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Lieferengpässe bei wichtigen Medikamenten

Tipps und Alternativen – von Herzexperten zusammengestellt

Aktualisiert: 25.08.2023

Apotheker öffnet einen leeren Apothekenschrank
Diego Cervo

Ist es Ihnen auch schon passiert? Sie stehen in der Apotheke und es heißt: „Das Medikament ist im Augenblick leider nicht lieferbar“. Tatsächlich scheint die Liste der Lieferengpässe immer länger zu werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt auf seiner speziell dazu eingerichteten Website inzwischen 300 Medikamente (ohne Impfstoffe) an, die aktuell (Stand 6.12.2022) fehlen – mal für kurze Zeit, mal für eine unbestimmt längere Zeit.

Lieferengpass: Wenn Medikamente mehr als zwei Wochen fehlen

Doch was steckt eigentlich hinter einem „Lieferengpass“? Definiert ist ein Lieferengpass als „eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann.“ Gelistet werden jene Medikamente, die nach bestimmten Kriterien vom Gesetzgeber als wichtig definiert wurden – darunter vor allem versorgungsrelevante Arzneimittel. Allerdings hat das BfArM selbst meist keine weitergehende Information zum Lieferstatus der gelisteten Arzneimittel. Denn die Einstellung erfolgt unter der alleinigen Verantwortung der jeweiligen Hersteller (Zulassungsinhaber). Und auch die Apotheken haben über diese Information und die Angaben ihrer zuliefernden Großhändler hinaus keine weiteren Informationen, wann ein fehlendes Medikament wieder vorhanden ist oder ob es in irgendeiner anderen Apotheke noch Bestände gibt.

Fehlende Medikament können Prognose eines Patienten verschlechtern

Und was versteht der Gesetzgeber unter einem „versorgungsrelevanten“ Medikament? Hierbei ist insbesondere von Bedeutung, dass es in aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen wird bzw. dem aktuellen Therapiestandard entspricht und sich bei Nicht-Verfügbarkeit die Prognose der betroffenen Patientinnen und Patienten verschlechtert. Grundsätzlich nicht als versorgungsrelevant gelten zum Beispiel sogenannte OTC-Arzneimittel, das sind die Präparate, die man in der Apotheke ohne Rezept kaufen kann – zum Beispiel Husten- und Fiebersäfte. Fehlen diese Produkte, steht das gar nicht in der BfArM-Liste.

Von einem „Versorgungsengpass“ wird gesprochen, wenn auch keine Alternativpräparate für die Therapie zur Verfügung stehen, bzw. sich diese Arzneimittel zurzeit nicht auf dem Markt befinden. Doch für den einzelnen Patienten kann es durchaus auch schon vorher zu einem Versorgungsengpass kommen, weil zum Beispiel

  • das fehlende Medikament dringend ist, man aber nicht so einfach mehrere Apotheken abklappern kann, ob dort das Original oder eine Alternativ erhältlich ist,
  • man nur das eine Präparat verträgt und daher ein Austausch nicht so einfach möglich ist,
  • gerade am Wochenende kein Arzt so schnell erreichbar ist, um ein neues Rezept für eine Therapiealternative mit anderem Wirkstoff auszustellen,
  • man von seiner Erkrankung her genau auf dieses Präparat eingestellt ist, ein Wechsel entweder die Einnahmetreue gefährdet oder bei geringer Wirkungsspanne auch die Wirksamkeit (vgl. Digitoxin).

Was also tun, wenn das dringend benötigte Medikament fehlt? Wir haben speziell für Medikamente, die Herzpatienten einnehmen, und für Arzneimittel, die für Kinder – ob mit einem angeborenen Herzfehler oder ohne – gerade bei Infekten und Erkältung wichtig sind, Tipps und Alternativen zusammengefasst.

Digitoxin

Digitalis-Glykoside, zu denen der Wirkstoff Digitoxin gehört, werden meist zur Frequenzkontrolle von Vorhofflimmern beziehungsweise zur Behandlung einer fortgeschrittenen Herzschwäche mit reduzierter Funktion der linken Kammer verwendet. Auf die anhaltenden Nachschubprobleme speziell bei Digitoxin (als Grund wird ein globaler Rohstoffmangel angegeben) reagierte die wichtigste Herstellerfirma Merck nun sogar mit der Ankündigung, zum Januar 2023 gänzlich die Produktion ihrer Digitoxin-Präparate einzustellen (Digimerck 0,1 mg, Digimerck pico 0,05 und Digimerck minor 0,07 mg). Betroffen sind neben den Tabletten außerdem die Injektionslösungen.

Als Alternativen kommen infrage:

  • als Tablette Digitoxin AWD 0,07 mg von der Firma TEVA, bzw. Digitoxin 0,07 mg ratiopharm. Dies wäre eine direkte Alternative zu Digimerck minor 0,07 mg mit gleichem Wirkstoff in gleicher Dosierung. Auch wenn hier eigentlich ein sogenanntes Substitutionsverbot besteht (Austauschverbot ähnlich wie bei Schilddrüsenhormonen), ist meist von einer problemlosen Umstellung auszugehen. Wurde ein höher oder niedriger dosiertes Digitoxin eingenommen, wird der Kardiologe bzw. Hausarzt eine mögliche Umstellung prüfen.
  • Präparate aus der pharmakotherapeutischen Gruppe der Digitalisglykoside: beta-Acetyldigoxin (z.B. Handelsname Novodigal), Digoxin (z.B. Handelsname Lanicor) und Metildigoxin (z.B. Handelsname Lanitop)

Aufgrund der engen therapeutischen Breite von Digitoxin und der verhältnismäßig langen Halbwertszeit von im Mittel sieben bis acht Tagen muss die Umstellung auf einen anderen Wirkstoff mit entsprechender Vorsicht erfolgen. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) hat daher eine Handlungsempfehlung für behandelnde Ärzte erarbeitet. Denn der Vorteil von Digitoxin besteht allgemein darin über den Verdauungstrakt, d.h. entero-hepatisch, aus dem Körper ausgeschieden zu werden – das gilt insbesondere bei eingeschränkter Nierenfunktion, wie Prof. Dr. Johann Bauersachs, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, dazu erklärt. Er gehört zu den Experten, die den Leitfaden erarbeitet haben und ist auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung.

Das als Alternative verfügbare Digoxin werde weitgehend über die Niere eliminiert, verweist Bauersachs. Daher müsse eher mit einer Überdosierung gerechnet werden, insbesondere bei Verschlechterung der Nierenfunktion, die nicht selten unbemerkt eintrete. Es sollten daher häufigere Kontrollen des Blutspiegels erfolgen und bei einer Nierenschwäche sollten niedrigere Dosierungen eingesetzt werden, schreibt die DGK. Vorsicht bezüglich einer Überdosierung ist zudem geboten bei alten Patienten, Frauen und/oder untergewichtigen bzw. schlecht ernährten Personen. Für Patienten mit höhergradiger Niereninsuffizienz ist Digoxin ungeeignet.

Bei Patienten mit Vorhofflimmern kann zudem vor einer Umstellung auf Digoxin geprüft werden, ob die Herzfrequenz nach Absetzen von Digitoxin wirklich deutlich zunimmt. Eventuell kann auch die Dosis der Betablocker gesteigert werden und es sollte die Indikation zur Pulmonalvenenisolation (Katheterablation) geprüft werden. Als weitere Option zur Frequenz- bzw. Rhythmuskontrolle wird die Substanz Amiodaron genannt. Die kardiologische Fachgesellschaft (DGK) hat in ihren Empfehlungen auch die genauen Digoxin-Dosierungen bei einer Umstellung von Digitoxin erarbeitet.

„Angesichts der verschlechterten Versorgungslage mit Digitoxin besteht große Unsicherheit bei Ärztinnen und Ärzten, wie auch Patientinnen und Patienten. Daher haben wir von der DGK entsprechend Handlungs-Empfehlungen herausgegeben für die tägliche Praxis“ erklärt Prof. Bauersachs.

Fiebersenkende Säfte

Säfte mit Ibuprofen bzw. Paracetamol sind abwechselnd schwer lieferbar. Aktuell betrifft es sogar beide Substanzen in flüssiger Zubereitung, da jeweils eine extreme Marktkonzentration auf im Wesentlichen einen Hersteller besteht. Produktionsschwierigkeiten machen sich am Markt dann schnell bemerkbar, zumal derzeit viele Kinder auch noch an fieberhaften Infekten leiden, vor allem durch das RS (Respiratory-Syncytial)-Virus.

Mögliche Lösungsstrategien hier:

