Ein elfjähriges Mädchen hatte vor vier Jahren einen Mitralklappenersatz. Außerdem hat sie eine mittelschwere Aortenklappeninsuffizienz. Bislang ist es nicht gelungen, die unregelmäßig auftretenden Tachykardien mit einem Langzeit-EKG zu erfassen. Die Eltern fragen, ob zur Dokumentation der Rhythmusstörung eine Smartwatch, mit der das Kind selbst ein EKG aufzeichnen kann, sinnvoll ist – insbesondere unter Berücksichtigung der Einnahme eines Gerinnungshemmers.
Die Sprechstundenfrage im Wortlaut
Unsere elfjährige Tochter hatte im Alter von sieben Jahren einen Mitralklappenersatz. Zudem hat sie eine mittelschwere Aortenklappeninsuffizienz und ist alle drei Monate bei unserem Kinderkardiologen zur Untersuchung. In unregelmäßigen Abständen hat unsere Tochter eine Tachykardie, die circa fünf Minuten andauert, Herzfrequenzen um 170 Schläge/Minute aufweist und dann wieder verschwindet. Wir haben in Abstimmung mit unserem Kinderkardiologen versucht, diese mittels eines Langzeit-EKGs aufzuzeichnen, aber dazu treten die Tachykardien zu unregelmäßig auf. Es ist uns also nicht gelungen, diese aufzuzeichnen und damit zu erfassen, ob sie behandlungsrelevant sind. Nun überlegen wir, unserer Tochter eine Smartwatch/einen Fitnesstracker mit eingebauter EKG-Funktion zu kaufen, die sie dann im Falle einer Tachykardie aktivieren kann. So hoffen wir, die Summe der elektrischen Aktivitäten der Herzmuskelfasern aufzeichnen zu können. Haben Sie Erfahrungen mit solchen Geräten und sind diese Hilfsmittel eine gute Ergänzung zu den Besuchen beim Kinderkardiologen? Ist es außerdem möglich, eine solche Uhr auch unter der Einnahme von Gerinnungshemmern (Marcumar) für das Schreiben eines EKGs zu verwenden? (Fam. S., Bad Kreuznach)
Antwort des Experten
Die Nutzung von Smartwatches ist eine zunehmende Ergänzung, aber bisher vor allem für die bei Erwachsenen häufigeren Vorhofrhythmusstörungen (VH-Flimmern) ausgelegt. Die Uhren werden zunehmend besser und können gute 1-Kanal-EKGs als Orientierung liefern. Über folgenden Link finden Sie Literatur, die aber auch die Limitationen aufzeig: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8825392/pdf/115_2021_Article_1124.pdf.
Im Fall Ihrer Tochter ist das sicherlich eine gute Möglichkeit, überhaupt einmal eine Episode aufzuzeichnen. Man muss bei der Uhr mit Apfel-Symbol in der 30 Sekunden währenden Aufzeichnungsphase allerdings die Hand ruhig und den Finger auf der „Krone“ halten. Die Übertragung folgt dann an das Mobiltelefon. Diese Daten können auch weitergesendet werden, zum Beispiel an Ärzte, die dann aus dem EKG Rückschlüsse ziehen können. Aber auch andere Uhren können ein EKG aufzeichnen, allerdings reicht es nicht nur, die Herzfrequenz zu messen (wie z.B. durch sogenannte Fitness-Uhren).
Alternativen sind neue Langzeit-EKGs auch als Patches, die über mehrere Tage laufen, oder sogenannte implantierbare Loop-Rekorder. Zusätzlich sollte man Auslöser identifizieren und vor allem auch das EKG unter Belastung im Rahmen einer Spiroergometrie aufzeichnen. Diese Schritte sollten immer mit dem zuständigen Kinderkardiologen und auch mit den Spezialisten in einem erfahrenen Herzzentrum abgesprochen werden. Man muss aber bei Ihrer Tochter auch ausschließen, dass kein Zusammenhang mit der Undichtigkeit der Aortenklappe (Aortenklappeninsuffizienz) und einer daraus entstehenden Ventrikeldilatation (Erweiterung der Herzkammer) oder Herzpumpschwäche besteht. Dieses sollte mittels Echokardiographie überprüft beziehungsweise ausgeschlossen werden. Und ja, man kann Smartwatches auch mit Marcumar nutzen.
Experte
leitet als Klinikdirektor die Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler am Kinderherzzentrum und Zentrum für Angeborene Herzfehler des Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum.
