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Betablocker nach akutem Herzinfarkt: Heute noch aktuell?

Seit Jahrzehnten sind Betablocker Standardmedikation nach Herzinfarkt. Aktuelle Studien lassen Zweifel aufkommen, ob dies für alle Patienten passt.

Mann nimmt Dicolfenac ein
Robert Kneschke - stock.adobe.com

Die günstigen Effekten der Betablocker wurden, das muss man einschränkend sagen, vor Beginn der modernen Herzinfarkt-Therapie nachgewiesen. Die heutige Therapie des Herzinfarktes mit Wiedereröffnung des verschlossenen Herzkranzgefäßes hat jedoch die Lebenserwartung deutlich verbessert und die Folgen eine Infarktes wie eine Herzmuskelschwäche treten seltener bzw. nicht so ausgeprägt auf verringert. Folgerichtig stellt sich die Fragen, ob Betablocker noch zur Standard-Therapie nach überlebtem Herzinfarkt gehören sollten. 

Betablocker bei deutlich eingeschränkter Pumpfunktion – weiterhin Standardtherapie

Nach wie vor unbestritten sind die günstigen Wirkungen von Betablockern bei Postinfarktpatienten, die ein deutlich eingeschränkte Pumpfunktion des Herzens haben – nachgewiesen als reduzierte linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) unter 40 %. Bei Ihnen wird die Gabe von Betablockern nach Herzinfarkt generell empfohlen. 

Merke: Mediziner unterscheiden bei der Bewertung einer Herzschwäche meist zwischen

  • normaler LVEF = ≥ 50 %
  • mild eingeschränkter LVEF = 40-49 %
  • deutlich eingeschränkter LVEF = <40%

Betablocker nach Herzinfarkt: Wirken sie auch bei normaler oder leicht eingeschränkter Herzfunktion?

Doch wie steht es um den Nutzen von Betablockern bei Postinfarktpatienten mit nur gering reduzierter oder noch normaler linksventrikulärer Funktion? In mehreren, vor kurzem publizierten Studien sind Wissenschaftler dieser Frage nachgegangen – insbesondere nachdem eine Studie aus dem Jahre 2024 (REDUCE-AMI) für Verunsicherung sorgte durch das Ergebnis, dass Betablocker bei Infarktpatienten mit weitgehend normaler linksventrikulärer Funktion keinen Effekt auf das Überleben oder einen erneuten Myokardinfarkt zeigen. 

In einer prospektiven Metaanalyse von vier kontrollierten Studien wurde das nun gezielt bei Patienten nach einem Herzinfarkt und mit einer leichtgradig eingeschränkten linksventrikulären Auswurffraktion (40-49 %) untersucht. Geprüft wurde wie oft es zu den Ereignissen Tod, erneuter Herzinfarkt und Herzschwäche kam – insgesamt und jeweils bei den einzelnen Punkten –, wenn mit und wenn ohne Betablocker behandelt wurde. Die Behandlung startete innerhalb von 14 Tagen nach Infarkteintritt.

Vorteil zugunsten Betablocker-Gabe

Nach Auswertung von Daten über einen Zeitraum von im Mittel 3,5, Jahren stellten die Wissenschaftler fest, dass eine Therapie mit Betablockern auch bei Patienten mit leichtgradig eingeschränkter Pumpfunktion von Nutzen ist: Die Autoren hatten bewertet, wie oft es zu Todesfällen jeglicher Ursache, erneutem Herzinfarkt und einer Herzinsuffizienz und fanden heraus, dass dies insgesamt durch die Gabe von Betablockern deutlich vermindert worden war. 

Auch die Ergebnisse aus zwei weiteren aktuellen Studien mit Daten aus Italien/Spanien (REBOOT) und Norwegen/Dänemark (BETAMI-DANBLOCK) lassen einen ähnlichen Schluss zu – wenn man die Subgruppe jener Patienten auswertete, die moderat erniedrigte Auswurfleistungen (LVEF 40−49 %) hatten.

Unterschiedliche Wirksamkeit bei Männern und Frauen?

Und noch ein interessantes Ergebnis lässt sich aus der REBOOT-Studie ziehen. Denn nach deren Daten wirkt sich die Therapie mit Betablockern bei Männern und Frauen – erstaunlicherweise – unterschiedlich aus. Bei Frauen mit einer leicht eingeschränkten linksventrikulären Auswurffraktion war insgesamt die Häufigkeit von Todesfällen jeglicher Ursache, erneutem Herzinfarkt und Krankenhausaufenthalt wegen einer Herzinsuffizienz unter Betarezeptorenblockern etwa um 30 Prozent häufiger als bei Patientinnen ohne Betablocker-Therapie.

Fazit: Betablocker ja oder nein?

Die aktuellen Studien machen deutlich, dass womöglich nicht jeder Patient nach akutem Herzinfarkt von einer Therapie mit Betablockern profitiert. Unbestritten ist, dass Herzinfarkt-Betroffenen mit deutlich eingeschränkter linksventrikulärer Funktion (LVEF <40%) eine solche Behandlung nutzt. Ist die linksventrikuläre Auswurffraktion jedoch nur leicht eingeschränkt, scheinen vor allem Männer von der Betablocker-Therapie zu profitieren, Frauen dagegen nicht. Ob Patienten mit vollständig normaler linksventrikulärer Pumpfunktion des Herzens (LEV >50 %) nach einem akutem Herzinfarkt von einer Betablocker-Therapie profitieren, bleibt derzeit noch unklar. Auch hier könnte es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen geben.

  • Beta-Blockers after Myocardial Infarction without Reduced Ejection Fraction; NEJM August 2025; DOI: 10.1056/NEJMoa2504735
  • Beta-Blockers after Myocardial Infarction in Patients without Heart Failure; JEJM August 2025; DOI: 10.1056/NEJMoa2505985
  • β blockers after myocardial infarction with mildly reduced ejection fraction: an individual patient data meta-analysis of randomised controlled trials; Lancet August 2025; DOI: 10.1016/S0140-6736(25)01592-2

Experte

Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
Portrait von Prof. Thomas Meinertz

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