  • Wechsel auf Zäpfchen: Diese sollten altersentsprechend ausgewählt werden. Höher dosierte Zäpfchen von Geschwistern nicht „zerteilen“ – da dann keine sichere Dosierung möglich ist.
  • Wechsel auf Tabletten: Die typischen Paracetamol 500-Tabletten gibt es von einigen Herstellern auch mit einer Bruchkerbe. Dadurch lassen sie sich leicht teilen und können dann auch von Kindern ab 4 Jahren (empfohlene Einzeldosis 250 mg, alle vier Stunden, max. 1000 mg insgesamt) eingenommen werden. Ab 12 Jahren sind Paracetamol-Tabletten mit 500 mg angezeigt.
    Bei Ibuprofen stehen ebenfalls Tabletten mit 200 oder mit 400 mg zur Verfügung. 200 mg sind die Einzeldosis, die für Kinder ab 6 Jahren angezeigt ist, einzunehmen alle 6 Stunden. Dosierung: max. 1-3 (4) Tabletten pro Tag (max. 600 mg insgesamt pro Tag; bei 10-12-Jährigen bis zu max. 800 mg am Tag). Sehr viele Präparate mit 400 mg lassen sich gut teilen, so dass damit die passende Einzeldosis von 200 mg pro halber Tablette für Kinder erreichbar ist. Achtung bei Kindern mit schwerer Herzschwäche und schwerer Nierenfunktionseinschränkung.
    Mag ein Kind allerdings keine Tabletten schlucken, dann hilft es häufig, dass sie zum Beispiel auf einem Löffel mit etwas Joghurt, Banane oder Flüssigkeit verabreichen werden. Alternativ können sie auch gebröselt in einen Trinkbecher oder eine Joghurtschale gegeben werden. Dann ist es allerdings wichtig, dass auch alles getrunken/gegessen wird.
  • Herstellung einer Rezeptur: In Apotheken kann auf Verordnung eines Arztes auch ein Paracetamol- oder Ibuprofen-Saft individuell angefertigt werden. Die Apotheken haben entsprechende Rezepturvorlagen z.B. für unterschiedliche Dosierungen wie Ibuprofen 20 mg/ml oder 40 mg/ml Suspension.
  • Wadenwickel: Dazu wird ein Tuch (Baumwolle/Leinen) in lauwarmes Wasser gelegt, dann ausgewrungen und straff um den Unterschenkel des Kindes (ab 1 Jahr) gelegt. Darüber wird ein größeres trockenes Tuch gewickelt, eventuell noch ein drittes dünnes Wolltuch. Wirkzeit 5 Minuten an beiden Unterschenkeln. Die Prozedur kann 2-3x wiederholt werden. Die Wickel können dabei etwas länger auf der Haut bleiben. Wichtig: Hände und Füße des Kindes sollten vor der Anwendung eines Wadenwickels warm sein. Bei kalten Gliedmaßen und zu langer Anwendung der Wickel droht sonst eine Unterkühlung. Die kühlen Wickel können zudem im Körper falsche Signale auslösen. Er produziert dann noch mehr Wärme, das Fieber steigt, anstatt zu fallen.

Antibiotika-Säfte

Aktuell werden immer wieder Lieferschwierigkeiten bei verschiedenen Antibiotika gemeldet, teilweise ist das Problem regional stärker ausgeprägt. Seit Sommer bestehen zum Beispiel Lieferprobleme bei Antibiotika-Präparaten mit der Wirkstoffkombination Sulfamethoxazol und Trimethoprim (Cotrimoxazol). Hier erlaubt das BfArM daher einen Einzelimport aus dem Ausland. Apotheken können somit ein Kontingent an ausländischer Ware beziehen. Das geschieht über den Weg einer sogenannten „internationalen Apotheken“.

Inzwischen fehlt es häufig aber auch an Amoxicillin-Säften und Säften mit Penicillin, bzw. Phenoxymethylpenicillin. Die Säfte sind vor allem für kleinere Kinder wichtig. Doch auch speziell für Schwangere und Stillende ist Penicillin in Tablettenform (wie auch Amoxicillin) zur Behandlung akuter Infektionen essenziell. Denn der Wirkstoff kann in jeder Phase der Schwangerschaft eingesetzt werden, ohne das ungeborene Kind zu gefährden. Zudem ist Penicillin das Mittel der Wahl in der Stillzeit. Eng wird es darüber hinaus bei den beiden antibiotischen Wirkstoffen Cefadroxil und Cefixim (aus der Gruppe der Cephalosporine).

Ausweg: In Apotheken wird intensiv versucht, Austauschalternativen zu den jeweils verordneten Antibiotika von anderen Anbietern für die Patienten zu ordern. Teilweise muss jedoch auf eine andere Substanz ausgewichen werden. Diese sollte dann allerdings möglichst der betreuende Kinderkardiologe passend aussuchen, der auch eventuelle Unverträglichkeiten/Allergien bei dem herzkranken Kind kennt, und auf einem neuen Rezept verordnen.

Lieferengpässe bei Herzmedikamenten

Immer wieder fehlen auch zweitweise andere Medikamente, die von Herzpatienten benötigt werden. Dazu gehören zum Beispiel:

  • die Blutdrucksenker (Calciumantagonisten) Nimodipin und Nitrendipin sowie Minoxidil - fehlte z.B. als Präparat Lonolox – und ACE-Hemmer wie Ramipril oder Quinapril – letzteres fehlte z.B.  als Präparat Accupro (Ausweg: die Apotheke versucht, entsprechende Präparate von anderen Herstellern oder andere Dosierungen zu bekommen)
  • die Lipidsenker (Statine) Atorvastatin und Rosuvastatin (Ausweg: Ausweichen auf andere Statine oder Dosierungen)
  • das Magenschutz-Präparat Pantoprazol 40 mg (Ausweg: Ausweichen auf Omeprazol, das allerdings häufiger Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten aufweist)
  • der Blutverdünner Marcumar (Ausweg: Verordnung des Wirkstoffs Phenprocoumon)
  • der Stickstoffmonoxid-(NO-)Donator Molsidomin bei KHK und Angina Pectoris (Ausweg: Therapieumstellung auf ISMN oder einen Calciumantagonisten wie Amlodipin).

In der Regel lassen sich bei diesen Medikamenten Austauschmöglichkeiten direkt über die Apotheke oder nach Rücksprache mit dem behandelnden Kardiologen finden, ohne dass die Therapie beeinträchtigt wird.

Experte

Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer
Portrait von Prof. Voigtländer

Experte

Prof. Dr. med. Johann Bauersachs
Portrait von Prof. Johann Bauersachs

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