erst ein Kombinationspräparat mit der bestwirksamen Dosis der Einzelsubstanzen zu verordnen. Reicht eine Zweierkombination nicht, sollte nach ein bis drei Monaten eine Dreierkombination versucht werden.
Auf der dritten Stufe kommen in allen Leitlinien dann Substanzen wie die Aldosteron-Antagonisten (Spironolacton/Eplerenon) ins Spiel zur Behandlung einer schwer einstellbaren Hypertonie. Die beiden euopäischen Fachgesellschaften haben in ihre Empfehlungen nun außerdem die Kombination aus Neprilysinantagonist und Sartan (ARNI, Angiotensin-Receptor-Neprilysin-Inhibitor) aufgenommen oder bei Patienten, die bereits Nierenschäden aufweisen, die sogenannten SGLT-2-Inhibitoren (Gliflozine) wie Empagliflozin.
Was noch neu und wichtig ist:
- Als Risikofaktoren für Bluthochdruck werden erstmals Schlafstörungen (inklusive Schlaf-Apnoe), Migräne und Depression genannt sowie chronische entzündliche Erkrankungen oder chronische Infektionen (inklusive Covid-19) und eine nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NASH).
- Darüber hinaus werden Umweltbelastungen durch Lärm und Luftverschmutzung, ein Migrationshintergrund sowie die geschlechtsangleichende Hormontherapie bei transsexuellen Menschen als Risikofaktoren diskutiert.
- Es werden Entspannungsverfahren für einen blutdruckgesunden Lebensstil empfohlen: Antistresstrainings wie Yoga, Tai Chi und autogenes Training
- Es wird explizit der Nutzen einer salzarmen (max. 5-6 Gramm Kochsalz pro Tag) und vor allem einer kaliumreichen Ernährung betont, da Kalium eine blutdrucksenkende Wirkung hat: Hierzu sollten vier bis fünf Portionen von kaliumreichem Obst und Gemüse pro Tag gegessen werden.
Herztipp: Patienten, die mit zur Gerinnungshemmung mit Vitamin-K-Antagonisten wie Marcumar behandelt werden, müssen hier natürlich vorsichtiger sein, um ihre INR-Einstellung nicht durcheinander zu bringen. Die Empfehlung zur erhöhten Kaliumaufnahme gilt zudem nicht für Menschen mit einer fortgeschrittenen chronischen Nierenkrankheit (CKD). - In der Behandlung von Patienten mit therapieresistentem Bluthochdruck wird die renale Denervation als Option zur Ergänzung oder Alternative zu einer Dosiserhöhung der Medikation genannt. Sie sollte aber nur in spezialisierten Zentren erfolgen.
Experte
Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung e.V., Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses Frankfurt a. M. und Mitglied im Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt a. M. Zu den Schwerpunkten des Herzspezialisten zählen u. a. die interventionelle Kardiologie und nichtinvasive Bildgebung.

Informationen Bluthochdruck
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Bluthochdruck-Broschüre (2021)
PDF: 6,91 MB -
Blutdruck-Pass
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Hoher Blutdruck - Entspannungstechniken (2019)
PDF: 2,56 MB
Leider sind Blutdruckmessgeräte schon seit vielen Jahren nicht mehr eichpflichtig und deshalb nicht geeicht. Messgerät in ärztlichen Praxen müssen allerdings regelmäßig geprüft werden, das machen sogenannte messtechnische Kontrolldienste (MTK).
Hallo Herr Dr.Szent-Ivanyi,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Da haben Sie recht, daher rät die Deutsche Herzstiftung durch Kontrollmessungen bei Hausarzt zu prüfen, ob dass das Gerät zuverlässige Werte ermittelt.
Viele Grüße
Ihre Deutsche Herzstiftung
Meine Blutdruck am Handgelenk ist 20mmHg niedriger als Messung am Oberarm??
Hallo Herr Ayoob,
Vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Thema! Hier finden Sie eine ausfürhliche Antwort auf Ihre Frage, ob die Messung am Handgelenk eine gute Alternative ist.Sollten Sie darüber hinaus noch weitere Fragen, können Sie sich gerne an unsere Sprechstunde ([email protected]) wenden. Dort steht Ihnen unser engagiertes Team zur Verfügung und wird sich bemühen, Ihnen so schnell wie möglich zu antworten.
Wir wünschen Ihnen alles Gute.
Ihre Deutsche Herzstiftung