Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:
Vor Kurzem verspürte ich ein leichtes, schnelles und nervöses Schlagen in der Herzgegend, das nach kurzer Zeit wieder verschwand. Ich habe mir daraufhin den Blutdruck gemessen. Der Blutdruck war erhöht, hinzu kam ein hoher Pulswert, den ich noch nie zuvor bei mir bemerkt habe (ich messe meinen Blutdruck schon seit 15 Jahren regelmäßig). Mir war nicht übel, ich hatte keine Schmerzen, keinen Schweißausbruch und kein Schwindelgefühl, ich habe keine persönlichen Probleme und keinen Stress. Nachdem ich die Messung wiederholt durchgeführt hatte und mir keinen Rat wusste – ich bin 82 Jahre alt und lebe allein, mein Mann ist vor vielen Jahren im Alter von 46 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben –, habe ich die Rettungsstelle angerufen. Als die Sanitäter kamen, sagten sie mir, ich solle nicht mehr messen. Meine Beschwerden seien nervös bedingt. Sie gaben mir den Blutdrucksenker Amlodipin, den ich dann zur Nacht genommen habe (meine Losartantablette nehme ich immer morgens). Schon seit zehn Jahren gehe ich wöchentlich für eine halbe Stunde zum Seniorensport, seit Neuestem mache ich noch eine Stunde Hockergymnastik mit leichten Übungen. Ich wohne im vierten Stock und kann die Treppen mühelos bewältigen, wenn nötig, auch zweimal am Tag – dahingehend bin ich gut trainiert.
Meine Frage: Können Sie mir aus Ihrer Erfahrung mit vielen Herzpatienten einen Rat geben? Woher kam der hohe Puls? Meine Hausärztin meint, man müsse die Sache beobachten. Wenn Sie mir einen fachlichen Hinweis geben könnten, würde mich das doch sehr beruhigen: Denn die Angst, es könnte wiederkommen – und womöglich schlimmer –, belastet mich von Tag zu Tag mehr. Annemarie P., Bruchsal
Experten-Antwort:
Dem renommierten deutschen Internisten Franz Volhard (1872 bis 1950) wird der Satz zugeschrieben: „Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gesetzt.“ Entscheidend scheint es mir herauszufinden, ob bei Ihnen womöglich eine Herzrhythmusstörung vorliegt und welcher Art sie ist. Das ist nur mithilfe des EKGs möglich, mit dem der Takt Ihres Herzens gleichsam zu Papier gebracht und eine eventuell vorliegende Rhythmusstörung erkannt werden kann. Dann lässt sich auch die Frage beantworten, woher der hohe Puls kam.
Der hohe Puls passt beispielsweise zu Vorhoflimmern – diese Rhythmusstörung geht in der Regel mit einem hohen Puls einher. Liegt eine sogenannte Sinustachykardie vor – eine beschleunigte Herzfrequenz, die vom Sinusknoten, dem natürlichen Taktgeber des Herzens, ausgeht –, wäre zu klären, ob die Herzleistung eingeschränkt ist: Um das lebensnotwendige Herzminutenvolumen aufrechtzuerhalten, reagiert der Kreislauf mit einer Erhöhung der Herzschlagfrequenz. In diesem Fall sollte eine medikamentöse Reduktion der Herzschlagfolge unterbleiben. Und Ihre Schilddrüsenwerte sollten überprüft werden: Auch eine Schilddrüsenüberfunktion kann als Ursache für einen erhöhten Puls infrage kommen.
Sollte Ihr Herz indes gesund sein und im üblichen Sinusrhyhtmus schlagen, wäre es nichtsdestotrotz angeraten, den Puls mithilfe von Medikamenten zu senken, weil ein hoher Puls immer ungesünder ist als ein niedriger Puls.
Alles in allem möchte ich Ihnen empfehlen, sich einem Kardiologen anzuvertrauen. Er wird Ihnen sicher weiterhelfen und Ihre Frage nach der Herkunft des hohen Pulses eindeutig beantworten können. Der Vorschlag, Blutdruck und Puls einfach nicht mehr zu messen, ist sicher kein weiterführender Rat.
Experte
Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie