Langkettigen Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl wie DHA und EPA (Docosahexaensäure und Eicosapentaensäure) werden gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben: Sie sollen unter anderem Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen vorbeugen. Gerne werden sie daher als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen. Doch ohne Rücksprache mit einem Arzt oder einer Ärztin birgt das Risiken.
Die Sprechstundenfrage im Wortlaut
Nach langer Umstellungsphase habe ich, 69 Jahre, meine Ernährung komplett geändert und ernähre mich nur noch vegetarisch. Dabei versuche ich mich an das mediterrane Ernährungskonzept zu halten. Grund waren erhöhte Cholesterinwerte und die Diagnose KHK – wenn auch nur leicht ausgeprägt. Die Umstellung tut mir auch gut. Ich habe dadurch tatsächlich einige Kilogramm Körpergewicht abgenommen, meine Cholesterinwerte sind besser, aber noch nicht optimal. Allerdings mag ich überhaupt keinen Fisch. Daher habe ich dann auf Anraten einer Freundin vor etwa einem Vierteljahr angefangen, Fischöl-Kapseln aus der Apotheke einzunehmen, um so meinen Bedarf an Omega-3-Fettsäuren zu decken und die Cholesterinwerte vielleicht günstig zu beeinflussen. Ein Bericht in einer Zeitschrift hat mich nur aufgeschreckt. Darin stand, dass Fischöl-Kapseln das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen. Stimmt das wirklich? Ich hatte bisher damit noch nie Probleme und das soll auch in Zukunft so bleiben. Über eine Einschätzung des Risikos wäre ich dankbar. (Eleonore P., Berlin)
Experten-Antwort
Ihre Frage ist berechtigt. Omega-3-Fettsäuren sind in kleinen Mengen durchaus gesund und wichtig. Sie können unter anderem die Fließeigenschaften des Blutes verbessern, wirken positiv auf den Blutdruck und die Blutfette, vor allem die Triglyzeride, und haben antientzündliche Effekte.
Doch auf der anderen Seite kann die Einnahme von Omega-3-Fettsäure-haltigen Präparaten offenbar bei Menschen mit bestehender oder drohender Herzerkrankung tatsächlich das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen. Diese Erkenntnis basiert auf der Auswertung mehrerer klinischer Studien durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). In diesen Studien hatten die Teilnehmer, die bereits herzkrank waren oder hohe Herz-Risiken hatten, entweder marine Omega-3-Fettsäure(=Fischöl)-haltige Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel erhalten mit dem Ziel, ihre Prognose zu bessern und Herzinfarkte zu vermeiden. Der erhoffte Nutzen war je nach Studie uneinheitlich, dafür wurde aber bei allen Untersuchungen ein erhöhtes Auftreten von Vorhofflimmern festgestellt. Aus den Studiendaten geht auch hervor, dass das Risiko für dieses Herzrhythmusstörung von der eingenommenen Dosis an Omega-3-Fettsäuren abhängt. Sie war unter der höchsten getesteten Dosis von vier Gramm pro Tag am höchsten. Die Mechanismen, durch die eine Omega-3-Fettsäure-Gabe das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen, sind allerdings noch weitgehend unbekannt.
Mein Rat: Solange Sie keine neuen plötzlichen Beschwerden verspüren wie Benommenheit, Herzrasen oder Kurzatmigkeit und die Fischöl-Kapseln bislang gut vertragen haben, müssen Sie sich akut keine Sorgen machen. Dosieren Sie die Kapseln sparsam und keinesfalls in höherer Dosierung als in der Packung angegeben, bzw. über zwei Gramm pro Tag hinaus.
Und sie sollten den nächsten Termin bei Ihrem Kardiologen nutzen und mit ihm über das Fischöl-Produkt, das sie einnehmen, reden. Sie können sich gemeinsam die Zusammensetzung anschauen und anhand ihrer Blutfettwerte und weiteren kardiologischen Befunde dann entscheiden, ob eine weitere Einnahme überhaupt nötig ist. Möglicherweise bietet auch allein schon eine ausgewogene Ernährung mit Nüssen und Samen (Leinsamen oder Chiasamen) sowie pflanzlichen Ölen, die reich an an der pflanzlichen Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure, kurz ALA, sind (z.B. Raps-, Walnuss- und Leinöl) eine ausreichende Versorgung für sie. Denn ALA kann – zumindest in geringem Umfang – vom Körper in Omega-3-Fettsäuren umgewandelt werden.
Ob Produkte mit Algenöl eine sichere Alternative zum Fischöl sind, darüber sind sich Experten übrigens uneinig. Denn die Omega-3-Fettsäuren sind die gleichen wie im Fischöl, weil die Fische Algen und Krill verzehren und so die Öle in ihren Körper gelangen. Doch zu den entsprechenden Produkten gibt es keine Studiendaten.
Experte
Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung e.V., Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses Frankfurt a. M. und Mitglied im Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt a. M. Zu den Schwerpunkten des Herzspezialisten zählen u. a. die interventionelle Kardiologie und nichtinvasive Bildgebung.
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