Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:
Meine Tochter (6 Jahre) hat ein Long-QT-Syndrom (keine anderen Fälle in der Familie bekannt, Gentest I und II ohne Befund). Sie bekommt „Beloc-Zok“, 2 x 23,75 mg tgl., bisher keine Zwischenfälle. Aktuell nimmt sie am Schulsport normal teil (1. Klasse) – die Lehrerin ist sehr engagiert und „vernünftig“. Für das nächste Schuljahr steht die Entscheidung an, ob sie am Schwimmsport teilnehmen kann. Die Rahmenbedingungen sind nicht optimal – 50 Kinder, sehr laut, Wassertemperatur theoretisch 28 Grad, wird aber nicht immer eingehalten.
Was sollen wir tun? Wie hoch ist das Risiko? Welche Rahmenbedingungen sollten gegeben sein? Eine Alternative wäre privater Schwimmunterricht, gegebenenfalls in einem Warmwasserbecken. Wir möchten auf jeden Fall, dass unsere Tochter Schwimmunterricht bekommt. (Katja K., Mainz)
Expertenantwort:
Sportliche Aktivitäten, zumindest in der Grundschule, sind in der Regel bei Vorliegen eines Long-QT-Syndroms (LQTS) als unbedenklich anzusehen. Von einer Teilnahme am Schwimmunterricht oder Schwimmsport in diesem Umfeld ist jedoch MIT ALLER DRINGLICHKEIT ABZURATEN!
Der Kontakt mit Wasser, das Hineinspringen und vor allem das Untertauchen stellen für Menschen mit LQTS die höchste Risikostufe für schwere Zwischenfälle bis hin zum Plötzlichen Herztod dar. Dies gilt auch für Betroffene, die wie Ihre Tochter einen Betablocker zur Prophylaxe erhalten.
Aktivitäten im Wasser, egal bei welcher Temperatur, sollten daher nur unter individueller Aufsicht und im Beisein einer über das LQTS informierten Person stattfinden, die auch mit den Grundzügen einer eventuell erforderlichen Wiederbelebung vertraut ist. Dies scheint mir unter schulsportlichen Bedingungen kaum gegeben zu sein, denn in der Praxis können das meistens nur geschulte Eltern leisten. Aufgrund schlechter Erfahrungen empfehle ich Ihnen, dies bei der Entscheidung über den Schwimmunterricht für Ihre Tochter zu bedenken.
Experte
Prof. Dr. med. Herbert E. Ulmer, stv. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung e. V. Der Mediziner baute das Zentrum für herzkranke Kinder in Heidelberg mit auf und war 18 Jahre lang als dessen Ärztlicher Direktor tätig. Mittlerweile ist er im Ruhestand.