Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, erklärt im Interview mit HERZ heute, warum es so wichtig ist, dass die Stiftung ausschließlich Geld von Privatpersonen, anderen Stiftungen und Firmen mit nichtmedizinischem Hintergrund nimmt, welche bedeutende Rolle die Mitglieder spielen, und warum die Forschungsförderung gestärkt werden soll.
Herr Professor Voigtländer, Sie sind seit gut einem Jahr Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Ein Ehrenamt, das viel Zeit und Mühe kostet. Was motiviert Sie?
Die Herzstiftung hat sich über Jahrzehnte zu einer großen und starken Organisation in der Herzmedizin entwickelt. Darauf können wir alle stolz sein! Trotzdem erscheint mir die Herzstiftung manchmal ein wenig wie ein schlafender Riese. Ich möchte, dass wir in Zukunft noch mehr Einfluss erlangen, dass wir noch mehr erreichen können für herzkranke Patienten und deren Angehörige, als wir es jetzt schon tun. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten.
Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an der Herzstiftung?
Ich finde es großartig, dass wir eine Plattform in der Kardiologie sind, auf die keine Lobby Einfluss hat, weder etwa die Medizinindustrie noch Ärzteverbände oder die Politik. Bei uns steht einzig und allein der Patient im Mittelpunkt, für ihn setzen wir uns ein. Die Herzstiftung ist absolut unabhängig, das ist einmalig!
Ist die Herzstiftung auch finanziell unabhängig von der Einflussnahme Dritter?
Ja, denn Geld bedeutet immer auch Einfluss. Wir erhalten keinerlei finanzielle Mittel von der Medizinindustrie, von Krankenkassen, von den medizinischen Verbänden, von der Politik oder etwa Parteien. Nur weil wir so unabhängig sind, kann die Herzstiftung ausschließlich aus der Sicht der Patienten denken und handeln.
Ist Ihnen die Medizinindustrie suspekt?
Nein, wir sind der Industrie gegenüber überhaupt nicht feindlich eingestellt. Jeder weiß, dass der Fortschritt in der Kardiologie, etwa die Entwicklung neuer Heilmittel oder neuer Diagnosemethoden, entscheidend auch von der Industrie vorangetrieben wird. Aber die Herzstiftung kann etwa bei gesellschaftlichen Fragen zur medizinischen Versorgung nur ein seriöser Ansprechpartner sein, weil sie von der Medizinindustrie völlig unabhängig und unbeeinflusst ist, genauso wie von anderen Interessengruppen.
Bei Prävention und Aufklärung übernimmt die Herzstiftung Aufgaben der gesellschaftlichen Gesundheitsvorsorge. Sollte die Herzstiftung dafür nicht Geld von staatlicher Seite erhalten?
Das klingt erst einmal einleuchtend. Viele Menschen halten Vorbeugung ja für eine staatliche und persönliche Aufgabe. Aber es ist aus meiner Sicht ein großer Vorteil, auch gegenüber staatlichen Institutionen unabhängig zu sein. Am Ende würden wir einen Teil unserer Entscheidungsfreiheit aufgeben, weil wir Rücksichten auf die Geldgeber und deren Befindlichkeiten nehmen müssten, seien es auch staatliche Einrichtungen.
Wie können Sie den Mitgliedern und Spendern garantieren, dass mit ihrem Geld sorgsam, verantwortungsvoll und nutzbringend umgegangen wird?
Alle Vorhaben, alle Projekte, die wir unterstützen, werden vorab von externen Gutachtern bewertet: Ist das Projekt sinnvoll? Ist der Finanzaufwand gerechtfertigt? Sind die Antragssteller seriös? Die Gutachter sind in der Regel Professoren und Professorinnen die sich in dem herzmedizinischen Gebiet, um das es geht, exzellent auskennen und – genauso wie der gesamte Vorstand – ehrenamtlich arbeiten und kein Geld erhalten.
Was sind aus Ihrer Sicht in der nächsten Zeit die wichtigsten Aufgaben der Herzstiftung?
Aufklärung und Prävention zu Herz- und Gefäßkrankheiten macht die Herzstiftung seit vielen Jahren sehr erfolgreich, übrigens nicht nur für Erwachsene, sondern mit der Kinderherzstiftung auch für unsere kleinen Patienten. Das wollen wir weiter engagiert betreiben. Intensivieren würde ich gerne die Forschungsförderung, die die Herzstiftung schon seit Langem betreibt. Ich möchte die Herzstiftung zu einem noch einflussreicheren Forschungsförderer machen.
Warum ist Ihnen die Forschungsförderung so wichtig?
Die Forschung für Herz- und Gefäßkrankheiten wird in Deutschland vor allem von drei Institutionen betrieben: Da ist zuerst die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die aber fast nur Grundlagenprojekte unterstützt. Das Gleiche gilt für das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, auch dort besteht eine Tendenz, vor allem an den Grundlagen zu arbeiten. Der drittgrößte Förderer ist die Deutsche Herzstiftung. Wir wollen und können praxisnahe Forschung besonders unterstützen sowie durch kurze Genehmigungsverfahren die Forschung stimulieren und auch in die Lage versetzen, schnell auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren.
Die Mitglieder und Unterstützer sind das entscheidende Gut der Herzstiftung?
Absolut! Ohne ausreichend Geld können wir weder die Forschung fördern noch unsere anderen Aufgaben wie Aufklärung und Prävention leisten. Ich kann jedem einzelnen unserer Unterstützer nur von ganzem Herzen danken! Wir haben aktuell knapp 110.000 Mitglieder, das ist eine großartige Zahl. Nur durch die Beiträge jedes einzelnen Mitglieds, nur durch die vielen Spenden können wir unsere Arbeit im Dienst der Herzpatienten in Deutschland leisten.
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Ohne so viele Mitglieder wäre die Herzstiftung nicht so erfolgreich?
Viele Impulse für die Arbeit der Herzstiftung kommen direkt von den Mitgliedern. Eine besondere Rolle spielen dabei die sogenannten Beauftragten, Mitglieder, die die Herzstiftung vor Ort unterstützen, etwa bei Veranstaltungen. Nein, ohne Mitglieder, passive wie aktive, ist die Herzstiftung nicht denkbar. Wir arbeiten mit ganzem Herzen für unsere Mitglieder.
Kann die Herzstiftung noch mehr Mitglieder gewinnen?
Wir wollen versuchen, die Stiftung noch bekannter zu machen, damit noch mehr Menschen von unserer wichtigen Arbeit, von unseren spannenden Projekten erfahren. Nur so kann es uns gelingen, mehr Menschen für uns zu begeistern und damit die Zahl der Mitglieder wie der Spender zu erhöhen. Ich freue mich über jeden neuen Interessierten!
Ein wichtige Unterstützung kommt auch von vielen Kardiologinnen und Kardiologen, die sich im Wissenschaftlichen Beirat für die Herzstiftung engagieren. Was genau ist dessen Funktion?
Im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung sind rund 500 Kardiologen, Herzchirurgen und Kinderkardiologen versammelt, die meisten von ihnen sind die führenden Kräfte auf ihrem jeweiligen Gebiet in Deutschland. Aktuell bilden wir im Rahmen des Wissenschaftlichen Beirats Abteilungen, die für bestimmte Themengebiete zuständig sein werden, etwa für koronare Herzerkrankungen, Herzrhythmusstörungen oder Kinderheilkunde. Damit wird der Expertenbeirat noch schlagkräftiger sein. Die große Expertise all dieser Spezialisten steht für die Herzstiftung, für alle unsere Mitglieder bereit.
Die Fragen stellte Joachim Mohr.
HERZ heute im Gespräch
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Interview Prof. Voigtländer
PDF: 1,86 MB
Experte
Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung e.V., Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses Frankfurt a. M. und Mitglied im Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt a. M. Zu den Schwerpunkten des Herzspezialisten zählen u. a. die interventionelle Kardiologie und nichtinvasive Bildgebung.
Ich bin seit mehr als 25 Jahren Mitglied der Deutschen Herzstiftung.
Warum erhalte ich alle Mitteilungen über e-mail so, als ob ich noch als Mitglied geworben werden soll. Dies nervt.
Hallo Herr Platz,
wir freuen uns sehr, dass Sie schon so lange Mitglied bei uns sind. Dies soll sich auch in der Anrede wiederspiegeln. Schicken Sie uns bitte Ihr Anliegen mit Ihren Kontaktdaten an [email protected]. Wir werden dies umgehend prüfen.
Ihre Deutsche Herzstiftung
Kann der wissenschaftlicher Beirat der Herzstiftung auch für Patientensicherheit was tun? Jährlich passieren in Hamburg über 500 vermeidbaren Todesfälle an Herzinfarkt. Grund dafür ist ein rein profitorientiertes , patientenfeindliches, dezentralisiertes System der Herzinfarkt Nofallbehandlung.
Dr.med. Rudolf Biergiesser, [email protected]
Sehr geehrter Herr Dr. Biergiesser,
In der Gesundheitsversorgung der Patienten in Deutschland gibt es generell eine Reihe von Defiziten, die auch durch Mithilfe der Deutsche Herzstiftung behoben werden müssen.
Die Versorgung der Patienten mit akutem Herzinfarkt ist in Deutschland, auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, nahezu vorbildlich. Deutschland gehört zu den Ländern Europas mit der niedrigsten Sterblichkeit von Herzinfarkten.
Die meisten Patienten mit einem akuten Herzinfarkt, die sich rechtzeitig über 112 melden, werden kurzfristig in ein Krankenhaus gebracht, das in der Lage ist, das verschlossene Herzkranzgefäß mittels Herzkathetertechnik wieder zu öffnen. Das größte Problem besteht darin, dass sich die Patienten mit Infarkt-Symptomen nicht rechtzeitig melden und der optimale Zeitpunkt zur Therapie des Herzinfarktes verpasst wird. Auf diesem Gebiet gibt es für die Deutsche Herzstiftung noch viel zu tun. Wir bemühen uns, die Bevölkerung darüber zu informieren, welche Beschwerden zum Anruf bei 112 führen sollten. Es ist erwiesen, dass die meisten Todesfälle mit Herzinfarkt darauf zurückzuführen sind, dass die Patienten sich nicht rechtzeitig unter dieser Telefonnummer melden und den Notarzt alarmieren.
Viele Grüße
Ihre Deutsche Herzstiftung
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